VW-Abgasskandal: BGH äußert sich zu Mangel und Ersatzlieferung
Der BGH hat sich – wie in der vergangenen Woche bekanntgeworden ist – zu einem vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeug geäußert (VIII ZR 225/17). Vorläufiges Fazit: betroffene Fahrzeuge weisen wohl einen Sachmangel auf. Da es sich jedoch um einen bloßen Hinweisbeschluss handelt (der Kläger hatte nach einem Vergleich seine Revision zurückgenommen), der am 27.02.2019 auf der Seite des BGH im Volltext veröffentlicht werden soll, wird in der Sache kein Urteil mehr ergehen und der BGH sich nicht mehr zu etwaigen Gewährleistungsansprüchen äußern können; die Rechtsansicht des BGH bleibt damit vorerst eine rein vorläufige. Dennoch lohnt es sich, die knappen Hinweise des BGH näher zu betrachten, auch, da zu erwarten ist, dass untere Instanzen sie ihren Entscheidungen zu Grunde legen werden. Für die gegen VW eingelegte Musterfeststellungsklage hat dies jedoch keine wirkliche Ausstrahlungskraft. Warum sich der BGH zu diesem nicht zwingend notwendigen, überdies öffentlich gemachten Hinweis hinreißen ließ, liegt indes auf der Hand: Der VW-Konzern verfolgt die durchaus nachvollziehbare Strategie, ein Grundsatz-Urteil im Abgasskandal unbedingt zu vermeiden. Der VIII. Zivilsenat hat diese Taktik nun zumindest teilweise durchkreuzt.
I. Sachmangel wohl zu bejahen
In der Sache ging es um die Rechtsfrage, ob dem Käufer eines von VW mit einer bei Übergabe mit einer Abschalteinrichtung versehenen Neuwagens zur Verdeckung erhöhter Stickoxidwerte ein Anspruch auf Ersatzlieferung bei einem Modellwechsel gegen den selbständigen VW-Vertragshändler zusteht. Im Zentrum stand damit die Frage nach dem Vorliegen eines Sachmangels. In Betracht kam ein solcher aus § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB, also die fehlende Eignung für die gewöhnliche Verwendung, die bei Kaufsachen der gleichen Art und Güte üblich ist und die der Käufer nach der Art der Kaufsache erwarten kann. Die in Rede stehende Software reduziert auf dem Prüfstand den Stickoxidaustoß gegenüber dem Fahrbetrieb deutlich. Darin sah der BGH einen Sachmangel, „weil die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde besteht und es damit an der Eignung der Sache für die gewöhnliche Verwendung (Nutzung im Straßenverkehr) fehlen dürfte.“ (PM Nr. 022/2019 v. 22.02.2019). Zum Hintergrund: Das Kraftfahrtbundesamt hatte zuvor verlauten lassen, dass es die Abschalteinrichtung für unzulässig hält. Grund zum Jubeln haben betroffene Käufer dennoch nicht unbedingt, sind doch die meisten Fälle mittlerweile verjährt. Allein bei arglistiger Täuschung wäre dies anders; zu dieser aber wurde höchstrichterlich noch nicht Stellung bezogen.
II. Keine Unmöglichkeit der Ersatzlieferung
Des Weiteren weist der BGH noch auf eine weitere, vorläufige Rechtsauffassung hin: Der Umstand, dass es mittlerweile ein Nachfolgemodell zu dem ursprünglich gekauften Neuwagen gebe, führe nicht zur Unmöglichkeit der Ersatzlieferung im Sinne von § 275 Abs. 1 BGB. Zwar werde das ursprünglich erworbene Modell (VW Tiguan 2.0 TDI) nicht mehr produziert, eine Beschaffung sei deshalb ausgeschlossen. Entscheidendes Kriterium sei aber vielmehr die Höhe des Beschaffungsaufwandes für den Verkäufer. Dieser könne einfach das Nachfolgemodell liefern. Denn: Ein „mit einem nachträglichen Modellwechsel einhergehender mehr oder weniger großer Änderungsumfang [sei] für die Interessenlage des Verkäufers in der Regel ohne Belang […].“ (PM Nr. 022/2019 v. 22.02.2019). Seien die Beschaffungskosten für den Verkäufer zu hoch, könne dieser sich ggf. auf § 439 Abs. 4 BGB berufen (unverhältnismäßige Kosten), nicht aber die Ersatzlieferung über § 275 Abs. 1 BGB generell verweigern. Bei genauerer Betrachtung wir dem Leser jedoch klar, dass diese Möglichkeit gegenüber einem Verbraucher (§ 13 BGB) faktisch wie rechtlich nicht besteht, da die andere Art der Nacherfüllung (Nachbesserung) oftmals unmöglich ist.
Es bleibt also weiterhin spannend.
S. zu weiteren examensrelevanten Problemen des VW-Abgasskandals auch unseren früheren Beitrag (hier abrufbar).
Inwieweit eine Betriebsuntersagung verhältnismäßig zulässig sein kann, kann noch unklar scheinen.