Zivilrecht ZI – Februar 2014 – 1. Staatsexamen NRW
Vielen Dank an Mauritz für die Zusendung eines Gedächtnisprotokolls der im Februar 2014 in NRW gelaufenen ersten Klausur des 1. Staatsexamens im Zivilrecht. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
Sachverhalt
Rentnerin F, die sich durch die gelegentliche Tätigkeit als selbstständige Verkäuferin einen kleinen Zuverdienst zur Rente verdient, kauft am 10.06.2013 bei Autohändler A einen drei Jahre alten Minivan. Im Kaufvertrag wird angegeben, dass der PKW unfallfrei sei. Außerdem wird vermerkt, dass als besondere Ausstattung ein Elektromotor für die Heckklappe vorhanden ist.
Die F benutzt den PKW auch für die Verkaufstätigkeiten, indem sie etwa einmal wöchentlich zu ihren Kunden fährt. Überwiegend nutzt sie das Auto aber für ihre ausgedehnten Freizeitaktivitäten.
Im August 2013 bemerkt F, dass der Fußraum unter dem Beifahrersitz nass wird, sobald F auf regennaser Straße fährt. Der Grund dafür ist ein ein Loch im Radkasten, welches durch einen Steinschlag entstanden ist. Ob das Loch bei Vertragschluss schon vorhanden war, lässt sich nicht ermitteln. Weder dem A noch der F war dies aufgefallen;aufgrund der trockenen Monate Juni und Juli ist der Schaden im August erstmals aufgefallen.
Auch mit dem Elektromotor für die Heckklappe gibt es Probleme. Im August stellt F fest, dass sich die Heckklappe nur noch per Hand öffnen und schließen lässt. Bei Vertragsschluss funktionierte der Motor einwandfrei;die genaue Ursache für den Defekt lässt sich nicht ermitteln.
F fordert im August von A die kostenlose Reparatur. A erwidert, dass F die Reparaturen bezahlen müsse. Bezüglich des Elektromotors läge schon gar kein Mangel vor, da der Motor bei Vertragschluss nachweislich intakt war.
Kann F von A die kostenlose Reparatur von Radkasten und Elektromotor verlangen?
Abwandlung 1:
Die im Grundfall vorhandenen Mängel treten hier nicht auf.
A sagt der F zu, den Wagen für sie anzumelden und am 10.06.2013 zu F nach hause zu bringen.
Als A am 10.06 nicht erscheint, bittet F ihren Ehemann M, sich um die Sache zu kümmern. M ruft bei A an und verlangt im Namen der F sofortige Lieferung. Er setzt A eine Frist bis zum Ablauf des 15.Juni.
Am Nachmittag des 15.Juni bringt A das Auto zu F. Im Beisein des A inspiziert F den Wagen und entdeckt rechts am Heck einen tiefen Kratzer im Lack.
F verweigert die Annahme des Autos und verlangt Rückzahlung des Kaufpreises. A hingegen will den Kratzer beseitigen und das Auto am nächsten Tag zu F bringen.
Kann F Kaufpreisrückzahlung ohne weitere Fristsetzung verlangen?
Abwandlung 2:
F geht auf das Reparaturangebot aus Abwandlung 1 ein. Während A den PKW in seiner Werkstatt rangiert, stößt er aus Unachtsamkeit gegen eine Werkbank. Dabei entsteht am Heck des Autos ein nicht unerheblicher Schaden.
A repariert beide Schäden und bringt den Wagen zu F. Als sie erfährt, dass der PKW durch den Unfall mit der Werkbank einen merkantilen Minderwert von 900 Euro hat, verweigert sie die Annahme des PKW mit der Begründung, dass sie keinen "Unfallwagen" fahren wolle. Sie verlangt von A Rückzahlung des Kaufpreises.
A lehnt die Forderung der F ab und meint, dass F höchstens Zahlung der 900 Euro verlangen könne.
Welche Ansprüche hat F gegen A?
