Waffenrecht im Examen
Das Waffenrecht wird eher selten im Examen abgeprüft. Ein aktueller Fall des VG Bremen (dazu unten) soll aber zum Anlass genommen werden, die „Basics“ zum Waffengesetz überblicksartig darzustellen.
I. Die waffenrechtliche Erlaubnis, § 4 Abs. 1 WaffG
Gegenstand einer Klausur wird regelmäßig die waffenrechtliche Erlaubnis sein. Einen Anspruch auf die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis hat gemäß der Grundnorm aus § 4 Abs. 1 WaffG ein Antragsteller,
- der das 18. Lebensjahr vollendet hat (§ 2 Abs. 1 WaffG),
- die erforderliche Zuverlässigkeit (§ 5 WaffG) und die persönliche Eignung (§ 6 WaffG) besitzt,
- die erforderliche Sachkunde (§ 7 WaffG)
- und ein Bedürfnis nachgewiesen hat (§ 8 WaffG)
- sowie bei Beantragung eines Waffenscheins eine Haftpflichtversicherung mit der erforderlichen Deckungssumme nachweist.
Hervorzuheben unter diesen einzelnen Voraussetzungen ist insbesondere die „Zuverlässigkeit“ (§ 5 WaffG). Dieser Begriff dürfte ja bereits aus dem Gaststätten- und Gewerberecht bekannt sein. Für das Waffenrecht sollte man sich kurz die Systematik des § 5 WaffG vergegenwärtigen: In den Fällen des Abs. 1 wird die Unzuverlässigkeit unwiderlegbar vermutet, während Abs. 2 einen Katalog von sog. Regelunzuverlässigkeitstatbeständen im Sinne einer widerlegbaren Vermutung enthält. In derartigen Konstellationen besteht folglich die Möglichkeit, einen etwaigen Gegenbeweis anzutreten.
Besonders klasurrelevant dürfte insofern vor allem § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG sein. Hiernach ist i.d.R. unzuverlässig auch derjenige , der als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgt oder unterstützt, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind. Nach der Rechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 30.09.2009 – 6 C 29/08) kann es hierfür auch ausreichen, dass solche Bestrebungen in einer nicht verbotenen politischen Partei verfolgt werden. Hier sollten in der Klausur u.a. folgende Argumente genannt werden:
- einerseits Art. 21 GG sowie Gedanke der Einheit der Rechtsordnung (was als Tätigkeit im Rahmen einer Partei gestattet ist, sollte nicht in anderen Gesetzen sanktioniert werden);
- andererseits gibt es auch iÜ Ausnahmen bzw. strengere Vorgaben wie insb. bei Art. 33 GG, Hier ist es zwar nicht eine verfassungsrechtlich besonders ausgeformte Pflichtenstellung des Betroffenen, wohl aber die aus Art. 2. Abs. 2 S. 1 GG herzuleitende allgemeine staatliche Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit, die den Gesetzgeber berechtigt, Gründe für eine regelmäßig anzunehmende waffenrechtliche Unzuverlässigkeit auch im Verhältnis zu Mitgliedern und Anhängern politischer Parteien aufzustellen und auszugestalten; § 5 WaffG ist zudem kein Sonderrecht gegen Parteien, sondern – ähnlich wie das StGB – eine Einschränkung, die für alle Bürger gilt.
Liegen alle Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis vor, so stellt diese grundsätzlich eine gebundene Entscheidung dar, aber es besteht ein Ermessen bzgl. Nebenbestimmungen nach § 9 WaffG. Die Erlaubnis ist ein Dauerverwaltungsakt: Die Erlaubnisvoraussetzungen müssen kontinuierlich vorliegen und in regelmäßigen Abständen von der zuständigen Behörde überprüft werden (vgl. § 4 Abs. 3, 4 WaffG). Die waffenrechtliche Erlaubnis stellt zunächst nur eine allgemeine Erlaubnis dar, die noch nicht zum Umgang mit konkreten Waffen berechtigt. Die Erlaubnis zum Umgang mit einer bestimmten Waffe wird i.d.R. in Form einer Waffenbesitzkarte (regelt nur Erwerb und Besitz – idR unbefristet) und eines Waffenscheins (Führen der Waffe – befristet auf drei Jahre) nach § 10 Abs.1, Abs. 4 WaffG erteilt und ist an inhaltliche Voraussetzungen des § 4 WaffG geknüpft.
