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Schlagwortarchiv für: widerruf

Tom Stiebert

OLG Hamm – Voraussetzungen eine unverzüglichen Widerrufsbelehrung bei ebay

BGB AT, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Verbraucherschutzrecht, Zivilrecht, Zivilrecht

In einer Entscheidung vom 10.01.2012 (Az. I -4 U 145/11), die am 3.2.2012 als Pressemitteilung veröffentlicht wurde, hat das OLG Hamm eine interessante Frage beantwortet, die sich mit dem Widerrufsrecht nach § 355 BGB befasst. Fraglich war hier, ob dem Verbraucher eine Widerrufsfrist nach § 355 Abs. 2 S. 2 BGB von 14 Tagen oder nach § 355 Abs. 2 S. 3 BGB von einem Monat zusteht. Gerade Fragen des Widerrufsrechts sind sehr klausurrelevant, sodass der hier besprochene Fall kurz wiederholt werden sollte.
Sachverhalt
Der Sachverhalt ist denkbar einfach: Der Käufer gibt bei ebay am 31.01. nachmittags ein Gebot ab, das auch bei Auktionsende am 2.2. nachmittags noch das Höchstgebot war. Kurz nach Auktionsende wurde dem Käufer eine Widerrufsbelehrung übermittelt, in der ein Widerrufsrecht von 14 Tagen vorgesehen war. Fraglich ist, ob dies wirksam ist
Entscheidung
Maßgeblich für die Entscheidung ist die Auslegung des § 355 Abs. 2 S. 2 BGB, wonach bei Fernabsatzverträgen die Widerrufsfrist 14 Tage beträgt, wenn dies „unverzüglich nach Vertragsschluss in Textform“ mitgeteilt wird. Fraglich ist hier, ob eine solche unverzügliche Mitteilung vorlag.
Unverzüglich definiert sich nach § 121 Abs. 1 S. 1 BGB als Handeln „ohne schuldhaftes Zögern“. Fraglich ist, ob ein solches Zögern hier bestanden hat.
Kein schuldhaftes Zögern wenn Vertragsschluss erst bei Auktionsende
Ein schuldhaftes Zögern läge dann nicht vor, wenn der Vertrag erst mit Auktionsende zustandekommt. Hier sind damit die Grundsätze des Vertragsschlusses im Internet bei Online-Auktionen zu wiederholen. Hier gilt es folgendes zu beachten:

  • Der Vertragsschluss kommt nicht gem. § 156 S. 1 BGB durch Zuschlag zustande. Einen solchen gibt es bei ebay nämlich nicht. Hier läuft nur die Zeit ab.
  • Ebay ist nicht der Auktionator, sondern stellt lediglich die Plattform für Vertragsschlüsse zur Verfügung
  • Bereits in der Freischaltung der Angebotsseite liegt ein rechtlich verbindliches Angebot und nicht bloß eine invitatio ad offerendum (§§133, 157 BGB). Das Angebot ist an denjenigen gerichtet, der während der Bietzeit das höchste Angebot abgibt.
  • Die Annahme erklärt im Unterschied zur normalen Auktion also der Bieter!
  • Zentrales Urteil hierzu ist das sog. ricardo-Urteil des BGH v. 7.11.2001 (Az. VIII ZR 13/01, BGHZ 149, 129).

Der Vertrag ist damit bereits mit Abgabe des Höchstgebots zustandegekommen – die Widerrufsbelehrung erfolgte aber erst zwei Tage später.
 
