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Schlagwortarchiv für: Zschäpe

Tom Stiebert

Diskussion um den NSU-Prozess – Jura vs. Politik

Aktuelles, Schon gelesen?, Startseite, StPO, ZPO

Der Aufruhr ist groß: Politiker jeglicher couleur – vom türkischen Premier Recep Erdogan bis zum CDU-Außenpolitiker Philipp Mißfelder – kritisieren die Sitzplatzvergabe beim in Kürze beginnenden NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe und vier Mitangeklagte in München. Auch die Medien wie bspw. die türkische Hürriyet oder auch die BILD äußern harsche Kritik an den Vergabemodalitäten. Aber auch juristisch versierte Kreise äußern starke Zweifel an der Sitzplatzvergabe durch das sog. Windhundprinzip und fordern zumindest eine Übertragung in Nebenräumen.

Dennoch erscheint die Kritik oftmals eher politisch denn juristisch motiviert zu sein. Der Beitrag möchte aus diesem Grund eine Übersicht über die juristischen Fragen der Sitzplatzvergabe für Zuschauer und Medien in Gerichtsverhandlungen geben.

I. Sachverhalt

Was ist eigentlich genau passiert? In München beginnt am 17. April der NSU-Prozess – teilweise reißerisch als „Jahrhundertprozess“ bezeichnet (so SPD- Innenexperte Dieter Wiefelspütz in der „Berliner Zeitung“; das OLG-München widerspricht dagegen einem solchen Superlativ). Stattfinden wird der Prozess im Schwurgerichtssaal A 101 des OLG, dem bestgesicherten Saal dieses Gerichts. Vergeben werden dabei 50 Journalistenplätze sowie weitere 50 Plätze für Zuschauer. Daneben sind 71 Nebenkläger sowie 49 Anwälte beteiligt. Die Vergabe der Zuschauerplätze erfolgt jeden Verhandlungstag aufs Neue nach dem Windhundprinzip (Prioritätsprinzip) – die ersten Anwesenden werden also eingelassen. Auch Journalisten können hierbei Einlass begehren. Hingegen wurden die Journalistenplätze bereits im Vorfeld vergeben. Auch hier wurde der Zeitpunkt der Anmeldung per Mail oder Fax berücksichtigt. Bereits drei Stunden nach Beginn der Meldefrist waren dabei die 50 festen Plätze vergeben, so dass eine Nachrückerliste eröffnet wurde, auf der sich nun insgesamt 73 Medienvertreter befinden. Dabei fällt auf, dass sich unter den 50 registrierten Medienanstalten keine türkischen Medien befinden.

II. Rechtliche Bewertung

Ausgangspunkt der juristischen Betrachtung muss der § 169 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sein, der eine öffentliche Verhandlung vorschreibt (§ 169 S. 1 GVG), Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung aber untersagt (§ 169 S. 2 GVG). Jede Person muss also die reelle Möglichkeit haben, als Zuhörer am Prozess teilzunehmen (BGH NStZ 1982, 476; BGH NStZ 1989, 1741; BVerfG NJW 2002, 814).

1. Sitzungssaal zu klein

Der Bundesgerichtshof stellt aber gleichwohl klar, dass die vorhandenen Kapazitäten eine natürliche Grenze des Zugangsrecht darstellen (BGH NJW 1977, 157). (Hier zeigt sich eine Parallele zum Zugangsrecht bei öffentlichen Einrichtungen im Kommunalrecht.) Das Gericht ist auch nicht gezwungen zusätzliche Kapazitäten zu schaffen (BeckOK StPO/Allgayer, § 169 GVG, Rn. 7). Insbesondere Sicherheitsmaßnahmen können zu einer Absenkung der Zuschauerplätze führen. Unzulässig ist es lediglich einen so kleinen Verhandlungssaal zu wählen, in welchem eine Teilnahme Dritter ausgeschlossen ist (bspw. das Richterzimmer; BeckOK StPO/Allgayer, § 169 GVG, Rn. 7).