II. Rücknahme und Widerruf, § 45 WaffG
Die Voraussetzungen von §§ 4, 5 WaffG werden regelmäßig indirekt im Rahmen eines Widerrufs oder einer Rücknahme der Erlaubnis abgeprüft. Einschlägige Ermächtigungsgrundlage ist hierfür § 45 WaffG als lex specialis gegenüber §§ 48, 49 VwVfG. Dies Systematik des § 34 WaffG ähnelt aber den bekannten Normen der §§ 48, 49 VwVfG, d.h. es wird nach ursprünglich rechtmäßiger bzw. rechtswidriger Erteilung der Erlaubnis differenziert:
(1) Eine Erlaubnis nach diesem Gesetz ist zurückzunehmen, wenn nachträglich bekannt wird, dass die Erlaubnis hätte versagt werden müssen.
(2) Eine Erlaubnis nach diesem Gesetz ist zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine Erlaubnis nach diesem Gesetz kann auch widerrufen werden, wenn inhaltliche Beschränkungen nicht beachtet werden.
Weitere Rechtsfolgen von Rücknahme und Widerruf sind in § 46 WaffG geregelt, insb. die Pflicht zur Rückgabe der Erlaubnisurkunde, Rückgabe oder Vernichtung der Waffe und Munition, etc.
III. Zuständigkeiten und Rechtsschutz
Zuständigkeiten sind in §§ 48 (sachlich) und 49 (örtlich) WaffG i.V.m. der jeweiligen Landesnorm (z.B. § 1 der VO zur Durchführung des WaffG NRW: idR Kreispolizeibehörde) geregelt.
Hinsichtlich des Rechtsschutzes gilt es § 45 Abs. 5 WaffG zu beachten. Danach wird der Suspensiveffekt beseitigt, es liegt also eine Vorschrift iSd § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO vor. Somit kommt als statthafter Antrag im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes ein Antrag nach§ 80 V VwGO in Betracht.
IV. Aktueller Fall des VG Bremen: Widerruf einer Waffenerlaubnis und Waffenverbot gegen NPD-Funktionär
Ein aktuelles Urteil kann zur Vertiefung dieser Grundkenntnisse verwendet werden. Das VG Bremen (Urt. v. 08.08.2014 – 2 K 1002/13) hat hierin über die Rechtmäßigkeit eines Widerrufs einer Waffenrlaubnis und eines Waffenverbots gegen einen NPD-Funktionär entschieden. Das VG Bremen wies die dagegen gerichtete Klage des NPD-Funktionärs ab. Der Kläger habe sich durch seine Tätigkeit als Vorsitzender des Kreisverbandes Bremen-Stadt der NPD als waffenrechtlich unzuverlässig erwiesen. Dem Fall lag der folgende Sachvrhalt zugrunde:
Sachverhalt
Der Kläger, Vorsitzender des Kreisverbandes Bremen-Stadt im Zeitraum 2010 bis 2013, besaß Erlaubnisse zum Besitz von acht Jagdwaffen. Das Stadtamt widerrief diese Erlaubnisse und erteilte zusätzlich ein Verbot, erlaubnisfreie und erlaubnispflichtige Waffen zu besitzen. Waffenbesitzkarte, Waffen und Munition wurden sichergestellt und eingezogen. Zur Begründung führte das Stadtamt aus, der Kläger gehöre der rechtsextremistischen Szene in Bremen an und wirke dort aktiv im NPD-Kreisverband mit. Seit März 2010 sei er Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes Bremen-Stadt. Die NPD sei als verfassungsfeindlich einzustufen. Die waffenrechtliche Erlaubnis sei zu widerrufen, da der Kläger die erforderliche Zuverlässigkeit nicht erfülle. Angesichts seiner verfassungsfeindlichen Bestrebungen biete er nicht die Gewähr dafür, stets in jeder Hinsicht und verantwortungsbewusst mit Waffen und Munition umzugehen. Die Verfügung wurde vom Senator für Inneres und Sport bestätigt.
Der Kläger trug mit seiner Klage u.a. vor, die Entziehung der Waffenerlaubnis sei überwiegend ideologisch begründet. Es mangele an jedem substantiierten Vorwurf gegen den Kläger. Gerade die Unterstützung des Wahlantrittes einer Partei zu einer Landtagswahl belege eine positive Grundhaltung zur freiheitlich demokratischen Grundordnung. Der von der Beklagten verwendete Begriff des „Rechtsextremismus“ sei ohne rechtliche Operabilität. Im Rahmen seines parteipolitischen Engagements nehme der Kläger sein Grundrecht auf Meinungsfreiheit wahr und vertrete mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung vereinbare Positionen, diesen Standpunkt habe er auch innerhalb der Partei zur Geltung gebracht. Die NPD sei eine zugelassene und in ihrer Zielsetzung rechtsstaatskonforme Partei; dies ergebe sich auch aus dem Beschluss des BVerfG von 2003 zum Verbotsverfahren. Der Kläger sei für den Kreisverband zuständig gewesen, nicht jedoch für die Landes- oder Bundespartei; für den Inhalt der Wahlwerbung sei er nicht verantwortlich gewesen und er habe auf die Gesamtpartei keinen Einfluss gehabt.