Hinweis: Dies kann mit guter Argumentation auch anders gesehen werden. Siehe hierzu unseren Artikel, der sich mit dieser Frage befasst.
Unverzüglich trotz Abwarten von zwei Tagen
Es stellt sich aber die Frage, ob – trotz der Verzögerung von zwei Tagen, ein unverzügliches Handeln zu bejahen ist, da das Auktionsende abgewartet wurde. Dies wird vom OLG bejaht.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist die unmittelbar im Anschluss an das Auktionsende übermittelte Widerrufsbelehrung in diesem Sinne „unverzüglich nach Vertragsschluss“ erfolgt, auch wenn der Vertrag bereits mehr als 49 Stunden zuvor mit Abgabe des Höchstgebots zustande gekommen und damit tatsächlich mehr als der vom Gesetzgeber in der Regel vorgesehene Zeitraum von einem Tag nach Vertragsschluss bis zur Übermittlung der Belehrung verstrichen ist.
Dem Unternehmer sei ein früheres Handeln faktisch nicht möglich und auch unzumutbar. Erst nach dem erfolgreichen Abschluss der Aktion werde dem Anbieter die Identität seines Vertragspartners bekannt gegeben. Außerdem sei denkbar, dass das erste Höchstgebot mehrfach überboten werde, so dass dem Unternehmer zuzubilligen sei, bis zum Aktionsende zu warten, um den letztendlichen Käufer über dessen Widerrufsrecht zu belehren. Auch der Verbraucher werde hierdurch nicht länger als unvermeidlich über sein Widerrufsrecht im Unklaren gelassen. Bis zum Ende der Auktion müsse auch er damit rechnen, dass der zunächst mit ihm zustande gekommene Vertrag überhaupt nicht fortbestehe, weil ein weiterer Bieter ein neues Höchstgebot abgebe.

Hauptargument dürfte hier wohl die fehlende Kenntnis von der Person des Höchstbietenden und dessen fehlende Schutzbedürftigkeit sein. Weniger überzeugend ist hingehend das Argument, dass mehrere Käufer hilfsweise belehrt werden müssten – dieses Risiko ist der Online-Auktion gerade immanent. Dennoch im Ergebnis ein vollständig überzeugendes Urteil.
Das Abwarten des Auktionsendes führt damit dazu, dass das Handeln des Verkäufers – trotz einer rel. langen zeitlichen Spanne – unverzüglich bleibt.
Examensrelevanz
Meines Erachtens ein sehr examensrelevantes Urteil, werden doch Fragen des Vertragsschlusses bei Online-Auktionen (die zwingend beherrscht werden müssen) mit Fragen nach dem Widerrufsrecht kombiniert. Gerade diese Verknüpfung macht den Fall zu einem optimalen Klausureinstieg.
 

06.02.2012/8 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2012-02-06 18:32:042012-02-06 18:32:04OLG Hamm – Voraussetzungen eine unverzüglichen Widerrufsbelehrung bei ebay
Dr. Christoph Werkmeister

»Versprechungen« der Verwaltung – Zusagen, Zusicherungen und ähnliche behördliche Erklärungen

Fallbearbeitung und Methodik, Für die ersten Semester, Lerntipps, Öffentliches Recht, Schon gelesen?, Verschiedenes, Verwaltungsrecht


Der Verlag De Gruyter stellt jeden Monat einen Beitrag aus der Ausbildungszeitschrift JURA – Juristische Ausbildung zwecks freier Veröffentlichung auf Juraexamen.info zur Verfügung.
Der heutige Beitrag

»Versprechungen« der Verwaltung – Zusagen, Zusicherungen und ähnliche behördliche Erklärungen“ von Prof. Dr. Timo Hebeler und Wiss. Mit. Björn Schäfer

befasst sich mit unterschiedlichen Arten von behördlichen Erklärungen, die zukünftiges Verwaltungshandeln entweder vorbereiten oder sonstwie beeinflussen. Es handelt sich hierbei um einen Problemkreis, der jedem Examenskandidaten und auch Studenten vom dritten Semester an aufwärts bekannt sein sollte. Die Lektüre lohnt sich also!

Den Beitrag findet ihr hier.

25.01.2012/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-01-25 20:57:102012-01-25 20:57:10»Versprechungen« der Verwaltung – Zusagen, Zusicherungen und ähnliche behördliche Erklärungen
Dr. Christoph Werkmeister

BGH: Zur Wertersatzpflicht eines Verbrauchers bei Widerruf eines Fernabsatzvertrags