Lief mit kleinen Abweichungen auch in Hamburg
wie habt ihr das bei der zweiten Abwandlung gelöst? Habe gedacht, dass F zurücktreten könnte,da der Wagen ja nun einen erneuten Mangel hat nämlich, dass er nun ein Unfallwagen ist. Bei Gefahrübergang würde ich auch bejahen, weil die F den Wagen ja noch nicht übergeben bekommen hatte, sondern nach der Aufdeckung des Kratzers der Wagen wieder mitgenommen wurde durch A. Das heisst, dass der Gefahrübergang da erst stattgefunden hat.. Und danach wäre dann festzustellen, dass die Nacherfüllung bei einem Stückkauf unmöglich ist, weshalb zwischen A und B ein Rückgewährschuldverhältnis Zug um Zug entsteht. Oder hab ich da irgendwo n Denkfehler? Wie habt ihr das gelöst?
würde ich auch so lösen.
was sich mir nicht ganz erschließt ist die erste abwandlung. dadurch das F nicht annimmt, könnte man doch davon ausgehen, dass A nicht zum bestimmten termin liefert (er ist ja aus 433 verpflichtet mangelfreie sachen zu liefern) und damit die frist verstrichen ist, die M als stellvertreter gesetzt hat und somit A ein normales, nicht über 437, rücktrittsrecht hat. oder seh ich das flasch? ich steh ein wenig aufem schlauch
Und wenn man den Gefahrenübergang verneint bei Abwandlung zwei? Wenn man sagt, dass der Wagen nicht die Kriterien erfüllt, die vereinbart würden, kann sie die Annahme doch verweigern, oder?
ich glaub wir waren auf dem holzweg…habe das urteil gefunden.. und da verneinen die den rücktritt, denn der ursprüngliche mangel also der kratzer sei behoben und der karosserieschaden begründe kein rücktrittsrecht, da man nicht davon ausgehen könne, dass die nacherfüllung fehlgeschlagen ist. Der entstandene Karosserieschaden sei über 280 I zu ersetzen, sprich im Ergebnis, dass die F die 900 Euro annehmen müsste und dann wäre das Ding gegessen…https://autokaufrecht.info/2007/07/beschaedigung-der-kaufsache-im-rahmen-der-nachbesserung/
es könne dahinstehen,
inwieweit das Fahrzeug bei Gefahrübergang tatsächlich mangelhaft gewesen
sei. Denn jedenfalls zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung nach dem
dritten Werkstattbesuch sei der eventuelle Mangel (Probleme beim
Anspringen) unstreitig behoben gewesen, und der nach der
Karosseriebeschädigung verbleibende Minderwert begründe weder ein
Rücktrittsrecht noch einen Schadensersatzanspruch, der zur Rückgabe der
Kaufsache berechtige.
es könne dahinstehen,
inwieweit das Fahrzeug bei Gefahrübergang tatsächlich mangelhaft gewesen
sei. Denn jedenfalls zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung nach dem
dritten Werkstattbesuch sei der eventuelle Mangel (Probleme beim
Anspringen) unstreitig behoben gewesen, und der nach der
Karosseriebeschädigung verbleibende Minderwert begründe weder ein
Rücktrittsrecht noch einen Schadensersatzanspruch, der zur Rückgabe der
Kaufsache berechtige.
es könne dahinstehen,
inwieweit das Fahrzeug bei Gefahrübergang tatsächlich mangelhaft gewesen
sei. Denn jedenfalls zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung nach dem
dritten Werkstattbesuch sei der eventuelle Mangel (Probleme beim
Anspringen) unstreitig behoben gewesen, und der nach der
Karosseriebeschädigung verbleibende Minderwert begründe weder ein
Rücktrittsrecht noch einen Schadensersatzanspruch, der zur Rückgabe der
Kaufsache berechtige.
