Wie wir bereits vor einigen Tagen auf unserer Facebook Seite gepostet hatten, war Gegenstand der Zivilrecht Examensklausur in Niedersachen im Januartermin eine Entscheidung des OLG Köln vom 27.4.2010, in der es um die Frage ging, ob der Ausschluss des Widerrufs für angebrochene Kosmetika wirksam ist. Hier nun eine kurze Skizzierung des Sachverhalts mit Anmerkungen und Kommentaren zur 1. Zivilrecht Examensklausur.
Sachverhalt
K kauft von V in dessen Webshop:
1. Eine Anti-Blitz-Folie gegen Radarmessungen für 150 EUR zzgl. Versand per Vorkasse
2. ein Netbook für 400 EUR auf Rechnung
3. ein Creme-Töpfchen
Der Webshop des V enthält eine wirksam einbezogene Widerrufsbelehrung, die u.a. auch folgende Klauseln enthält:
„Der Käufer trägt Hin und Rücksendekosten.“
„Angebrochene Kosmetika werden nicht zurückgenommen.“
Nach Lieferung probiert K die Creme kurz aus, sie ist ihm aber zu dunkel. Er widerruft alles, indem er (fristgemäß) die Sachen zurücksendet, dies erfolgt aber in einzelnen Sendungen. Creme und Folie treffen bei V ein, die Annahme der Creme verweigert V jedoch, da diese geöffnet wurde.
Auf dem Transportweg verunglückt der Spediteur S ohne Verschulden und glaubt, alle Waren seien ohnehin zerstört. Nun kommt der Unfallbeteiligte U dazu und entnimmt dem Lieferwagen das – unzerstörte – Netbook.
Er veräußert es für 200 EUR an den F, der sich über den niedrigen Preis wundert, aber nicht weiter nachfragt, da er öfter solche Schnäppchen erhält.
Nach einem kurzen Test stellt F das Angebot auf eBay ein, in dem Angebot ist eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung zu sehen, auch ist F Powerseller.
Der E hat das höchste Gebot am Schluss der Auktion, erhält unmittelbar danach eine Mail mit der Widerrufsbelehrung und widerruft die Ware, dies jedoch erst 20 Tage nach Erhalt der Ware.
Welche Ansprüche haben K, V und E?
Ansprüche gegen S und U sind nicht zu prüfen.
Es sind keine strafrechtlichen oder straßenverkehrsrechtlichen Ansprüche zu prüfen.
Kommentar und Anmerkungen zur Klausur
In dieser Klausur wurde die Kenntnis aktueller Entscheidungen zum Themenkreis „Widerrufsrecht“ belohnt.
Das Themengebiet Widerrufsbelehrung im Schuldrecht ist angesichts der Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht zum 11.6.2010 sehr examensrelevant.
Über die examensrelevanten Neuerungen durch die neuen Regelungen zur Widerrufsbelehrung und zum Rückgaberecht hatten wir in einem eigenen Artikel berichtet.
Der Teil der Klausur, in der es um die Frage ging, ob der Widerruf eines Fernabsatzvertrags über eine Anti-Blitz-Folie gegen Radarmessungen wirksam ist, war angelehnt an die BGH Entscheidung vom 25.11.2009 (VIII ZR 318/08)
Über die Verpflichtung des Käufers, sowohl die Hin- als auch die Rücksendekosten zu tragen, hatten wir auch in einer Besprechung der BGH Entscheidung vom 7.7.2010 (VIII ZR 268/07) berichtet.
Zur Frage, ob ein Ausschluss des Widerrufs fürs bereits angebrochene Kosmetikartikel wirksam ist, führt das OLG Köln in seiner Entscheidung vom 27.4.2010 aus:
„Die von der Antragsgegnerin in § 3 Satz 2 der „Widerrufs- oder Rückgabebelehrung“ verwendete Bestimmung knüpft an den vorigen Satz an, der den Wortlaut des § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB wiederholt, wonach das Widerrufsrecht unter anderem bei Verträgen zur Lieferung von Waren ausgeschlossen ist, die „auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind oder schnell verderben können“. Der Versuch einer Konkretisierung des auf Art. 6 Abs. 3 der Fernabsatzrichtlinie 97/7/EG beruhenden Ausnahmetatbestandes, dessen wenig präzise Fassung, muss indessen als misslungen angesehen werden.