Schuldrecht, Zivilrecht

Ein rechtlich einleuchtendes Urteil hat der BGH heute in seiner Entscheidung (Az.: VIII ZR 337/09) gefällt:
Sachverhalt
Die Parteien schlossen per email einen Kaufvertrag über ein Wasserbett. Der Text der E-Mail des Verkäufers enthielt eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung. Im weiteren Text der E-Mail hieß es:
„Im Hinblick auf die o. g. Widerrufsbelehrung weisen wir ergänzend darauf hin, dass durch das Befüllen der Matratze des Wasserbettes regelmäßig eine Verschlechterung eintritt, da das Bett nicht mehr als neuwertig zu veräußern ist.“
Der Vertrag wurde frist- und formgerecht widerrufen. Das Bett wurde allerdings nach Lieferung und Aufbau bereits mit Wasser befüllt. Der Wasserbetthersteller hielt deshalb einen Teil des Kaufpreises zurück, weil er gegen den Kaufpreisrückzahlungsanspruchs des Käufers mit einer Forderung auf Wertersatz (wg. Wertminderung des Wasserbetts) aufrechnen wollte.
Rechtliche Würdigung
Rechtlich gesehen ist der Fall im Prinzip ganz einfach:
Der Käufer hat gegen den Verkäufer einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises gemäß §§ 346 I, 357 I 1, 355 I 1, 312d I 1,312b BGB. Ich erspare mir die langwierige Prüfung dieses Anspruchs, da jedes Tatbestandsmerkmal unproblematisch gegeben ist. Insbesondere handelt es sich bei einem Vertrag, der per email geschlossen wird, um einen Fernabsatzvertrag i.S.d. § 312b BGB, so dass im Falle des Einhaltens der Widerrufsfrist von 14 Tagen (§ 355 II 1 BGB) ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises entsteht.
Dieser Anspruch könnte allerdings gemäß § 389 BGB zum Teil untergegangen sein. Dies wäre der Fall, wenn die Voraussetzungen für eine Aufrechnung vorlagen. Dies sind eine Aufrechnungserklärung (§ 388 BGB), eine Aufrechnungslage (§ 387 BGB) und es darf kein Aufrechnungsverbot bestehen (z.B. §§ 390, 393 BGB).
Vorliegend ist fraglich, ob eine Aufrechnungslage, also zwei gleichartige, sich gegenüberstehende Forderungen, vorlag. Dies wäre dann der Fall, wenn der Verkäufer einen Anspruch auf Wertersatz gegen den Käufer hat. Gemäß § 346 II Nr. 3 BGB, der gemäß § 357 I 1 BGB entsprechend gilt, besteht im Falle der Verschlechterung grundsätzlich ein Anspruch auf Wertersatz (gemäß § 346 I BGB besteht natürlich auch ein Anspruch auf Rückgabe des Betts).
Die Besonderheit bei Wertersatz im Widerrufsrecht liegt aber in § 357 III BGB:

§ 357 III S. 1 BGB: Der Verbraucher hat abweichend von § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Wertersatz für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung zu leisten, wenn er spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf diese Rechtsfolge und eine Möglichkeit hingewiesen worden ist, sie zu vermeiden.

Vorliegend liegt eine § 357 III BGB entsprechende Warnung durch den Zusatz in der email des Verkäufers vor. Abweichend hiervon regelt aber wiederum § 357 III 3 BGB:

Satz 1 gilt nicht, wenn die Verschlechterung ausschließlich auf die Prüfung der Sache zurückzuführen ist.

