Zivilrecht ZI – Mai 2014 – 1. Staatsexamen NRW
Vielen Dank für das Zusenden eines Gedächtnisprotokolls der ersten gelaufenen Klausur im Mai 2014 des ersten Staatsexamens in NRW im Zivilrecht. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
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Sachverhalt
Der Ehemann (M) und die Ehefrau (E) hatten ein Grundstück gekauft und wollten in ihrem Bad Fliesen der Marke X verlegen. Daraufhin traten sie mit der SH-GmbH für Sanitär- und Heinzanlagen in Kontakt. Diese bestand aus dem Geschäftsführer und Alleingesellschafter G.
Nachdem dieser das 20 Quadratmeter große Bad vermessen und Skizzen angefertigt hatte, sandte er den Eheleuten einen schriftlichen und unterschriebenen Vertrag am 07.11.2012 zu. Darin hieß es, dass die Lieferung der Fliesen 500 € betragen und der Einbau 1000 € kosten wird. Die Eheleute waren mit dem Angebot einverstanden und unterschrieben diesen am 13.07.2012. Sie behielten das Original und die SH-GmbH erhielt eine Kopie.
Anfang Dezember fing G mit der Verlegung der Fliesen an. Als die Eheleute nach fertig gestellter Arbeit das Bad besichtigten, stellten sie erschrocken fest, dass die Fliesen eine andere Färbung hatten. Dies ist auf einen unbehebbaren Produktionsfehler zurückzuführen. G hatte dies nicht erkannt, da er mit spärlichem Licht gearbeitet und die Fliesen nicht kontrolliert hatte.
Die Eheleute forderten die SH-GmbH am 07.01.2013 zur Neulieferung, den Ein- sowie den Ausbau der Fliesen auf und setzen der SH-GmbH eine Frist von 4 Wochen. Der G verweigerte dies am 14.07.2013 ausdrücklich und wies darauf hin, dass die SH-GmbH nicht für den Produktionsfehler verantwortlich sei.
Daraufhin kauften die Eheleute Ende Februar 2013 bei dem B neue Fliesen und ließen den B die neuen Fliesen einbauen, sowie die alten Fliesen ausbauen. Dadurch entstanden dem Ehepaar Mehrkosten von 600 € ( 500 € neue Fliesen, 1100 € Verlegung, 500 € Ausbau).
Frage: Können die Eheleute von der SH-GmbH die Mehrkosten verlangen? Es war nach vertraglichen Ansprüchen gefragt.
Abwandlung:
In der Klageerwiderung leugnet der G einen schriftlichen Vertrag und behauptet, dass er die Fliesen aus reiner Gefälligkeit eingebaut hätte.
Frage: Was für (förmliche) Beweismittel haben die Eheleute?
Abwandlung 2:
Da die Eheleute in finanziellen Schwierigkeiten stecken, fährt die E in den Urlaub um sich von dem Stress zu erholen. Der M kommt auf die Idee durch den Verkauf von Sachen Geld zu erzielen. Er benutzt die Ebay Login Daten seiner Frau. Dies hatte er noch nie zuvor gemacht. Die Frau bewahrte ihre Daten in ihrem unverschlossenem Schreibtisch auf. Sie hatte dem M den Aufbewahrungsort aber nie mitgeteilt.
Der M verkauft nun ein Damenfahrrad ( Wert 750 €) an den Höchstbietenden X für 50 €.
Als die E aus dem Urlaub zurück kehrt, ist sie über das Vorgehen ihres Ehemannes verärgert und stimmt dem Verkauf nicht zu, was sie dem X auch schriftlich mitteilt.
Frage: Kann der X von der E 700 € verlangen?
Klassiker. Noch kurz vor der Sperre vom JPA ab Juni so durchbringen…
Was meinst du mit der Sperre? Was wird denn gesperrt?
Schau mal hier den Beitrag vom 7. Mai: Verbraucherschutzrechte sind von Juni bis Feb 2015 gesperrt vom JPA https://www.jura.uni-koeln.de/6010.html?&no_cache=1
Aha deswegen…
Wird es in Niedersachen ebenso sein? Weißt du da zufällig auch Bescheid?
