• Lerntipps
    • Examensvorbereitung
    • Fallbearbeitung und Methodik
    • Für die ersten Semester
    • Mündliche Prüfung
  • Examensreport
    • 2. Staatsexamen
    • Baden-Württemberg
    • Bayern
    • Berlin
    • Brandenburg
    • Bremen
    • Hamburg
    • Hessen
    • Lösungsskizzen
    • Mecklenburg-Vorpommern
    • Niedersachsen
    • Nordrhein-Westfalen
    • Rheinland-Pfalz
    • Saarland
    • Sachsen
    • Sachsen-Anhalt
    • Schleswig-Holstein
    • Thüringen
    • Zusammenfassung Examensreport
  • Interviewreihe
    • Alle Interviews
  • Rechtsgebiete
    • Strafrecht
      • Klassiker des BGHSt und RGSt
      • StPO
      • Strafrecht AT
      • Strafrecht BT
    • Zivilrecht
      • AGB-Recht
      • Arbeitsrecht
      • Arztrecht
      • Bereicherungsrecht
      • BGB AT
      • BGH-Klassiker
      • Deliktsrecht
      • Erbrecht
      • Familienrecht
      • Gesellschaftsrecht
      • Handelsrecht
      • Insolvenzrecht
      • IPR
      • Kaufrecht
      • Kreditsicherung
      • Mietrecht
      • Reiserecht
      • Sachenrecht
      • Schuldrecht
      • Verbraucherschutzrecht
      • Werkvertragsrecht
      • ZPO
    • Öffentliches Recht
      • BVerfG Leitentscheidungen & Klassiker
      • Baurecht
      • Europarecht
      • Europarecht Klassiker
      • Kommunalrecht
      • Polizei- und Ordnungsrecht
      • Staatshaftung
      • Verfassungsrecht
      • Versammlungsrecht
      • Verwaltungsrecht
      • Völkerrrecht
  • Rechtsprechungsübersicht
    • Strafrecht
    • Zivilrecht
    • Öffentliches Recht
  • Karteikarten
    • Strafrecht
    • Zivilrecht
    • Öffentliches Recht
  • Suche
  • Menü Menü
Du bist hier: Startseite1 > Wikipedia

Schlagwortarchiv für: Wikipedia

Gastautor

Examenswissen auf Wikipedia – Beitrag “Verbundene Verträge“

Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Verschiedenes, Zivilrecht

Liebe Leser von juraexamen.info, vor einiger Zeit haben wir Euch auf das Seminar „Examenswissen auf Wikipedia“ der Universität zu Köln (Kompetenzzentrum für juristisches Lehren und Lernen; Prof. Dauner-Lieb) hingewiesen, das von Frau Professor Dauner-Lieb und Herrn Tobias Lutzi betreut wurde.
Wir freuen uns heute und in den nächsten Tagen einige sehr gelungene Beiträge hiervon auf unserer Seite veröffentlichen zu können. Sämtliche hier veröffentlichten Beiträge werden in der nächsten Zeit in ähnlicher Form auch auf wikipedia erscheinen. Eine Übersicht über alle Beiträge werden wir, wenn diese vorliegt, hier auch noch veröffentlichen.
Der heutige Beitrag ist von Fin Habermann und befasst sich mit dem Stichwort „Verbundene Verträge“.
 

Verbundene Verträge

Unter verbundenen Verträgen versteht man die Verbindung eines Vertrages zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer über die Lieferung einer Ware oder die Erbringung einer anderen Leistung mit einem Darlehensvertrag. Dabei sind die beiden Verträge gemäß § 358 Abs. 3 Satz 1 BGB dann verbunden, wenn das Darlehen ganz oder teilweise der Finanzierung des anderen Vertrags dient und beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden.
Verbundene Verträge sind häufig Kauf- oder Werkverträge, aber z.B. auch ein Reisevertrag kann mit einem Darlehensvertrag verbunden werden.
Das Vorliegen verbundener Verträge zieht gemäß §§ 358, 359 BGB besondere Rechtsfolgen wie einen Einwendungs- und Widerrufsdurchgriff nach sich. Außerdem muss der Verbraucher gemäß § 358 Abs. 5 BGB in einer erweiterten Belehrung über die Rechtsfolgen des § 358 Abs. 1 und 2 BGB unterrichtet werden.
Der Zweck der rechtlichen Verknüpfung der beiden Verträge ist der Schutz des Verbrauchers vor Risiken, die ihm durch die Trennung eines wirtschaftlich einheitlichen Vertrages in ein Bargeschäft und einen damit verbundenen Darlehensvertrag drohen.[1]
Typischerweise finden sich verbundene Verträge in Drei-Personen-Verhältnissen. Die Regelungen der §§ 358, 359 BGB finden aber auch Anwendung auf bloße Zwei-Personen-Verhältnisse, also auf Fälle, in denen der Unternehmer und der Darlehensgeber personenidentisch sind. Im Übrigen ist die Anwendbarkeit in § 359a BGB normiert.
 
1. Rechtliche Grundlagen
Die §§ 358, 359 BGB sind mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 1. Januar 2002 eingeführt worden und lösen die Regelungen in § 9 Verbraucherkreditgesetz (VerbrKrG), § 4Fernabsatzgesetz (FernAbsG) und § 6 Teilzeit-Wohnrechtegesetz ab. Der Begriff der „verbundenen Geschäfte“ in § 9 VerbrKrG sowie der Begriff der „finanzierten Verträge“ in § 4 FernAbsG wurden somit der einheitlichen Terminologie der „verbundenen Verträge“ zugeführt.
§ 358 BGB dient der Umsetzung der Richtlinie 97/7/EG (Fernabsatzrichtlinie), der FinDL-RL 6 VII und der TeilzeitnutzungsR-RL 7. § 359 dient der Umsetzung des Art. 11 II 1 VerbrKrRL 1986.
Durch Art. 1 des Gesetzes vom 24. Juli 2010[2] sind § 358 Abs. 2 Satz 2 und 3 BGB aufgehoben worden. In diesen Vorschriften war vorher ein Ausschluss des Widerrufsrechts geregelt.
Durch Art. 1 des Gesetzes vom 27. Juli 2011[3] sind § 358 Abs. 1 bis 5 dahin geändert worden, dass statt des Verbraucherdarlehensvertrages i.S.d. § 491 BGB jeder mit einem Verbraucher abgeschlossene Darlehensvertrag erfasst wird.
 
2. Wirtschaftliche Einheit
Neben der Voraussetzung, dass das Darlehen ganz oder teilweise der Finanzierung des anderen Vertrages dient, müssten beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden.
Gemäß § 358 Abs. 3 Satz 2 BGB ist eine wirtschaftliche Einheit insbesondere dann anzunehmen, wenn der Unternehmer selbst die Gegenleistung des Verbrauchers finanziert, oder im Falle der Finanzierung durch einen Dritten, wenn sich der Darlehensgeber bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Darlehensvertrags der Mitwirkung des Unternehmers bedient.
Der Darlehensgeber bedient sich z.B. der Mitwirkung des Unternehmers bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Darlehensvertrags, wenn der Darlehensvertrag nicht aufgrund eigener Initiative des Darlehensnehmers zustande kommt, sondern weil der Vertreiber bzw. der Vermittler dem Verbraucher zugleich mit dem Waren- oder Dienstleistungsvertrag einen Darlehensantrag des Darlehensgebers vorlegt.[4]
Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder eines grundstücksgleichen Rechts ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen, wenn der Darlehensgeber selbst das Grundstück oder das grundstücksgleiche Recht verschafft oder wenn er über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinaus den Erwerb des Grundstücks oder grundstücksgleichen Rechts durch Zusammenwirken mit dem Unternehmer fördert, indem er sich dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu Eigen macht, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projekts Funktionen des Veräußerers übernimmt oder den Veräußerer einseitig begünstigt, § 358 Abs. 3 Satz 3 BGB.
 
3. Widerrufsrecht
Sind Verträge i.S.d. § 358 BGB miteinander verbunden, ergeben sich einige Besonderheiten bei einem eventuell erklärten Widerruf des Verbrauchers. Ein Widerrufsrecht des Verbrauchers hinsichtlich des Darlehensvertrags kann sich aus § 495 Abs. 1 BGB ergeben. Dagegen kommen für den verbundenen Vertrag mit den § 312 Abs. 1 Satz 1, § 312d Abs. 1 Satz 1 und § 485 Abs. 1 BGB verschiedene Widerrufsrechte in Betracht. Gemäß § 355 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Verbraucher bei Ausübung einer dieser Widerrufsrechte an seine auf den Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden. Aufgrund des zivilrechtlichen Trennungsprinzips wirkt sich der Widerruf grundsätzlich nur auf den Vertrag aus, aufgrund dessen das Widerrufsrecht besteht. Damit auch der andere Vertrag seine Wirksamkeit verliert, müsste die auf dessen Abschluss gerichtete Willenserklärung ebenso widerrufbar sein und widerrufen werden.
3.1 Widerrufsdurchgriff
Bei verbundenen Verträgen wird dagegen von § 358 Abs. 1 und 2 BGB angeordnet, dass der Verbraucher bei einem wirksamen Widerruf seiner auf Abschluss eines der Verträge gerichteten Willenserklärung auch nicht mehr an seine auf Abschluss des anderen Vertrages gerichteten Willenserklärung gebunden ist. Der Widerruf der Willenserklärung bzgl. des einen Vertrages erstreckt sich also auch auf die Willenserklärung bzgl. des anderen Vertrages (sog. Widerrufsdurchgriff). Dabei ist in § 358 Abs. 1 BGB der Widerrufsdurchgriff von dem Waren- oder Dienstleistungsvertrag auf den Darlehensvertrag bzw. in § 358 Abs. 2 BGB der umgekehrte Fall geregelt. Bei einem Durchgriff auf den Darlehensvertrag gemäß § 358 Abs. 1 BGB ist nicht das Vorliegen eines Verbraucherdarlehensvertrages gemäß § 491 BGB erforderlich; vielmehr reicht jeder mit einem Verbraucher abgeschlossene Darlehensvertrags aus.[5] Doch muss es sich bei dem Durchgriff nach § 358 Abs. 2 BGB entgegen eines ausdrücklichen Hinweises im Gesetz um einen verbundenen Vertrag mit einem Unternehmer handeln.[6]
Diese Regelung soll sicherstellen, dass der Verbraucher trotz der Nichtinanspruchnahme der Leistung des Unternehmers nicht sinnlos an einem Darlehensvertrag festhalten muss, der nur zur Finanzierung der Leistung des Unternehmers abgeschlossen wurde. Im umgekehrten Fall wird der Verbraucher vor einer finanziellen Überbelastung durch seine Zahlungspflicht gegenüber dem Unternehmer geschützt, da dann der der Finanzierung dienende Darlehensvertrag nicht mehr vorhanden ist. Der Verbraucher soll nicht einmal bei Ausübung des Widerrufsrechts auf die Erstreckung der Widerrufsfolgen auf den verbundenen Vertrag verzichten können. Ihm bleibt dann nur die Möglichkeit, den Vertrag neu abzuschließen.[7]
3.2 Besonderheiten bei Zugang der Widerrufserklärung
Der Verbraucher hat den Widerruf nach § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB gegenüber dem Unternehmer zu erklären. Das kann bei verbundenen Verträgen entweder der Unternehmer, mit dem der Verbraucher den Vertrag über die Ware oder Dienstleistung geschlossen hat, oder der Darlehensgeber sein und hängt von dem jeweiligen Widerrufsrecht ab. Dabei stellt sich die Frage, wie der Fall zu beurteilen ist, wenn der Verbraucher den Darlehensvertrag widerrufen will, den Widerruf aber gegenüber dem Unternehmer des verbundenen Vertrags erklärt. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der einzuhaltenden Widerrufsfrist nach § 355 Abs. 2 BGB relevant.
Der Widerruf ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung und muss grundsätzlich demjenigen zugehen, demgegenüber der Widerruf seine Wirkung entfalten soll. Der Unternehmer des verbundenen Vertrages kann aber als Empfangsbote der Widerrufserklärung gegenüber dem Darlehensgeber fungieren. Empfangsbote ist, wer vom Empfänger zur Entgegennahme von Erklärungen bestellt worden ist oder nach der Verkehrsauffassung als bestellt anzusehen ist.[8] Beim Abschluss des Darlehensvertrages ist der Vermittler als vom Darlehensgeber bestellt anzusehen, wenn Letzterer nicht unmittelbar in Erscheinung tritt.[9]
Willenserklärungen an einen Empfangsboten gehen dem wirklichen Adressaten in dem Zeitpunkt zu, in dem nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge die Weiterleitung an diesen zu erwarten war.[10] Übermittelt nun der Empfangsbote die Willenserklärung verspätet, falsch oder überhaupt nicht, geht dies zu Lasten des Empfängers.[11]
3.3 Rechtsfolgen des Widerrufs
Hat der Verbraucher den Widerruf erklärt, ist er weder an den widerrufenen noch an den verbundenen Vertrag gebunden. Für den widerrufenen Vertrag ergeben sich die Rechtsfolgen direkt aus§ 357 BGB. Für den verbundenen Vertrag ordnet § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB die entsprechende Anwendung von § 357 BGB und im Falle eines bestehenden oder bestandenen Widerrufsrechts gemäß § 312d BGB die entsprechende Anwendung von § 312e BGB an. Die verbundenen Verträge sind nicht als einheitliches Rechtsgeschäft, sondern als selbstständige Verträge zu behandeln. Die Rückabwicklung der beiden Verträge findet also im jeweiligen Leistungsverhältnis statt. Dies gilt im Umkehrschluss aus § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB allerdings nur, wenn das Darlehen dem Unternehmer bei Wirksamwerden des Widerrufs noch nicht zugeflossen ist.
Gem. § 358 Abs. 4 Satz 2 BGB sind im Falle des § 358 Abs. 1 BGB Ansprüche auf Zahlung von Zinsen und Kosten aus der Rückabwicklung des Darlehensvertrags gegen den Verbraucher ausgeschlossen.
3.4 Eintritt des Darlehensgebers
Wenn das Darlehen dem Unternehmer bei Wirksamwerden des Widerrufs oder der Rückgabe bereits zugeflossen ist, tritt der Darlehensgeber im Verhältnis zum Verbraucher hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs oder der Rückgabe in die Rechte und Pflichten des Unternehmers aus dem verbundenen Vertrag ein, § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB. Hierdurch soll eine bilaterale Rückabwicklung zwischen Verbraucher und Darlehensgeber erreicht werden.[12] Anderenfalls müsste der Verbraucher zunächst dem Darlehensgeber den Darlehensbetrag zurückerstatten und dann seinerseits vom Verkäufer die Rückzahlung des Kaufpreises verlangen. Mit dieser Regelung wird insbesondere das Insolvenzrisiko des Verbrauchers, welches er bei einem Kaufpreisrückzahlungsverlangen gegenüber dem Unternehmer hätte, auf den Darlehensgeber, welcher in der Regel eine Bank ist, verlagert.
Es handelt sich dabei um einen Eintritt des Darlehensgebers in das Abwicklungsverhältnis zwischen Verbraucher und Unternehmer, d.h. der Darlehensgeber tritt vollständig an die Stelle des Unternehmers.[13] Obwohl der Wortlaut des § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB offen ist, kann von einem bloßen Schuldbeitritt des Darlehensgebers nicht gesprochen werden.[14] Denn dann würden der Darlehensgeber und der Unternehmer gesamtschuldnerisch haften. Wenn dem Verbraucher aber die Wahl zwischen zwei Schuldnern bliebe, müssten dem Unternehmer, der durch einen Schuldbeitritt des Darlehensgebers von seinen Pflichten nicht befreit würde, seine Rechte gegenüber dem Verbraucher erhalten bleiben. Es käme damit zu einer Aufspaltung des Rückabwicklungsverhältnisses gegenüber verschiedenen Personen und liefe so dem Zweck des § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB zuwider.[15]
Als Voraussetzung für diesen Schuldeintritt muss dem Unternehmer das Darlehen bei Wirksamwerden des Widerrufs oder der Rückgabe bereits zugeflossen sein. Das Darlehen ist dann zugeflossen, wenn der Verbraucher seine Verpflichtung gegenüber dem Unternehmer erfüllt hat, d.h., wenn eine Auszahlung oder Gutschrift an den Unternehmer erfolgt ist.[16]
Ist der Darlehensgeber in die Rechte und Pflichten des Unternehmers aus dem verbundenen Vertrag eingetreten, kann der Verbraucher von diesem zum einen die auf das Darlehen schon erbrachten Teilleistungen zurückverlangen, zum anderen aber auch die Rückgabe einer aus eigenen Mitteln an den Unternehmer geleisteten Anzahlung verlangen. Der Darlehensgeber kann dagegen vom Verbraucher nicht gemäß § 358 Abs. 4 Satz 1, § 357 Abs. 1 Satz 1 und §§ 346 ff. BGB die Rückzahlung des Darlehens verlangen. Eine Leistung übers Eck soll gerade nicht stattfinden. Hier muss sich der Darlehensgeber an den Unternehmer gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB (Durchgriffskondiktion) oder gemäß § 358 Abs. 4 Satz 3 analog BGB wenden.[17]
Der Darlehensgeber erhält durch den Eintritt in die Schuld des Unternehmers aber spiegelbildlich einen Anspruch gegen den Verbraucher auf Rückgabe und Übereignung der Ware.[18] Dieser Anspruch verfolgt den Zweck, dem Darlehensgeber seinen Rückgriffsanspruch gegenüber dem Unternehmer durch die Kaufsache abzusichern. Wenn der Verbraucher die Ware nun schon dem Unternehmer gegeben hat, steht dem Darlehensgeber gemäß § 358 Abs. 4 Satz 1, § 357 Abs. 1 Satz 1 und den §§ 348, 320 BGB gegenüber dem Verbraucher ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der gezahlten Darlehensraten zu. Der Darlehensgeber kann so lange die Rückzahlung verweigern, bis er die Ware erhält oder die Darlehensvaluta vom Unternehmer zurückerhält, da dann sein Sicherungsinteresse wegfallen würde.
 