Der BGH stellte fest, dass der Aufbau des Betts und die Befüllung der Matratze mit Wasser  lediglich eine solche Prüfung der Sache darstellte. Der Verbraucher soll nach § 357 III 3 BGB  grundsätzlich Gelegenheit haben, die durch Vertragsabschluss im Fernabsatz gekaufte Ware zu prüfen und auszuprobieren, weil er die Ware vor Abschluss des Vertrags nicht sehen konnte. Dies schließe die Ingebrauchnahme ein, soweit sie zu Prüfzwecken erforderlich sei, selbst wenn sie zu einer Wertminderung der Ware führt.
Diese Auslegung, die sich am Wortlaut des § 357 III 3 BGB orientiert und damit für keine große Überraschung sorgt, unterstützt der BGH überdies mit einer richtlinienkonformen Auslegung des dem § 357 BGB zugrundeliegenden Art. 6 der Richtlinie 97/7/EG (Fernabsatzrichtlinie). Die o.g. Zwecksetzung sei ebenso der Fernabsatzrichtlinie inhärent, so dass im Ergebnis eine Lage für den Fernabsatz-Käufer geschaffen wird, die der eines Käufers in einem gewöhnlichen Geschäft, wo man die Waren zuvor besichtigen und ausprobieren kann, gleicht.
Die Richtlinie im Examen heranzuziehen, ist allerdings eher nur dann ratsam, wenn der Text auch tatsächlich im Klausursachverhalt abgedruckt ist. Der Text der Richtlinie ist ohnehin recht vage gehalten. Die Tendenz der Rechtsprechung des BGH und des EuGH zeigt jedoch, dass meist ein umfassender Verbraucherschutz verwirklich werden soll.
Examensrelevanz
Im Prinzip handelt es sich bei den Widerrufsfällen um Geschenke für den Studenten. Wichtig ist lediglich, sich alle einschlägigen Normen genau durchzulesen und sich systematisch von Schublade zu Schublade zu hangeln, bis man schließlich bei den Rechtsfolgen des § 346 BGB angelangt ist. In diesem Fall war das Wertersatzrecht noch in einer Aufrechnung verpackt, so dass u.U. andere Probleme im Zusammenhang mit dieser abgeprüft werden können.
Die BGH-Entscheidung kam angesichts des Wortlauts des § 357 III 3 BGB nicht wirklich überraschend. Nichtsdestotrotz handelt es sich um eine wichtige Klarstellung: Auch wenn der Wert des Kaufgegenstandes erheblich gemindert wird, muss kein Wertersatz für Verschlechterungen erstattet werden, die aufgrund der Prüfung der Sache entstehen.
Eine andere Möglichkeit, diese Problematik abzuprüfen, besteht z.B. dann, wenn ein Laptop per Fernabsatz gekauft wurde. Beim ersten Booten installiert sich meist das Betriebssystem und die Software. Die Händler, die die Laptops lediglich vertreiben, ohne selbst IT-Kenntnisse zu haben, geben meist vor, dass dieser Zustand nicht mehr wiederhergestellt werden kann, wodurch eine erhebliche Wertminderung des Laptops impliziert ist (ist mir jedenfalls schonmal passiert:-)). Der Kunde wird sich jedoch auf § 357 III 3 BGB berufen können, da das erste Booten eines Laptops natürlich ein Prüfen der Ware darstellt – hätte man den Laptop im Laden gekauft, hätte man sich im Regelfall auch ein Bild von der Performance des Geräts machen können.
Ich denke, dass der BGH noch einige solcher Klarstellungen zu § 357 III 3 BGB feststellen muss, bis sich hier eine klare Linie herausbildet. Es stellt sich hier immer die Frage: „Bis zu welchem Grad darf ich die Sache benutzen, so dass es noch ein Prüfen i.S.d. § 357 III i BGB darstellt?“. Bei der Wasserbettproblematik könnte man weitergehend z.B. die Frage stellen, ob mehrtätiges Schlafen auch noch ein Prüfen der Sache darstellt… Dies würde man wohl verneinen, da man beim Bettenfachverkauf zwar Probeliegen darf; es ist jedoch nicht erlaubt, mehrere Tage in dem Bett verweilen…….

03.11.2010/6 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2010-11-03 23:37:032010-11-03 23:37:03BGH: Zur Wertersatzpflicht eines Verbrauchers bei Widerruf eines Fernabsatzvertrags
Dr. Simon Kohm