Die Formulierung der Antragsgegnerin lässt den Verbraucher nämlich darüber im Unklaren, ab wann bei Kosmetikprodukten – als konkrete Verletzungsform ist das Angebot von (Anti-Falten-) Gesichtscreme in einer Tube in Bezug genommen – sein Widerrufsrecht ausgeschlossen sein soll. Dass er den noch in der Tube befindlichen und insofern „unbenutzten“ Teil der Creme in jedem Fall soll zurückgeben dürfen, liegt allerdings fern. Ob jedoch erst die Entnahme eines größeren oder kleineren Teils der Creme oder das bloße Öffnen der Tube oder die Entfernung einer Versiegelung oder bereits das Öffnen einer etwa vorhandenen Original-Umverpackung als Beginn der Benutzung des Produkts gelten soll, kann der Verbraucher der Klausel nicht entnehmen. Klarer wird der Belehrungstext im Streitfall auch nicht dadurch, dass in dem (im Beschlusstenor nicht mehr eingeblendeten) weiteren Text des eBay-Angebots der Zustand des Artikels als „Neuware – Ohne Karton“ beschrieben wird. Ob ein Ausschluss der Rücknahme „angebrochener Kosmetika“ sprachlich transparenter wäre, hat der Senat nicht zu entscheiden. Im Ergebnis kommt es darauf auch nicht an.
Denn ein vollständiger Ausschluss des Widerrufsrechts für Kosmetikartikel nach dem Öffnen der Primärverpackung (Tube, Dose oder Flasche) oder anderen Benutzungshandlungen, wie er der beanstandeten Klausel mangels näherer Anhaltspunkte entnommen werden muss, geht über die mit § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB in deutsches Recht umgesetzte Regelung der Fernabsatzrichtlinie hinaus. Diese Ausnahmevorschrift darf nicht in ein allgemeines Kriterium der Unzumutbarkeit des Widerrufs wegen erheblicher Verschlechterung der zurückgesandten Waren für den Unternehmer umgedeutet werden, dem im Fernabsatz grundsätzlich das für ihn in der Regel mit wirtschaftlichen Nachteilen verbundene Rücknahmerisiko zugewiesen ist. Das Widerrufsrecht soll den Nachteil ausgleichen, der sich für den Verbraucher aus der fehlenden Möglichkeit ergibt, das Produkt vor Abschluss des Vertrages unmittelbar zu sehen und zu prüfen. Damit sind nationale Regelungen nicht ausgeschlossen, nach denen der Verbraucher für eine Benutzung angemessenen Wertersatz zu zahlen hat eingreift, sofern die „Benutzung“ der gelieferten Kosmetikartikel über den in Ladengeschäften möglichen und geduldeten Gebrauch solcher Waren hinausgeht – wobei offen bleiben kann, ob dazu bereits das Öffnen der Primärverpackung gehört, wenn der Verbraucher sich mangels anderer Prüfmöglichkeit (Testprodukt im Ladengeschäft) sonst keinen unmittelbaren Eindruck vom Duft oder von der Hautverträglichkeit des Kosmetikums verschaffen kann. Eine generelle Begrenzung des Widerrufsrechts auf „Kosmetik … in einem unbenutzten Zustand“ würde seine Effektivität jedoch in Frage stellen und das Risiko eines Gebrauchs oder (teilweisen) Verbrauchs der Ware entgegen der gesetzlichen Wertung, die für solche Fälle gerade den Wertersatzanspruch vorsieht und so die Möglichkeit des Widerrufs gedanklich voraussetzt, auf den Verbraucher verlagern. Eine solche Auslegung findet auch in der Regelung selbst keine hinreichende Stütze:
Geöffnete oder benutzte Kosmetikprodukte sind nicht „auf Grund ihrer Beschaffenheit“ („by reason of their nature“) zur Rücksendung ungeeignet. Aus der natürlichen Beschaffenheit von in geeigneter Verpackung ausgelieferten Cremes oder Parfüms ergeben sich weder ein unvertretbarer Aufwand noch besondere Schwierigkeiten einer „rückstandslosen“ Rückgabe; nur um solche in der Art der Ware angelegte, wenn auch vielleicht erst in der Sphäre des Verbrauchers aufgetretene Schwierigkeiten kann es bei diesem Tatbestand aber gehen; aus gesetzgeberischer Sicht sollte er insbesondere im Wege des „Download“ vertriebene Dateien und schüttbare Güter wie Heizöl umfassen. Der „rückstandsfreien“ Rückgabe angebrochener Kosmetika steht insbesondere der mit der Benutzung eingetretene Wertverlust nicht entgegen, zumal keine Rede davon sein kann, dass nach der Rücksendung der wesentliche wirtschaftliche Nutzen des Produkts beim Verbraucher verbleiben würde.