4. Einwendungsdurchgriff
Bei den beiden verbundenen Verträgen handelt es sich um zwei rechtlich selbstständige Verträge (sog. Trennungsprinzip). Mit der Regelung in § 359 BGB findet bei verbundenen Verträgen eine Durchbrechung des Prinzips der Relativität der Schuldverhältnisse statt, indem die Vorschrift den Verbraucher berechtigt, Einwendungen aus dem verbundenen Vertrag gegenüber dem Darlehensgeber einredeweise geltend zu machen. Ein solcher Einwendungsdurchgriff ist auf die Rechtsprechung zu § 242 BGB zurückzuführen. [19]
4.1 Leistungsverweigerungsrecht des Verbrauchers
Soweit den Verbraucher Einwendungen aus dem verbundenen Vertrag gegenüber dem Unternehmer, mit dem er den verbundenen Vertrag geschlossen hat, zur Verweigerung seiner Leistung berechtigen würden, steht ihm gemäß § 359 Satz 1 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht bzgl. der Rückzahlung des Darlehens zu. Dadurch geht das Verwendungsrisiko hinsichtlich der Darlehensvaluta im Fall einer Insolvenz des Unternehmers vom Darlehensnehmer auf den Darlehensgeber über. Dieser Übergang rechtfertigt sich darin, dass der Darlehensgeber schon durch die enge Zusammenarbeit mit dem Unternehmer eine gewisse Bereitschaft zur Risikoübernahme zum Ausdruck bringt und er den Verbraucher von seiner Stellung als über die Darlehensvaluta frei Verfügenden verdrängt.[20]
Unter Einwendungen aus dem verbundenen Vertrag versteht man alle rechtshindernden, -vernichtenden sowie –hemmenden Einwendungen und Einreden, wie z.B. eine erklärte Aufrechnung gemäß § 389 BGB oder ein ausgeübtes Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB.[21]
Beispiel: Verbraucher V schließt im Internet mit Unternehmer U einen Kaufvertrag gemäß § 433 BGB über einen Gebrauchtwagen für 20.000 €. U wirbt auf seiner Internetseite damit, dass eine Finanzierung des Kaufpreises durch einen Darlehensvertrag mit der B-Bank (B) möglich sei. Dazu stellt U einen von der B zur Verfügung gestellten Musterdarlehensvertrag zum Download bereit. B bedient sich also zumindest bei der Vorbereitung eines Darlehensvertrages der Mitwirkung des U, so dass eine wirtschaftliche Einheit der beiden Verträge gegeben ist. Desweiteren dient das Darlehen mit der B der Finanzierung des Kaufvertrages mit dem U. Damit sind die beiden Verträge verbunden. V füllt den Darlehensvertrag ordnungsgemäß aus und schickt ihn der B zu. V schließt also mit B einen Verbraucherdarlehensvertrag in Höhe des Kaufpreises gemäß §§ 488, 491 BGB. Die Darlehensvaluta wird direkt von B an U ausgezahlt, woraufhin V von U das Auto erhält. Es stellt sich jedoch heraus, dass das Auto ein Unfallwagen und somit mangelhaft i.S.d. § 434 BGB ist. Eine Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 1 BGB ist nach § 275BGB unmöglich, so dass V u.a. von U Schadensersatz statt der Leistung wegen Unmöglichkeit gemäß § 311a Abs. 2 S. 1 und § 437 Nr. 3 BGB fordern kann. Mit diesem Anspruch könnte V hinsichtlich des Kaufpreiszahlungsanspruches des U aus § 433 Abs. 2 BGB gegenüber U gemäß § 389 BGB aufrechnen oder aufgrund dieses Anspruchs die Kaufpreiszahlung an U gemäß § 273 BGB verweigern. Wenn V eine dieser Einwendungen aus dem verbundenen Vertrag geltend machen würde, könnte er sie der B gemäß § 359 Satz 1 BGB derart entgegenhalten, dass er die Rückzahlung des Darlehens bei Erlöschen der Kaufpreisforderung dauerhaft, anderenfalls bis zur Zahlung des Schadensersatzes verweigere.
4.2 Verhinderung des Schuldnerverzugs
Außerdem kann der Verbraucher durch sein Leistungsverweigerungsrecht den Eintritt des Schuldnerverzugs abwenden. Der Schuldnerverzug nach § 286 BGB fordert als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal die Durchsetzbarkeit der fälligen Forderung.[22] Zwar hindert das bloße Bestehen eines nicht dauerhaft bestehenden Leistungsverweigerungsrechts, wie dem aus § 359BGB, die Durchsetzbarkeit einer Forderung nicht,[23] doch wird eine Forderung undurchsetzbar, sobald das Leistungsverweigerungsrecht geltend gemacht wird.
Besonders relevant wird diese Wirkung für eine eventuelle Kündigung des Darlehens durch den Darlehensgeber gegenüber dem Verbraucher nach § 488 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 498 Abs. 1 BGB. Voraussetzung für eine solche Kündigung ist der Verzug des Verbrauchers mit der Zahlung der Darlehensraten gemäß § 286 BGB. Wenn der Verbraucher nun aber sein Leistungsverweigerungsrecht aus § 359 BGB geltend macht, führt dies zur Nichtdurchsetzbarkeit der Darlehensforderung, mit der Folge, dass der Verbraucher nicht in den Verzug gerät. Der Darlehensvertrag könnte dann nicht nach §§ 488 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. 498 Abs. 1 BGB gekündigt werden. Das Leistungsverweigerungsrecht muss aber vor der Kündigungserklärung erklärt werden. Eine Rückwirkung findet nicht statt.[24]
4.3 Ausschluss des Einwendungsdurchgriffs
Von diesem sog. Einwendungsdurchgriff sind gemäß § 359 Satz 2 BGB solche Einwendungen ausgeschlossen, die auf einer zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher nach Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags vereinbarten Vertragsänderung beruhen. Diese Ausnahme dient dem berechtigten Interesse des Darlehensgebers daran, dass er mit nachträglichen Belastungen bei Abschluss des Darlehensvertrags noch nicht rechnen brauchte. Würde man einen Einwendungsdurchgriff in diesen Fällen zulassen, würde der Darlehensgeber durch dessen Wirkungen belastet, obwohl ein berechtigtes Interesse von Unternehmer- oder Verbraucherseite dem nicht gegenüberstünde. [25]
4.4 Subsidiarität des Einwendungsdurchgriffs
Nach § 359 Satz 3 BGB kann der Verbraucher im Falle eines bestehenden Nacherfüllungsanspruchs gegen den Unternehmer die Rückzahlung des Darlehens erst dann verweigern, wenn die Nacherfüllung fehlgeschlagen ist.
Eine Nacherfüllung ist fehlgeschlagen, wenn nicht mehr erwartet werden kann, dass sie innerhalb der angemessenen Frist ordnungsgemäß erbracht wird, und es daher sinnlos wäre, mit der Geltendmachung etwaiger Sekundärrechte noch weiter zu warten.[26] Insbesondere gilt im Kaufrecht gemäß § 440 Satz 2 BGB eine Nachbesserung nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen, wenn sich nicht insbesondere aus der Art der Sache oder des Mangels oder den sonstigen Umständen etwas anderes ergibt.
 
5. Rückforderungsdurchgriff
Die §§ 358, 359 BGB treffen keine speziellen Regelungen hinsichtlich der Rückabwicklung für Fälle, bei denen der verbundene Vertrag nicht wegen eines Widerrufs des Verbrauchers, sondern aus anderen Gründen unwirksam oder erloschen ist, wie z.B. durch Anfechtung oder Rücktritt. Es stellt sich hier die Frage, ob dem Verbraucher trotz des weiterhin wirksamen Darlehensvertrags ein Rückzahlungsanspruch gegen den Darlehensgeber hinsichtlich bereits gezahlter Darlehensraten zugesprochen werden kann.
War der verbundene Vertrag von vornherein nichtig, hat der Verbraucher gegen den Darlehensgeber trotz des weiterhin wirksamen Darlehensvertrages unstreitig einen Anspruch auf Rückzahlung etwaig gezahlter Darlehensraten aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, § 813 i.V.m. § 359 S. 1 BGB.[27] Da die Unwirksamkeit des verbundenen Vertrages schon im Zeitpunkt der Zahlung der Darlehensraten bestand, kann der Verbraucher diese nämlich als dauerhafte Einrede gegenüber dem Darlehensgeber geltend machen.
Wird der verbundene Vertrag aber erst später nach Zahlung etwaiger Darlehensraten durch einen Rücktritt in ein Rückgewährschuldverhältnis nach § 346 Abs. 1 BGB umgewandelt, werden verschiedene Ansätze vertreten, da in diesem Fall die Voraussetzungen von § 813 BGB nicht gegeben sind.
Der BGH will dem Verbraucher auch bei einem nicht von Anfang an unwirksamen Vertrag einen Rückforderungsanspruch gegen den Kreditgeber in einer analogen Anwendung von § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB i.V.m. § 346 Abs. 1 und § 357 Abs. 1 BGB einräumen.[28] Ein solcher Rückforderungsdurchgriff wird begründet mit einem umfänglichen Verbraucherschutz. Vor allem soll eine bilaterale Rückabwicklung erfolgen, damit der Kreditgeber das Insolvenzrisiko des Unternehmers und nicht der Verbraucher trage.
Dagegen lehnt eine andere Ansicht einen solchen Rückforderungsanspruch in diesem Fall ab.[29] Der Gesetzgeber habe eben in § 359 BGB nur einen Einwendungsdurchgriff regeln wollen und sich damit bewusst gegen einen Rückforderungsdurchgriff entschieden. § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB sei speziell auf die Situation des Widerrufsrechts zugeschnitten. Dort könne der Darlehensgeber die Auszahlung der Darlehensvaluta an den Unternehmer hinauszögern, bis klar sei, dass der Verbraucher nicht widerrufen habe. Würde man den Rückforderungsanspruch zulassen, erhöhe sich das Risiko des Darlehensgebers unbillig durch eine Erstreckung auf einen längeren Zeitraum im Rahmen der Mängelgewährleistung. Außerdem gebe es keinen Grund dafür, den Verbraucher bei einem verbundenen Vertrag hinsichtlich seiner Risiken besser zu stellen als bei einem Teilzahlungsgeschäft.[30] Bei einem Teilzahlungsgeschäft kann der Verbraucher sich auch nur an den Leistungserbringer halten und hätte das Insolvenzrisiko zu tragen. Es ist nicht ersichtlich, warum bei einem verbundenen Vertrag der Verbraucher nun einen zweiten, regelmäßig solventeren Schuldner erhalten soll. Der Verbraucher muss sich nach dieser Ansicht also an den Unternehmer, mit dem er den Waren- oder Dienstleistungsvertrag geschlossen hat, halten. Von diesem kann er gemäß § 346 Abs. 1, §§ 323 und 437 Nr. 2 BGB den Kaufpreis zurückverlangen, mit dem er dann das Darlehen zurückzahlen könnte.
 