Mini-Chrashkurs: Gewerbeordnung

Öffentliches Recht, Schon gelesen?, Schwerpunktbereich

Das besondere Verwaltungsrecht eignet sich hervorragend für Examensklausuren. Hier können besondere Ermächtigungsgrundlagen abgefragt werden, aber auch immer  wieder Bezug hergestellt werden zum allgemeinen Verwaltungsrecht: Ermessen, Widerruf und Rücknahme und Vollstreckung sind nur einige wenige Beispiele für eine typische Examensklausur. Der folgende Mini-Chraskurs soll vor allem Verständnis schaffen und bietet das absolute Basiswissen, ohne das man in einer gewerberechtlichen Examensklausur schnell alt aussieht, wenn man sich erst einmal eine halbe Stunde im Gesetz einlesen muss. Ich empfehle, die folgenden Ausführungen an Hand des Gesetzes (wirklich zur Hand nehmen!!) ein paar Mal zu lesen, das kostet euch eine halbe Stunde und erspart euch eine Menge Ärger. Die Details sollten zudem einmal ausführlich in einem Lehrbuch nachbereitet werden.
Es gilt der Grundsatz der Gewerbefreiheit § 1 I GewO. Immer im Hinterkopf zu haben ist Art. 12 GG, sowohl im Rahmen der Auslegung als auch der Prüfung der Verhältnismäßigkeit. Die Gewerbeordnung verfolgt eine doppelte Zielrichtung: Einerseits Garantie der Gewerbefreiheit und andererseits Abwehr potenzieller Gefahren aus dem Gewerbebetrieb
Die Details zum zentralen Begriff des Gewerbes sind in jedem Lehrbuch nachzulesen, die Einzelheiten erspare ich mir. Die Definition muss bekannt sein: Gewerbe ist grundsätzlich jede erlaubte, wirtschaftliche Tätigkeit, die auf eigene Rechnung, eigene Verantwortung und auf Dauer mit der Absicht zur Gewinnerzielung betrieben wird ohne Urproduktion, Verwaltung eigenen Vermögens oder Tätigkeit höherer Art zu sein. Von hier aus nur so viel: Wichtig und entscheiden im Rahmen der Auslegung und bei Vorliegen eines Grenzfalls: Birgt der vorliegende Sachverhalt potenzielle Gefahren für die Allgemeinheit und ist ein Schaden für die Rechtsgüter Dritter zu befürchten? Eine pauschale Betrachtung führt an dieser Stelle kaum weiter, ein reines Auswendiglernen der aus der Rechtssprechung bekannten Fallgruppen würde ich unter keinen Umständen anraten.
Ebenso verhält es sich mit dem zentralen begriff der Unzuverlässigkeit. Gerade hier ist eine Gesamtabwägung aller Umstände vorzunehmen. Ein Beurteilungsspielraum besteht nicht.
Stehendes Gewerbe
Die GewO unterscheidet zwischen dem Stehenden Gewerbe und dem Reisegewerbe (Hintergrund: Reisegewerbe ist potenziell gefährlicher, da flüchtig und nicht an einem festen Ort anzutreffen bzw. zur Rechenschaft zu ziehen). Das stehende Gewerbe wird in diesem Zusammenhang negativ definiert. Die richtige Entscheidung an dieser Stelle ist für das Gelingen der Klausur essentiell, hängt doch die Wahl der richtigen EGL und die AGL davon ab. Unterscheiden wird im Rahmen des Stehenden Gewerbes zwischen dem Genehmigungsfreien und dem Genehmigungspflichtigen Gewerbe; wichtig ist es, hier die Systematik der EGL zu verstehen.

  • Genehmigungsfreie Gewerbe: Eine Genehmigung ist wie die Bezeichnung schon vermuten lässt nicht erforderlich. Erforderlich ist hingegen eine reine Anzeige des Gewerbes gem. § 14 GewO (Zweck: Kenntnis der Verwaltung, statistische Zwecke u. ä.). Eine Untersagung ist daher auch nur möglich gem. § 35 I GewO in Form eines VA. Eine Rücknahme/ein Widerruf ist nicht denkbar, da keine Erlaubnis nötig ist und der Gewerbeschein (Folge der Anzeige) gem. § 15 GewO keinen rücknahmefähigen VA darstellt. § 35 I GewO beinhaltet auch die Schließung des Gewerbes. Vollstreckungsfähige Grundverfügung ist also § 35 I GewO.
  • Genehmigungspflichtiges Gewerbe: Eine Genehmigung ist erforderlich. Eine Ausübung ohne Genehmigung ist nicht möglich. Die Genehmigung stellt einen VA dar, dessen Erlass mit der Verpflichtungsklage begehrt werden kann. Eine Untersagung ist möglich, wenn das Gewerbe ohne Erlaubnis betrieben wird, vgl. § 15 II GewO (Der Anwendungsbereich von § 15 GewO ist auch eröffnet, wenn von vorneherein keine Genehmigung vorlag). Ist eine Genehmigung vorhanden und der Gewerbetreibenden wird z.B. unzuverlässig, dann will die Behörde im Ergebnis dafür sorgen, dass der Betrieb eingestellt wird. Dazu muss diese Genehmigung aufgehoben werden, denn als VA ist die Zulassung so lange Grundlage für die Ausübung des Gewerbes, bis sie erloschen ist oder      aufgehoben wird. Hier sind speziellere EGL zu berücksichtigen, z.B. §§ 15 GastG, § 4 II ApothekenG, § 21 BImschG, § 33d IV, V GewO, aber regelmäßig §§ 48, 49 VwVfG. Missachtet der Betroffene die Aufhebung, übt er sein Gewerbe illegal aus. Dann erfolgt die Untersagung gem. § 15 II GewO, die vollstreckt werden kann. Prüfung: § 15 II GewO als EGL für eine Schließung (inzident: Nur dann möglich, wenn ein erlaubnispflichtiges Gewerbe ohne Erlaubnis betrieben wird; die Erlaubnis könnte vorliegend aufgehoben worden sein -> Prüfung §§ 48, 49 VwVfG oder SpezialG) Vollstreckungsfähige Grundverfügung ist also die Stilllegung gem. § 15 II GewO.

