Zivilrecht ZII – Februar 2013 – 1. Staatsexamen Sachsen
Vielen Dank an Olga für die Zusendung eines Gedächtnisprotokolls zu der im Februar 2013 gelaufenen zweiten Klausur im Zivilrecht in Sachsen. Ergänzungen oder Korrekturanmerkungen sowie Lösungsansätze sind wie immer gern gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Vorab vielen Dank!
Sachverhalt
Teil 1:
L aus Leipzig fährt mit seinem Auto auf der Autobahn A9 in der Nähe von Leipzig. Es fahren auch D aus Dresden und B aus Berlin auf der A9. D fährt das Auto von B, B ist nur Beifahrer. Die beiden Autos kollidieren, indem D auf L auffährt. Der Unfall fand im Gerichtsbezirk Leipzig statt.
Laut dem Sachverständigengutachten betragen die Reparaturkosten für das Auto von B 22.000 Euro. Der Wiederbeschaffungswert eines vergleichbaren Autos beträgt 15.000 Euro. Der Restwert des Autos von B beträgt 4000 Euro.
B findet eine Werkstatt, wo er sein Auto für nur 18.000 Euro reparieren lässt. Beim Unfall hat sich B schwere Verletzungen zugezogen, L und B dagegen nicht.
B erhebt Klage vor dem Landgericht Leipzig. Er verklagt L und die H-AG. Die H-AG stellt die Haftpflichtversicherung des L mit Sitz in Hamburg. B verlangt von L und der H-AG die Reparaturkosten i.H.v. 18.000 Euro für das Auto und Schmerzensgeld i.H.v. 10.000 Euro. Dabei stellt er das Schmerzensgeld dem Gericht zur Entscheidung. Als Beweis fügt B die detaillierte ärztliche Dokumentation hinzu, woraus sich die geschätzte Summe ergibt.
L und H-AG bestreiten die Zuständigkeit vom Landgericht Leipzig. Sie wenden auch ein, dass B keinen Betrag verlangen kann, der im freien Ermessen des Gerichts steht.
Aufgaben:
1. Ist das Landgericht Leipzig für die erhobene Klage des B zuständig?
2. Kann das Gericht über das Schmerzensgeld in seinem freien Ermessen entscheiden?
Teil 2:
Im Prozess sagt B aus, dass L, als er von der rechten Fahrspur auf die linke Fahrspur wechseln wollte, kein Blinklicht anhatte. D sei beim Überhohlen von hinten in das Auto des L gefahren. L sagt aus, dass er das Blinklicht rechtzeitig angeschaltet hat und sich vergewisserte, dass die linke Fahrspur frei vom Verkehr war. Er ist außerdem mit der Geschwindigkeit von 100 km/h gefahren, während D mit einer Geschwindigkeit von 180 km/h fuhr. Laut Sachverständigengutachten können die beiden Varianten dieses Unfalls nicht ausgeschlossen werden.
Des Weiteren berufen sich L und die H-AG auf §§ 6 I Nr. 1 StVG i.V.m. § 1 Autobahn-Richtgeschwindigkeits-Verordnung, wonach an solchen Fahrabschnitten eine Richtgeschwindigkeit von maximal 130 km/h empfohlen wird. D fuhr allerdings mit 180 km/h. Außerdem behaupten L und H-AG, dass es sich bei dem Unfall um ein unabwendbares Ereignis handelte. L und die H-AG sind außerdem nur bereit, 11.000 Euro des Wiederbeschaffungswertes zu zahlen, und verlangen, dass sich B 4000 Euro des Restwertes anrechnen lassen soll.
Aufgaben
3. Ist die Klage von B gegen L und H-AG begründet?
Teil 3:
L erhebt die Widerklage gegen B, D und die M-AG, mit Sitz in München. Die M-AG ist die Haftpflichtversicherung des B. Die Reparaturkosten betragen laut Sachverständigengutachten für das Auto von L 20.000 Euro. Der Wiederbeschaffungswert beträgt 16.000 Euro. Der Restwert des Wagens beträgt 3000 Euro. L hat einen neuen vergleichbaren Wagen für 16.000 Euro erworben, dabei gab er seinen alten Wagen (3000 Euro) in Anzahlung.
L verlangt von B, D, und M-AG den Ersatz der Reparaturkosten i.H.v. 20.000 Euro. B beruft sich darauf, dass die Widerklage unzulässig ist, weil L aufrechnen könne. Außerdem schuldet er L maximal den Wiederbeschaffungswert für den neuen Wagen i.H.v. 16.000 Euro.
Aufgaben:
4. Ist die Widerklage des L gegen B, D und M-AG zulässig und begründet?
Bearbeitervermerk:
Alle Parteien sind vor dem Gericht anwaltlich ordnungsgemäß vertreten. Die Berechnung des Schadensersatzes soll nicht erfolgen. Alle Rechnungsposten beinhalten die Umsatzsteuer.
Auszug aus der Verordnung über eine allgemeine Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen und ähnlichen Straßen:
§ 1 Autobahn-Richtgeschwindigkeits-Verordnung
Den Führern von Personenkraftwagen sowie von anderen Kraftfahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht bis zu 3,5 t wird empfohlen, auch bei günstigen Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen
1.
auf Autobahnen (Zeichen 330.1),
2.
außerhalb geschlossener Ortschaften auf anderen Straßen mit Fahrbahnen für eine Richtung, die durch Mittelstreifen oder sonstige bauliche Einrichtungen getrennt sind, und
3.
außerhalb geschlossener Ortschaften auf Straßen, die mindestens zwei durch Fahrstreifenbegrenzung (Zeichen 295) oder durch Leitlinien (Zeichen 340) markierte Fahrstreifen für jede Richtung haben,
nicht schneller als 130 km/h zu fahren (Autobahn-Richtgeschwindigkeit). Das gilt nicht, soweit nach der StVO oder nach deren Zeichen Höchstgeschwindigkeiten (Zeichen 274) bestehen.
Hat jemand eine Lösung?