Versammlungsverbot an einem Tag des Gedenkens
Wir freuen uns, einen Gastbeitrag von Marius Marquardt veröffentlichen zu können. Der Autor ist Jurastudent (5. Semester) im Schwerpunktbereich Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Konstanz.
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich ausgehend von einem Sachverhalt mit dem Versammlungsrecht und der Problematik des Verbots einer Versammlung an besonders geschützten Tagen. Neben der Behandlung dieses Problems aus dem besonderen Verwaltungsrecht wird ebenfalls auf den einstweiligen Rechtsschutz gemäß § 80 Ab. 5 VwGO eingegangen.
Zur Aktualität der Problematik sei auf die Entscheidung des Thüringer OVG (3 EO 842/16) hingewiesen.
Sachverhalt
V meldet für seine Vereinigung „ Patriotische Deutsche für das christliche Abendland und gegen dessen Islamisierung“ eine Versammlung von 500 Personen am 09.11. an, bei der diese gegen die Bildungspolitik der Landesregierung Baden-Württemberg protestieren wollen.
Die Vereinigung hat bereits an anderen historisch sensiblen Daten solche Veranstaltungen angemeldet und letztlich doch gemäß ihrer rechtsextremen Gesinnung gegen Geflüchtete oder „die Stigmatisierung der Herrschaft unseres Führers“ demonstriert und die Teilnehmer* haben dies lautstark, insbesondere durch Sprechchöre, kundgetan (dies ist als Verstoß gegen die öffentliche Ordnung zu unterstellen).
Die zuständige Behörde ordnete die Verlegung der Versammlung auf den 10.11. an, sowie die sofortige Vollziehbarkeit (diese ist als formell rechtmäßig zu unterstellen). Zur Begründung führte sie aus, dass an diesem Tag einige bereits genehmigte Veranstaltungen zum Gedenken an die im Rahmen des Naziregimes Ermordeten statt finde. Diesen Marsch würde die Versammlung insbesondere deshalb stören, weil Megafone dieses Gedenken unmöglich machen würden. Außerdem sei wegen anderer, in diesem Jahr bereits erfolgter Versammlung, die ebenfalls geltend machten ein unproblematisches Thema behandeln zu wollen letztlich doch in menschenverachtender Weise gegen bestimmte Gruppen demonstriert worden sei. Aufgrund dessen, dass die Vereinigung die Taten des Unrechtsregimes nicht verurteile, sondern sogar preise, sei das ethische und soziale Empfinden der Gesellschaft verletzt.
Der Verlegungsbescheid erging am 05.11., V fragt, ob die Anrufung eines Gerichts erfolgreich wäre.
Es ist davon auszugehen, dass dem 9.11. wegen der „Reichsprogromnacht“ ein eindeutiger Sinngehalt mit gewichtiger Symbolkraft zukommt.
Gutachten
V könnte sich erfolgreich gegen den Verlegungsbescheid wehren, wenn ein Rechtsmittel zulässig und begründet wäre.
I. Zulässigkeit
1. Verwaltungsrechtsweg
Mangels aufdrängender oder abdrängender Sonderzuweisung, bleibt nur die Generalklausel des § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO. Nach der modifizierten Subjektstheorie liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor, wenn die voraussichtlich streitentscheidende Norm öffentlich-rechtlich ist und dies ist dann der Fall, wenn zumindest auf einer Seite ein Träger hoheitlicher Gewalt als solcher berechtigt oder verpflichtet wird. Diese Norm ist hier § 15 VersG. Dadurch dass diese die Behörde berechtigt, zum Schutze der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit einzugreifen, ist diese öffentlich-rechtlicher Art. Da sich vorliegend keine Verfassungsorgane um Verfassungsrecht streiten, ist der Streit doppelt verfassungsunmittelbar.
Der Verwaltungsrechtsweg ist daher eröffnet.
2. Statthaftes Rechtsschutzmittel
Angesichts dessen, dass die Versammlung innerhalb von 4 Tagen stattfinden soll, bleibt dem V nur der einstweilige Rechtsschutz. Fraglich ist, ob § 123 VwGO oder § 80 Abs. 5 VwGO anzuwenden ist. Dies hängt davon ab, welche Klage im Hauptsacheverfahren statthaft wäre.
Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren. Dadurch dass Versammlungen keiner Erlaubnis bedürfen, will sich V nur gegen die Verlegung der Versammlung richten. Dieser Bescheid könnte ein VA sein. Dadurch dass eine Behörde bezogen auf die konkrete Veranstaltung (Einzelfall) eine Regelung (Verlegungsanordnung) als hoheitliche Maßnahme traf, liegt ein solcher vor.
In der Hauptsache wäre die Anfechtungsklage statthaft, hier ist § 80 Abs. 5 VwGO einschlägig.
3. Antragsbefugnis
Fraglich ist, ob V den Antrag für die Vereinigung stellen kann. Hierfür müsste er durch Art. 8 GG geschützt sein. Die Vereinigung ist eine inländische juristische Person. Gemäß Art. 19 Abs. 3 finden die Grundrechte hier entsprechend Anwendung, soweit sie ihrem Wesen nach anwendbar sind. Dadurch dass Art. 8 GG gerade die gemeinsame Versammlung schützt, ist dieses Grundrecht auf diese Vereinigung anwendbar, da sonst die dahinterstehenden natürlichen Personen ihr Grundrecht nicht effektiv ausüben könnten.
Als Adressat eines belastenden VA ist die Vereinigung antragsbefugt, da zumindest eine Verletzung der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG möglich erscheint.
4. Rechtsschutzbedürfnis
Streitig ist, ob ein Vorverfahren nach § 80 Abs. 4 erforderlich ist. Dadurch dass § 80 Abs. 6 dies nur für einen bestimmten Fall anordnet (Anforderung von Kosten und Abgaben), ist davon auszugehen, dass dies nicht der Fall ist.
Problematisch ist außerdem, dass V keinen Widerspruch eingelegt hat. Ob dies erforderlich ist, ist umstritten. Angesichts dessen, dass die Erforderlichkeit zu einer Verkürzung der Widerspruchsfrist führen würde (statt einem Monat hätte V hier nur wenige Tage Zeit), ist dies abzulehnen. V muss keinen Widerspruch einlegen. Das gleiche gilt für die Erhebung der Anfechtungsklage, auch diese ist daher entbehrlich. Nach der anderen Ansicht wäre die Klage nicht unzulässig, Widerspruch und/oder Anfechtungsklage müssten nur bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erhoben werden.
5. Antragsgegner, Beteiligten- und Prozessfähigkeit
Richtiger Antragsgegner ist der Rechtsträger der Behörde (§ 78 VwGO analog). Die Beteiligten- und Prozessfähigkeit ergibt sich für die Vereinigung aus §§ 61 Nr. 1, 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO.
II. Begründetheit
Der Antrag ist begründet, wenn die Vollzugsanordnung formell rechtswidrig ist, oder das Aussetzungsinteresse des Einzelnen das öffentliche Interesse an der Vollziehung überwiegt. Letzteres ist der Fall, wenn sich in einer summarischen Prüfung [Anm.: Dies bedeutet keinesfalls eine nur oberflächliche juristische Prüfung sondern nur ein Absehen vom Grundsatz des Vollbeweises. Im ersten jur. Examen ist dies daher von geringer Bedeutung.] ergibt, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist (am Vollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein öffentliches Interesse bestehen) oder dass kein besonderes Vollzugsinteresse besteht.
1. Formelle Rechtmäßigkeit der Vollzugsanordnung
Die Anordnung ist formell rechtmäßig, wenn die Behörde in der Begründung die wesentlichen Gründe für die Ermessensentscheidung im Einzelfall von der Regelwirkung der aufschiebenden Wirkung der Rechtsmittel abzuweichen angegeben hat, wobei nicht nur die Ausführungen des Hauptverwaltungsakts wiederholt werden dürfen. Da die Argumentation dennoch eine ähnliche sein kann, sind grundsätzlich keine zu hohen Anforderungen zu stellen.
Hiervon ist laut Sachverhalt auszugehen.
2. Rechtmäßigkeit des Bescheids
a) Ermächtigungsgrundlage
Beim Eingriff in ein Grundrecht ist eine Ermächtigungsgrundlage erforderlich (Vorbehalt des Gesetzes, Wesentlichkeitstheorie).