Reisegewerbe
Die Legaldefinition findet sich in § 55 I GewO (Einzelheiten bitte nachlesen), Hierüber findet also auch die Abgrenzung zum Stehenden Gewerbe statt. Die grundsätzliche Erlaubnispflicht ergibt sich aus § 55 II GewO; beachte im Reisegewerbe verbotene Tätigkeiten gem. § 56 GewO und reisegewerbskartefreie Tätigkeiten gem. §§ 55 a, b GewO. Die Genehmigung erfolgt in Form der Reisegewerbskarte und stellt einen VA dar. Für den Widerruf der Reisegewerbskarte gelten §§ 48, 49 VwVfG, Spezialregelungen diesbezüglich sind nicht vorhanden. Die Möglichkeit zur Untersagung ergibt sich hier aus § 60d GewO.
Marktgewerbe
Ich denke, das Marktgewerbe ist nicht besonders examensrelevant, hier wird einen eher ein Kommunalrechtsfall im Zusammenhang mit § 8 GO NW erwarten. Dennoch sollte man sich des zweistufigen Aufbaus bewusst sein: Festgesetzt durch die Gemeinde werden auf Antrag des Veranstalters bestimmte Märte, die in §§ 64 ff GewO fest definiert sind. Hierauf besteht ein Anspruch des Veranstalters gem. §§ 69 I, 69a I GewO. Ist ein Markt festgesetzt (in diesem ist die GewO lex specialis zu § 8GO!), dann hat der Einzelne einen Anspruch auf Zulassung gem. § 70 I GewO; Anspruchsgegner ist der Veranstalter und zu beachten ist hierbei die 2-Stufen Theorie, wenn das Zulassungsverhältnis rein privatrechtlich ausgestaltet ist. Richtet ein Privater den „Markt“ aus, dann ist der Zivilrechtsweg eröffnet (in der öR Klausur unwahrscheinlich 😉 ).

17.02.2010/3 Kommentare/von Dr. Simon Kohm
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Simon Kohm https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Simon Kohm2010-02-17 17:43:132010-02-17 17:43:13Mini-Chrashkurs: Gewerbeordnung
Dr. Gerrit Forst

BGH: Unwirksamkeit von AGB über Rückgaberecht bei Fernabsatzverträgen

AGB-Recht, Schuldrecht, Verbraucherschutzrecht, Zivilrecht

Der BGH hat heute entschieden, dass bestimmte AGB-Klauseln über die Belehrungspflicht des Verkäufers bei Fernabsatzverträgen mit § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unvereinbar sind (VIII ZR 219/08). Das Urteil besitzt hohe Examensrelevanz. Zu beachten ist, dass es nicht um die Frage geht, wann die Rückgabefrist zu laufen beginnt, sondern es geht um die Unwirksamkeit der Klauseln nach AGB-Recht. Prozessual lässt sich dies in ein Verfahren nach dem UKlaG einkleiden.
Hier die entsprechenden Passagen aus der BGH-Pressemitteilung Nr. 250/09:

„Der Kläger ist der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände. Die Beklagte betreibt über die Internethandelsplattform eBay Handel unter anderem mit Heimtextilien, Kinder- und Babybekleidung sowie Babyausstattungen. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Verwendung von Klauseln in Anspruch, die diese für den Abschluss von Kaufverträgen über ihre bei eBay bestehende Internetseite verwendet. Im Revisionsverfahren hatte der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs über die Wirksamkeit dreier Klauseln zu entscheiden, deren Verwendung das Berufungsgericht der Beklagten untersagt hatte.