6. Literatur

  • Peter Bülow/Markus Artz, Verbraucherprivatrecht, 3. Auflage 2011, C.F.Müller, Heidelberg u.a., ISBN 978-3-8114-9792-4.
  • Christoph Godefroid, Verbraucherkreditverträge, 3. Auflage 2008, C.H.Beck, München, ISBN 978-3-406-50719-9.
  • Mathias Habersack, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 2 – Schuldrecht Allgemeiner Teil, 6. Auflage 2012, §§ 358-359a BGB, C.H.Beck, München, ISBN 978-3-406-61462-0.
  • Sibylle Kessal-Wulf, in: J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Buch 2 – Recht der Schuldverhältnisse, Neubearbeitung 2004, §§ 358 – 359 BGB, Sellier/de Gruyter, Berlin, ISBN 978-3-8059-1002-6.
  • Rüdiger Martis/Alexander Meinhof, Verbraucherschutzrecht, 2. Auflage 2005, C.H.Beck, München, ISBN 978-3-406-50991-6.

 
7. Weblinks

  • Eintrag zu „Vertrag (Verbundene Verträge)“ auf www.lexikon.jura-basic.de
  • Eintrag zu „Verbundene Verträge“ auf www.justiz.nrw.de
  • Eintrag zu „Verbundenes Geschäft/Verbundener Vertrag“ auf www.lexexakt.de/

 
8. Einzelnachweise

[1] Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl. 2013, § 358, Rn. 1.
[2] Gesetz zur Einführung einer Musterwiderrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge zur Änderung der Vorschriften über das Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen und zur Änderung des Darlehensvermittlungsrechts vom 24.7.2010, BGBl. I, S. 977.
[3] Gesetz zur Anpassung der Vorschriften über den Wertersatz bei Widerruf von Fernabsatzverträgen und über verbundene Verträge vom 27.7.2011, BGBl. I, S. 1600.
[4] BGH NJW 2003, 2821; 2006, 1788; 2007, 3200; NJW-RR 2008, 1436.
[5] Palandt/Grüneberg, BGB, § 358, Rn. 3.
[6] Palandt/Grüneberg, BGB, § 358, Rn. 5; Habersack, in: MüKo/Habersack, BGB, Band 2, 6. Aufl. 2012, § 358, Rn. 18.
[7] MüKo/Habersack, BGB, § 358, Rn. 22 m.w.N.
[8] BSG NJW 2005, 1303 (1304); Palandt/Ellenberger, BGB, § 130, Rn. 9.
[9] BGHZ 131, 66 (71).
[10] BGH NJW-RR 1989, 757.
[11] Palandt/Ellenberger, BGB, § 130, Rn. 9.
[12] BT-Drucks 11/5462, 24.
[13] BGH NJW 2009, 3572 (3574); Palandt/Grüneberg, BGB, § 358, Rn. 21; MüKo/Habersack, BGB, § 358, Rn. 82; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, Neubearbeitung 2004, § 358, Rn. 67; Erman/Saenger, BGB, Band 1, 13. Aufl. 2011, § 358, Rn. 27.
[14] So aber Bülow/Artz/Bülow, Verbraucherkreditrecht, 7. Aufl. 2011, § 495, Rn. 294.
[15] BT-Drucks. 11/5462, 24; BGHZ 131, 66 (73).
[16] BGH NJW 1995, 3386 (3388).
[17] Für eine Durchgriffskondiktion sprechend BGHZ 133, 254 (263); Erman/Saenger, BGB, § 358, Rn. 29; Schulze/Dörner/u.a./Schulze, BGB, 7.Aufl. 2012, § 358, Rn. 13; dagegen eine analoge Anwendung des § 358 Abs. 4 S. 3 BGB befürwortend MüKo/Habersack, BGB, § 358 Rn. 89; Dauner-Lieb, Verbraucherschutz bei verbundenen Geschäften (§ 9 VerbrKrG), WM-Sonderbeil. Nr. 6/1991, 21.
[18] OLG Düsseldorf NJW 1997, 2056 (2058); MüKo/Habersack, BGB, § 358, Rn. 84; Erman/Saenger, BGB, § 358, Rn. 28.
[19] Palandt/Grüneberg, BGB, § 359, Rn. 1.
[20] MüKo/Habersack, BGB, § 359, Rn. 24.
[21] BGHZ 149, 43; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, § 359, Rn. 7.
[22] Palandt/Grüneberg, BGB, § 286, Rn. 9; Staudinger/Löwisch, BGB, Neubearbeitung 2004, § 286, Rn. 12.
[23] Palandt/Grüneberg, BGB, § 286, Rn. 10 f.; dagegen ist die Forderung schon bei dem bloßen Bestehen einer dauerhaften (sog. peremptorischen) Einrede wie § 214 BGB undurchsetzbar: MüKo/Ernst, BGB, § 286, Rn. 22; ausführlich dazu auch Staudinger/Löwisch, BGB, § 286, Rn. 12 ff.
[24] MüKo/Ernst, BGB, § 286 Rn. 28; Palandt/Grünberg, § 286, Rn. 10.
[25] MüKo/Habersack, BGB, § 359, Rn. 46.
[26] Bamberger/Roth/Faust, BGB, Band 1, 3. Aufl. 2012, § 440, Rn. 32.
[27] BGH NJW 2008, 846; MüKo/Habersack, BGB, § 359, Rn. 66; Palandt/Grüneberg, BGB, § 359 Rn. 7.
[28] BGH NJW 2003, 2821.
[29] MüKo/Habersack, BGB, § 359, Rn. 75; Staudinger/Kessel-Wulf, BGB, § 359, Rn. 34; Larenz/Canaris, Schuldrecht Besonderer Teil Band II/2, 13. Aufl. 1994, § 68 I 5.
[30] Larenz/Canaris, Schuldrecht BT II/2, § 68 I 5.

28.02.2013/1 Kommentar/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2013-02-28 18:00:312013-02-28 18:00:31Examenswissen auf Wikipedia – Beitrag “Verbundene Verträge“
Gastautor

Examenswissen auf Wikipedia – Beitrag "Arglistige Täuschung"

Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Verschiedenes, Zivilrecht

Liebe Leser von juraexamen.info, vor einiger Zeit haben wir Euch auf das Seminar „Examenswissen auf Wikipedia“ der Universität zu Köln (Kompetenzzentrum für juristisches Lehren und Lernen; Prof. Dauner-Lieb) hingewiesen, das von Frau Professor Dauner-Lieb und Herrn Tobias Lutzi betreut wurde.
Wir freuen uns heute und in den nächsten Tagen einige sehr gelungene Beiträge hiervon auf unserer Seite veröffentlichen zu können. Sämtliche hier veröffentlichten Beiträge werden in der nächsten Zeit in ähnlicher Form auch auf wikipedia erscheinen. Eine Übersicht über alle Beiträge werden wir, wenn diese vorliegt, hier auch noch veröffentlichen.
Der heutige Beitrag ist von Linda Kamin und befasst sich mit dem Stichwort „Arglistige Täuschung“.

Arglistige Täuschung

Die arglistige Täuschung ist einer der Anfechtungsgründe der §§ 119 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches. Wie bei der Drohung ist das geschützte Rechtsgut – im Gegensatz zur Anfechtung nach §§ 119, 120 BGB – die Willensentschließungsfreiheit. Sofern eine verübte Täuschung widerrechtlich und kausal für die Abgabe einer Willenserklärung ist und dies vom Vorsatz des Handelnden umfasst ist, kann das gesamte Rechtsgeschäft rückwirkend vernichtet werden. Bei dieser Prüfung ergeben sich rechtsgebietsübergreifende Probleme, sodass die arglistige Täuschung gerade im Staatsexamen sicher beherrscht werden sollte.
 
1. Täuschungshandlung
Die erforderliche Täuschungshandlung meint -wie im Strafrecht – ein Verhalten, das darauf abzielt in einem Anderen eine unrichtige Vorstellung hervorzurufen, zu bestärken oder zu unterhalten.[1] Sie kann durch positives Tun, aber auch durch Unterlassen ausgeübt werden.
 
1.1 Positives Tun 
Positives Tun liegt bei ausdrücklichen oder konkludent wahrheitswidrigen Behauptungen vor, wenn sie sich auf Tatsachen oder wertbildende objektiv nachprüfbare Umstände beziehen. Eine konkludente Täuschungshandlung stellt zum Beispiel das Zurückdrehen des Kilometerstands beim zum Verkauf stehenden PKW dar.[2] Auch präzise Aussagen über die Grundlage der Preisberechnung, so die Behauptung, es handle sich beim deutlich überhöhten Preis um einen ordentlichen, können unter die Täuschungshandlung subsumiert werden, wenn es sich nicht um erkennbar bloß subjektive Werturteile oder überspitzte Anpreisungen handelt.[3] Da eine bezweckte Irreführung des Vertragspartners genügt, ist die Behauptung des Verkäufers, der zwölf Jahre alte Motor sei mehr als drei Jahre alt, ausreichend.[4]
1.2 Unterlassen
Es gilt der Grundsatz der Privatautonomie, aufgrund welchem es geboten ist Rechtsgeschäfte in Selbstverantwortung zu führen. Somit kann jede Partei von ihrem überlegenen Wissen profitieren, ohne dass eine Pflicht zur Offenbarung besteht. Nach der Rechtsprechung kommt es zu einer Durchbrechung dieses Grundsatzes, wenn die Aufklärung nach Treu und Glauben und der Ansicht der Verkehrsauffassung geboten ist und der Vertragspartner daher mit einer Aufklärung der Sachlage rechnen darf.[5] Demnach ist eine Abwägung pflichtbegründender Umstände im Einzelfall vorzunehmen.[6] So wird beispielsweise bei Vertragsverhältnissen, bei denen die Vertragspartner sich erhöhtes Vertrauen entgegenbringen sowie bei laufenden Geschäftsbeziehungen[7] oder sofern eine erkennbare Informationsasymmetrie zwischen dem unerfahrenen Käufer und dem sachkundigen Verkäufer gegeben ist[8], eine umfassendere Aufklärungspflicht angenommen werden können. Allerdings gilt Vorausgenanntes nur, sofern die Umstände für den Vertragspartner nicht erkennbar sind und ohne Aufklärung mit einer Gefährdung des Vertragspartners oder des Vertragszwecks zu rechnen ist. Auf Nachfragen des Käufers ist jedoch in jedem Fall wahrheitsgemäß zu antworten.
 
2. Kausalität
Die Täuschung muss zudem kausal zu einem Irrtum führen, der wiederum kausal für die Abgabe der Willenserklärung sein muss. Dabei ist es bezüglich des Irrtums bereits ausreichend, dass durch die Täuschung falsche Vorstellungen aufrecht erhalten werden. Im Unterschied zu § 119 BGB genügt aufgrund des Schutzzwecks der Norm jeglicher Mangel bei der Willensbildung. Hingegen fehlt es an der Kausalität, wenn der Getäuschte die Täuschung durchschaut hat oder diese bei Vertragsschluss in vollem Umfang[9] offenkundig war. Bezüglich der Abgabe der Willenserklärung ist entscheidend, dass sie derzeit nicht in gleicher Weise abgegeben worden wäre. Es genügt dabei die Mitursächlichkeit der Täuschung für die Erklärungsabgabe.
 
3. Arglist
Anders als beim Betrug nach § 263 StGB wird im Rahmen des § 123 BGB kein Vermögensschaden des Getäuschten verlangt. Folgerichtig braucht es nicht der Absicht den Vertragspartner im Vermögen zu schädigen oder einen Vermögensvorteil zu erlangen. Auch wird keine moralisch verwerfliche Gesinnung gefordert, sodass Arglist auch dann zu bejahen ist, wenn nur das Beste für den Vertragspartner gewollt ist. Die Arglist kann damit mangels eigenständiger Bedeutung mit Vorsatz gleichgesetzt werden. Besondere Aufmerksamkeit ist dennoch „Erklärungen ins Blaue hinein“ zu widmen. Diese, und damit auch der erforderliche bedingte Vorsatz, liegen schon bei blindlings zugesicherten Umständen vor, wenn verschwiegen wird, dass man aufgrund mangelnder Kenntnis zu einer sachgerechten Beurteilung außerstande ist. Die Kenntnis der Unrichtigkeit ist dabei nicht erforderlich. Ein Auto darf demnach nur als nach Angaben vom Vorbesitzer unfallfrei bezeichnet werden, wenn der Verkäufer es nicht selbst untersucht hat.[10]
 
4. Widerrechtlichkeit
Zwar sieht der Wortlaut des § 123 Abs. 1 BGB die Widerrechtlichkeit nur im Rahmen der Drohung vor. Dies liegt jedoch lediglich an der vom Gesetzgeber zu Unrecht angenommenen Tatsache, eine arglistige Täuschung sei stets widerrechtlich. Mithin muss eine teleologische Reduktion vorgenommen und somit die Widerrechtlichkeit geprüft werden. Dies wirkt sich vor allem im Arbeitsrecht aus, da dem Stellenbewerber das Recht zur Lüge zusteht, wenn der Arbeitgeber an der wahrheitsgemäßen Beantwortung einer Frage kein berechtigtes, billigenswertes und schützenswertes Interesse hat[11] und es somit an der Widerrechtlichkeit der Täuschung fehlt. Dies ist der Fall, wenn eine Frage in ungerechtfertigter Weise gegen die Diskriminierungsverbote des § 1 AGG verstößt, weil dann das Verhalten wegen Angriffs auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach § 227 BGB gerechtfertigt ist.
 
