Zivilrecht Z I – Juli 2012 – 1. Staatsexamen Schleswig-Holstein
Vielen Dank an Philipp für die Zusendung eines Gedächtnisprotokolls der im Juli 2012 gelaufenen Klausur im Zivilrecht. Ergänzungen oder Korrekturanmerkungen sind wie immer gern gesehen!
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie
veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Vorab vielen Dank!
Sachverhalt
Diese Aufgabe wurde bereits im Februar 2012 in Rheinland-Pfalz gestellt. Wir berichteten hier bereits darüber!
B verkauft in der Kieler Fußgängerzone, auf einer kleinen Decke, Figuren und Schmuck aus Silberdraht. Kurz bevor sie Feierabend macht, kommt ihre Schwester S vorbei. B bittet die S, doch bitte kurz für sie weiter zu verkaufen, während sie kurz weg muss. Während dieser Zeit kommt die Passantin P vorbei und ist an einer Kette der B interessiert. Sie fragt die S, wie viel die Kette denn koste. S ist kurz verunsichert und schaut auf das Preisschild neben der Kette, auf dem ein Betrag von 5€ ausgewiesen ist. Auf die Nachfrage der P, ob dieser Preis denn so richtig sei, erkennt S die schnörkelige Schrift der B auf dem Schild und bestätigt, dass dies so seine Richtigkeit habe.
P bezahlt bar, S packt die Kette in eine kleine Tüte und übergibt sie der P. P freut sich, so ein günstiges Geschäft gemacht zu haben.
Als P sich schon vom Stand entfernt hat, kommt die B zurück und ist erschrocken als S ihr erzählt, zu welchen Konditionen sie der P die Kette verkauft hat. Die Kette sollte eigentlich 35€ kosten, B hatte sich allerdings auf dem Schild verschrieben.
B eilt der P hinterher und bittet sie zurück zum Stand zu kommen, weil es ein Problem mit der Kette gebe. Daraufhin eröffnet sie ihr, dass die Kette eigentlich 35€ kosten soll, sie sich verschrieben hat und die S auch niemals hätte verkaufen lassen, wenn sie gewusst hätte, dass sie die Kette zu diesem Preis verkaufen würde.
B verlangt nun von der P die restlichen 30€. P weigert sich und ist der Meinung, sie habe die Kette nuneinmal gekauft und sie gehöre jetzt ihr. In dem darauf entfachten Wortgefecht zwischen B und P, packt S schonmal die Sachen der B zusammen um diese in ihr Auto zu bringen. Als sie das erledigt hat, wird es B zuviel. Sie reißt der P die Tüte mit der Kette aus der Hand und rennt mit S zum Auto und fährt davon.
Die P lässt sich aber nicht so leicht abschütteln, springt auf ihr Motorrad und nimmt die Verfolgung auf, stürzt jedoch schon in der ersten Kurve unverschuldet und bricht sich dabei die Hand. Ihr Motorrad erleidet einen Schaden von 500€. P ist Physiotherapeutin, kann wegen der Verletzung für 3 Monate nicht arbeiten. Ihr Nettoverdienst beträgt durchschnittlich im Monat 2.000€. Einen Monat nach dem Unfall wird ihre Praxis jedoch durch einen Brand schwer beschädigt, die Renovierungsarbeiten dauern genau 2 Monate. P kann durch ihre Verletzung auch für 3 Monate nicht Motorrad fahren, hat jedoch einen PKW zur Verfügung, mit dem sie problemlos fahren könnte. Für sie ist Motorradfahren aber ein wichtiges Hobby. Sie fährt es eigentlich fast jeden Tag und nur sehr selten mit dem PKW. Den Nutzungsausfallschaden beziffert sie mit 2.000€ (Die Schadenspositionen sind in dieser Höhe auch nicht zu beanstanden). Des Weiteren verlangt sie die Herausgabe der Kette.
B verlangt die restlichen 30€ für die Kette und verweigert jegliche Ansprüche auf Schadensersatz, Arbeitsausfall oder Nutzungsersatz. Sie könne schließlich nichts dafür, wenn P nicht Motorrad fahren könne.
Welche Ansprüche haben B und P?
Gab es zu all diesen Themen wieder mal aktuelle Entscheidungen oder warum läuft dieser Fall gleich in zwei Bundesländern im Examen?
Ich meine hierzu gibt es eine Entscheidung, allerdings weiß ich nicht welche das ist. Wäre sehr schön, wenn jemand eine Entscheidung angeben könnte!
Was wurde so an Problemen bearbeitet?
Hab den Fall grad mal durchgelöst und komme auf:
Auslegung §§ 133, 157 – Anfechtung der betätigten Innenvollmacht – Anfechtung der Erklärung der S unter Berufung auf Irrtümer des Hintermannes, § 166 II analog – verschiedene Irrtumsarten – dolo agit Einwand – Selbsthilfe § 229 – Herausforderungsfälle i.R.d. § 823 – haftungsausfüllende Kausalität (Reserveursachen/Berufen auf rechtmäßiges Alternativverhalten – entgangene abstrakte Nutzung einer Sache als Vermögensschaden.
@Klaus:twitter
nimmt S nicht eher eine Botenfunktion wahr, weil sie gerade keine eigene
WE abgibt, sondern das Preisschild abliest?
Insofern könnte die WE direkt angefochten werden.
find ich nicht sehr überzeugend. S soll ja verkaufen, also das geschäft abwickeln. D.h. der Vertrag und die Übereignung sollen direkt wirksam werden. Wäre S Botin müsste ja auch die WE der Kundin P erstmal an B weitergegeben werden bevor eine Einigung anzunehmen wäre.
Außerdem liegt ja in der Bezeichnung der Ware mit dem Schild noch gar keine Willenserklärung, die S „überbringen“ könnte, sondern nur eine invitatio ad offerendum. Der Vertrag wird erst durch die folgende Absprache zwischen P und S geschlossen.