Die erste Klausel lautet:

[Der Verbraucher kann die erhaltene Ware ohne Angabe von Gründen innerhalb eines Monats durch Rücksendung der Ware zurückgeben.] „Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt der Ware und dieser Belehrung.“

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Klausel unwirksam ist. Sie enthält keinen ausreichenden Hinweis auf den Beginn der Rückgabefrist und genügt deshalb nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine möglichst umfassende, unmissverständliche und aus dem Verständnis der Verbraucher eindeutige Belehrung (§ 312d Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2, § 356 Abs. 2, § 355 Abs. 2 BGB). Ihre formularmäßige Verwendung begründet die Gefahr der Irreführung der Verbraucher und benachteiligt sie unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Nach § 356 Abs. 2, § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB beginnt die Rückgabefrist mit dem Zeitpunkt, zu dem dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Rückgaberecht, die unter anderem einen Hinweis auf den Fristbeginn zu enthalten hat, in Textform mitgeteilt worden ist. Aus der Sicht eines unbefangenen durchschnittlichen Verbrauchers, auf den abzustellen ist, kann die Klausel den Eindruck erwecken, die Belehrung sei bereits dann erfolgt, wenn er sie lediglich zur Kenntnis nimmt, ohne dass sie ihm entsprechend den gesetzlichen Anforderungen in Textform – d.h. in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise (§ 126b BGB) – mitgeteilt worden ist. Ferner kann der Verbraucher der Klausel wegen des verwendeten Worts „frühestens“ zwar entnehmen, dass der Beginn des Fristlaufs noch von weiteren Voraussetzungen abhängt, er wird jedoch darüber im Unklaren gelassen, um welche Voraussetzungen es sich dabei handelt.

Die zweite Klausel lautet:

„Das Rückgaberecht besteht entsprechend § 312d Abs. 4 BGB unter anderem nicht bei Verträgen

-zur Lieferung von Waren, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind oder die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind oder schnell verderben können oder deren Verfallsdatum überschritten würde;

-zur Lieferung von Audio- und Videoaufzeichnungen (u. a. auch CDs oder DVDs) oder von Software, sofern die gelieferten Datenträger vom Verbraucher entsiegelt worden sind, oder

-zur Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten.“

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Klausel wirksam ist. Sie genügt den gesetzlichen Anforderungen. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, für jeden angebotenen Artikel gesondert anzugeben, ob dem Verbraucher insoweit ein Rückgaberecht zusteht, und folglich für Fernabsatzverträge im elektronischen Geschäftsverkehr verschiedene Versionen ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verwenden. Eine Belehrung, die dem Verbraucher die Beurteilung überlässt, ob die von ihm erworbene Ware unter einen Ausschlusstatbestand fällt, ist nicht missverständlich. Insoweit bestehende Auslegungszweifel werden nicht dadurch beseitigt, dass die Beklagte bei – ihrer Meinung nach – den Ausschlusstatbeständen unterfallenden Fernabsatzverträgen lediglich darüber belehrt, dass ein Rückgaberecht nicht bestehe. Der Verbraucher erhielte in diesem Fall deutlich weniger Informationen, als wenn er über den gesetzlichen Wortlaut der Ausschlusstatbestände informiert wird. Das ermöglicht ihm vielmehr, sich eine abweichende Meinung zu bilden und auf eine Klärung hinzuwirken. Auch durch den einschränkenden Zusatz „unter anderem“ wird die Klausel nicht unklar, weil dadurch für den Verbraucher erkennbar nur auf den Umstand hingewiesen wird, dass in § 312d Abs. 4 BGB noch weitere, für den Versandhandel der Beklagten nicht einschlägige Ausschlusstatbestände aufgeführt sind.