5. Person des Täuschenden
5.1 Dritter nach § 123 Abs. 2 Satz 1 BGB
Wird die Täuschung nicht vom Erklärungsempfänger selbst, sondern von einem Dritten verübt, kann die empfangsbedürftige Erklärung gemäß § 123 Abs. 2 Satz 1 BGB nur angefochten werden, wenn Erstgenannter die Täuschung kennt oder hätte kennen müssen. Letzteres beurteilt sich nach § 122 Abs. 2 BGB, wonach bereits jede Form der fahrlässigen Unkenntnis genügt.
Mangels subsumtionsfähiger Definition ist die Frage, wer als Dritter im Sinne der Norm zu qualifizieren ist, problematisch.
Das Reichsgericht beurteilte zunächst lediglich Stellvertreter und ihnen ähnliche Personen nicht als Dritte.[12] Der Schutz des Getäuschten gebietet es jedoch den Begriff des Dritten restriktiver zu bestimmen. Heute ist demnach in Literatur und Praxis die täuschende Person nicht als Dritter zu bewerten, wenn ihr Verhalten über die Regeln der Stellvertretung hinaus nach § 278 BGB dem Erklärungsgegner zuzurechnen ist. Erfasst werden dabei auch Fälle, in denen die Person zurechenbar nur nach außen hin als Vertrauensperson für den Erklärungsempfänger auftritt, beziehungsweise dem Empfänger näher steht als dem Getäuschten. Damit ist nicht nur der Ehemann, der zu Gunsten seiner Frau die Lebensversicherung täuscht[13], sondern auch der Makler oder Vermittler[14] erfasst, sofern mit Wissen und Wollen nur einer der späteren Parteien Aufgaben übernommen werden. Dritter ist folglich nicht, wer mit Willen des Erklärungsempfängers am Vertragsschluss beteiligt ist und somit seinem Bereich zuzurechnen ist.
Bei der Schuldübernahme nach § 414 BGB ist der nicht am Geschäft beteiligte täuschende Altschuldner demnach als Dritter zu qualifizieren. Kommt es dagegen im Sinne des § 415 BGB zu einer Schuldübernahme, wird der Vertrag zwischen bisherigem und neuem Schuldner geschlossen, wodurch der täuschende Altschuldner aufgrund seiner Beteiligung am Vertrag nicht als Dritter im Sinne der Norm zu bewerten ist. Dennoch soll es aufgrund der vergleichbaren Interessenlage auch in diesem Fall darauf ankommen, ob der Gläubiger die Täuschung durch den Altschuldner kannte oder kennen musste.[15]
Auch im Rahmen der Bürgschaft kann der Schuldner im Verhältnis zum Bürgen nicht als Vertrauensperson des Gläubigers angesehen werden, da er eigene Interessen und nicht die des Gläubigers vertritt und somit kein Erfüllungsgehilfe ist.[16] Mithin ist er ebenfalls als Dritter im Sinne der Norm anzusehen.
5.2 Anfechtung nach §123 Abs. 2 Satz 2 BGB
Zu beachten ist außerdem, dass gemäß § 123 Abs. 2 Satz 2 BGB selbst bei Gutgläubigkeit des Erklärungsempfängers die Anfechtung möglich sein soll, wenn ein anderer aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat und dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Die Anfechtung ist dann ihm gegenüber zu erklären und wirkt auch nur gegen ihn. Es geht vor allem um Verträge zu Gunsten Dritter nach §§ 328 ff. BGB, bei denen durch Täuschung eines unbeteiligten Dritten ein Vierter begünstigt wird.
 
6. Anfechtungserklärung, §143 BGB
Die Anfechtungserklärung im Sinne von § 143 BGB ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Aus ihr muss hervorgehen, dass der Anfechtende den Willen hat das Geschäft gerade wegen des Willensmangels nicht bestehen lassen zu wollen. In der Regel ist die Erklärung formlos möglich. Sofern dennoch eine Form vereinbart worden ist, muss diese vom Getäuschten nicht eingehalten werden. Zudem sieht das Gesetz keine Begründungspflicht vor. Allerdings wird gefordert, dass der Anfechtungsgrund aus den Umständen erkennbar sein muss. Der Anfechtungsgegner bestimmt sich nach Maßgabe des § 143 Abs. 2 bis 4 BGB. Besonderheiten ergeben sich gemäß § 143 Abs. 3 Satz 1 BGB bei der Vollmachterteilung nach § 167 BGB. Sofern noch kein Rechtsgeschäft abgeschlossen wurde, bestimmt sich die Person des Anfechtungsgegners unstrittig danach, wer die anzufechtende Erklärung empfangen hat. Entscheidend ist also, ob eine Innen- oder Außenvollmacht erteilt wurde. Ist das Rechtsgeschäft dagegen bereits abgeschlossen, wird teilweise vertreten, dass die Anfechtung der Vollmacht nur gegenüber dem Geschäftspartner erfolgen könne.[17]
 
7. Anfechtungsfrist, §124 Abs. 1 und 2 Satz 1 erste Alternative
Die empfangsbedürftige Willenserklärung ist binnen eines Jahres nach Entdeckung der Täuschung anzufechten, wobei es auf positive Kenntnis, nicht auf den bloßen Täuschungsverdacht ankommt. Ferner wird nicht nach § 121 Abs. 1 Satz 2 BGB auf das unverzügliche Absenden, sondern auf den Zugang der Erklärung gemäß § 130 BGB abgestellt. Teils wird die lange Anfechtungsfrist für ungerecht erachtet, sofern nach § 123 Abs. 2 BGB gegenüber einem Dritten und nicht dem Täuschenden selbst anzufechten ist, sodass nach Ablauf einer vom Anfechtungsgegner gesetzten angemessenen Frist der Getäuschte keine Rechte mehr herleiten können soll.[18] Jedoch ist nicht ersichtlich, warum der Anfechtungsgegner, sofern er die Täuschung kannte oder kennen musste, schutzwürdig sein sollte.[19]
 
8. Ausschluss der Anfechtung
Die Anfechtung ist gemäß § 124 Abs. 3 BGB nach Ablauf von zehn Jahren ab Abgabe der Willenserklärung ausgeschlossen. Zudem kann, wie im Rahmen der §§ 119, 120 BGB, auch bei der arglistigen Täuschung gemäß § 144 Abs. 1 BGB der Anfechtungsberechtigte durch Bestätigung des anfechtbaren Rechtsgeschäfts auf seine Rechte verzichten, wenn er Kenntnis des Anfechtungsgrundes hat. Zwar ist die Einhaltung der Form des zugrundeliegenden Rechtsgeschäfts nicht erforderlich, an eine konkludente Bestätigung werden im Rahmen des § 123 Abs. 1 erste Alternative BGB aber hohe Anforderungen gestellt. Auch ein Ausschluss unter Vorbehalt von Treu und Glauben kann wie bei den §§ 119, 120 BGB angenommen werden, sofern die dem Getäuschten erbrachte Leistung zum Zeitpunkt der Anfechtungserklärung nicht mehr beeinträchtigt erscheint. Ein vorheriger Ausschluss der Anfechtung ist, außer wenn im Falle des § 123 Abs. 2 BGB die Täuschung durch Dritte nur hätte bekannt sein müssen, wegen Verstoßes gegen das Recht auf freie Selbstbestimmung nicht möglich.
 
9. Rechtsfolgen
Die Rechtsfolgen bestimmen sich, wie bei der Anfechtung, gemäß §§ 119, 120 BGB nach § 142 BGB. Der schutzwürdige Anfechtende hat somit die Wahl, ob er die Willenserklärung und mit ihr den gesamten Vertrag durch Anfechtung ex tunc vernichtet oder das Rechtsgeschäft gegen sich gelten lässt. Bei in Vollzug gesetzten Dauerschuldverhältnissen, wie im Arbeits- und Gesellschaftsrecht, ergeben sich jedoch Probleme bei der Rückabwicklung nach den Regeln des Bereicherungsrechts, sodass es regelmäßig zu einer vom Wortlaut des § 142 Abs. 1 BGB abweichenden Nichtigkeitsfolge ex nunc kommt.[20] Problematisch ist, ob es beim Vorliegen von arglistiger Täuschung dagegen, mangels Schutzwürdigkeit des Täuschenden, nicht bei der vom Gesetzgeber angeordneten Folge bleiben sollte.
Im Arbeitsverhältnis besteht bei Rückabwicklungen das Problem einer objektiven Bewertung der Arbeitsleistung sowie des rückwirkenden Entfallens von Schutzvorschriften. Allerdings können dem täuschenden Arbeitnehmer die Risiken wohl auferlegt werden, sodass es keinen sachlichen Grund gibt, der die Abweichung von der Gesetzesfolge zu rechtfertigen vermag. Die Rechtsprechung verdeutlicht anhand der Außervollzugsetzung, dass Gesichtspunkte des Arbeitnehmerschutzes nicht zum Tragen kommen.[21] Zumindest bei besonders schweren Mängeln[22] wird stets keine Ausnahme von der gesetzlichen Rechtsfolge vorgenommen.
Im Gesellschaftsrecht wird dagegen eine Auseinandersetzung mit Wirkung für die Zukunft nach Invollzugsetzung trotz Arglist grundsätzlich aus Gründen der Verkehrssicherheit sowie wegen besonderer Rückabwicklungsschwierigkeiten im Außenverhältnis angenommen.[23]
Bei Mietverträgen bleibt es dagegen mangels vergleichbarer Schwierigkeiten im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung bei der gesetzlich angeordneten Rechtsfolge.[24].
Im Rahmen der arglistigen Täuschung ist zudem besonders hervorzuheben, dass zumeist das schuldrechtliche und das dingliche Geschäft an demselben Willensmangel leiden und somit beide anfechtbar sind. Diese Fehleridentität kann freilich nicht als eine Durchbrechung des Trennungs- und Abstraktionsprinzips gewertet werden, weil die danach vorzunehmende strikte Trennung dieser Geschäfte nicht vom Durchschlagen des Mangels berührt wird.[25] Beachtlich ist ferner, dass die gemäß § 122 BGB vorgesehene Schadensersatzpflicht aufgrund der systematischen Stellung des Gesetzes nicht auf die Arglistanfechtung anzuwenden ist.
 
10. Konkurrenzen
Nach der Geltendmachung des § 119 BGB bleibt eine Berufung auf § 123 BGB möglich. Auch die Gewährleistungsrechte, die – anders als im Verhältnis zu § 119 BGB – kein lex specialis sind, können wahlweise geltend gemacht werden. Wird aber zunächst wirksam angefochten, fehlt es an einem für die §§ 437 ff. BGB erforderlichen gültigen Vertrag, sodass diese ausgeschlossen sind. Eine Geltendmachung genannter Rechte ist hingegen weder als konkludenter Verzicht noch als eine Bestätigung im Sinne des § 144 Abs. 1 BGB zu werten. Ein Anspruch aus culpa in contrahendo (c. i. c.) soll neben der erfolgten Anfechtung erhalten bleiben. Kritisch ist dies jedoch, sofern der Anspruch auf Beseitigung des Vertrags gerichtet ist, da bereits Fahrlässigkeit zur Anspruchsbegründung bei der c. i. c. ausreicht und die Frist nach § 124 BGB durch die dann geltende dreijährige Verjährungsfrist unterlaufen würde. Die von der Rechtsprechung erfolgte Einschränkung, nach der die Vertragsaufhebung nur gefordert werden könne, sofern ein Vermögensschaden zu bejahen sei[26], löst die Wertungswidersprüche nicht, zumal ein Vermögensschaden regelmäßig schon bei Abschluss eines nicht gewollten Vertrags vorliegt. Eine Vermeidung von Wertungswidersprüchen kann herbeigeführt werden, indem bei fahrlässigem Handeln der Anspruch aus c. i. c. auf Vertragsaufhebung nur in den Grenzen des § 121 BGB analog und bei Vorsatz in den Grenzen des § 124 BGB analog zugelassen wird.[27] Ferner wird vertreten, dass neben der Anfechtung gemäß § 123 BGB die Grundsätze der c. i. c. nur anwendbar bleiben, wenn der Anspruch nicht auf Aufhebung des Vertrags gerichtet ist.[28]
 
11. Weiterführende Literaturhinweise

  • Martens: Zur Abgrenzung der §§123 I und II 1 BGB JuS 10/2005, S. 887 ff.
  • Strick: Die Anfechtung von Arbeitsverträgen durch den Arbeitgeber NZA 2000, S. 695- 700
  • Lorenz: Vertrauensschaden des Wohnungskäufers bei Verschweigen der Sozialbindung und falschen Finanzierbarkeitsangaben- was schützt die culpa in contrahendo? NZM 1998, S. 359 ff.
  • Olzen/ Wank: Zivilrechtliche Klausurenlehre 7. Auflage, 2012: Falllösung „Verheimlichte Schwangerschaft“, Rn. 226 ff.
  • Schubert, AcP 168 (1968), 470 ff.

 
12. Einzelnachweise

[1] Flume, Allgemeiner Teil des BGB, 2. Band, 3. Auflage 1979, §29/1.
[2] Brox/ Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 36. Auflage 2012, §19, Rn. 450.
[3] BGHZ 169, 109 (115); Soergel/Hefermehl, Band 2 §§104- 240, 1999, §123, Rn. 3.
[4] MüKomm/Armbrüster, Band 1 AT §§1- 240, 6. Auflage 2012, §123, Rn. 28.
[5] RGZ 111, 233 (234).
[6] BGH NJW 1983, 2493 (2494).
[7] Soergel/Hefermehl, Band 2 §§104- 240, 1999, §123, Rn. 8.
[8] BGHZ 47, 208 (210); MüKomm/Armbrüster, Band 1 AT §§1- 240, 6. Auflage 2012, §123, Rn. 33.
[9] BAG NZA 1998, 33 (34).
[10] Brox/ Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 36. Auflage 2012, §19, Rn. 454.
[11] BAGE 51, 167 (172).
[12] RGZ 72, 133 (135).
[13] Brox/ Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 36. Auflage 2012, §19, Rn. 458.
[14] MüKomm/Armbrüster, Band 1 AT §§1-240, 6. Auflage 2012, §123, Rn. 64; BGH NJW 2001, 358 (358 f.).
[15] Soergel/Hefermehl, Band 2 §§104- 240, 1999, §123, Rn. 38; Staudinger/Singer, von Finckenstein, Buch 1 AT, §§90- 123; 130- 133, 2012, §123, Rn. 63; aA: BGHZ 31, 321 (324 ff.); RGZ 119, 418 (421).
[16] NJW- RR 1992, 1005 (1006); Medicus/Petersen, BR 23. Auflage 2011, §6, Rn. 149; aA: noch BGH NJW 1962, 1907 (1907 f.).
[17] Staudinger/Roth, Buch 1 AT §§134- 163, 2003, §143, Rn. 35; aA: Larenz/Wolf, AT des Bürgerlichen Rechts, 9. Auflage 2004, §44, Rn. 32; Palandt/Ellenberger, 72. Auflage 2013, §143, Rn. 6.
[18] Flume, Allgemeiner Teil des BGB, 2. Band, 3. Auflage 1979, §27/3.
[19] Staudinger/Singer, von Finckenstein, Buch 1 AT, §§90- 123, 130- 133, 2012, §124, Rn. 1.
[20] BAGE 5, 159 (161); BGHZ 3, 285 (287f.); Palandt/Ellenberger, 72. Auflage 2013, §119, Rn. 5.
[21] BAG NZA 1999, 584 (586); BGH NJW 1984, 646 (647).
[22] BAG NZA 2005, 1409 (1410).
[23] BGHZ 13, 320 (323 f.); 55, 5 (8).
[24] BGHZ 178, 16 (27).
[25] Bork, Allgemeiner Teil des BGB, 3. Auflage 2011, §13, Rn. 482.
[26] BGH NJW- RR 2002, 308 (310); NJW 1998, 302 (304); ebenfalls Schubert, AcP 168 (1968), 470 (504 ff.).
[27] MüKomm/Armbrüster, Band 1 AT §§1- 240, 6. Auflage 2012, §123, Rn. 91; Staudinger/Singer, von Finckenstein, Buch 1 AT, §§90- 123; 130- 133, 2012, §123, Rn. 101; in den Grenzen des §124 BGB analog: OLG Hamm NJW- RR 1995, 205 (206); Fleischer, AcP 200 (2000), 91 (119).
[28] Brox/ Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 36. Auflage 2012, §19, Rn. 463.

