VG Stuttgart: Verweigerung des Schulbesuchs aus religiösen Gründen
Das VG Stuttgart entschied vor Kürzerem, dass Eltern nicht das Recht haben, den Schulbesuch ihrer Kinder aus religiösen Gründen zu verweigern (Urteil v. 01.03.2012, Az. 12 K 718/11).
Sachverhalt (vereinfacht)
Drei Kinder, deren Eltern Mitglieder einer freien Bibelgemeinde sind, dürfen nach dem Willen ihrer Eltern aus religiös motivierten Gründen keine Schule besuchen. Stattdessn werden die Kinder von ihren Eltern zu Hause unterrichtet (sog. Homeschooling). Die zuständige Bezirksregierung wies die Eltern nunmehr per Bescheid an, die Kinder an einer Schule anzumelden. Eine Rechtsgrundlage hierfür fand sich im einschlägigen Landesschulgesetz. Gegen den Bescheid legten die Eltern Widerspruch und anschließend Anfechtungsklage ein. Die Eltern sind der Ansicht, eine derartige Rechtsgrundlage sei verfassungswidrig.
Rechtliche Würdigung
Nach Auffassung des VG Stuttgart war die Durchsetzung der Schulpflicht durch Verwaltungsakt rechtmäßig. Es gebe kein Wahlrecht für die Eltern dahingehend, ihre Kinder, anstatt einer schulischen Erziehung anzuvertrauen, in Heimunterricht zu erziehen, um den Kindern dadurch ihre Glaubensüberzeugung zu vermitteln. Die im einschlägigen Landesschulgesetz normierte Schulpflicht habe ihre Legitimation im verfassungsrechtlich nach Art. 7 Abs. 1 GG verankerten staatlichen Erziehungsauftrag. Die Schulpflicht verletze darüber hinaus weder die grundrechtlich geschützten Elternrechte nach Art. 6 Abs. 2 GG noch die Grundrechte der betroffenen Kinder auf Glaubensfreiheit (Art. 4 GG).
Der staatliche Erziehungsauftrag mit der Pflicht zum Besuch einer Schule erfülle nicht nur den Zweck der Vermittlung von Wissen, sondern auch die Heranbildung verantwortlicher Staatsbürger und ihrer Teilhabe an den demokratischen Prozessen in einer pluralistischen Gesellschaft. Soziale Kompetenz, Toleranz, Durchsetzungsvermögen und Selbstbehauptung könnten nach dem Willen des Landesgesetzgebers insbesondere durch den regelmäßigen Schulbesuch der Kinder in die Realität umgesetzt werden.
Die Eltern brachten hiergegen vor, dass ihre Kinder die soziale Kompetenz im Rahmen ihrer Betätigung in Vereinen sowie im Umgang mit ihren Spielkameraden in gleicher Weise erwerben könnten. Nach Auffassung des VG Stuttgart seien solche Maßnahmen allerdings nicht mit der Regelmäßigkeit des sozialen Kontakts im Rahmen eines Schulbesuchs vergleichbar.
Gleichfalls nicht von Gewicht sei nach dem VG die Berufung der Eltern auf die Erfahrungen in anderen Ländern, die keine Schulpflicht vorsehen. Die mit der Schulbesuchspflicht verbundenen Grundrechtseingriffe stünden nach alledem in einem angemessenem Verhältnis zum staatlichen Erziehungsauftrag,
„denn hinter diesem stehe das Interesse der Allgemeinheit, der Entstehung von religiös oder weltanschaulich motivierten Parallelgesellschaften entgegenzuwirken und Minderheiten auf diesem Gebiet zu integrieren“.
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