ich glaube wir waren auf dem holzweg.. habe das Urteil gefunden und da verneinen die einen Rücktritt mit der Begründung, dass der Kratzer (im Urteil n Anlassproblem) ja behoben wurde und die Nacherfüllung nicht dadurch fehlgeschlagen ist, dass der A das Auto beschädigt hat. Der Karosserieschaden begründe weder eine Rückgabe über ein Rücktrittsrecht noch über Schadensersatznormen. Der Karosserieschaden stelle einen Schaden im Rahmen von 280 I dar, weshalb die F tatsächlich nur den Minderwert der 900 Euro fordern darf aber unter keinen Umständen das Auto zurück geben… :s Hier der Link :https://autokaufrecht.info/2007/07/beschaedigung-der-kaufsache-im-rahmen-der-nachbesserung/
Mal wieder eine Lösungsskizze von mir, mit der Bitte um Kritik.
Aufgabe 1:
A. §§ 437 I Nr. 1, 439 I Alt. 1, 433, 434
–> (P) Sachmangel bei Gefahrübergang
–> Verbrauchsgüterkauf iSd § 474 I? (+) vgl. nun auch § 13 n.F.
–> Reichweite der Beweislastumkehr des § 476?
Rspr: nur konkreter Mangel: danach Loch (+), Elektromotor (-)
Arg: weite Auffassung ist europarechtlich nicht geboten
Lit: Vermutung bezieht sich auch darauf, dass Mangel bereits angelegt war.
Arg: Ratio des § 476: Verbraucherschutz; gerade in den Fällen, in denen der Schaden erst später eintritt, steht der Verbraucher gerade vor Beweisschwierigkeiten;
Arg: Wortlaut bezieht sich nicht darauf, dass „der Mangel bereits vorhanden war“, sondern ist weiter gefasst
Arg: die weite Auffassung ist europarechtlich nicht geboten, allerdings lässt die VerbrGKaufRL einen weitergehenden Schutz zu
–> m.M.n. daher h.L wg. Gedanken des effektiven Verbraucherschutz zu folgen.
—> (+)
Abwandlung 1:
A. Anspruch aus §§ 346 I, 440, 437 Nr. 2, 323 I
–> (P) Kratzer als Sachmangel wg. Verletzung der Beschaffenheitsvereinbarung „kein Unfallwagen“ –> (+) auch Lackschäden nach der Rspr. – außer bei Bagatellschaden iSv ganz geringfügigen Lackschäden – eine Verletzung dieser Vereinbarung
–> (P) § 323 I ist nur einschlägig, falls die Leistung (hier die Nacherfüllung) noch möglich ist. Dies könnte mit Blick auf die Beschaffenheitsvereinbarung „Unfallwagen“ problematisch sein. –>Nachbesserung unmöglich? Ja, da wg. merkantilen Minderwert auch bei Beheben des Mangels kein unfallfreier Wagen wird
–> (P) Nachlieferung: § 275 I beim Stückkauf? 1.A. nie 2.A. soweit vertretbare Sache iSd § 92 BGB h.M. nach dem Parteiwillen zu bestimmen–> i.E. (-)
–> Anspruch (-)
B. Anspruch aus §§§§ 346 I, 440, 437 Nr. 2, 326 V (+)
–> ggf. war hier noch anzusprechen, ob ein Fall des § 323 V 2 vorlag, da § 326 V eine Rechtsgrundverweisung darstellt. Wohl (-), da hier eben ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarung die Erheblichkeit indiziert.
–> Anspruch (+)
C. Anspruch aus § 311a (+)
ggf. auch nicht zu prüfen, insoweit ist die Fallfrage etwas unklar.
Abwandlung 2:
Siehe das in den anderen Kommentaren angesprochene Urteil.
–> Ich hätte hier §437 Nr.3, 433, 434 280 I, III, 281/282/283 sowie §§ 437 Nr. 2, 433, 434 323 I/326 V angesprochen und verneint, da kein Mangel bei Gefahrübergang vorlag.
–> dafür Anspruch aus § 280 I (+), die Problematik lag hier bei der Einordnung des Mangelfolgeschaden.