Gegen diese Vorgaben verstößt das OLG München offensichtlich nicht. Hier wurde ein verhältnismäßig großer Verhandlungssaal gewählt, der insbesondere auch die erforderlichen Sicherheitsanforderungen erfüllt.

2. Vergabe der Plätze willkürlich

Hauptkritikpunkt ist freilich die Vergabe der Plätze selbst. Hier ist zwischen den Plätzen für die eigentliche Öffentlichkeit (unmittelbare Öffentlichkeit) und Journalistenplätzen (die zu einer mittelbaren Öffentlichkeit führen) zu differenzieren. Bei den Zuschauerplätzen ist eine Vorreservierung generell unzulässig (BGHSt 26, 99). Die Vergabe muss hier also zwingend an Anwesende erfolgen; einziges objektives Kriterium kann dabei der Zeitpunkt der Ankunft am Sitzzungssal sein. Zur Wahrung der Übersichtlichkeit ist es aber zulässig, Einlasskarten zu verteilen (BeckOK StPO/Allgayer, § 169 GVG, Rn. 7). Eine Vorabvergabe der Zuschauerplätze, aber auch die Berücksichtigung einer Quote für türkische Staatsangehörige würde damit gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit verstoßen. Ebenso wäre es auch unzulässig, türkische Politiker oder Botschafter bevorzugt zu berücksichtigen.

Davon zu unterscheiden ist die Sitzplatzvergabe für Medien. Hier ist eine Reservierung eines bestimmten Pressekontingents zulässig (BGH NJW 2006, 1220; BVerfG NJW 2003, 500). Dies verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit, sofern eine ausreichende Anzahl von Plätzen auch für Nichtpressevertreter freigehalten wird. Ein besonderes Recht auf Bereitstellung von Presseplätzen besteht hingegen nicht (MüKo ZPO/Zimmermann, § 169 GVG, Rn. 51; vgl. auch BVerfGE 50, , ; NJW 2001, ). Daraus ergibt sich auch, dass die Medien denselben Beschränkungen unterworfen sind wie einfache Zuhörer. Dies hat zur Folge, dass die Auswahlkriterien übereinstimmend gewählt werden müssen. Stets ist auch hier das Prioritätsprinzip zu wahren. Lediglich dann, wenn dessen Beachtung aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist, ist eine zufällige Vergabe (Losverfahren) möglich (BGH NJW 2006, 1220).

Fraglich ist allerdings, ob eine besondere Quote für ausländische Medien nicht geboten oder sogar zwingend wäre. Zwingend kann diese keinesfalls sein; das Gesetz unterscheidet nicht zwischen besonderen Arten der Öffentlichkeit; vielmehr gibt es vor, dass jeder potentielle Prozesszuschauer gleichberechtigte Chancen zum Zugang haben muss. Allerdings wäre eine Quotierung dann geboten, wenn hierdurch Ungleichheiten ausgeglichen würden. Die Anmeldung für Medien sollte hier per Mail oder Fax erfolgen. Im Gegensatz zum Postversand zeigen sich dabei keine Unterscheide zwischen in- und ausländischen Absendern. Eine Antwort binnen kurzer Zeit wäre folglich auch den türkischen Medienvertretern möglich gewesen. Es sind auch keine weiteren Anhaltspunkte ersichtlich, die gegen eine solche Reaktionsmöglichkeit sprechen; insbesondere wird nicht behauptet, dass die Medieninformation allein in deutscher Sprache oder sehr kurzfristig erfolgt sei, sodass nichtdeutschen Medien eine Antwort faktisch unmöglich war. Aus diesem Grund scheidet eine besondere Behandlung ausländischer Medien als unzulässig aus. Gerade dies würde dem Grundsatz der Öffentlichkeit aus § 169 GVG widersprechen.

Das Gericht hat hier sachliche Kriterien angewandt, um eine gleichberechtigte Auswahl zwischen allen potentiellen Prozesszuschauern zu treffen. Eine Benachteiligung ausländischer Medien (wie bspw. bei einer Anmeldung per Post oder ausschließlich in deutscher Sprache) ist hier nicht ersichtlich. Insofern scheidet ein Verstoß gegen § 169 GVG aus.

