Im Examen ist ein Verständnis für die systematischen Zusammenhänge unerlässlich. Allerdings kommt man hin und wieder nicht um das Auswendiglernen gewisser Lerninhalte herum. Die folgenden 10 Eselsbrücken und Merktipps aus dem Bereich Zivilrecht sollen als Anregung dazu dienen, in der Examensvorbereitung kreativ zu sein und sich beim Lernen verschiedenster Gedächtnistechniken zu bedienen.
I. Ex nunc und ex tunc – wie man sich lateinische Begriffe einprägt
Bereits im ersten Semester des Jurastudiums hat man es mit zahlreichen lateinischen Begriffen zu tun. So auch mit den Bezeichnungen ex nunc und ex tunc. Sie beschreiben ab welchem Zeitpunkt eine bestimmte Rechtswirkung eintritt.
„ex nunc“ (deutsch: ab jetzt) bezeichnet die Wirkung nur für die Zukunft, d.h. die Wirkung tritt von nun an ein.
„ex tunc“ (deutsch: von damals an) bezeichnet die Wirkung ab einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit, d.h. die Wirkung tritt rückwirkend ein.
II. Einwilligung, Genehmigung, Zustimmung – wie unterscheidet man diese drei Begriffe?
Die Legaldefinitionen der Begriffe Einwilligung, Genehmigung und Zustimmung finden sich zwar in den §§ 182 ff. BGB. Es kann aber trotzdem hilfreich sein, diese drei Begriffe sofort – ohne nachzuschauen – unterscheiden zu können. Zum Beispiel, wenn einer der Begriffe in einer anderen Norm wie § 107 BGB (Einwilligung des gesetzlichen Vertreters) auftaucht.
Merkwort: „EG“ wie Erdgeschoss
Erklärung:
Das „E“ (für Einwilligung) steht vorne, d.h. eine Einwilligung wird im Vorfeld für ein Rechtsgeschäft erteilt.
Das „G“ (für Genehmigung) steht hinten, d.h. eine Genehmigung wird nachträglich erteilt.
„Z“ (für Zustimmung) bleibt übrig – das ist der Oberbegriff.
III. Abtretung – wer ist Zedent und Zessionar?
Bei der Abtretung einer Forderung nach § 398 BGB unterscheidet man bei den Parteien zwischen Zedenten und Zessionar:
Zedent (= alter Gläubiger) ist derjenige, der die Forderung an einen anderen abtritt.
Zessionar (= neuer Gläubiger) ist derjenige, auf den die Forderung übertragen wird.
Merkhilfe: Das „d“ (Zedent) kommt im Alphabet vor „s“ (Zessionar), d.h. der Zedent tritt seine Forderung an den Zessionar ab.
IV. Kommanditist und Komplementär – wer haftet wie?
Bei Kommanditgesellschaften unterscheidet man zwei Arten von Gesellschaftern (§ 161 Abs. 1 HGB):
Kommanditisten haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nur bis zur Höhe ihrer Einlage unmittelbar und nicht mit ihrem Privatvermögen. Sie haften also nur beschränkt.
Komplementäre hingegen haften auch mit ihrem Privatvermögen, also unbeschränkt.
Merksatz: Der Komplementär haftet komplett, d.h. er haftet unbeschränkt.
Im Umkehrschluss haftet der Kommanditist nur beschränkt.
V. Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter – Prüfungsschema
Prüfungsschemata sollten nicht auswendig gelernt werden, sondern verstanden werden. Dies gilt vor allem für Schemata, die sich aus dem Gesetz herleiten lassen. Allerdings gibt es auch Ausnahmen: Beispielsweise wurde der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter aufgrund richterlicher Fortbildung des dispositiven Rechts entwickelt, sodass sich die einzelnen Voraussetzungen nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben. In einem solchen Fall bietet es sich an, das Schema auswendig zu lernen.
Schema:
1. Leistungsnähe des Dritten
2. Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten
3. Erkennbarkeit für den Schuldner
4. Schutzbedürftigkeit des Dritten
Merkwort: LIES
Auch hier gilt: Das Prüfungsschema sollte in erster Linie verstanden werden. Wer die einzelnen Voraussetzungen nicht nachvollzogen und ihren Inhalt nicht verstanden hat, wird sich schwertun, aus den einzelnen Buchstaben des Merkwortes die jeweiligen Prüfungspunkte abzuleiten.
