Zivilrecht ZIII – April 2015 – 1. Staatsexamen Hamburg, Berlin / Brandenburg und NRW
Nachfolgend erhaltet ihr auch ein Gedächtnisprotokoll der dritten gelaufenen Klausur im Zivilrecht des 1. Staatsexamens in Hamburg, Berlin / Brandenburg und NRW im April 2015. Vielen Dank auch hierfür. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Unsere Adresse lautet examensreport@juraexamen.info. Weitere nützliche Hinweise findet ihr auch hier.
Sachverhalt
M mietet ab Mitte 2013 von E ein Einfamilienhaus. Monatl. Miete 2.500€, Strandweg 5. Bereits einen Tag vor Vertragsabschluss darf M seine Möbel, u.a. sein Klavier iWv 15.000€ in der Wohnung unterstellen.
Da M seinen Job verliert und sich mit der Miete übernommen hat, nimmt er im Oktober 2013 ein Darlehen bei der H-AG auf. 600.000€, monatl. Rate von 1.000€. Zur Sicherung übereignet er der H-AG das Klavier.
Die E will mehrere in ihrem ET stehende Häuser verkaufen. Unter anderem Strandweg 5 und 7. Sie findet in I einen Interessenten. Strandweg 5 ist mit einem blauen Haus bebaut und 3 Mio. € wert. Strandweg 7 ist mit einem roten Haus bebaut und 4 Mio. wert.
E und I einigen sich im Dezember 2013 auf den Verkauf des Grundstücks Strandweg 5 für 3,5 Mio. €. Der KV wird notariell beurkundet, ein paar Tage später wird I auch ins GB eingetragen. I denkt dabei die ganze Zeit, das Grundstück mit dem roten Haus erworben zu haben (Nr.7).
Als I am 15.2.14 bemerkt, dass er das falsche Grundstück gekauft hat, schreibt er E direkt, dass er sich geirrt habe und zurücktrete. Nr. 5 sei niemals 3,5 Mio. € wert und er hätte dieses nie gekauft. Dieses Schreiben kommt jedoch aufgrund eines Postversehens nie bei E an. Dies erfährt I erst am 15.3.14. ER schickt E direkt einen 2. Brief. In diesem erklärt er erneut seinen Rücktritt, es sei denn E könne ihm ein gutes Angebot für Nr. 7 machen. Da E trotz Empfangs nicht reagiert, schickt I am 15.4.14 einen 3. Brief. In diesem wiederholt er den Wortlaut des ersten Briefs. E reagiert weiterhin nicht.
I sucht daher seinen RA auf. Dieser erklärt ihm, dass alleine der Wert des Grundstücks kein Grund zur Loslösung von dem Vertrag darstellt. Daraufhin unterlässt I weitere Schritte.
M ist daraufhin mittlerweile ziemlich pleite. Er bezahlt sowohl die Darlehensraten als auch die Miete für Okt., Nov. Und Dez. 2014 nicht mehr.
Als I am 15.1.15 bei M zu Besuch ist, sind gerade die Mitarbeiter der H-AG dabei, das Klavier für den Abtransport vorzubereiten. I ist der Meinung, ihm stehe das VermieterpfandR an dem Klavier zu.
Frage 1: Hat I am 15.1.15 das VermieterpfandR an dem Klavier?
Frage 2: Zu den von M eingebrachten Möbeln zählt auch ein alter Fernseher iWv 100€. M nutzt ihn v.a. für die Abendnachrichten. Hat I auch ein VermieterpfandR an dem Fernseher?
Abwandlung:
M hatte am 1.5.14 von d zwei österreichische Sammlermünzen geschenkt bekommen. Sie sind jeweils 100€ wert, in Österreich zwar offiziell als Zahlungsmittel zugelassen, aber durch Prägung und Material eindeutig von den Euromünzen zu unterscheiden. D hatte dem N die Münzen vorher gestohlen, was M nicht wusste.
Frage 3: Hat I am 15.1.15 ein VermieterpfandR an diesen Münzen?
So ähnlich auch als Z III in NRW.
Jedoch nur mit zwei Fragen.