Alle Deutschen haben gemäß Art. 8 Abs. 1 GG das Recht, sich ohne Anmeldung zu versammeln. Einschränkungen sind nach Art. 8 Abs. 2 GG nur durch oder auf Grund eines Gesetzes und nur für Versammlungen unter freiem Himmel zulässig. Eine Versammlung läge bei der Zusammenkunft von mindestens zwei Personen (str.) vor, die damit den Zweck verfolgen, an der öffentlichen Meinungsbildung teilzunehmen (str.). Entgegen dem Wortlaut ist „unter freiem Himmel“ keine Begrenzung nach oben, sondern eine zu Seite. Es kommt darauf an, ob die Veranstaltung von allen Menschen erreicht werden kann (öffentlich ist) oder ob sie nur einem bestimmten Personenkreis zugänglich ist. Hier möchte V in der Stadt demonstrieren und somit liegt eine Versammlung unter freiem Himmel i.S.d. Art 8 Abs. 2 GG vor, da sowohl bei Zugrundelegung der Absichten die die Stadt unterstellt wie auch derer, die V vorträgt die Meinungsbildung beeinflusst werden soll.
Mangels Versammlungsgesetz des Landes bleibt nur das Bundesrecht. Hier kommt als Ermächtigungsgrundlage für Verbote oder Auflagen nur § 15 VersG in Betracht. Einschlägig könnte § 15 Abs. 2 Nr. 1, 2 VersG sein. Dieser spricht von Gedenkstätten, also Orten. Angesichts des Vorbehalts des Gesetzes scheidet eine Ausdehnung auf Gedenktage aus. Somit durfte die Behörde nur gemäß § 15 Abs. 1 VersG ein Verbot oder eine Auflage erteilen, wenn die öffentliche Sicherheit oder Ordnung unmittelbar gefährdet ist.
b) Formelle Rechtmäßigkeit
Mangels Sachverhaltsangaben ist davon auszugehen, dass die zuständige Behörde gemäß den Verfahrensvorschriften (insbesondere: Anhörung des V) den VA gemäß den Formvorschriften erlassen hat, er formell rechtmäßig ist.
c) Materielle Rechtmäßigkeit
Eine Versammlung i.S.d. § 15 Abs. 1 VersG liegt vor. Des Weiteren müsste eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bestehen. Unter der öffentlichen Sicherheit versteht man die gesamte objektive Rechtsordnung, alle subjektiven Rechte sowie die Einrichtungen des Staates. Anhaltspunkt für eine Verletzung dieser Rechtsgüter liegen nicht vor.
Jedoch kommt eine Verletzung der öffentlichen Ordnung in Betracht. Dies ist die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln, die nach den herrschenden sozialen und ethischen Anschauung unerlässliche Voraussetzung für ein geregeltes Zusammenleben in einer Gesellschaft sind und mit dem Grundgesetz zu vereinbaren sind. Soweit einem bestimmten Tag ein eindeutiger Sinngehalt mit gewichtiger Symbolkraft zukommt, so darf bei einer Versammlung dieser Sinngehalt nicht in einer Weise angegriffen werden, die gleichzeitig die soziale und ethische Anschauung in erheblicher Weise verletzt (vgl.: BVerfG 6 C 1/13). Dieses Gedenken würde empfindlich gestört werden, wenn diese Veranstaltung von Reden via Megafon begleitet würde. Durch die Veranstaltung droht ein „Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes“ (BVerfG 1 BvQ 22/01) sodass Bürger eingeschüchtert werden können. Auch ein provozierendes Verhalten der Teilnehmer erscheint zumindest möglich. Die öffentliche Sicherheit ist daher betroffen.