VI. Zulässigkeit der Klage im Zivilprozess – wie ein GPS weiterhelfen kann
Ein weiteres Beispiel für die Zulässigkeitsvoraussetzungen im Zivilprozess:
Merksatz: Mit einem GPS navigiert es sich leichter durch die prozessualen Vorschriften.
Erklärung:
1. Gerichtsbezogene Voraussetzungen (Zivilrechtsweg, sachliche und örtliche Zuständigkeit)
2. Parteibezogene Voraussetzungen (Partei- und Prozessfähigkeit, Prozessführungsbefugnis)
3. Streitgegenstandsbezogene Voraussetzungen (ordnungsgemäße Klageerhebung, keine anderweitige Rechtshängigkeit, keine entgegenstehende Rechtskraft, Rechtsschutzbedürfnis)
Die Anfangsbuchstaben der Oberbegriffe ergeben das Wort „GPS“. Aus den Oberbegriffen lassen sich die einzelnen Prüfungspunkte herleiten. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass man sie nachvollzogen und verinnerlicht hat, denn: In Jura führt kein Weg am Verständnis vorbei.
VII. Mahnbescheid und Vollstreckungsbescheid – Widerspruch oder Einspruch?
Im Mahnverfahren (§§ 688 ff. ZPO) unterscheidet man zwei Bescheide, die dem Schuldner zugestellt werden:
Mahnbescheid: Sofern der Gläubiger beim zuständigen Amtsgericht einen ordnungsgemäßen Mahnantrag stellt, erlässt das Gericht einen Mahnbescheid gegen den Schuldner. Dagegen kann der Schuldner Widerspruch einlegen (§ 694 Abs. 1 ZPO).
Vollstreckungsbescheid: Zwei Wochen nach Zustellung des Mahnbescheids kann der Gläubiger einen Vollstreckungsbescheid beantragen, der ihm einen vollstreckbaren Titel verschafft. Dagegen kann der Schuldner Einspruch einlegen (§ 700 Abs. 3 ZPO).
Die Begriffe Widerspruch und Einspruch können leicht miteinander verwechselt werden. Gut, dass es folgende Merkhilfe gibt: Mahnbescheid – Widerspruch (umgedrehtes M = W).
VIII. Arrest und einstweilige Verfügung – was sichert welche Ansprüche?
Die ZPO unterscheidet im vorläufigen Rechtsschutz zwischen Arrest (§§ 916 ff. ZPO) und einstweiliger Verfügung (§§ 935 ff. ZPO). In beiden Fällen geht es um die Sicherung eines gefährdeten Anspruchs. Allerdings sichern sie unterschiedliche Arten von Ansprüchen:
Der Arrest dient der Sicherung von Zahlungsansprüchen.
Die einstweilige Verfügung dient der Sicherung von sonstigen Ansprüchen.
Merkhilfe: Arrest = Zahlungsansprüche
IX. Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit einer Zeugenaussage
Im Rahmen der Beweiswürdigung einer Zeugenaussage vor Gericht sind insbesondere die Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit zu beurteilen. Diese Begriffe dürfen aber nicht miteinander verwechselt werden, da sie verschiedene Aspekte betreffen:
Die Glaubhaftigkeit bezieht sich auf den Inhalt der Aussage.
Die Glaubwürdigkeit bezieht sich auf die Person des Zeugen.
Merkhilfe: Die Würde des Menschen ist unantastbar (Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG).
Die Würde (Glaubwürdigkeit) bezieht sich auf den Menschen (Person).
X. Repetitio est mater studiorum – warum Wiederholung die Mutter des Lernens ist
Ein letzter Tipp noch: Auch die besten Eselsbrücken und Merksätze sollten regelmäßig wiederholt werden. Nur durch Wiederholung wandert Wissen ins Langzeitgedächtnis. Dies sollte während der gesamten Examensvorbereitung unbedingt beachtet werden.