Bundesverteidigungsminister Guttenberg hat den Anfang seiner Dissertation aus einem F.A.Z.-Artikel abgeschrieben. Der einleitende Absatz der Arbeit deckt sich fast wörtlich mit einem Text der Politikwissenschaftlerin Barbara Zehnpfennig. „Das ist eindeutig ein bewusstes Plagiat“, sagte Medienwissenschaftler Weber gegenüber FAZ.NET.
Guttenberg soll mindestens 24 Textteile in seiner Dissertation mit dem Titel „Verfassung und Verfassungsvertrag. Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU“ eingefügt haben, ohne die Urheberschaft kenntlich zu machen, wie dies nach einschlägigen Gerichtsurteilen geboten ist. Für die Arbeit, die von mehreren Gutachten geprüft worden war, erhielt er 2007 von der juristischen Fakultät der Universität Bayreuth die Bestnote „summa cum laude“, siehe zum Zitat hier.
Dieser Fall ist nicht nur deshalb so interessant, da er (angehenden) Doktoranden aufzeigt, wie wichtig es ist, nach den Regeln der Kunst zu zitieren, sondern auch, weil sich hieraus interessante straf- und zivilrechtliche Probleme ergeben, die sehr gut im mündlichen Prüfungsgespräch abgefragt werden können.
§ 132a StGB – unbefugtes Anmaßen von Titeln
Zunächst einmal kommt durch das Tragen des Titels eine Strafbarkeit nach Paragraph 132a Abs. 1 StGB in Betracht. Hiernach macht sich strafbar, wer unbefugt inländische oder ausländische Amts- oder Dienstbezeichnungen, akademische Grade, Titel oder öffentliche Würden führt.
Hier wäre im objektiven Tatbestand das Merkmal unbefugt zu diskutieren. Ohne sich vorher einmal mit dem strafrechtlichen Verbot auseinandergesetzt zu haben, müsste eine Definition dahingehend ausfallen, dass der Täter keine öffentlich-rechtliche Erlaubnis zum Tragen eines solchen Titels innehat. Im vorliegenden Fall wurde das Promotionsverfahren ordnungsgemäß abgeschlossen und Herrn von Guttenberg ein Doktordiplom ausgehändigt. Diese öffentlich-rechtliche Befugnis, die zum Tragen des Titels befähigt, muss nicht auf rechtmäßigem Wege im Einklang mit der Promotionsordnung erlangt worden sein; wichtig ist lediglich, dass der Titel nur so lange geführt wird, wie auch die öffentlich-rechtliche Erlaubnis vorliegt. Sollte der Doktortitel entzogen werden, verliert das Doktor-Diplom seine Wirkung ex nunc, so dass ab diesem Zeitpunkt ein unbefugtes Führen des Titels vorliegt. Eine Strafbarkeit liegt somit nicht in Form des Titelanmaßens vor.
§ 263 StGB – Betrug
Bei der Prüfung eines Betrugs werden insbesondere zwei Tatbestandsmerkmale problematisch sein, nämlich das Vorliegen einer Täuschung und das des Schadens. Fraglich ist zudem, wem gegenüber einem Betrug begangen sein könnte. Im Falle von zu Guttenberg erscheint diese Prüfung redundant, da der Doktortitel keine Voraussetzung für politische Ämter ist und somit niemandem ein Schaden entstanden sein kann.
Wandelt man den Fall jedoch ein wenig ab, ergeben sich interessante strafrechtliche Probleme: man nehme an, ein ähnlicher Plagiatsvorwurf hat bei einem Rechtsanwalt zum Entzug des Doktortitels geführt. Ein Jahr zuvor hat dieser Rechtsanwalt bei einer Großkanzlei einen Arbeitsvertrag unterschrieben, demzufolge er 100.000 € jährlich als Gehalt erhalten soll. Beim Bewerbungsgespräch wurde ihm erläutert, dass er ohne den Doktortitel lediglich einen armseligen Betrag in Höhe von 95.000 € jährlich erhalten hätte, was auch der policy der Kanzlei entspricht, welche auch für Außenstehende Publik ist.
Ein Vermögensschaden ließe sich in diesem Fall u.U. begründen. Fraglich ist bei einer gutachterlichen Prüfung des § 263 Abs. 1 StGB allerdings zunächst, ob eine tatbestandliche Täuschung über Tatsachen vorliegt. Tatsachen sind in diesem Sinne alle Umstände, die dem Beweis zugänglich sind. Vorliegend also die Tatsache, dass beim Erstellen der Doktorarbeit in einer Vielzahl von Fällen fremde Texte kopiert und nicht deutlich als Zitat gekennzeichnet wurden, wodurch das Risiko einer Aberkennung der Doktorwürde besteht. Eine Täuschungshandlung liegt vor, wenn der Täter durch sein Verhalten auf das intellektuelle Vorstellungsbild eines anderen einzuwirken sucht. Die Täuschung kann auch durch konkludentes Handeln begangen werden. Maßgebend ist, welcher Erklärungswert der Handlung zukommt. Ebenso kommt eine Täuschung durch Unterlassen in Betracht.