Fraglich ist, ob eine Gefahr für die öffentliche Ordnung vorliegt. Darunter versteht man einen Sachverhalt, der bei ungehinderter Fortentwicklung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden an der öffentlichen Ordnung führt. Je höher der Wert des geschützten Rechtsguts, desto eher liegt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit vor. Bei der Beschränkung der Versammlungsfreiheit muss beachtet werden, dass die Gefahr nicht von der geäußerten Meinung selbst abhängen darf, sondern von der Art und Weise der Durchführung (BVerfGE 1 BvQ 9/01). Zur Art der Durchführung gehört auch die Wahl des Datums. Hiervon kann eine provozierende Wirkung ausgehen, denn es wird gezeigt, dass die Vereinigung „Patriotische[r] Deutsche[r] für das christliche Abendland und gegen dessen Islamisierung“ als rechtsextreme Vereinigung auch an solchen Daten demonstrieren kann. Des Weiteren ist das Verhalten der Vereinigung, die für ihre Veranstaltungen regelmäßig historisch sensible Daten wählt, rechtsmissbräuchlich. Der Vortrag, es sei eine bloß zufällige Häufung stellt sich als Schutzbehauptung dar, die auf Grund der tatsächlichen Durchführung bereits erfolgter Veranstaltungen nicht zu überzeugen vermag. Zwar wird ein allgemeinpolitischer Grund vorgeschoben, dieser ist jedoch wenig glaubhaft, sodass hier davon ausgegangen werden kann, dass die Versammlung eine eindeutig gegen das Gedenken gerichtete Stoßrichtung hat. Etwas anderes könnte sich nur ergeben, wenn die Gründe nicht vorgeschoben wären/ es hierfür nicht ausreichend Anhaltspunkte gäbe, denn dann wäre zu befürchten, dass eine von der, von den Teilnehmern vertretenen Meinung abhängige Entscheidung vorläge, was mit den grundsätzlichen Wertentscheidungen des Grundgesetzes (z.B. Meinungsfreiheit, Gleichbehandlungsgrundsatz) unvereinbar wäre. Dadurch dass die Vereinigung dies früher bereits getan hat und dabei die Art und Weise der Durchführung gegen die öffentliche Ordnung verstieß, ist die Gefahr auch keine bloße Unterstellung, sondern stützt sich auf Tatsachen. Das Argument, dass so jede Veranstaltung rechtsextremer Vereinigungen an historisch sensiblen Daten verhindert werden könne und insbesondere in der Rechtsprechung Anklang findet (vgl.: VG Trier 1 K 180/12.TR), ist nicht tragfähig: Wenn bei jeder Veranstaltung dieser Vereinigung an einem solchen Termin eine Gefahr für die öffentliche Ordnung vorliegt, kann sich aus dem ständigen rechtswidrigen Verhalten keine Besserstellung dieser Vereinigung ergeben. [Anm.: a.A. hier gut vertretbar; sofern man eine Gefahr für die öffentliche Ordnung ablehnt, sollte hilfsgutachtlich weiter geprüft werden.]
Fraglich ist des Weiteren, ob eine Auflage oder ein Verbot vorliegt, denn es ist umstritten, ob eine Gefahr für die öffentliche Ordnung ein Verbot oder nur Auflagen rechtfertigen kann. Im Brockdorf-Entschluss hatte das BVerfG entschieden, dass Verbote von Versammlungen nur zum Schutz wesentlicher Rechtsgüter in Betracht kommen. Eine bloße Gefährdung der öffentlichen Ordnung genüge regelmäßig nicht. Später ergänzte es diese Ansicht um den Aspekt, dass ein Verbot bei der Gefahr für die öffentliche Ordnung nur in Betracht kommt, wenn nicht auf die Meinung selbst (dann wären die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG zu beachten) sondern auf Art und Weise der Durchführung abgestellt wird. Insbesondere bei Veranstaltungen an Tagen, die dem Gedenken an den Holocaust oder allgemein dem Unrecht im Nationalsozialismus dienen sollen, sei auch bei einer Gefahr für die öffentliche Ordnung ein Verbot denkbar, die Einzelfallmaßnahme muss aber dem Gebot der Verhältnismäßigkeit gerecht werden. Daher kann eine Gefahr für die öffentliche Ordnung auch eine Verbot rechtfertigen und eine Abgrenzung der Verlegungsverfügung ist hier entbehrlich.