 

 

 

24.02.2013/1 Kommentar/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2013-02-24 18:00:562013-02-24 18:00:56Examenswissen auf Wikipedia – Beitrag "Arglistige Täuschung"
Gastautor

Examenswissen auf Wikipedia – Beitrag "Abtretung"

Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Verschiedenes, Zivilrecht

Liebe Leser von juraexamen.info, vor einiger Zeit haben wir Euch auf das Seminar „Examenswissen auf Wikipedia“ der Universität zu Köln (Kompetenzzentrum für juristisches Lehren und Lernen; Prof. Dauner-Lieb) hingewiesen, das von Frau Professor Dauner-Lieb und Herrn Tobias Lutzi betreut wurde.

Wir freuen uns heute und in den nächsten Tagen einige sehr gelungene Beiträge hiervon auf unserer Seite veröffentlichen zu können. Sämtliche hier veröffentlichten Beiträge werden in der nächsten Zeit in ähnlicher Form auch auf wikipedia erscheinen. Eine Übersicht über alle Beiträge werden wir, wenn diese vorliegt, hier auch noch veröffentlichen.

Der heutige Beitrag ist von Vera Eickhoff und befasst sich mit dem Stichwort „Abtretung“.

 Abtretung

Abtretung meint nach der Legaldefinition des § 398 Satz 1 BGB die vertragliche Übertragung einer vom alten Gläubiger (Zedent) auf den neuen Gläubiger (Zessionar). Es handelt sich um den Austausch des Gläubigers durch Rechtsgeschäft ohne Änderung des Schuldners oder des Inhalts der Forderung. Die Abtretung ist daher abzugrenzen von der Schuldübernahme und der Novation. Neben dem rechtsgeschäftlichen Forderungsübergang kann die Person des Gläubigers auch kraft Gesetzes (sog. cessio legis, bspw. § 426 Abs. 2 Satz 1, § 774 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 86 Abs. 1 VVG) oder durch Hoheitsakt (bspw. § 835 Abs. 2 ZPO) ausgetauscht werden.

Bedeutung. Die Forderung als solche hat Vermögenswert.[1] Die Abtretung ist daher insbesondere bedeutsam als Zahlungsmittel (Abtretung an Erfüllungs Statt oder erfüllungshalber) und Sicherungsmittel für Geld- oder Warenkrediten.

 

Rechtsnatur. Bei der Abtretung handelt es sich um eine Verfügung über die Forderung. Sie ist allerdings kein dingliches Rechtsgeschäft, da sie kein Recht an einer Sache, sondern einen Anspruch aus einem Schuldverhältnis (§ 241 Abs. 1 Satz 1 BGB) betrifft.[2] Insofern erklärt sich die Einordnung im allgemeinen Teil des Schuldrechts. Demgegenüber können dingliche Rechte wie bspw. das Eigentum und Ansprüche, die einzig dazu dienen, diese dinglichen Rechte durchzusetzen (bspw. § 985 BGB), nicht abgetreten werden: sie gehen nach den allgemeinen Regeln über die Übertragung dinglicher Rechte (bspw. §§ 929 ff. BGB) über.[3]

Als Verfügung ist der Abtretungsvertrag abstrakt von dem zugrunde liegenden Kausalgeschäft.[4] Hierbei kann es sich bspw. um einen Forderungskauf, eine Schenkung, eine Geschäftsbesorgung (im Falle der Inkassozession, s.u.) oder eine Sicherungsabrede (im Falle der Sicherungsabtretung, s.u.) handeln. Mängel im Kausalgeschäft berühren die Wirksamkeit der Abtretung nicht, die Forderung ist aber ggf. kondizierbar (§§ 812 ff. BGB).

 

1. Voraussetzungen der Abtretung

1.1 Wirksame Einigung über den Forderungsübergang, § 398 Satz 1 BGB

Bei der Einigung handelt es sich um einen Verfügungsvertrag, der nach den allgemeinen Vorschriften über Entstehung und Wirksamkeit von Willenserklärungen und Verträgen beurteilt werden muss. Die Abtretung kann insbesondere gegen § 134 BGB iVm § 203 StGB verstoßen, da § 402 BGB den Zedenten zur Herausgabe der zur Durchsetzung erforderlichen, ggf. vertraulichen Unterlagen verpflichtet.[5] Der Abtretungsvertrag ist grundsätzlich formlos wirksam.[6] Dies gilt auch, wenn das zugrunde liegende Kausalgeschäft formbedürftig ist (bspw. nach § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB), da die Abtretung als Verfügungsgeschäft abstrakt ist. Ausnahmsweise kann aber auch der Abtretungsvertrag einem Formzwang nach Spezialgesetzen unterliegen (bspw. gem. § 1154 Abs. 1 BGB). Auf die Nichtigkeit des Abtretungsvertrags kann sich auch der Schuldner berufen.[7]

1.2 Berechtigung des Zedenten

Die Forderung muss tatsächlich bestehen und der Zedent ihr Inhaber sein. Zudem darf die Abtretung nicht ausgeschlossen sein.

1.2.1 Bestehen der Forderung zugunsten des Zedenten

Grundsätzlich ist jede Forderung abtretbar, unabhängig, aus welchem Schuldverhältnis sie stammt. Eine Teilabtretung ist nach herrschender Meinung (h.M.) möglich, wenn die Forderung teilbar ist.[8] Aber auch erst künftig entstehende Forderungen können abgetreten werden (Vorausabtretung, praktisch häufig zu Sicherungszwecken).[9] Auch können mehrere Forderungen auf einmal abgetreten werden, bspw. alle aus einem bestimmten Rechtsverhältnis (Globalzession).

Bestimmtheitsgrundsatz. Die Forderung muss im Interesse der Rechtssicherheit nach Schuldgrund, Inhalt und Schuldner zweifelsfrei bestimmbar sein.[10] Für künftige Forderungen reicht aus, dass diese Voraussetzungen im Zeitpunkt der Entstehung der Forderung erfüllt sind.[11] Insbesondere bei der Globalzession muss nicht jede Forderung einzeln bezeichnet werden, wenn eindeutig ist, dass alle Forderungen aus einem bestimmten Zeitraum oder aus bestimmten Geschäftsbeziehungen abgetreten werden sollen.[12]

Grundsatz: kein gutgläubiger Erwerb von Forderungen. Besteht die Forderung nicht oder ist der Zedent nicht Inhaber der Forderung – etwa weil er sie bereits abgetreten hat – kommt ein gutgläubiger Erwerb durch den vermeintlichen Neugläubiger grundsätzlich nicht in Betracht.[13] Anders als beim Erwerb eines dinglichen Rechts an einer beweglichen Sache (§§ 932 ff. BGB) oder an Grundstücken (§ 892 BGB) fehlt es hier an einem Rechtsscheinsträger wie dem Besitz (§ 1006 BGB) oder dem Grundbuch, auf den der Neugläubiger vertrauen darf. Bei einer mehrfachen Abtretung derselben Forderung greift nur die erste (Prioritätsprinzip); alle nachfolgenden gehen ins Leere.[14] Ausnahmsweise kann eine Forderung gutgläubig erworben werden, sofern über sie eine Urkunde ausgestellt wurde, die als Rechtsscheinsträger fungiert. § 405 BGB ermöglicht aber nur den Erwerb trotz der Einwendung des § 117 BGB oder eines Abtretungsausschlusses gem. § 399 Fall 2 BGB, nicht in sonstigen Fällen fehlender Forderungsinhaberschaft. Eine solche Möglichkeit besteht nur, wenn der Abtretende durch einen Rechtsscheinsträger legitimiert wird (bspw. § 2366 BGB).[15]

1.2.2 Übertragbarkeit der Forderung / Kein Ausschluss der Abtretung

Die Abtretbarkeit kann durch Sondervorschriften ausgeschlossen sein (bspw. § 613 Satz 2, § 664 Abs. 2 BGB). Weiterhin kommt ein Ausschluss gem. § 399 oder § 400 BGB in Betracht.

§ 399 Fall 1 BGB: Ausschluss bei Inhaltsänderung. Eine Inhaltsänderung der Forderung durch die Abtretung kommt insbesondere in Betracht bei höchstpersönlichen Ansprüchen, die auf die Person des Gläubigers zugeschnitten sind (bspw. Urlaubsanspruch, § 1 BUrlG),[16] ebenso bei einem Anspruch auf Befreiung von einer Verbindlichkeit (bspw. § 257 BGB): dieser kann ohne Inhaltsänderung nur an den Gläubiger dieser Verbindlichkeit abgetreten werden.[17]

§ 399 Fall 2 BGB: Vertraglicher Abtretungsausschluss (pactum de non cedendo). Schuldner und Gläubiger können vereinbaren, dass eine Forderung nicht abtretbar sein soll. Nach h.M. hat diese Vereinbarung absolute, nicht bloß relative Wirkung.[18] Zwei Ausnahmen von der Unwirksamkeit der Abtretung in solchen Fällen begründet § 354a HGB.

Auf einen Ausschluss der Abtretbarkeit gem. § 399 Fall 2 BGB kann sich der Schuldner gem. § 405 Fall 2 BGB nur bei Kenntnis des Zessionars berufen. Gem. § 851 Abs. 2 ZPO wirken Abreden im Sinne des § 399 Fall 2 BGB nicht zu Lasten von Vollstreckungsgläubigern.

Einer vereinbarungswidrigen Verfügung kann der Schuldner zustimmen, da § 399 Fall 2 BGB nur ihn schützt.[19] Die neuere Rechtsprechung und herrschende Lehre (h.L.) hält die Zustimmung für einen Abänderungsvertrag mit Wirkung bloß für die Zukunft.[20] Auch wenn die Abtretung ausdrücklich von der Genehmigung des Schuldners abhängig gemacht wurde, soll diese nicht zurückwirken.[21] Eine ältere Ansicht billigt der Zustimmung des Schuldners entsprechend § 185 Abs. 2 Satz 1 Fall 1, § 184 Abs. 1 BGB Rückwirkung zu auf den Zeitpunkt der Abtretung. Bei mehrfacher Abtretung soll diejenige wirksam werden, der der Schuldner zuerst zustimmt; dies kann auch die spätere Abtretung sein.[22] Bedeutsam wird dieser Streit bei der Frage, ob zwischen Abtretung und Zustimmung vorgenommene Verfügungen oder Pfändungen wirksam bleiben oder nicht.

§ 400 BGB: Unpfändbare Forderungen. Soweit eine Forderung nicht pfändbar ist, kann sie auch nicht abgetreten werden. Dies dient zum einen dem Schutz des Existenzminimums des Gläubigers, zum anderen auch dem Schutz der Allgemeinheit: der Gläubiger soll sich seines eigenen Vermögen insoweit nicht entledigen können, als er dann auf staatliche Unterstützung angewiesen ist.[23] Daher ist § 400 BGB zwingend und der Schuldner kann auf seinen Schutz nicht verzichten.[24] Die Pfändbarkeit ist geregelt in §§ 850 ff. ZPO.

 

2. Wirkungen der Abtretung

2.1 Übergang der Forderung auf den neuen Gläubiger, § 398 Satz 2 BGB

Die Abtretung führt zum Übergang der Forderung vom Zedenten auf den Zessionar in der Form, in der sie zum Zeitpunkt der Abtretung besteht, § 398 S.2 BGB. Anders als bei einer Vertragsübernahme bleibt der Zedent Vertragspartner des Schuldners und kann ihm gegenüber die Einrede des § 320 BGB geltend machen.[25] Er bleibt auch empfangszuständig für die Gestaltungserklärungen des Schuldners aus einem gegenseitigen Vertrag.[26]

Bei der Vorausabtretung kann der Zessionar die Forderung erst bei ihrer Entstehung erwerben. Ob die Gläubiger des Zedenten in dessen Insolvenz auf die Forderung zugreifen können und ob dem Zessionar schon vor Forderungsentstehung eine Prozessführungsbefugnis zusteht, richtet sich danach, ob die vorausabgetretene Forderung direkt in der Person des Zessionars entsteht (Direkterwerb) oder zunächst für eine logische Sekunde in der Person des Zedenten (Durchgangserwerb). Überwiegend[27] wird danach unterschieden, ob mit der Abtretung bereits eine bestehende Rechtsposition (Anwartschaft) übertragen werden konnte (bspw. bei aufschiebend bedingten Forderungen), oder ob dies gerade nicht der Fall ist. Bei Übertragung einer Anwartschaft soll ein Direkterwerb vorliegen, sonst ein Durchgangserwerb.

2.2 Übergang von Neben- und Vorzugsrechten, § 401 BGB

Ausdrücklich in § 401 BGB genannt sind Hypotheken und Pfandrechte sowie Bürgschaften. Da diesen Rechten gemeinsam ist, dass sie abhängig von der Forderung sind (Akzessorietät), wird diese Vorschrift analog auf andere akzessorische Sicherheiten angewandt, insbesondere auf die Vormerkung (§§ 883 ff. BGB).[28] Ebenso gehen unselbstständige Hilfsansprüche wie bspw. Auskunftsansprüche über.[29]

Bezüglich der Gestaltungsrechte, die dem Zedenten hinsichtlich der Forderung zustanden, ist nach h.M. zu unterscheiden:[30] dienen diese nur zur Durchsetzung der Forderung (bspw. Fälligkeitskündigung, Wahlrecht des Gläubigers), sollen sie entsprechend § 401 BGB mit der Forderung übergehen.[31] Betreffen sie aber auch die verbliebene Position des Zedenten (bspw. §§ 346 ff. BGB nach Erklärung des Rücktritts), sollen sie diesem oder beiden Gläubigern zur gemeinsamen Ausübung zustehen.[32] Ihr Übergang kann allerdings gesondert vereinbart werden.[33]

Keine Anwendung findet § 401 BGB auf fiduziarische Sicherungsrechte wie Sicherungsgrundschuld, –übereignung oder –zession. Diese sind zum einen nicht akzessorisch zur Forderung; zum anderen ist der Gläubiger im Innenverhältnis zum Sicherungsgeber gebunden, sodass diese Vertrauensstellung dem automatischen Personenwechsel entgegensteht.[34] Allerdings kann aus dem zugrunde liegenden Kausalverhältnis für den Zedenten die schuldrechtliche Pflicht bestehen, solche Rechte ebenfalls zu übertragen.[35]

2.3 Pflichten des Zedenten, §§ 402, 403 BGB

Der Zedent ist verpflichtet, dem Zessionar die nötige Auskunft zu erteilen und die erforderlichen Urkunden zu übergeben (§ 402 BGB). Er hat außerdem auf Verlangen eine öffentlich beglaubigte Urkunde über die Abtretung auszustellen (§ 403 BGB).