Es besteht auch kein Lebenserfahrungssatz, dass Kosmetikprodukte wie die streitgegenständliche Creme generell „schnell verderblich“ sind, sobald mit ihrer Benutzung begonnen oder ihre Primärverpackung geöffnet wurde. Dieser Ausnahmetatbestand kann zwar bei Lebensmitteln, Schnittblumen, Arzneimitteln und auch bei Kosmetikartikeln eingreifen; maßgeblich ist jedoch die objektive Verderblichkeit und eine darauf beruhende Unverkäuflichkeit der zurückgesandten Ware, die etwa bei Arzneimitteln nicht einheitlich bewertet wird und auch bei Kosmetika nicht ohne weiteres anzunehmen ist; keineswegs kann es für den Widerrufsausschluss genügen, dass der Verkäufer nach dem Öffnen der Verpackung durch den Verbraucher Gefahr läuft, auf der zurückgegebenen Ware „sitzen zu bleiben“. Zudem hat die Antragstellerin dargelegt und durch Angebote weiterer Internethändler (Anlage ASt 4 a – c) glaubhaft gemacht, dass durchaus ein Markt für „gebrauchte“ Gesichtscreme existiert; dass dies auch für andere Kosmetikartikel zumal des Hochpreissektors gilt, ist den in Wettbewerbssachen erfahrenen Mitgliedern des Senats bekannt und wird für die vom Verkehr akzeptierten Parfüm-„Tester“ sogar von Autoren eingeräumt, die das Widerrufsrecht bei angebrochenen Kosmetika weitgehend beschränken wollen. Die Feststellung, dass bei den von der konkreten Verletzungsform erfassten Kosmetikprodukten schon ein Herausdrücken geringer Teile von Creme aus der Tube oder das bloße Öffnen der Tube zum Verderb und zur völligen Unverkäuflichkeit der zurückgesandten Ware führen muss, lässt sich daher jedenfalls nach Lage der Akten nicht treffen.
Damit erweist sich der von der Antragsgegnerin verwendete Belehrungstext in Bezug auf die Reichweite ihres Widerrufs- und Rückgaberechts als unzutreffend oder zumindest in hohem Grade missverständlich. Dieser Verstoß gegen gesetzliche Informationspflichten des Unternehmers ist seiner Art nach geeignet, die Verbraucher in ihren geschäftlichen Entscheidungen spürbar zu beeinflussen.“
Interessant in diesem Kontext ist auch die Entscheidung des BGH vom 3.11.2010, in der es um die Frage ging, ob ein Verbraucher bei Widerruf eines Fernabsatzvertrages über ein Wasserbett zum Wertersatz verpflichtet ist, wenn er das Wasserbett zum Testen mit Wasser befüllt.
Im letzten Teil der Examensklausur ging es um die Frage, ob der Widerruf einer Bestellung über Ebay, bei der unmittelbar nach Abschluss der Auktion die Widerrufsbelehrung per Mail zugesandt wird, wirksam ist, wenn erst nach 20 Tagen widerrufen wird. Gilt hier jetzt die 14 Tage-Frist oder die 1 Monatsfrist?
Eine der wesentlichen Gesetzesänderungen im Zuge der Neuordnung des Widerrufsrechts haben auch eine Angleichung der Fristen für normale Onlineshops und Internetauktionsplattformen wie Ebay mit sich gebracht. Bisher musste hier zwischen der 14-Tage-Frist und der Monatsfrist unterschieden werden. Ab dem 11.06.2010 ist es für die Geltung der 14-Tage-Frist anders als noch heute ausreichend, wenn dem Kunden eine ausreichende Widerrufsbelehrung unverzüglich nach Vertragsschluss in Textform mitgeteilt wird (§ 355 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F.). Erfolgt die Mitteilung nicht unverzüglich nach Vertragsschluss, gilt die Monatsfrist. Nach der Gesetzesbegründung bedeutet “unverzüglich”, dass der Unternehmer die erste ihm zumutbare Möglichkeit ergreifen muss, um dem Verbraucher die Belehrung in Textform mitzuteilen, regelmäßig innerhalb eines Tages.