Fraglich ist, ob die Maßnahme im Rahmen des Ermessens der Behörde lag. In Betracht kommt hier ein Verstoß gegen die Verhältnismäßigkeit. Ein legitimer Zweck liegt in der Verhinderung der Gefahr für die öffentliche Ordnung. Die Verlegung ist geeignet dies zu erreichen, da an anderen Tagen, die nicht dem Gedenken dienen Meinungsäußerungen durch Megafone nicht geeignet sind die ethischen und sozialen Anschauungen zu stören. Die Maßnahme müsste aber auch erforderlich sein. In Betracht kommt etwa die Auflage, keine Megafone zu benutzen. Dies schränkt jedoch die Meinungsäußerung stark ein, da die Sprechenden dann von den Teilnehmern nicht mehr gehört werden können. Ob diese Maßnahme daher milder ist, kann stark bezweifelt werden. Außerdem sind Sprechchöre der Teilnehmer ebenso wahrscheinlich und kaum zu verhindern, stören das Gedenken aber ebenso. Eine mildere Maßnahme als die Verlegung gab es daher nicht. Im Rahmen der Angemessenheit ist insbesondere zu beachten, dass sich die Verfügung eher als Auflage darstellt. Die Wahl eines in naher Zukunft liegenden Datums betrifft weniger das Ob der Veranstaltung, sondern vielmehr das Wie [Anm.: wenngleich diese Abgrenzung oben nicht relevant war, so ist eine Auflage natürlich eher gerechtfertigt, als ein Verbot]. Die Veranstaltung wird nicht vollständig verboten, es wird lediglich eine Regelung in Hinblick auf die Zeit der Versammlung vorgenommen. Dadurch dass die erlaubte Versammlung der nicht gestatteten stark ähnelt und ohne weiteres wiedererkannt werden kann, wird nicht der Kern der Versammlung verändert. Auch indem die Veranstaltung direkt auf den nächstmöglichen Termin verlegt wird, an dem keine Störung der öffentlichen Ordnung vorliegt, ist die Maßnahme angemessen.
c) Besonderes Vollzugsinteresse
Dadurch dass wegen der rechtshemmenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage eine tatsächliche Verlegung nur durch die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit erreicht werden kann, liegt das besondere Vollzugsinteresse vor.
Der VA ist formell und materiell rechtmäßig.
III. Ergebnis
Der zulässige Antrag ist unbegründet, er hat keine Aussicht auf Erfolg.
Literatur:
Detterbeck, Steffen: Allgemeines Verwaltungsrecht
Kopp, Ferdinand; Schenke, Wolf-Rüdiger: VwGO Kommentar (insbes. § 80)
Pieroth, Bodo; Schlink, Bernhard; Kniesel, Michael: Polizei und Ordnungsrecht (insbes. §§ 20ff.)
*Zur besseren Lesbarkeit wird nur die männliche Form verwendet, es ist stets auch die weibliche gemeint.
„Da sich vorliegend keine Verfassungsorgane um Verfassungsrecht streiten, ist der Streit doppelt verfassungsunmittelbar.“
***nicht
Da der Streit doppelt verfassungsunmittelbar ist, ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. Nur wenn er dies nicht ist, sind sie nicht zuständig.
Wenn ein Streit NICHT doppelt verfassungsunmittelbar ist, ist der Rechtsweg nach §40 I S. 1 VwGO eröffnet.
Ja, stimmt … Das „nicht“ hat gefehlt.
„Die Vereinigung ist eine inländische juristische Person“?
Eine Wiederherstellung einer aufschiebenden Wirkung sollte eventuell grundsätzlich die Einlegung eines Rechtsbehelfes erfordern?
Das polizeirechtliche Merkmal „öffentliche Ordnung“ scheint umstritten und weithin eher nur als Reserve gegenüber „öffentlicher Sicherheit“ anerkannt. Das kann grundsätzlich zuerst nähere Erwägungen zu „öffentlicher Sicherheit erfordern. Das leichte Übergehen von „öffentlicher Sicherheit“ bei umfangreicher Erörterung allein von „öffentlicher Ordnung“ kann danach problematisch bleiben. Im gebildeten Fall können noch Anknüpfungspunkte für öffentliche Sicherheit näher erwägbar bleiben: eventuelle Gefahren bezüglich § 15 I Nr. 2 VersamG, § 130 IV StGB, Kollektivbeleidigung, allgemeine Persönlichkeitsrechte von Opfern des Nationalsozialismus, jüdische Religionsfreiheit, Versammlungsfreiheit anderer, möglich beeinträchtigter Kundgbungen o.ä.