Leider nein. Mal beim örtlichen JPA anklingeln?
Gilt das für gesamt NRW oder nur für das JPA Düsseldorf?
Gibt´s da auch irgendwo eine offizielle Mitteilung des JPA´s?
Wir haben das bei uns nur über den Klausurenkurs und das Repetitorium gehört… eine offizielle Mitteilung habe ich beim JPA direkt nicht gesehen.
unser Rep. meinte, dass man diese Problematik (Frage 1) nun ohne Probleme außen vor lassen kann, da sie auf keinen Fall mehr im Examen abgefragt wird aufgrund Inkrafttretens des neuen Verbraucherprivatrechts zum 14.06.14. Ich hoffe keiner der das gehört hat, hat mitgeschrieben 😀
Siehe Kommentar hier drüber 😉
ich habs gesehen, aber gerade dieser Monat Mai, nun der letzte vor der Sperre hat da etwas Pech gehabt, falls man diese Problematik wirklich außen vor gelassen hat.
Weiß jemand, ob es auch für Niedersachen gilt? Hab leider nix in Erfahrungen bringen können….
Der Witz ist auch eher, dass ich hier eher einen Werkvertrag annehmen würde…
In der zweiten Abwandlung war noch eine Ebay-Klausel eingefügt, in der es hieß, dass bei Missbrauch des Accounts der Account-Inhaber haftet…
hat jemand eine Lösung für die 1.Abwandlung? LG
Spontan hätte ich § 416 ZPO gesagt. Ggf. die Parteienvernehmung nach § 445 ZPO.
Hallo,
welchen Vertragstyp habt ihr hier angenommen? ich dachte erstmal an den 651, dh KaufV, aber G stellt die Fliesen ja nicht selbst her (unterstellt; er vertreibt sie ja nur steht im SV). daher entweder WerkV oder doch Kauf mit Montageverpflichtung als Schwerpunkt, daher KaufV. Für WerkV würde wiederum die Herstellung des Bades als Erfolg sprechen… ich finde immer die Abgrenzung zu Kauf mit Montageverpflichtung als Schwerpunkt schwer. LG
ach sry, mein Fehler. wenn Schwerpunkt die Montage ist, dann handelt es sich ja um einen WerkV. Davon würde ich hier ausgehen. Spricht etwas für einen KaufV?
Die Frage nach der Art des Vertrages habe ich entsprechend dem EuGH offen gelassen und mich mit Blick auf die Gewährleistungsrechte für die §§433 ff.entschieden,sodass eine Selbsvornahme im Kaufrecht geprüft wurde.
Dafür spricht meiner Meinung nach die Art des Mangels der Fliesen(falsche Farbe).
Ich denke aber dass beides vertretbar ist und dass im nachhinein eher ein Wervertrag vorliegt.
Was hat denn der Mangel mit dem Vertragstyp zu tun? Das ist m.M.n. kein Argument. Ich hin der Ansicht, dass hier ein Werkvertrag vorliegt. Dafür sprechen doch das Vermessen usw.. und auch die Verteilung der Kosten.
Bzgl. EUGH: Lässt der nicht die Unterscheidung Werklieferungsvertrag und Kaufvertrag offen, da beide unter die VerbrauchsgüterkaufRL fallen? Und eben nicht die Unterscheidung Werkvertrag/Kaufvertrag?
Der sachverhalt ist unvollständig,
im Originaltext wurde darauf hingewiesen dass der Unternehmer die Fliesen nicht selbst hergestellt hat,sondern sie widerrum bei einem Dritten kaufte,das Ehepaar wählte die Fliesen beim Unternehmer lediglich aus einem Katalog aus.
Zum Vergleich folgende Entscheidung: https://lorenz.userweb.mwn.de/urteile/viiizr375_11.htm
Das Gleiche in Grün,mit dem Unterschied dass der Boden vom Unternehmer hergestellt wurde.
Der Mangel hat etwas mit dem Vertragstyp zu tun, wenn man diesen offen lässt und sagt dass zumindest ein gemischter Vertarg vorliegt,dann wird das Gewährleistungsrecht angewendet in dessen Bereich die Leistungsstörung fällt und das ist hier die falsche Farbe der Fliesen,welche das Ehepaar beim Unternehmer kaufte.
