Wiederwahl des Bundespräsidenten
Wir freuen uns, einen Gastbeitrag von Sebastian Nellesen veröffentlichen zu können. Der Autor ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Professor Dr. Christian von Coelln, Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Wissenschaftsrecht und Medienrecht an der Universität zu Köln.
Wie ist Art. 54 Abs. 2 S. 2 GG zu verstehen?
Aktuelle Fragen sind ein beliebter Einstieg in das mündliche Prüfungsgespräch. Der aufmerksame (Zeitungs-) Leser wird dabei in den letzten Tagen auf die Äußerungen des Ex-„Superministers“ Wolfgang Clement gestoßen sein, der laut mehreren Presseberichten (s. SZ, Welt oder Spiegel Online um nur einige zu nennen) eine zeitliche Begrenzung der Kanzlerschaft auf maximal zwei Amtszeiten gefordert hat.
Gemäß Art. 63 Abs. 1 GG wird der Bundeskanzler auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestag ohne Aussprache gewählt (bitte nicht auf die Bundesminister übertragen! Art. 64 GG spricht von „ernannt“). Sofern ein Kandidat die sog. „Kanzlermehrheit“ erzielt, wird er vom Bundespräsidenten ernannt. Kommt es zu einer Wahl nach Art. 63 Abs. 4 GG ohne „Kanzlermehrheit“, kann der Bundespräsident gemäß Art. 63 Abs. 4 S. 3 GG diesen ernennen oder den Bundestag auflösen. Eine zeitliche Begrenzung im Sinne einer maximalen Amtsdauer gibt es nicht. Um Clements Vorschlag umzusetzen, müsste also das Grundgesetz geändert werden (zu den Voraussetzungen und Grenzen bei Verfassungsänderungen ist Art. 79 GG zu beachten).
Etwas anderes gilt für das Amt des Bundespräsidenten (für kein anderes oberstes Bundesorgan ist die Wiederwahl geregelt, weshalb es sich anbietet diese Thematik nach dem aktuellen Einstieg zu prüfen). Der Bundespräsident wird nach Art. 54 Abs. 1 S. 1 GG von der Bundesversammlung (diese besteht gemäß Art. 54 Abs. 3 GG aus den Mitgliedern des Bundestages und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern, die von den Volksvertretungen der Länder gewählt werden [das sind nicht zwingend die Abgeordneten des Landesparlaments!]) gewählt.
Im Zusammenhang mit der Wahl des Bundespräsidenten sollte die Regelung in Art. 54 Abs. 2 GG bekannt sein. Satz 1 bestimmt, dass die Amtsdauer fünf Jahre beträgt. Entscheidend ist hier Satz 2: „Anschließende Wiederwahl ist nur einmal zulässig.“ Und schon sind Sie bei einer verfassungsrechtlichen Frage gelandet: Wie ist dieser Satz zu verstehen?
Sicher: Keine dritte, sich unmittelbar anschließende Amtszeit möglich!
Zunächst ist eindeutig, dass drei Amtszeiten hintereinander unzulässig sind. Dies ergibt sich ohne Weiteres aus dem Wortlaut von Art. 54 Abs. 2 S. 2 GG. Zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt die Literatur dann, wenn es um eine dritte Amtszeit mit vorheriger Unterbrechung geht.
Fraglich: Dritte Amtszeit nach Unterbrechung?
Ob eine dritte Amtszeit nach einer zeitlichen Unterbrechung zulässig ist bzw. wie lange eine solche Unterbrechung andauern muss, wird unterschiedlich beurteilt.
Ansatzpunkt könnte zunächst der Wortlaut von Art. 54 Abs. 2 S. 2 GG sein, der eine solche zulässt. Dort steht eben die „anschließende“ Wiederwahl ist nur einmal zulässig und nicht die Wiederwahl an sich. Dem Einwand, dass dies als Höchstgrenze von zwei Amtszeiten zu verstehen sei (die Wortwahl sei sprachlich verunglückt [so Jekewitz, in: Alternativ Kommentar, GG, Loseblatt, Stand 2001, Art. 54 Rn. 8 m.w.N.]), um eine personelle Amtskontinuität zu verhindern, kann entgegnet werden, dass dies bereits durch eine zeitliche Unterbrechung hinreichend gesichert ist. Diese Unterbrechung sollte grundsätzlich eine volle Amtszeit, sprich 5 Jahren betragen (a.A. vertretbar, siehe hierzu Fink, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 54 Abs. 2 Rn. 33). Bei Rücktritt oder Tod des amtierenden Bundespräsidenten sollten ausnahmsweise keine fünf Jahre Unterbrechung verlangt werden, sofern kein Missbrauchsfall, z.B. in Form einer vorherigen Rücktrittsabsprache vorliegt (a.A. insbesondere mit dem Hinweis vertretbar, dass so erst Missbrauchsmöglichkeiten eröffnet werden). Entscheidend wird im Ergebnis sein, dass der Zweck, nämlich die Verhinderung „präsidialer Erbhöfe“ (Nierhaus, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 54 Rn. 21) erreicht wird. Abschließend kann dies nur anhand des konkreten Einzelfalls bewertet werden. Sofern die Voraussetzungen vorliegen, wären eine dritte und auch vierte, (nach erneuter Unterbrechung) sogar eine fünfte und sechste Amtszeit (u.s.w.) zulässig.
Eindeutig: Zweite Amtszeit nach Unterbrechung möglich!
Klarstellend sei darauf hingewiesen, dass eine zweite Amtszeit auch nach einer Unterbrechung zulässig ist. Da sich Art. 54 Abs. 2 S. 2 GG richtigerweise nur auf eine „anschließende“ Wiederwahl bezieht, wären weitere Amtszeiten möglich.
Weitere Aspekte in Bezug auf den Bundespräsidenten, die hier nicht weiter behandelt werden sollen, aber in diesem Kontakt in einer mündlichen Prüfung angesprochen werden könnten und Ihnen bekannt sein sollten, sind u.a. folgende:
- Äußerungsbefugnisse des Bundespräsidenten
- Aufgaben und Zuständigkeiten des Bundespräsidenten
- Prüfungsrecht des Bundespräsidenten (Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG)
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