 

3. Schuldnerschutz

Die §§ 404, 406 ff. BGB dienen dem Schutz des Schuldners. Grundgedanke dieser Regelungen ist, dass sich die Rechtsstellung des Schuldners nicht durch die Abtretung verschlechtern darf, da er an ihr nicht mitwirken, von ihr nicht einmal Kenntnis haben muss.

3.1 Erhalt von Einwendungen und Einreden aus dem Ursprungsschuldverhältnis, § 404 BGB

Da die Forderung so übergeht, wie sie beim Zedenten bestand (§ 398 Satz 2 BGB), geht sie mit allen Verteidigungsrechten über, die der Schuldner bereits dem Altgläubiger entgegenhalten konnte. § 404 BGB gilt daher auch für Einreden.[36] Einzig auf § 117 BGB kann sich der Schuldner im Fall des § 405 BGB nicht berufen (s.o.).

§ 404 BGB gilt zunächst für solche Einwendungen/Einreden, deren Voraussetzungen bei der Abtretung vorlagen (bspw. Nichtigkeitsgründe bzgl. der Forderung; Verjährung; Erfüllung, auch durch Aufrechnung). Es reicht aber auch aus, wenn die Einwendung/Einrede zur Zeit der Abtretung nur „begründet“ ist, das heißt dem Grunde nach angelegt ist in dem Ursprungsschuldverhältnis,[37] selbst wenn alle Voraussetzungen erst nach der Abtretung vorliegen (bspw. wenn bei Gestaltungsrechten die Erklärung fehlt). Bei mehrfacher Abtretung kann der Schuldner dem nachfolgenden Zessionar gem. § 404 BGB auch Einwendungen/Einreden entgegenhalten, die er aus dem Verhältnis mit dem vorigen Zessionar erworben hat. Die in der Praxis oft seitens des Zessionars vom Schuldner erbetene Bestätigung der Einredefreiheit ist eng auszulegen, insbesondere kann ein Verzicht auf diesem noch unbekannte Einwendungen/Einreden so nicht konstruiert werden.[38]

3.2 Schutz des Schuldners bei Unkenntnis von der Abtretung, §§ 407, 408 BGB

Hat der Schuldner keine Kenntnis von der Abtretung, muss der Zessionar eine Leistung an den Zedenten sowie ein Rechtsgeschäft mit dem Zedenten die Forderung betreffend gegen sich gelten lassen (bspw. Erlass, Stundung, Aufrechnung), § 407 Abs. 1 BGB. Ist nach Abtretung, aber vor Kenntnis des Schuldners hiervon über die Forderung ein Rechtsstreit zwischen Zedenten und Schuldner anhängig geworden, muss der Zessionar auch ein rechtskräftiges Urteil zugunsten des Schuldners gegen sich gelten lassen, § 407 Abs. 2 BGB.[39] Die Unkenntnis des Schuldners wird vermutet; fahrlässige Unkenntnis schadet nicht (§ 407 Abs. 1 und 2 BGB a.E.).

Auf Urteile oder Handlungen zu Lasten des Schuldners jedoch (bspw. Kündigung, Hemmung der Verjährung) kann sich der Zessionar nicht berufen („gegen sich gelten lassen“, § 407 Abs. 1 und 2 BGB). Da die Vorschrift allein den Schutz des Schuldners bewirken soll, kann er auf ihre Wirkung verzichten; beispielsweise kann es für ihn günstig sein, seine Leistung vom Zedenten zurückzufordern, um mit einer Forderung, die er gegen den insolventen Zessionar hat, gegen die abgetretene Forderung aufzurechnen.[40]

Die Grundsätze gelten auch bei mehrfacher Abtretung oder gerichtlicher Überweisung einer bereits abgetretenen Forderung an einen Dritten, wenn der Schuldner keine Kenntnis vom zeitlich früheren Forderungsübergang hat (§ 408 BGB). Bei bloßer Unkenntnis über die tatsächliche Reihenfolge der Abtretungen schützt § 408 BGB den guten Glauben des Schuldners jedoch nicht.[41]

3.3 Schutz bei Abtretungsanzeige bzw. bis zur Abtretungsanzeige, §§ 409, 410 BGB

Wird dem Schuldner die Abtretung angezeigt, muss er auf die Richtigkeit der Anzeige vertrauen können. Die Anzeige kann auf zwei Arten erfolgen: entweder stammt sie – mündlich[42] oder schriftlich – vom Zedenten, oder der Zessionar legt dem Schuldner eine vom Zedenten ausgestellte Urkunde über die Abtretung vor. Der Schuldner darf dann befreiend an den leisten, der ihm als neuer Gläubiger benannt ist, sowie Rechtshandlungen ihm gegenüber vornehmen. Nach überwiegender Ansicht soll es für diese Wirkung nicht auf die Gutgläubigkeit des Schuldners ankommen, der sich sogar bei positiver Kenntnis von der Unwirksamkeit der Abtretung auf die Abtretungsanzeige berufen können soll.[43] Die Gegenansicht hält dies für zu weit gehend und beschränkt den Schutz des § 409 Abs. 1 BGB auf die Fälle, in denen es dem Schuldner wirklich auf die Tilgung seiner Verbindlichkeit ankommt.[44]

Der Zedent kann Leistung an sich selbst nur dann verlangen, wenn derjenige, der in der Anzeige als Zessionar genannt ist, der Rücknahme der Anzeige zustimmt (§ 409 Abs. 2 BGB). Darauf kann der Zedent allerdings einen Anspruch aus § 812 BGB haben.

§ 410 Abs. 1 BGB gewährt dem Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht bis zum urkundlichen Nachweis über die Abtretung durch den Zessionar. Bis dahin darf er aus diesem Grund dessen Mahnung oder Kündigung unverzüglich zurückweisen; es sei denn, der Zedent hat dem Schuldner die Abtretung – schriftlich – angezeigt.[45] Der Schuldner muss also nicht ohne den Schutz des § 409 BGB leisten.

3.4 Schuldnerschutz im Rahmen der Aufrechnung, § 406 BGB

Unproblematisch aufrechnen kann der Schuldner gegenüber dem Zessionar mit einer Forderung, die ihm gegen diesen zusteht. § 406 BGB betrifft die Fälle, in denen ihm die Aufrechnung mit einer Forderung gegen den Zedenten ermöglicht werden soll, wenn also die in § 387 BGB geforderte Gegenseitigkeit nicht gegeben ist. § 406 BGB gilt nur für eine Aufrechnung, die in Kenntnis der Abtretung vorgenommen wird; sie ist gegenüber dem Zessionar zu erklären. Für Aufrechnungen, die bereits vor der Abtretung gegenüber dem Zedenten erklärt worden sind, gilt § 404 BGB; für Aufrechnungen in Unkenntnis von der Abtretung gilt § 407 BGB.

§ 406 BGB hilft über die fehlende Gegenseitigkeit der Forderungen hinweg. Der Schuldner ist schutzwürdig, wenn er hoffen durfte, mit seiner Gegenforderung gegen die abgetretene (Haupt-)Forderung aufrechnen zu können.[46] Entscheidend ist der Zeitpunkt, zu dem er Kenntnis von der Abtretung erhält.

Wusste er schon bei Erwerb der Gegenforderung von der Abtretung, kann er dem Zessionar gegenüber nicht aufrechnen (§ 406 Hs. 2 Alt. 1 BGB). Dann musste er sich bewusst sein über die fehlende Gegenseitigkeit der Forderungen.[47]

Ist die Gegenforderung des Schuldners erst nach dessen Kenntnis von der Abtretung und später als die abgetretene Hauptforderung fällig geworden, kann der Schuldner dem Zessionar gegenüber ebenfalls nicht aufrechnen (§ 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB). Bei pünktlicher Erfüllung seiner Verbindlichkeit hätte der Schuldner ja auch dem Zedenten gegenüber nicht mit seiner noch nicht fälligen Gegenforderung aufrechnen können.[48]

Im Umkehrschluss bleibt der Schuldner zur Aufrechnung befugt, wenn zu dem Zeitpunkt, zu dem er von der Abtretung Kenntnis erhält, bereits eine Aufrechnungslage iSd § 389 BGB gegeben war – § 406 BGB hilft über die fehlende Gegenseitigkeit der Forderungen hinweg. Er bleibt auch berechtigt, wenn sich für ihn ohne die Abtretung bei der im Zeitpunkt der Kenntniserlangung gegebenen Rechtslage eine Aufrechnungslage entwickelt hätte, weil seine Gegenforderung vor oder mit der abgetretenen Hauptforderung zusammen fällig geworden wäre.[49]

 

4. Spezialfälle der Abtretung

4.1 Sicherungsabtretung

Hier dient die Forderung zur Sicherung eines Bar- oder Warenkredits. Kausalgeschäft ist eine Sicherungsabrede, die in der Regel den Zessionar (Sicherungsnehmer) im Innenverhältnis verpflichtet, die Forderung nur im Sicherungsfall zu verwerten und bei Rückzahlung des Kredits rückabzutreten. Für größere Kredite in der Praxis relevant ist die sog. Sicherungsglobalzession, bei der alle Forderungen des Zedenten gegen Drittschuldner oder zumindest alle aus bestimmten Geschäftsbeziehungen an den Zessionar abgetreten werden. Oft erfolgt die Sicherungsabtretung als sog. stille Zession: der Zedent tritt die Forderung ab, wird aber zugleich vom Zessionar zur Einziehung ermächtigt.[50]

4.2 Verlängerter Eigentumsvorbehalt

Hier gestattet der Eigentumsvorbehaltsverkäufer seinem Käufer, die Kaufsache weiterzuveräußern und auch das Eigentum daran zu übertragen; im Gegenzug lässt er sich im Voraus die Forderungen aus der Weiterveräußerung abtreten.

4.3 Inkassozession

Die Forderung wird vom Zedenten übertragen, damit der Zessionar sie für ihn einzieht. Anders als bei der Einziehungsermächtigung[51] wird der Zessionar hier Inhaber der Forderung und ist nur im Innenverhältnis durch die Inkassoabrede dem Zedenten verpflichtet.

4.4 Factoring

Bei dieser gesetzlich nicht geregelten Konstruktion überträgt der Gläubiger Forderungen an einen Factor, der ihm den Gegenwert abzüglich einer Risikopauschale zur Verfügung stellt. Das unechte Factoring, bei dem dieser Austausch im Falle der Uneintreibbarkeit der Forderung rückgängig gemacht wird, wird allgemein als Darlehensgeschäft, das echte Factoring, bei dem eine Rückabwicklung ausgeschlossen ist, als Forderungskauf eingeordnet.[52] In beiden Fällen ist das Factoring das abstrakte Kausalgeschäft, das durch die Abtretung erfüllt wird.

 

5. Vertiefende Literatur

Larenz, Schuldrecht Band I Allgemeiner Teil, 14. Auflage 1987, §§ 33, 34.

Ahcin / Armbrüster, Grundfälle zum Zessionsrecht, JuS 2000, 450 ff., 549 ff., 658 ff., 768 ff., 865 ff., 965 ff.

Haertlein, Die Rechtsstellung des Schuldners einer abgetretenen Forderung, JuS 2007, 1073 ff.

Bacher, Aufrechnung gegenüber abgetretenen Forderungen, JA 1992, 200 ff., 234 ff.

Eidenmüller, Die Dogmatik der Zession vor dem Hintergrund der internationalen Entwicklung, AcP 204 (2004), 457 ff.

 

 


[1] Ausführlich Larenz, Schuldrecht Band I AT, 14. Aufl. 1987, § 33 I, II.

[2] Ahcin/Armbrüster, Grundfälle zum Zessionsrecht, JuS 2000, 450 (452).

[3] Larenz, Schuldrecht Band I AT, 14. Aufl. 1987, § 34 Abs. 2, 583.

[4] G. Lüke, Grundfragen des Zessionsrechts, JuS 1995, 90.

[5] Ahcin/Armbrüster, Grundfälle zum Zessionsrecht, JuS 2000, 450, 452 ff.; Looschelders, Schuldrecht AT, 10. Aufl. 2012, Rn. 1091.

[6] Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, 36. Aufl. 2012, § 34, Rn. 9.

[7] Looschelders, Schuldrecht AT, 10. Aufl. 2012, Rn. 1123.

[8] Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 398, Rn. 10; Larenz, Schuldrecht Band I AT, 14. Aufl. 1987, § 34 Abs. 1, 579; a.A. MüKomm/Roth Band 2, 2012, § 398, Rn. 65.

[9] Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 398, Rn. 11 mwN.

[10] Looschelders, Schuldrecht AT, 10. Aufl. 2012, Rn. 1097 ff.; zu den verschiedenen Konstellationen Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 398, Rn. 14 ff.

[11] Medicus/Lorenz, Schuldrecht I AT, 20. Aufl. 2012, Rn. 755.

[12] Looschelders, Schuldrecht AT, 10. Aufl. 2012, Rn. 1099: Nicht ausreichend ist die Abtretung aller Forderungen bis zu einer bestimmten Summe, da bei deren Überschreiten nicht klar ist, welche Forderungen beim Zedenten verbleiben sollen.

[13] Medicus/Lorenz, Schuldrecht I AT, 20. Aufl. 2012, Rn. 758.

[14] Lorenz, Grundwissen – Zivilrecht: Abtretung, JuS 2009, 891 (892).

[15] Ausführlich Thomale, Der gutgläubiger Forderungserwerb im BGB, JuS 2010, 857 ff.

[16] Übersicht bei Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 399, Rn. 4 ff.

[17] Looschelders, Schuldrecht AT, 10. Aufl. 2012, Rn. 1103.

[18] Vgl. nur BGH NJW 1991, 559; Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 399, Rn. 12; Nomos-Kommentar BGB SchuldR/Kresse, B. Eckardt, Band 2, 12. Aufl. 2012, § 399, Rn. 12; Staudinger/Busche, 2012, § 399, Rn. 65; a.A. Erman/H.P. Westermann, 13. Aufl. 2011, § 399, Rn. 3a; Scholz, Die verbotswidrige Abtretung, NJW 1960, 1837.