3. Vergabe von Nachrückplätzen

Kritisiert wurde zudem, dass auch Nachrückplätze (beim Fehlen von registrierten Medien) nach dem Prioritätsprinzip vergeben werden und hierbei nicht der Wunsch des Nichterscheinenden beachtet wird. Auch dies ist aber nach dem GVG zwingend. Öffentlichkeit ist ohne Ansehung der Person herzustellen und jeder Beteiligte ist gleich zu behandeln. Wird aber die Vergabe ins Ermessen Dritter gestellt, so führt das dazu, dass gerade keine rein objektiven Kriterien mehr angewandt werden. Das Gericht hat damit keine andere Möglichkeit, als das Prioritätsprinzip strikt durchzuhalten und auch auf Nachrückplätze anzuwenden.

4. Übertragung in zusätzlichen Saal

Auf Grund der erwarteten zu geringen Kapazitäten des Sitzungssaals wird zudem gefordert, eine Übertragung für Zuschauer und Medienvertreter in einen weiteren Sitzungssaal zu ermöglichen. Klar ist nach dem oben Gesagten, dass eine solche Übertragung von § 169 S. 1 GVG keinesfalls gefordert wird (auch nicht im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 GG BVerfG – NJW 1993, ). Vielmehr genügt es, wenn ein durch faktische Grenzen beschränkter Personenkreis die Möglichkeit zur Teilnahme hat.

Fraglich ist aber, ob ein solches Vorgehen zumindest rechtlich möglich wäre. Ein klares Meinungsbild zu dieser Frage existiert nicht. Fest steht nur, dass eine Prüfung anhand des § 169 S. 2 GVG geboten ist. Diese Vorschrift verstößt auch nicht gegen Art. 5 Abs. 1 GG (BVerfG Urteil vom 24.01.2001 – 1 BvR 2623/95, 622/99, NJW 2001, 1633). Eine Übertragung scheidet jedenfalls dann aus, wenn die Wahrheitsfindung durch eine solche Übertragung leiden würde (MüKo ZPO/Zimmermann, § 169 GVG, Rn. 33). Roxin hingegen hält eine solche Übertragung für zulässig und vergleicht sie mit der Öffnung einer Zwischentür im Sitzungssaal (Roxin, Strafverfahrensrecht § 45 A). Bedenken bezüglich einer solchen Erweiterung ergeben sich insbesondere daraus, dass das Gericht damit die Einhaltung des Veröffentlichungsverbots aus § 169 S. 2 GVG nur noch schwer überwachen kann (MüKo ZPO/Zimmermann, § 169 GVG, Rn. 33; so auch BGH DRiZ 1971, 207). Jedenfalls sind deshalb Maßnahmen vorzunehmen, um auch in dem zusätzlichen Sitzungssaal die Ordnung zu wahren, da hier das Gericht keinen unmittelbaren Einfluss mehr hat. Die Übertragung darf keinesfalls zu einer Art Kinovorführung verkommen, führte dies sonst dazu, dass der Prozess den Charakter eines Schauprozesses erhalten würde. Jedenfalls muss also gewährleistet sein, dass die Übertragung den gleichen Charakter wie der eigentliche Prozess hat – nur dann ist das Bild der sich öffnenden Schiebetür zutreffend. Dies erscheint problematisch, sodass eine solche Übertragung zumindest starken rechtlichen Bedenken unterliegt.

III. Rechtsfolgen

Sollte der Grundsatz der Öffentlichkeit verletzt sein – was nach der hier vertretenen Ansicht gerade nur durch eine gesonderte Berücksichtigung nichtdeutscher Medien und möglicherweise durch eine Übertragung in andere Gerichtssäle eintreten würde – liegt ein absoluter Revisionsgrund nach § 547 Nr. 5 ZPO (Anm. bzw. hier § 338 Nr. 6 StPO) vor. Das Gericht ist also gut beraten, hier trotz der politischen Brisanz allein eine juristische und nüchterne Betrachtung vorzunehmen und nicht dem Druck diverser Medien nachzugeben.

