Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot: Bußgeld bei fehlenden Winterreifen in der StVO
Das Bestimmtheitsgebot
Über eine interessante Entscheidung im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot, das eine Ausprägung des allgemeinen Rechtsstaatsprinzips nach Art. 20 Abs. 1, Abs. 3 GG darstellt, berichtet die Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf .
Das Bestimmtheitsgebot ist für gewöhnlich nicht verletzt, da sich die meisten Normen wenigstens im Hinblick auf eine verfassungskonforme Auslegung mit Hilfe der Grundrechte bzw. des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auslegen lassen. Eine gewisse Unbestimmtheit ist Rechtsnormen zudem inhärent, da sie gerade abstrakt-generell für eine Vielzahl von Fällen gelten müssen und nicht jeden Einzelfall im Detail erfassen können.
„Winterreifen“ als zu unbestimmter Rechtsbegriff
Beim Urteil des OLG Oldenburg gestaltete es sich Ausnahmsweise anders: Die Normen der §§ 2 Abs. 3a S. 1 und 2 StVO waren nach dem OLG Oldenburg zu unbestimmt und sind demnach wegen Verstoß gegen Art. 20 Abs. 1, Abs. 3 GG verfassungswidrig und damit nichtig. Der Begriff „Winterreifen“ lasse sich mangels technischer Standards nicht anhand der gängigen Auslegungsmethoden konkretisieren.
Da die Eigenschaften von Winterreifen nicht gesetzlich oder technisch normiert sind, und bereits die Kriterien entsprechender Reifentests nicht verallgemeinert sind, sondern von den – privaten – Testern selbst festgelegt werden, ist es auch nicht möglich, die fehlende Eignung bei Eis und Schnee durch Abweichung von Mindestanforderungen an Winterreifen zu definieren. Es bestehen somit weder Material oder Formvorgaben, noch bestimmte Mindestqualitäten (bestimmte Bremswege bei definierten Standardsituationen), bei deren Nichterfüllung ein Verstoß gegen § 2 Abs. 3 a StVO vorläge.
Normverwerfungskompetenz einfacher Gerichte
Das OLG Oldenburg konnte die Verfassungswidrigkeit hier feststellen, da es sich bei der StVO um eine Rechtsverordnung i.S.d. Art. 80 GG handelt. Bei solchen nicht-formellen (also nicht vom Parlament beschlossenen) Gesetzen können die Gerichte zumindest inter partes, also mit Wirkung zwischen den streitenden Parteien und nicht allgemein verbindlich, über deren Wirksamkeit entscheiden.
Im Hinblick auf Gesetze im formellen Sinne liegt die Normverwerfungskompetenz entsprechend der Maßgabe des Art. 100 GG hingegen beim Bundesverfassungsgericht. In solch einem Fall kann das einfache Gericht nicht über die Wirksamkeit von Rechtsnormen entscheiden, sondern muss nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG einen Antrag auf konkrete Normenkontrolle beim Bundesverfassungsgericht stellen.
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