[19] Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 399, Rn. 12; Staudinger/Busche, 2012, § 399, Rn. 63.

[20] BGH NJW 1978, 813; Larenz, Schuldrecht Band I AT 14. Aufl. 1987, § 34 Abs. 2, 581f.; Palandt/Grüneberg 72. Aufl. 2013, § 399, Rn. 12; Staudinger/Busche, 2012, § 399, Rn. 63 mwN.

[21] BGH NJW 1990, 109; a.A. MüKomm/Roth, Band 2, 2012, § 399, Rn. 38.

[22] BGH NJW 1964, 243, 244, Medicus/Lorenz, Schuldrecht I AT, 20. Aufl. 2012, Rn. 761.

[23] Zur teleologischen Reduktion des § 404 BGB bei ausreichender Gegenleistung vgl. Ahcin/Armbrüster, Grundfälle zum Zessionsrecht, JuS 2000, 549 (552).

[24] Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, 36. Aufl. 2012, § 34, Rn. 13.

[25] Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 398, Rn. 21; ausführlich Larenz, Schuldrecht Band I AT, 14. Aufl. 1987, § 34 Abs. 1, 577f.

[26] Ausführlich Köhler, Forderungsabtretung und Ausübung von Gestaltungsrechten, JZ 1986, 516 (518); ist der Schuldner an einer Mitteilung ihm gegenüber gehindert, kann er gem. § 132 Abs. 2 BGB vorgehen oder analog § 770 Abs. 1 BGB gegenüber dem Zessionar die Einrede der Gestaltbarkeit erheben.

[27] Ausführlich Larenz, Schuldrecht Band I AT 14. Aufl. 1987, § 34 Abs. 3, 585 f.; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I AT, 20. Aufl. 2012, Rn. 756; vgl. auch Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 398, Rn. 12 mwN zum Streitstand; Nomos-Kommentar BGB SchuldR/Kresse, B. Eckardt, Band 2, 12. Aufl. 2012, § 398, Rn. 16.

[28] Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 401, Rn. 2; MüKomm/Roth, Band 2, 2012, § 401, Rn. 7 ff.

[29] G. Lüke, Grundfälle des Zessionsrechts, JuS 1995, 90 (92); Beispiele in Nomos-Kommentar BGB, SchuldR/Kresse, B. Eckardt, Band 2, 12. Aufl. 2012, § 401, Rn. 5 ff.

[30] Ausführlich MüKomm/Roth, Band 2, 2012, § 398, Rn. 97 ff.; sowie Staudinger/Busche, 2012, § 413, Rn. 10 ff. jeweils mwN zu den jeweiligen Streitständen.

[31] Staudinger/Busche, 2012, § 401, Rn. 35.

[32] Medicus/Lorenz, Schuldrecht I AT, 20. Aufl. 2012, Rn. 752; zum Rücktrittsrecht vgl. BGH NJW 1985, 2640; zum Minderungsrecht BGHZ 95, 250; zum Nachbesserungsanspruch BGHZ 96, 146; vertiefend Pick, Einwendungen beim gegenseitigen Vertrag nach Abtretung, AcP 172 (1972), 39.

[33] MüKomm/Roth, Band 2, 2012, § 398, Rn. 98; Looschelders, Schuldrecht AT, 10. Aufl. 2012, Rn. 1106 mwN.

[34] Medicus/Lorenz, Schuldrecht I AT, 20. Aufl. 2012, Rn. 756.

[35] Looschelders, Schuldrecht AT, 10. Aufl. 2012, Rn. 1112.

[36] Vgl. nur Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 404, Rn. 2.

[37] BGH NJW 1957, 1553 (1554).

[38] Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 404, Rn. 7; BGH NJW 1983, 1904.

[39] Erfolgt die Abtretung während des anhängigen Prozesses, gilt nicht § 407 BGB, sondern §§ 265, 325 ZPO.

[40] Medicus/Lorenz, Schuldrecht I AT, 20. Aufl. 2012, Rn. 779; Nomos-Kommentar BGB SchuldR/Kresse, B. Eckardt, Band 2, 12. Aufl. 2012, § 407, Rn. 15.

[41] BGHZ 100, 36 (46 ff.), Anm. K. Schmidt, JuS 1987, 911 ff.

[42] Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 409, Rn. 2.

[43] Larenz, Schuldrecht Band I AT 14. Aufl. 1987, § 34 Abs. 4, 593; differenzierend: MüKomm/Roth, Band 2, 2012, § 409 Rn. 12; Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 409, Rn. 5.

[44] Nomos-Kommentar BGB SchuldR/Kresse, B. Eckardt, Band 2, 12. Aufl. 2012, § 409, Rn. 6; Staudinger/Busche 2012, Rn. 29; Karollus, Unbeschränkter Schuldnerschutz nach § 409 BGB?, JZ 1992, 557; Rieke, Zum Schutz des Schuldners nach § 409 Abs. 1 BGB, NJW 1959, 1415.

[45] Siehe auch § 174 BGB für die Vollmacht.

[46] Looschelders, Schuldrecht AT, 10. Aufl. 2012, Rn. 1126.

[47] Nach h.M. gilt dies auch für den Fall der Vorausabtretung, vgl. Ahcin/Armbrüster, Grundfälle zum Zessionsrecht, JuS 2000, 658 (661).

[48] BGH NJW 1996, 1056 (1058).

[49] Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 406, Rn. 5.

[50] Staudinger/Busche, 2012, Einl. zu §§ 398 ff., Rn. 28.

[51] Zur Einziehungsermächtigung vertiefend: Larenz, Schuldrecht Band I AT, 14. Aufl. 1987, § 34 V (S. 597); Staudinger/Busche, 2012, Einl. zu §§ 398 ff., Rn. 107 ff.

[52] Jork, Factoring, verlängerter Eigentumsvorbehalt und Sicherungsglobalzession in Kollisionsfällen, JuS 1994, 1019 (1022).

22.02.2013/3 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2013-02-22 18:00:252013-02-22 18:00:25Examenswissen auf Wikipedia – Beitrag "Abtretung"
Redaktion

Hinweis: Examenswissen auf Wikipedia

Startseite, Verschiedenes

Liebe Leser von juraexamen.info,
An dieser Stelle wollen wir euch auf ein sehr interessantes Projekt der Universität Köln (Kompetenzzentrum für juristisches Lehren und Lernen; Prof. Dauner-Lieb) hinweisen:
Viele von euch nutzen sicherlich auch zu juristischen Recherchezwecken die freie Enzyklopädie Wikipedia. Dennoch sind die examens- und studiumsrelevanten juristischen Beiträge oftmals sehr oberflächlich und ungenau. Eine effektive Inanspruchnahme ist damit nicht möglich.
Die Initiatoren des Projekts „Examenswissen auf Wikipedia“ haben sich zum Ziel gesetzt, diesen Missstand zu ändern. In ihrem Seminar sind die Teilnehmer dazu aufgerufen, einen Beitrag zu jeweils einem examensrelevanten Thema zu verfassen, der anschließend auf Wikipedia eingefügt werden soll. Die Präsentation dieser Beiträge wird am 9. und 16. Februar 2013 erfolgen. Nähere Informationen könnte ihr hier  finden.
Wir freuen uns, dass Tobias Lutzi, der das Projekt als langjähriger Wikipedia-Mitarbeiter betreut, uns bereits zugesagt hat, juraexamen.info die gelungensten Beiträge zur Verfügung zu stellen. Im Februar werden wir im Zuge dessen ausgewählte Beiträge hier veröffentlichen. Auf weitere Artikel werden wir selbstverständlich hinweisen.

14.01.2013/2 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2013-01-14 14:30:112013-01-14 14:30:11Hinweis: Examenswissen auf Wikipedia
Christian Muders

LG Tübingen: Keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch Wikipedia-Artikel

Deliktsrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Zivilrecht, ZPO

Anm. zu LG Tübingen, Urteil v. 18.06.2012 – 7 O 525/10
1. Um was geht es?
Geklagt hatte ein außerplanmäßiger Professor an der Universität Tübingen gegen die Wikimedia-Foundation Inc., eine Stiftung nach dem Recht des amerikanischen Bundesstaates Florida, die in San Francisco ansässig ist. Anlass war ein Beitrag auf der deutschen Internetseite der Beklagten, in welchem sowohl über den Kläger selbst als auch über dessen berufliches Wirken berichtet wird. Insbesondere wird dort auf seinen Lebenslauf, seine Mitgliedschaft in katholischen Studentenverbindungen und seine Schriften Bezug genommen. Einer Veröffentlichung dieses Beitrages hatte der Kläger im Vorfeld nicht zugestimmt und forderte mit Schreiben vom 25.10.2010 die Beklagte auf, den Beitrag zu entfernen und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Hierauf reagierte die Beklagte nicht. Da der Kläger der Auffassung war, er werde durch den Eintrag in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, erhob er vor dem LG Tübingen Klage mit dem Antrag, es zu unterlassen, auf der Internetseite über seine persönlichen Daten zu berichten.
2. Was sagt das Gericht?
Das Gericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen.
a) Zulässigkeit
Dabei ist es zunächst auf seine internationale Zuständigkeit eingegangen und hat diese unter Hinweis auf den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung bejaht:

Nach § 32 ZPO ist für Klagen aus unerlaubter Handlung das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Begehungsort ist dabei sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort, wobei neben Ansprüchen auf Schadensersatz auch Unterlassungsansprüche erfasst werden. Zur Entscheidung über Klagen wegen der Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch im Internet abrufbare Veröffentlichungen sind die deutschen Gerichte nach § 32 ZPO dann international zuständig, wenn die beanstandeten Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland aufweisen und eine Kollision der widerstreitenden Interessen im Inland tatsächlich schon eingetreten sein kann oder noch eintreten kann. Dies ist dann der Fall, wenn die Kenntnisnahme der Veröffentlichung im Inland im Gegensatz zur bloßen Abrufbarkeit der Veröffentlichung näher liegt und die vom Kläger behauptete Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts durch eine Kenntnisnahme auch im Inland eintreten kann. Aufgrund des Wirkens des Klägers im Inland liegt eine Kenntnisnahme des Eintrages im Inland deutlich näher als eine solche im Ausland. Der Kläger hat vorgetragen, dass die Internetseite vor allem in Hinblick auf seine Stellung als außerplanmäßiger Universitätsprofessor und seine anstehenden Bewerbungen im Inland abgerufen wird.

b) Begründetheit
Im Folgenden hat das LG Tübingen allerdings einen materiellen Anspruch auf Unterlassung bzw. Beseitigung des Wikipedia-Artikels abgelehnt und insoweit dem Vortrag des Klägers bereits die Schlüssigkeit abgesprochen.
aa) Hierbei bejaht das Gericht zunächst die Anwendbarkeit des deutschen Rechts und verweist dazu auf die Regelungen des EGBGB:

Auf die geltend gemachte Rechtsverletzung ist deutsches Recht anwendbar. Das anwendbare Recht ergibt sich aus den Art. 40 ff. EGBGB, denn außervertragliche Schuldverhältnisse sind nach Art. 1 Abs. 2 lit. g der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.07.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ROM II-VO) vom Anwendungsbereich der ROM II-VO ausgenommen. Art. 40 EGBGB unterfällt dabei auch der Persönlichkeitsschutz einschließlich der sich daraus herleitenden Unterlassungsansprüche. Der Kläger übte jedenfalls sein Bestimmungsrecht aus Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB in der Klageschrift aus. Er berief sich in dieser ausdrücklich auf deutsche Normen. Zudem trug er vor, dass er im Inland außerordentlicher Professor ist, sich neu bewerben will und die Internetseite mit dem betreffenden Eintrag in Deutschland abrufbar ist, die Verletzung seines Persönlichkeitsrechts also im Inland eintritt.

bb) Eine mögliche Anspruchsgrundlage für den Kläger erblickt das Gericht sodann in dem sog. „quasinegatorischen“ Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch analog § 1004 i.V.m. § 823 BGB. Von der erstgenannten Norm werden ihrem Wortlaut nach zwar nur Beeinträchtigungen des Eigentumsrechts (abzüglich des Entzugs, für welchen § 985 BGB gilt) erfasst, nach wohl allgemeiner Ansicht sind indes auch sonstige absolute Rechte in entsprechender Anwendung der Vorschrift vor Verletzungen geschützt. Denn es erscheint widersinnig, bei erfolgtem Eingriff zwar einen grundsätzlichen Anspruch des Geschädigten auf Naturalrestitution zu bejahen, ihm aber das Recht zu verwehren, bereits (zuvor) den drohenden Eingriff selbst abwehren zu können. Hierbei nimmt das Gericht zunächst das Vorliegen eines Eingriffs in ein von § 823 Abs. 1 BGB geschütztes absolutes Recht des Klägers an und zwar in Gestalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, welches durch die Veröffentlichung personenbezogener Daten tangiert werde:

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, welches ein sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ist, sichert dem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann (vgl. Palandt/Sprau, 71. Auflage 2012, § 823, Rn.112). Hieran anknüpfend ist vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschützt. Dieses verleiht dem Einzelnen die Befugnis, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. Hierunter fällt auch das Recht des Klägers grundsätzlich selbst darüber zu bestimmen, ob und welche Informationen über seine Person auf der streitigen Internetseite der Beklagten veröffentlicht werden. (…) Infolge des Bereithaltens der beanstandeten Inhalte zum Abruf im Internet liegt auch ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers durch die Beklagte vor. Der Kläger hat hierzu vorgetragen, dass er über den Eintrag auf der Seite http://de.wikipedia.org und darüber, ob dessen persönliche Daten wie Beruf, Lebenslauf und Mitgliedschaft in katholischen Studentenverbindungen, veröffentlicht werden, nicht selbst entschieden hat. Vielmehr stellte die Beklagte den Eintrag ohne sein Mitwirken ein und dieser ist grundsätzlich jedem interessierten Internetnutzer zugänglich.

cc) Im Folgenden verneint die Kammer allerdings eine Rechtswidrigkeit dieses Eingriffs. Bei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht handelt es sich – was etwa auch für das Recht des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs gilt – um ein sog. Rahmenrecht, welches erst durch die Rechtsanwendung im Einzelfall konturiert werden kann. Wichtigste Konsequenz hieraus ist, dass bei einem tatbestandsmäßigen Verhalten, also einem bejahten Eingriff in das geschützte Rechtsgut, die Rechtswidrigkeit nicht indiziert wird, so dass bei einem Fehlen besonderer Rechtfertigungsgründe stets von einem grundsätzlich schadensersatzpflichtigen Unrecht auszugehen wäre. Vielmehr ist die Rechtswidrigkeit bei solchen Rahmenrechten immer positiv zu begründen, indem eine Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Parteien erfolgt. Hier ist auf Seiten des Beeinträchtigenden insbesondere die Intensität des festgestellten Eingriffs zu berücksichtigen, auf Seiten des Eingreifenden ist zu fragen, ob dieser rechtlich besonders geschützte Interessen geltend machen kann. Bei Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht kommen insoweit v.a. die grundgesetzlich verbürgte Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit in Betracht.
(1) Das LG Tübingen prüft im Folgenden daher zunächst die Folgen der Veröffentlichung für den Kläger, denen es aber einen nur geringen Beeinträchtigungsgrad zuspricht:

Weder entfaltet der abrufbereite Eintrag über den Kläger eine erhebliche Breitenwirkung, noch ist er Anknüpfungspunkt, um den Kläger sozial auszugrenzen oder zu isolieren. Dies gilt sowohl bezüglich seiner persönlichen Daten wie Beruf oder Lebenslauf als auch hinsichtlich der Mitgliedschaft in katholischen Studentenverbindungen. Der Inhalt des Eintrages besteht zwar aus persönlichen Inhalten, es werden jedoch lediglich bestimmte zutreffende Stationen oder Vorgänge im Leben des Klägers beschrieben. Die Inhalte sind ferner zwar abrufbereit im Internet verfügbar, allerdings werden diese nur dann zur Kenntnis genommen, wenn sich ein Nutzer aktiv informieren möchte. Anders als beispielsweise bei einer Zeitungsveröffentlichung ist hier nicht von einer breiten Ausstrahlungswirkung des Beitrages auszugehen, mit welchem potentiell die gesamte Bevölkerung informiert werden soll, sondern hier beschränkt sich die Kenntnisnahme auf Personen, welche den Kläger kennen und sich über ihn informieren möchten. Zudem bestehen keine Anhaltspunkte, dass der Kläger durch den Beitrag sozial ausgegrenzt oder isoliert zu werden droht.