IV. Fazit

Für eine mündliche Prüfung ist die gezeigte Diskussion absoluter Pflichtstoff. Aber auch darüber hinaus gehört es wohl zur juristischen Allgemeinbildung, diese Diskussion zu verfolgen. Gerade eine rein juristische Vorgehensweise könnte hier sehr nützlich sein, um etwas Feuer aus der Diskussion zu nehmen. Dies würde im Ergebnis auch dem Prozess selbst dienen, der in einer aufgeheizten Atmosphäre nur sehr schwer geführt werden und nicht zur erwünschten Aufklärung führen kann.

Statt populistische Forderungen zu stellen, wäre die Politik gut beraten, nicht weiter Öl ins Feuer zu gießen, sondern sowohl national als auch international zu erklären, warum die Sitzplatzvergabe durch das OLG München juristisch absolut korrekt und zwingend war. Einige Politiker gehen hier bereits mit gutem Beispiel voran. Letztlich liegt der Sitzplatzvergabe durch das OLG München der Gedanke zugrunde, dass alle Personen und Medien gleich sind und damit gleich zu behandeln sind – unabhängig aus welchem Land sie stammen. Dem wird wohl niemand ernsthaft widersprechen können.

04.04.2013/53 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2013-04-04 15:00:452013-04-04 15:00:45Diskussion um den NSU-Prozess – Jura vs. Politik
Tom Stiebert