Ein Verbot für den 9.11. kann rechtmäßig scheinen. Eine Umlegung genau allein auf 10.11. kann fragwürdig rechtmäßig bleiben (warum nicht 8.11., 12.11. etc.?).
Zunächst danke für die Anmerkungen.
Der Hinweis, dass die Vereinigung ein e.V. oder ähnliches ist fehlt im Sachverhalt. Dies müsste an dieser Stelle eingefügt werden, ich habe dies bei der Erstellung übersehen.
Den zweiten Satz verstehe ich nicht
Anhaltspunkte für Straftaten bietet der Sachverhalt nicht. Kurze Ausführungen zu einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit wären wohl aber nicht falsch.
Auch die Erwägung andere Daten in Betracht zu ziehen (zumindest etwa im Rahmen einer etwaigen Anhörung) erscheint sinnvoll, doch die Verlegung muss natürlich auf einen bestimmten Tag erfolgen, sodass dies die Schwelle zur Rechtswidrigkeit wohl nicht überschreiten würde, Erörterung hierzu wären aber sicher nicht falsch.
– Der zweite Satz bezieht sich darauf, dass im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung unter dem Prüfungspunkt Rechtschutzbedürfnis ausführlich begründet ist, dass die Einlegung eines Rechtsbehelfes in der Hauptsache, wie Widerspruch oder Anfechtungsklage, entbehrlich sei, was nicht unproblematisch scheinen kann.
– Wenn eine Vereinigung, wie laut Sachverhalt hier, in der Vergangenheit bereits „gegen die Stigmatisierung der Herrschaft des Fühers“ demonstriert hat etc. und nun ausgerechnet an einem Tag besonderer Bedeutung und besonderen Gedenkens für (jüdische) Opfer des Nazionalsozialismus entsprechend demonstrieren möchte, scheint nicht völlig fernliegend, dass dadurch die Würde von (jüdischen) Opfern des Nazionalsozialismus in besonderer Weise betroffen sein kann etc. Dies eventuell sogar strafgesetzllich in vielleicht noch näher erörterungswürdiger Weise.
– Warum muss eine behördlich bestimmende Verlegung eines bestimmten Tages erforderlich sein?
-Ob ein Vorverfahren bei Eilanträgen erforderlich ist, ist ja eher ein Klassiker. Ich habe mich dort kurz gehalten und nur die vertretene Ansicht begründet.
-Eine Verletzung der öff Sicherheit zu erörtern ist sicher nicht falsch.
-Die Behörde kann der Vereinigung ja nicht sagen „wir erlauben euch eine Versammlung zu diesem Zweck an einem beliebigen Tag.“ sie muss m.E. daher ein konkretes Datum wählen.
– Dass es weiter streitig diskutabel bleiben kann, inwieweit für die Zulässigkeit in Eilverfahren eine Einlegung von Rechtsbehelfen in der Hauptsache erforderlich ist, war bereits zugestanden. Die hiesige Kritik dazu kann also unklar berechtigt sein.
– Die Behörde kann eine Versammlung für eine konkrete Zeit untersagen. Problematisch kann bleiben, inwieweit sie, ohne Weiteres, eine andere Zeit erlaubend festlegen kann oder muss. Eventuell kann dies ein Begehren auf Klägerseite übersteigen. Versammlungen sollen doch grundsätzlich (einer vagen, eventuell unrichtigen Erinnerung nach) eher nur einer Anzeige und keiner Erlaubnis bedürfen o.ä.
Sonst könnte eventuell eher nur eine Verpflichtungsklage, etwa auf Neubescheidung, hinsichtlich einer Erlaubnis und § 123 VwGO im Eilrechtsschutz statthaft sein?
Ja, da hast du Recht.
Mir erscheint das bloße Verbot, einer an sich nicht gegen die öff Sicherheit verstoßen den Versammlung als unangemessen.