Eine explizite Täuschungshandlung liegt nicht vor, da der Berufsaspirant nicht explizit über solche Umstände befragt wurde. Denkbar ist es allerdings, dass durch das Eingehen auf das Angebot der Kanzlei konkludent erklärt wurde, dass der Doktortitel, der maßgeblich bzw. ausschließlich für den Gehaltssprung verantwortlich ist, keinem Risiko der Aberkennung ausgesetzt ist. Angesichts der Rechtsprechung des BGH zum Wettbetrug können konkludente Täuschungen durchaus sehr weitgehend sein. Andererseits halte ich es für vertretbarer, in diesem Kontext lediglich einen konkludenten Erklärungsgehalt dahingehend zu deuten, dass der Bewerber in diesem Zeitpunkt tatsächlich einen Doktortitel führt und dass dieser auch von einer öffentlich-rechtlichen Befugnis gedeckt ist.
Eine Täuschung durch Unterlassen käme lediglich in Betracht, wenn eine Garantenpflicht des Bewerbers zur Aufklärung über die Plagiatsfälle im Rahmen der Erstellung der Doktorarbeit bestünde. Eine solche aus dem vorvertraglichen Arbeitsverhältnis herzuleiten, erscheint allerdings konstruiert, da es einem promovierten, der immerhin die Korrekturen von zwei Hochschullehrern und eine Disputatio/Rigoros um gemeistert hat, kaum zuzumuten ist, seine Fehler beim Erstellen dieses Werks offen darzulegen. Eine Pflicht aus Ingerenz ist aus diesem Grunde ebenso zu verneinen. Somit fehlt es nach dieser Auffassung an einer tatbestandlichen Täuschungshandlung, womit auch in diesem Fall kein Betrug vorläge.
Zivilrechtliche Folgen
In zivilrechtlicher Hinsicht stellen sich ähnliche Fragen. Beim Fall von zu Guttenberg fehlt es wie gesagt bereits an einem Schaden betroffener Parteien.
Wie wäre es allerdings, wenn im obigen Anwaltsfall das Arbeitsverhältnis für ein Jahr bestand und der Arbeitsvertrag dann einverständlich aufgelöst wurde. Hat die Kanzlei dann gegen den Anwalt einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 5000 €? Ein Anspruch könnte sich aus § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB (c.i.c.) ergeben. Hierzu bedarf es neben eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses jedoch auch einer relevanten Pflichtverletzung. Die Ermittlung des Tatbestandsmerkmals „Pflichtverletzung“ verhält sich vorliegend deckungsgleich mit der Prüfung des Tatbestandsmerkmals „Täuschung über Tatsachen“ im Rahmen von § 263 StGB. Eine Sichtverletzung läge nämlich nur dann vor, wenn entweder konkludent getäuscht wurde oder wenn eine Pflicht zur Aufklärung über die Hintergründe der Promotion bestünde, was oben jedoch verneint wurde.
Anders gestaltet sich der Fall natürlich, wenn über das komplette Vorliegen des Doktortitels getäuscht worden wäre (man gibt sich also als Doktor aus, hat in Wirklichkeit aber gar keinen solchen Titel). Dann liegt eine Pflichtverletzung vor; fraglich ist jedoch, ob auch ein Schaden eingetreten ist. Gesetzt den Fall, dass der Anwalt genauso gut wie seine Kollegen ohne Doktortitel gearbeitet hat, hat die Kanzlei nämlich eine entsprechende Gegenleistung in Form von Arbeitskraft erhalten. Andererseits wurde explizit darauf hingewiesen, dass allein für den Doktortitel 5000 € jährlich dazu gezahlt wurden. Dies rechtfertigt sich im Fall der Kanzlei dadurch, dass der Doktortitel auf dem Briefkopf der Kanzlei Verwendung findet und somit das Renommee steigert. Hätte der Doktortitel nicht vorgelegen, hätte die Kanzlei lediglich 95.000 € angeboten. Insofern halte ich in diesem Fall die Annahme eines Schadens für gerechtfertigt.
In anderen Fällen, wo beispielsweise Anwälte, die keines der Staatsexamina abgelegt hatten, trotzdem in Kanzleien als Anwalt unterkamen, lassen sich die oben genannten Grundsätze allerdings nicht übertragen. Sofern die Arbeit des Laien dem Niveau eines Anwalts entsprach, hat die Kanzlei eine adäquate Gegenleistung für ihr Gehalt erhalten und kann somit keinen Schadensersatzanspruch geltend machen.
Weitere Probleme zur Diskussion
Zum Schluss noch einige interessante Probleme, die ich allerdings für die Diskussion offen lassen möchte:
- Besteht die Möglichkeit, einen Universitätsabschluss abzuerkennen, wenn bewiesen werden kann, dass der Absolvent in seinen Abiturklausuren geschummelt hat, wodurch er eigentlich nicht berechtigt wäre, sich zuvorderst an der Universität einzuschreiben.
- Besteht die Möglichkeit des Entzuges einer Professur auf Lebenszeit, sofern ähnliche Vorwürfe wie in dem Fall zu Guttenberg zu einem Entzug der Doktorwürde führen.
- Besteht die Möglichkeit eines Autors, dessen Beitrag in der Dissertation von zu Guttenberg wortwörtlich abgeschrieben wurde, ohne dass ein entsprechender Zitathinweis vorlag, Schadensersatz wegen Verletzung seiner Urheberrechte geltend zu machen.