Die Kronzeugenregelung nach § 46b StGB

Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT, Verschiedenes

Im Zuge der Ermittlungen zur Aufdeckung der Straftaten der rechtsextremen Terroristengruppe NSU taucht in den letzten Tagen vermehrt der Begriff der Kronzeugenregelung in der medialen Diskussion auf. Was hat es mit dieser Begrifflichkeit aber überhaupt auf sich und welche Voraussetzungen und Folgen sind hieran geknüpft? – diese Fragen möchte der nachfolgende Beitrag klären.
I. Kronzeugenregelungen im Recht
Das Strafrecht kennt mehrere verschiedene Kronzeugenregelungen. Die Begrifflichkeit stammt laut Wikipedia vom englischen Terminus „to give evidence for The Crown ”, also für die Krone (= den Staat) als Zeuge aussagen. Zu verstehen ist darunter ein besonderer Zeuge der Anklage, der aber gleichzeitig Mittäter oder anderweitig Beteiligter ist. Durch seine Aussage zulasten der Angeklagten wird eine Verurteilung dieser Personen bzw. eine Aufklärung weiterer Verbrechen ermöglicht. Im Gegenzug führt dieses Verhalten allerdings auch dazu – und gerade deshalb ist es auch besonders glaubhaft – dass der Zeuge sich auch selbst belastet – ein Verhalten, dass er nach § 55 StPO nicht zeigen müsste. Als Anreiz für ein solches Verhalten wird dem Kronzeugen im Gegenzug allerdings eine Strafmilderung versprochen – beide Parteien versprechen sich von diesem Verhalten somit Vorteile.
Die Probleme, die damit verbunden sind, liegen freilich auf der Hand: Allein die Belastung eines anderen kann nicht dazu führen, dass eigene Straftaten grds. milder bestraft werden, denn dies hätte zur Folge, dass der allein Handelnde diese Privilegierung nie genießen würde, während ein in einer Organisation eingebetteter Täter privilegiert würde. Zudem besteht im Regelfall auch kein sachlicher Grund für eine Privilegierung – das Verhalten bezüglich der weiteren Taten hat keinen Einfluss auf die Tat und Motivation der Aussage kann gerade auch sein, sich selbst vor Strafe zu schützen. Eine Distanzierung von der eigenen Tat ist dann hierin nicht zu erkennen.
Dessen ungeachtet können Fälle existieren, in denen eine Kronzeugenregelung erforderlich ist, insbesondere dann, wenn ansonsten schwere Straftaten gar nicht aufgeklärt werden könnten. Hier steht die Justiz vor dem Dilemma, dass beide Möglichkeiten, Nichtbestrafung durch Beweisnot oder Anwendung Kronzeugenregelung, rechtspolitische Problem aufweisen. Dennoch ist die Zubilligung einer Kronzeugenregelun weniger problematisch anzusehen als die Nichtbestrafung von Tätern aufgrund nicht vorlegbarer Beweise.
Aus diesem Grund existieren auch im deutschen Recht einige spezialgesetzlich geregelte Kronzeugenregelungen – diese sollen aber eine Ausnahme darstellen und sind restriktiv auszulegen, um die aufgezeigte Problematik möglichst zu minimieren.
Im Bereich der Drogenkriminalität ist die Aufklärung von Straftaten oft problematisch, sodass § 31 BtMG eine spezielle Kronzeugenregelung enthält.
Eine weitere spezielle Regelung war in § 261 Abs. 10 StGB a.F. enthalten, wurde aber mit Wirkung zum 1.9.2009 aus dem Gesetz entfernt.
Die Entfernung wurde möglich, weil mit Wirkung zum 1.9.2009 mit § 46b StGB ein spezieller „Kronzeugenparagraph“ in des Gesetz aufgenommen wurde, der für alle schweren Straftaten nach § 100a Abs. 2 StPO  gleichermaßen gilt und damit auch die Geldwäsche erfasst.
II. Speziell § 46b StGB
Die Voraussetzungen dieser Normen sollen an dieser Stelle kurz beleuchtet werden.
1. Straftaten des Kronzeugen
Die Kronzeugenregelung greift nur für solche „Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist“. Ausgeschlossen sind damit nach der Gesetzesbegründung nur die Straftaten der einfachen Kriminalität; die mittlere und schwere Kriminalität ist hingegen erfasst, denn ansonsten würde der Zweck der Kronzeugenregelung zu weit ausgedehnt.
2. Zu offenbarende Straftaten
Die Norm soll für alle Straftaten nach § 100a Abs. 2 StPO und damit für alle schweren Straftaten gelten. Nur in diesem Bereich ist eine Kronzeugenregelung überhaupt erforderlich und besteht ein besonderes Interesse des Staates an der Aufklärung, welches Grund für die Gewährung der Kronzeugenregelung ist. Ein allgemeines Denunziantentum soll nicht geschaffen, sondern nur die Aufklärung schwerwiegender Straftaten erleichtert werden.
Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Kronzeuge Beteiligter der offenbarten Tat ist. Die Regelung im Gesetz ist bewusst weit ausgestaltet (BT-Drucks 16/6268 S. 10, 12;  BGHSt 55, 153). Auch ein Zusammenhang mit den eigenen Taten ist nicht erforderlich.
3. Freiwilliges Offenbaren des Wissens
Die Kronzeugenregelung kann nur dann zur Anwendung kommen, wenn die Handlung und Aussage freiwillig erfolgt. Nur dann ist eine Privilegierung des Handelnden geboten. Was darunter zu verstehen ist, wird durch die Rechtsprechung des BGH konturiert. Zurückgegriffen werden kann hierbei auch auf die Rechtsprechung zu § 31 BtMG.
Der BGH legt dazu dar (BGHSt 55, 153):

„Freiwilligkeit ist nach der insoweit auf § 46b StGB übertragbaren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 31 BtMG dann gegeben, wenn sich der Beschuldigte frei zur Offenbarung entschließen kann; unfreiwillig handelt hingegen, wer meint, nicht mehr anders handeln zu können.“