1. Steht dem I (in NRW hieß er G) am 15.01.2015 ein VermieterpfandR bzgl. des Klaviers zu?
2. Steht dem G am 15.01.2015 an der Münzsammlung ein VermieterpfandR zu?
Einige Infos zum SV bzgl. der ersten Frage:
(SV bis zur Eintragung des I/G ins Grundbuch korrekt weitergegeben) Dann folgender Hinweis:
I (bzw. G) ist als Eigentümer ins Grundbuch engetragen worden. Als dieser (I/G) einen Monat später bemerkte, dass er das falsche Grundstück erworben hatte (anstelle von Strandweg Nr.7 hat G Nr.5 erworben) erklärte er in seiner ersten Erklärung vom 15.02.2014, dass das Grundstück nicht dem Wert entspricht für das er es erworben hat und somit vom Vertrag ZURÜCKTRETEN (der Begriff Anfechtung /anfechten ist im SV nicht gefallen) wolle.
Einen Monat später, also am 15.03.2014 erklärt der G, dass er vom Vertrag zurücktreten wolle, sofern er das Grundstück nicht teurer verkaufen könne als er es selber erworben hat.
Wiederum einen Monat später, also am 15.04.2015 wiederholt der G in einer dritten Erklärung den Inhalt der ersten Erklärung.
Auf keine dieser drei Erklärungen hat die E geantwortet, woraufhin der G seinen Anwalt einschaltete. Der Anwalt hingegen sagte dem G, dass dieser sich wegen des Wertes des Grundstückes nicht vom Vertrag lösen könne. Daraufhin unternahm der G nichtsmehr.
(Fortsetzung des SV wie oben).
Gibt es eine Lösungsskizze?
Lief gestern als Zivilrecht I in Schleswig-Holstein (Juli 2015).
Könnte jemand eine knappe Lösungsskizze erstellen? Ich habe diese Klausur auch geschrieben, allerdings ist sie meine schlechteste Klausur und darüber wundere ich mich ein wenig, da ich kein schlechtes Gefühl hatte.
Also, für eine Lösungsskizze bin ich zu faul ;).
Ich kann dir nur mal ein paar der Problemschwerpunkte sagen.
1.) Im Rahmen des „Rücktritts“ musste man diskutieren, dass kein Rücktrittsgrund vorlag. Evtl laiengünstige Auslegung als Anfechtung. Dann ist zunächst die Anfechtungserklärung problematisch. Als einseitige empfangsbedürftige WE muss sie zugegangen sein. Die erste Erklärung ist nicht zugegangen, weil sie nicht in den Machtbereich des Empfänger gelangt ist. Die 2. könnte unter einer unzulässigen Bedingung gestanden haben, da will ich mich jetzt nicht aufs gedächtnisprotokoll verlassen. Die 3. ist zwar zugegangen, aber es fehlt am Anfechtungsgrund. Wert der Sache ist keine verkehrswesentliche Eigenschaft. Dieselben Überlegungen gelten natürlich auch für den Zugang einer etwaigen Rücktrittserklärung.
2.) Somit ist I wirksam in den Vertrag gem. §566 eingetreten und Weiterhin Vermieter. Problematisch ist aber, wie es sich auswirkt, dass M sein Klavier zeitlich vor dem Eintritt des I in den Mietvertrag an die B übereignet hat. Mit Eintritt gem. §566 könnte nämlich das Vermieterpfandrecht neu entstehen, zu dem Zeitpunkt handelte es sich aber nicht mehr um eine Sache des M. Vgl hierzu bitte BGH NJW 2014, 3775. Dies war einer der Schwerpunkte der Klausur.
3.) Bei der zweiten Frage war die Unanpfändbarkeit gem §§811, 812 ZPO zu diskutieren.
4.) Problematisch war hier, ob die Sammlermünzen als Geld iSd „935 II“ anzusehen sind. Vgl hierzu bitte BGH JZ 2013, 1111
Ich denke auch ohne Kenntnis dieser Entscheidung war mit guter eigenständiger Argumentation Punkte zu erreichen.
MfG
Könnte es sich nicht auch um einen Inhaltsirrtum handeln?