Zivilrecht ZI – Juli 2016 – 1. Staatsexamen Niedersachsen
Nachfolgend erhaltet ihr ein Gedächtnisprotokoll der ersten gelaufenen Klausur im Zivilrecht des 1. Staatsexamens im Juli 2016 in Niedersachsen. Vielen Dank für die Zusendung. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
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Sachverhalt
Der V möchte sich ein E-Bike zulegen. Nach langer Recherche entscheidet er sich für ein besonders hochwertiges Modell im Wert von 3200 €. Der Händler überlässt ihm das E-Bike für nur 3000 € – selbstverständlich unter Eigentumsvorbehalt – gegen fünf Ratenzahlungen.
Nachdem V die ersten vier Raten bezahlt hat, verletzt er sich am Knie und kann das E-Bike kaum noch nutzen. Daher sagt er zu seinem Sohn S: „Ich überlasse dir die Rechte an dem E-Bike, aber gib es nicht weg!“
S, der von dem Kauf unter Eigentumsvorbehalt weiß, freut sich und lässt noch einen Fahrradkorb anbauen (Kosten 300 €), der Gesamtwert des E-Bikes steigt damit um 200 € an.
Im Folgenden wird gegen V ein Strafverfahren eingeleitet, da er des Einbruchs verdächtigt wird. Vor Gericht macht der S eine belastende Aussage gegen den V.
Um den V zu ärgern, veräußert S das E-Bike an seinen Freund F für einen Kaufpreis von 2720 €. F kann jedoch den Kaufpreis nicht aufbringen und nimmt deshalb bei seinem Onkel O ein Darlehen auf. Als Sicherheit übereignet der F dem O das Eigentum am Fahrrad, er darf es aber weiter nutzen. O ist gutgläubig im Hinblick auf die Eigentümerstellung des F.
Später möchte der S mit seiner Freundin eine Fahrradtour machen und fragt den F, ob er sich das E-Bike ausleihen könnte. Um seine finanzielle Situation zu verbessern, entschließt sich S das E-Bike an den T zu veräußern. T ist bösgläubig. Zudem hat T kein Interesse an dem Fahrrad und möchte es nur schnell an den U weiterveräußern.
Da sich das Fahrrad noch bei S befindet, bittet T den S, dass er es gleich an den U übergeben soll. Als U das Fahrrad erhält, ist er begeistert und möchte sich nicht mehr davon trennen.
Erst jetzt hat V die letzte Rate gezahlt. Von den zurückliegenden Vorkommnissen weiß er bis dahin nichts. Dann sieht er den U auf dem E-Bike, woraufhin er S zur Rede stellt.
Hämisch grinsend erzählt S dem V die ganze Geschichte. Erbost verlangt V die Herausgabe des E-Bikes, zumindest wolle er aber sein Geld zurück. Schließlich sehe er nicht ein, warum ein Fremder mit seinem Fahrrad herumfahre, auch S habe das E-Bike aufgrund der Ereignisse nicht mehr verdient.
Der F kann die Darlehensraten an den O nicht mehr bezahlen. O möchte sich aus seiner Sicherheit befriedigen.
V und O fragen Sie als Rechtsanwältin/Rechtsanwalt, wie die Zivilgerichte entscheiden würden:
Welche Ansprüche hat V gegen S?
Kann O die Herausgabe des E-Bikes von U verlangen?
Vorweg: stimmt der Sachverhalt so? Die Angabe mit den Aufwendungen des S wären doch nur für die Frage wichtig, ob S gegen den Händler evt ein ZBR aus 1000 BGB hat und evt aus 273,951 BGB. Aber danach ist ja nicht gefragt. Nun, der O kann das Fahrrad letztlich nicht herausverlangen. Denn in seinen Händen erstarkte das AWR zwar zum Vollrecht- in der Theorie. Jedoch erwarb U gutgläubig vom Nichtberechtigten T lastenfreies Eigentum durch Geheißerwerb, 929 S.1, 932, 936 I BGB. Es liegt kein Fall von 935 I BGB vor. Etwas anderes könnte gelten, soweit 161 I BGB analog Anwendung findet, allerdings ist 161 III, 936 I BGB da wohl spezieller. Welche Ansprüche V gegen S haben soll, erschließt sich mir grad nicht. Mit der Weggabe des AWR hat er jede Position aufgeben, insbesondere kommt kein Anspruch aus 816 I in Betracht, weil V nicht mehr Berechtigter war. Geld zurück aus GoA nicht ersichtlich. Jemand Ideen?
Naja, für V evt ein Anspruch gegen S aus 812 I S.2 1. alt wegen Widerruf einer Schenkung?
V könnte gegen S einen Herausgabeanspruch aus §§ 527, 323, 818ff. haben.
Sicherlich anzusprechen, aber wohl nicht unter das Stichwort subsumierbar. Die Definition lautet: ,,Vereinbarung zwischen dem Schenker und dem
Beschenkten, durch die sich der Beschenkte
zu einer Leistung aus dem Wert des
Geschenks verpflichtet, wobei der Schenker
die Auflage näher konkretisieren kann
.“
Mein Fehler, ein Unterlassen geht wohl auch.
Der Teil mit der belastenden Aussage vor Gericht – trotz Zeugnisverweigerungsrechts – schubst den Bearbeiter ja regelrecht zum Widerruf der Schenkung nach § 530 I BGB