Die Grenzen sind aber sehr weit ausgestaltet. Freiwilligkeit soll nicht bereits dann ausgeschlossen sein, wenn eine Zeugnispflicht besteht, denn auch hier ist der Handelnde noch Herr seiner Entscheidung.
4. Aufdeckung einer Straftat (Nr. 1) oder Verhinderung einer Straftat (Nr. 2)
Notwendig ist eine Aufklärungs- oder Verhinderungshilfe, die nur dann wirksam gegeben ist, wenn sie tatsächlich erfolgreich war. Der bloße Wille hierzu genügt nicht. Damit muss entweder ein Aufklärungserfolg eintreten (d.h. gesicherte Erkenntnisse zu Tätern, Tatgeschehen, Tatverlauf etc. müssen vorliegen)  oder eine konkret drohende Tat muss verhindert werden. Für einen Aufklärungserfolg ist eine unbekannte Tat nicht zwingend erforderlich. Es genügt auch, wenn bezüglich einer bekannten Tat die bisher unbekannten Täter und weitere Umstände offenbart werden.
Hinzuweisen ist hierbei auch noch auf den Zeitpunkt der Aussage. So ist die Kronzeugenregelung nur anwendbar, wenn die Offenbarung vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 StPO) erfolgt (vgl. § 46b Abs. 3 StGB).

„Denn mit der Regelung des § 46b StGB soll dem Gericht ermöglicht werden, ermittlungsrelevante Angaben noch vor der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens überprüfen zu lassen und die Akten gegebenenfalls zum Zwecke weiterer Ermittlungen an die Staatsanwaltschaft zurückzusenden. Nach Eröffnung des Hauptverfahrens und der damit regelmäßig einhergehenden Terminierung der Hauptverhandlung und Ladung der Zeugen sowie der übrigen Prozessbeteiligten besteht für das Gericht nicht selten eine nur noch eingeschränkte Möglichkeit, vom Angeklagten erhobene Behauptungen auf deren Wahrheitsgehalt ohne wesentliche Verzögerung des Hauptverfahrens zu überprüfen“ (BT-Drucks. 16/6268 S. 14; so auch BGH v. 15.3.2011 – NJW 2011, 2529).

5. Rechtsfolge: Ermessen des Gerichts bzgl. Strafmilderung
Selbst wenn alle Tatbestandvoraussetzungen erfüllt sind, tritt nicht automatisch eine Strafmilderung ein. Vielmehr steht dem Gericht ein Ermessen zu („kann“).

„Es müssen, soweit im konkreten Fall relevant, die in § 46b Abs. 2 Nr. 1 StGB beispielhaft aufgeführten Umstände im Einzelnen dargelegt und bewertet werden. […]Ferner kann zu würdigen sein, ob und inwieweit der Angeklagte, wie es beim Tatopfer der Fall sein kann, mit seiner Wissensoffenbarung (Anzeige bzw. Aussage) ausschließlich oder vorrangig eigene Aufklärungs- bzw. Genugtuungsinteressen verfolgt hat.“ (BGHSt  55, 153).

Einzubeziehen sind daher beispielsweise der Grad des Beitrags des Kronzeugen zur Aufklärung sowie die schwere seiner eigenen Tat.
III. Fazit für konkreten Fall
Es zeigt sich damit, dass im konkreten Fall eine Strafmilderung aufgrund der Anwendung der Kronzeugenregelung in Betracht kommt. Das Ermessen des Gerichts wäre wohl auf Null reduziert. Auch die Aufdeckung einer Straftat würde durch eine umfassende Aussage der Beschuldigten Beate Z. ermöglicht; ohne diese Aussage wäre die Aufklärung zumindest deutlich erschwert. Probleme könnten sich allenfalls bei der Freiwilligkeit zeigen, wenn auf der Beschuldigten ein solch starker psychischer Druck lastet, dass sie sich faktisch zur Aussage gezwungen sieht. Auch wenn über die Zusammenhänge und das Milieu immer noch wenig bekannt ist, ist ein solcher Druck zumindest im Moment noch nicht erkennbar.
Bei einer umfassenden Aussage und damit verbunden der kompletten Aufklärung der durch die „NSU“ begangenen Straftaten ist die Strafe somit zu mildern.

21.11.2011/0 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2011-11-21 10:17:122011-11-21 10:17:12Die Kronzeugenregelung nach § 46b StGB

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