Eventuell wäre den Interessen am besten gedient, wenn die Behörde die Versammlung grundsätzlichan einem anderen Tag genehmigt, jedoch hierfür eine rechtzeitige Terminierung und Rechtmäßigkeit voraussetzt.
Der vorgegebene Sachverhalt scheint nahe von Schutz-, Verbots-, Rechtsinteressen etc. und damit öffentlicher Sicherheit im Polizeirecht zu liegen.
Wenn hier nichts und niemand hinreichend rechtswidrig betroffen sein soll, kann fraglich bleiben, wie dabei etwas für ein
gesellschaftliches Zusammenleben Unerläßliches im Sinne von
öffentlicher Ordnung im Polizeirecht einschlägig sein kann. Wie soll etwas ohne hinreichende Interessenbetroffenheit o.ä. im Sinne von öffentlicher Ordnung im
Polizeirecht gesellschaftlich unerläßlich sein können?
Die öffentliche Ordnung garantiert, dass in angemessener Weise an einem solch besonders geschützten Tag der Opfer gedacht werden kann.
Es ist ausreichend, wenn Tatsachen vorliegen, die eine eindeutig gegen das Gedenken gerichtete Stoßrichtung erkennen lassen und diese sich gerade in der Art und Weise der durchführung und nicht nur in der Meinung äußert.
Dies verstößt gegen die öffentliche Ordnung. Daher
kann die Versammlung verboten/verlegt werden.
Das scheinen eher Behauptungen als Begründungen. Die Frage
war: wieso soll etwas durch öffentliche Ordnung als gesellschaftlich
unerläßlich garantiert sein, wenn keine Rechtsinteressen o.ä.
hinreichend berührt sind? Ein Gedenken muss zumindest einer
grundrechtlich geschützten Handlungsfreiheit unterfallen. Nur soll es
hierbei zunächst nicht hinreichend rechtswidrig sein und daher
grundsätzlich rechtmäßig und nicht hinsichtlich öffentlicher Sicherheit
zu verbieten sein. Wieso soll es im Rahmen von öffentlicher Ordnung
dennoch hinreichend rechtswidrig und untersagbar sein?
Bimbam, wer Deine Beiträge verfolgt, stellt schnell fest, dass du ein sogenannter Troll bist. Es zeugt nicht von Seriosität, im zwanzigfachen Konjunktiv zu fabulisieren.
Dies scheint allerdings ebenfalls weniger seriöse Antwort auf aufgeworfene Fragen o.ä. Erfahrungsgemäß folgen auf eher einfache, teils ungewohnte Fragen abseits eines vorgegeben durchzusetzenden Maintreams, welche manchmal etwas schwerer beantwortbar sein können, meist Verunglimpfungs- und von Vernebelungsversuche etc. Es kann damit eine Frage bleiben, auf welcher Seite sich eher sogenannte Trolls befinden?
Bereits die Verletzung der öff Ordnung genügt füdie Rechtfertigung der Maßnahme. Wenn private Rechtsgüter betroffen wären, wäre man im Bereich der öff Sicherheit.
Würde man den Begriff der öff Ordnung so auslegen, wie vorgeschlagen, wäre dieses Merkmal m.E. überflüssig. Von einer solchen Intention des Gesetzgebers kann nicht ausgegangen werden.
Bei der Verletzung der für das gesellschaftliche Leben unerlässlichen Regeln ist eine konkrete Gefahr für einzelne nicht erforderlich.
Es reicht die abstrakte Gefährdung – hier des Gedenkens.
Das scheint eine Endlosdiskussion im Kreis. Nur wenn nichts und niemand in Rechtsinteressen betroffen sein soll, wonach soll sich hierbei eine gesellschaftliche Unerläßlichkeit solchen Gedenkens o.ä. klar bestimmbar bemessen? Wenn nichts und niemand betroffen ist, kann dies grundsätzlich doch ebenso gerade eher für Erläßlichkeit sprechen, weil nichts und niemand hinreichend beeinträchtigt scheinen kann, wenn etwas im Widerspruch hierzu stehen soll. Wie soll eine rein abstrakte Gefährlichkeit, hinsichtlich solchen Gedenkens o.ä., ohne Grundrechtsberührung denkbar sein können?