Lösung des VG Bremen
Eine waffenrechtliche Erlaubnis erfordert insbesondere die Zuverlässigkeit. Das VG bejahte hier den Regelunzuverlässigkeitstatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. a) WaffG. Nach dieser Vorschrift sind regelmäßig solche Personen unzuverlässig, die „einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgen oder unterstützen oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt haben, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind.“ Dieser Tatbestand sei durch die Tätigkeit des Klägers und seine Eigenschaft als Funktionsträger der NPD erfüllt. Es bestehe kein Zweifel daran, dass sich die Aktivitäten der NPD gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten. Unerheblich sei, dass die NPD eine nicht verbotene Partei ist. Für die Annahme einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit reiche ein verfassungsfeindliches Bestreben einer Partei aus, dies sei abzugrenzen von einem verfassungswidrigen, kämpferisch-aggressiven Bestreben, welches Voraussetzung für ein Parteiverbot ist.
Damit liegt das VG Bremen auf einer Linie mit dem VG Weimar (wir berichteten), dass in einer ähnlichen Fallkonstellation im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ebenfalls auf § 5 Abs. 2 Nr. 3 a) WaffG rekurrierte. In seiner Entscheidung führt das VG Weimar hierzu aus:
„Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in § 5 Abs. 2 Nr. 2 und 3 WaffG die bloße Mitgliedschaft in bestimmten Vereinigungen als Regeltatbestand für die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit vorgesehen hat. Dies spricht dafür, dass auch nach dem Willen des Gesetzgebers schon die bloße Mitgliedschaft in einer Vereinigung mit verfassungsfeindlichem Hintergrund als Tatsache gewertet werden kann, die Bedenken gegen die waffenrechtliche Zuverlässigkeit begründen und in derartigen Fällen nicht unbedingt zusätzliche, in der Person des Betreffenden liegende, Umstände hinzukommen müssen. Der allgemeinen Zweck des Gesetzes gemäß § 1 Abs. 1 WaffG, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren und die Allgemeinheit vor den schweren Folgen eines nicht ordnungsgemäßen Umgangs mit Waffen zu schützen, rechtfertigt einen strengen Maßstab. Denn Ziel des Gesetzes ist es, den Umgang mit Schusswaffen und Munition zu begrenzen und den zuverlässigen und sachkundigen Umgang mit Waffen und Munition einschließlich deren sorgfältiger Aufbewahrung zu gewährleisten, um die naturgemäß aus dem Besitz und Gebrauch von Waffen resultierenden erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit einzugrenzen und überwachen zu können. So können etwa auch schon Zweifel für die Verneinung der Zuverlässigkeit ausreichen. Hier hat der Antragsteller aber durch seine Teilnahme an verschiedenen Veranstaltungen die Bestrebungen der NPD, als „Volksfront von Rechts“ die politische Macht zu übernehmen und über den Einzug in die Kerninstitutionen der Demokratie diese selbst abzuschaffen (vgl. Verfassungsschutzbericht S. 16) über seine bloße Mitgliedschaft hinaus unterstützt. Denn die Teilnahme an Veranstaltungen ist für die Gewichtigkeit der Veranstaltung selbst und die der Partei erheblich, vermag sie doch Bedeutung und mithin Einfluss bzw. politische Macht der Partei widerzuspiegeln. Ohne Teilnehmer würden Veranstaltungen nicht durchgeführt werden, demzufolge sind auch die Teilnehmerzahlen für die Berichterstattung in den Medien ausschlaggebend. Die Teilnahme an Parteiveranstaltungen jeglicher Art ist deshalb als Unterstützungshandlung im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3. a) und b) WaffG anzusehen. […] Darüber hinaus dient der Waffenbesitz dem Antragsteller lediglich der Ausübung seines Hobbys, so dass auch aus diesem Grunde nach Auffassung des Gerichts das öffentliche Sicherheitsinteresse höher zu bewerten ist als das Interesse des Antragstellers, als Sportschütze vorerst eigene Waffen und Munition weiter verwenden zu dürfen, zumal er auf Waffen des Vereins zurückgreifen und zumindest damit weiter trainieren könnte.“
Fazit
Das Waffenrecht ist sicherlich nicht sehr häufig Gegenstand von Examensklausuren. Wenn es also ausnahmsweise einmal abgeprfüt wird, dann reichen eine klare Struktur der Argumentation und Systemverständnis für eine überdurchschnittliche Leistung. Vor allem die zuletzt aufgezeigte Fallkonstellation sollte für das Examen im Blick behalten werden, denn hier kann eine beliebte Thematik (nachteilige Maßnahmen wegen NPD-Mitgliedschaft) in einem neuen Gewand abgeprüft werden.
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