(2) Auf der anderen Seite sieht das LG die Veröffentlichung der Wikimedia Foundation auf der deutschsprachigen Internetseite sowohl vom Schutzbereich der grundgesetzlichen Informations- als auch der Pressefreiheit erfasst:

Auf Seiten der Beklagten ist ferner zu berücksichtigen, dass es sich bei Wikipedia um eine weltweite freie Online-Enzyklopädie handelt (…). Insofern besteht ein erhebliches öffentliches Interesse nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG, 10 Abs. 1 S. 1 EMRK an den von der Beklagten bereitgehaltenen Einträgen, um sich umfassend informieren zu können. (…) Weiterhin kann die Beklagte die Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 GG für sich in Anspruch nehmen. Diese schützt grundsätzlich die Verbreitung von Informationen, wobei unter anderem auch das Recht eingeräumt wird, wahre Tatsachen zu publizieren. Mit dieser Gewährleistung korrespondiert insbesondere das Interesse der Öffentlichkeit an einer ausreichenden Versorgung mit Informationen. Zudem kommt diesen beiden Rechten schon aufgrund ihres Charakters als demokratische Grundrechte ein hoher Stellenwert zu, sodass gewichtige Gründe erforderlich sind, welche ein Überwiegen eines kollidierenden Rechtsgutes rechtfertigen.

(3) Schlussendlich betont das Gericht nochmals die geringe Intensität des Eingriffs beim Kläger:

Jedenfalls aber muss beachtet werden, dass es sich bei den Einträgen jeweils um wahre Tatsachen handelt und der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers nur als sehr gering zu qualifizieren ist. Er ist lediglich der Sozialsphäre zuzuordnen, denn hier ist nur der Bereich des menschlichen Lebens betroffen, in dem sich der Betroffenen als Teil einer sozialen Gesellschaft zeigt und wahrgenommen wird. Äußerungen, welche diese Sphäre betreffen, sind jedoch grundsätzlich hinzunehmen, denn das Persönlichkeitsrecht verleiht seinem Träger keinen Anspruch darauf, nur so in der Öffentlichkeit dargestellt zu werden, wie es ihm genehm ist. Zu den hinzunehmenden Folgen gehören auch solche Beeinträchtigungen des Einzelnen, die sich aus nachteiligen Reaktionen Dritter auf die Offenlegung der wahren Tatsachen ergeben (BVerfG, NJW 2011, 47; BVerfG NJW 1998, 2889).

dd) Im Anschluss an diese Prüfung setzt sich das Gericht noch ausführlich mit der Frage auseinander, ob die Beklagte hypothetisch überhaupt als „Störer“ im Hinblick darauf in Betracht kommt, dass nicht sie selbst, sondern die Nutzer der Plattform die Artikel im Internet einstellen und verändern. Angesprochen ist damit die Frage der Passivlegitimation, auch wenn diese bei Verneinung eines rechtswidrigen Eingriffs eigentlich dahinstehen kann. Die Kammer geht dabei ausführlich auf die spezielle Norm des § 10 TMG ein, wonach eine Verantwortlichkeit von Dienstanbietern i.S.d. § 2 TMG solange nicht besteht, wie sie keine Kenntnis von einer Rechtsverletzung haben bzw. – nur bei SE-Ansprüchen – ihnen keine Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung offensichtlich wird. Jedenfalls mit der erfolglosen Aufforderung des Klägers an die Wikimedia Foundation vom 25.10.2010, den Beitrag zu entfernen, dürfte allerdings die geforderte Kenntnis bei der Beklagten vorliegen.
3. Warum ist die Entscheidung interessant?
a) Die Entscheidung betrifft allgemeine Fragen des quasinegatorischen Unterlassungsanspruchs und ist insofern für Klausur oder mündliche Prüfung durchaus geeignet. Der Reiz liegt dabei nicht zuletzt auch in der Gelegenheit, übergreifende rechtliche Zusammenhänge, namentlich den Einfluss der Grundrechte als „objektive Werteordnung“, bei der Beurteilung zivilrechtlicher Fragen abprüfen zu können. Hinzu kommt die Beschäftigung mit speziellen Fragen des Internetrechts, namentlich die Anwendung der Norm des § 10 TMG.
b) Im Hinblick auf den Inhalt der Entscheidung ist zunächst auf einen Widerspruch des LG Tübingen zwischen Zulässigkeits- und Begründetheitsprüfung hinzuweisen: Nimmt das Gericht nämlich an, dass es bereits an einem schlüssigen Vortrag des Anspruchs fehlt, ist streng genommen auch die Zuständigkeit des Spruchkörpers nach § 32 ZPO zu verneinen: Denn nach dieser Vorschrift ist ein Gericht nur dann zuständig, wenn an dessen Ort eine „unerlaubte Handlung“ begangen wurde. Das tatsächliche Vorliegen einer solchen Handlung ist damit streng genommen bereits für die Frage der Zuständigkeit entscheidend, nicht nur für die Frage der Begründetheit des Anspruchs, so dass es sich sozusagen um ein „doppelfunktionales Merkmal“ handelt. Bei solchen Merkmalen wird im Rahmen der Zulässigkeit gemeinhin aber wenigstens gefordert, dass der Kläger die Tatsachen, welche das Vorliegen einer unerlaubten Handlung begründen sollen, schlüssig darlegt, während erst die Frage des tatsächlichen Vorliegens (bei Bestreiten des Gegners) ein Problem der Sachentscheidung, also der Begründetheit ist (vgl. Musielak-Heinrich, ZPO, 9. Aufl. 2012, § 32 Rn. 19; MüKo/ZPO-Patzina, 4. Aufl. 2013, § 32 Rn. 39, jew. m.w.N.). Da das Gericht vorliegend bereits eine schlüssige Darlegung der anspruchsbegründenden Tatsachen verneint, wäre insofern tatsächlich durch Prozessurteil zu entscheiden gewesen, d.h. die Kammer hätte die Klage mangels eigener Zuständigkeit (schon) als unzulässig abweisen müssen.
c) Daneben erscheint auch die Ansicht des Gerichts zweifelhaft, wonach im Rahmen der Abwägung des Eingriffs u.a. das Grundrecht der Pressefreiheit zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen sein soll. Denn die Wikimedia Foundation ist als Stiftung eine juristische Person, die aber nur nach Maßgabe des Art. 19 Abs. 3 GG Grundrechtsträger sein kann. Die vorgenannte Norm begrenzt die Grundrechtsfähigkeit indes ausdrücklich auf inländische juristische Personen, d.h. solche, die ihren tatsächlichen Sitz im Inland haben, was im Hinblick auf das Diskriminerungsverbot nach Art. 18 AEUV allenfalls bezüglich Vereinigungen im EU-Ausland durchbrochen wird, zu denen eine Körperschaft mit Sitz in Amerika aber jedenfalls nicht zählt. Demgemäß bleibt von der Grundrechtsargumentation des LG Tübingen eigentlich nur die von diesem ebenfalls in Bezug genommene Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG übrig, welche das Gericht nicht auf die Beklagte selbst, sondern (allgemein) Dritte bezieht, die sich über deren Plattform informieren wollen. Ebenfalls in Erwägung zu ziehen ist zudem ein Schutz nach Art. 10 EMRK, der die Meinungsfreiheit grundsätzlich auf alle Personen, auch juristische Vereinigungen, erstreckt, die von der Hoheitsgewalt eines Vertragsstaates betroffen werden (vgl. dazu Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl. 2011, Art. 1 Rn. 16) – auf die Frage, ob es sich hierbei um eine in- oder ausländische juristische Person handelt, kommt es also grundsätzlich nicht an.
d) Zu denken ist schließlich daran, den Schutz der Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht auf die Beklagte selbst, sondern die beteiligten Nutzer zu projizieren  welche die Artikel bei Wikipedia hochladen und gestalten: Ist nämlich bereits deren Verhalten unter dem Grundrecht der Pressefreiheit zulässig, kann die Beklagte kaum eine „mittelbare“ Verhinderungspflicht dergestalt treffen, demselben Einhalt zu gebieten. Allerdings wird auch die Eigenschaft des einzelnen „Wikipedianers“ als presseberechtigter Grundrechtsträger mit dem Argument in Frage gestellt, dass bei Wikipedia keine einzelnen Autoren für einen Beitrag verantwortlich seien, sondern die Artikel Produkt eines „Schwarms“ seien, der weder durch die Vor- noch Nachkontrolle einer zentralen Redaktion begleitet werde (so Ziegelmayer, LTO v. 13.12.2012). Diese Annahme ist indes nicht unangreifbar, denn die Organisation von Wikipedia ist durchaus in grobe personelle Hierarchien – namentlich durch sog. Administratoren – gegliedert, welche über die Vorgänge auf der Plattform wachen, und der Begriff des „Schwarms“ ist selbstverständlich nur ein Bild für den Schaffensprozess, das aber nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass durchweg grundrechtsberechtigte Personen aus Fleisch und Blut die einzelnen Artikel gestalten und verändern. Nimmt man dennoch an, dass aufgrund der vorgebrachten Argumente das Grundrecht der Pressefreiheit insgesamt zu versagen ist, bleibt jedenfalls die allgemeine Meinungsfreiheit zugunsten der einzelnen Nutzer übrig, deren Schutzbereich unabhängig von organisatorischen Vorkehrungen im vorgenannten Sinne besteht (so auch Ziegelmayer, a.a.O.).

22.12.2012/0 Kommentare/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2012-12-22 12:00:082012-12-22 12:00:08LG Tübingen: Keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch Wikipedia-Artikel

Über Juraexamen.info

Deine Zeitschrift für Jurastudium, Staatsexamen und Referendariat. Als gemeinnütziges Projekt aus Bonn sind wir auf eure Untersützung angewiesen, sei es als Mitglied oder durch eure Gastbeiträge. Über Zusendungen und eure Nachrichten freuen wir uns daher sehr!

Werbung

Anzeige

Neueste Beiträge

  • BGH zu Urheberrechtsstreit zwischen Grafikdesigner und FC Bayern
  • Das Betäubungsmittelstrafrecht – Ein Überblick über Begriff, Menge und Straftatbestände
  • Neue Rechtsprechung des BGH zur Ersatzfähigkeit von „Schockschäden“

Weitere Artikel

Auch diese Artikel könnten für dich interessant sein.

Gastautor

BGH zu Urheberrechtsstreit zwischen Grafikdesigner und FC Bayern

Rechtsgebiete, Startseite, Tagesgeschehen, Zivilrecht, ZPO

Wir freuen uns, nachfolgenden Gastbeitrag von Simon Mantsch veröffentlichen zu können. Er studiert Rechtswissenschaften an der Universität Bonn und ist als Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Flick Gocke Schaumburg tätig. Darf der FC Bayern […]

Weiterlesen
06.02.2023/0 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2023-02-06 14:08:362023-02-06 14:09:39BGH zu Urheberrechtsstreit zwischen Grafikdesigner und FC Bayern
Gastautor

Das Betäubungsmittelstrafrecht – Ein Überblick über Begriff, Menge und Straftatbestände

Rechtsgebiete, Startseite, Strafrecht, Strafrecht BT, Verschiedenes

Wir freuen uns, nachfolgenden Gastbeitrag von Sabrina Prem veröffentlichen zu können. Die Autorin ist Volljuristin. Ihr Studium und Referendariat absolvierte sie in Düsseldorf. Ist das Betäubungsmittelstrafrecht – zumindest als Lehrmaterie – im […]

Weiterlesen
01.02.2023/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2023-02-01 10:00:002023-01-25 11:49:57Das Betäubungsmittelstrafrecht – Ein Überblick über Begriff, Menge und Straftatbestände
Gastautor

Neue Rechtsprechung des BGH zur Ersatzfähigkeit von „Schockschäden“

Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Startseite, Zivilrecht

Wir freuen uns, nachfolgenden Gastbeitrag von Simon Mantsch veröffentlichen zu können. Er studiert Rechtswissenschaften an der Universität Bonn und ist als Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Flick Gocke Schaumburg tätig. Ein nach §§ 823 […]

Weiterlesen
16.01.2023/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2023-01-16 15:42:082023-01-25 11:42:19Neue Rechtsprechung des BGH zur Ersatzfähigkeit von „Schockschäden“

Support

Unterstütze uns und spende mit PayPal

Jetzt spenden
  • Über JE
  • Das Team
  • Spendenprojekt
  • Gastautor werden
  • Mitglied werden
  • Alumni
  • Häufige Fragen
  • Impressum
  • Kontakt
  • Datenschutz

© 2022 juraexamen.info

Nach oben scrollen