Dass die Verteilung der Kosten für einen Werkvertrag spricht ist mir bewusst,siehe vorherigen Post.
Ich denke dass beides vertretbar ist,
so wie es bei Jura in der Regel der Fall ist.
Das Urteil betrifft doch einen ganz anders gelagerten Fall:
Entscheidung:
Hersteller -.–§ 433 —-> Unternehmer — 631—> Besteller (hier der Verbraucher)
Dort geht es um die Abwicklung des ersten Verhältnisses. Die Klausur hatte hingegen die Abwicklung des zweiten Verhältnisses zum Inhalt, das erste hat hier gar keine Rolle gespielt. Und eben der Inhalt dieses zweiten Verhältnisses war zu bestimmen.
Darüber hinaus sehe ich für die Argumentation mit dem typengemischten Vertrag hier keinen Raum, da sonst jeder Kaufvertrag mit Montagevereinbarung und auch gerade die typischen Fälle des Werkvertrags aufgesplittet werden könnten. Schon mal in einer Falllösung gesehen (also gerade diese Konstellation WerkV/KaufV)? Ich nicht.
M.M.n. liegt hier – unabhängig davon, ob der Unternehmer die Fliesen hergestellt hat – recht eindeutig ein Werkvertrag vor. Dem Ehepaar geht es doch in erster Linie darum, dass ihr Bad von U mit den entsprechenden Fliesen renoviert wird. Dieser Erfolg steht insofern im Vordergrund. Auch die angesprochene Vergütung spricht dafür.
Sicher, mit guter Argumentation, lässt sich was anderes vertreten. Bei dem Sachverhalt war aber sehr wenig Raum dafür.
Dennoch viel Glück! Vielleicht hat es die Korrektoren ja überzeugt.
Was ich damit sagen wollte ist,dass es darum geht ob nun die Besitz-und Eigentumsverschaffung die Montage überwiegt.
1.Das ehepaar bestand auf gelbe Fliesen eines bestimmten Types mit einem bestimmten Namen.
Es ging also zu einem nicht bloß geringen Teil um die verschaffung von Besitz und Eigentum an genau diesen Fliesen.
Die Montage stand nicht unbedingt im Vordergrund.
2.Die Montage von Fliesen ist absoluter Standart und kann als Serviceleistung gesehen werden.
3.Daran ändert auch das 1:2 Verhältniss der Kosten zueinander nichts,denn Fliesen für 500 Eur. für ein 20 Quadratmeter-Badezimmer ist eine stange geld,1000 Eur.für einen Handwerker der Fliesen verlegt hingegen absoluter Durchschnitt.
4.Und wenn es wirklich eindeutig ein Werkvertrag sein sollte,wovon nicht ausgegangen werden darf( denn dann Ständen die kosten womöglich in einem 1:3 verhältnis zueinander) macht das bis auf die Selbstvornahme die man im Kaufrecht analog ablehnt auch keinen großen Unterschied.
5.Bzgl. der Aufsplitterung von Verträgen:
Ein Kaufvertrag mit Montagevereinbarung ist ein typengemischter Vertrag.
Ob ein solcher nun vorliegt bemisst sich wie hier am Einzelfall.
Bzgl 1)
Schon mal ein Bad ausgebaut und irgendwelche Fliesen genommen?
Bzgl. 2 + 3): Montage von Fliesen ist nicht der Standard – und schon gar keine Serviceleistung (siehe Kosten!)
Bzgl. 5.): Das stimmt, er beurteilt sich aber allein nach Kaufvertragsrecht (vgl. § 434 II BGB). Umgekehrt gilt allein Werkvertragsrecht für den Werkvertrag, bei dem eine schon existierende Sache eingebaut wird.
Wenn ich mich richtig entsinne kommt man beim WerkV irgendwann zum Punkt Abnahme – die Eheleute haben sofort gesagt: Nee so nicht! Das machst du neu –> ergo: kein GWLR sondern normales Schuldrecht!