Die dritte Klausel lautet:

[Im Falle einer wirksamen Rückgabe sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggfs. gezogene Nutzungen (z.B. Gebrauchsvorteile) heraus zu geben.] „Bei einer Verschlechterung der Ware kann Wertersatz verlangt werden. Dies gilt nicht, wenn die Verschlechterung der Ware ausschließlich auf deren Prüfung, wie sie dem Verbraucher etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre, zurückzuführen ist.“

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Klausel unwirksam ist. Zwar erfordert das Gesetz keine umfassende, alle in Betracht kommenden Fallgestaltungen berücksichtigende Belehrung über die bei einer Ausübung des Rückgaberechts eintretenden Rechtsfolgen. Die Belehrung muss aber einen Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 357 Abs. 1 und 3 BGB enthalten. Das ist hier nicht der Fall. Nach § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB hat der Verbraucher im Fall der Ausübung eines Rückgaberechts Wertersatz auch für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung zu leisten, dies aber nur dann, wenn er spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf diese Rechtsfolge und eine Möglichkeit hingewiesen worden ist, sie zu vermeiden. Wenn – wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist – die Erteilung eines den Voraussetzungen des § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB genügenden Hinweises bei Vertragsschlüssen über eBay von vornherein ausgeschlossen ist, weil der Vertrag zustande kommt, ohne dass der erforderliche Hinweis spätestens bei Vertragsschluss in Textform erteilt werden kann, ist die Klausel 3 irreführend, weil sie keinen Hinweis darauf enthält, dass für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung kein Wertersatz zu leisten ist. Selbst wenn die Beklagte aber einen den Voraussetzungen des § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB genügenden Hinweis in der erforderlichen Textform auch noch bis zum Erhalt der Ware erteilen könnte (§ 312c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB), müsste die Klausel 3 jedenfalls darauf hinweisen, dass eine Wertersatzpflicht für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung nur unter dieser Voraussetzung besteht (§ 312c Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV). Auch ein solcher Hinweis fehlt. Die formularmäßige Verwendung der den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechenden Belehrung begründet die Gefahr der Irreführung der Verbraucher und benachteiligt sie unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB).“

P.S.: Da war juraexamen.info mal wieder schneller als der Beck-Ticker.

09.12.2009/0 Kommentare/von Dr. Gerrit Forst
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Gerrit Forst https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Gerrit Forst2009-12-09 16:40:212009-12-09 16:40:21BGH: Unwirksamkeit von AGB über Rückgaberecht bei Fernabsatzverträgen
Samuel Ju

BGH: Widerrufsrecht des Verbrauchers im Fernabsatz besteht auch bei sittenwidrigem Vertrag über ein Radarwarngerät

BGB AT, Schon gelesen?, Schuldrecht, Zivilrecht, Zivilrecht

Der BGH hat in einer Entscheidung vom 25.11.2009 entschieden, dass bei einem Fernabsatzgeschäft auch dann ein Widerrufsrecht des Verbrauchers besteht, wenn es einen Kaufvertrag über ein Radarwarngerät zum Gegenstand hat, der eigentlich wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist.
Sachverhalt
Nach einem telefonischen Werbegespräch vom 1. Mai 2007 bestellte die Klägerin am darauf folgenden Tag per Fax einen Pkw-Innenspiegel mit einer unter anderem für Deutschland codierten Radarwarnfunktion zum Preis von 1.129,31 € (brutto) zuzüglich Versandkosten. Der von der Klägerin ausgefüllte Bestellschein enthält unter anderem den vorformulierten Hinweis: „Ich wurde darüber belehrt, dass die Geräte verboten sind und die Gerichte den Kauf von Radarwarngeräten zudem als sittenwidrig betrachten.“ Die Lieferung des Gerätes erfolgte per Nachnahme am 9. Mai 2007. Am 19. Mai 2007 sandte die Klägerin das Gerät an die Beklagte zurück und bat um Erstattung des Kaufpreises. Die Beklagte verweigerte die Annahme des Gerätes und die Rückzahlung des Kaufpreises. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin unter anderem die Verurteilung der Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises zuzüglich 8,70 € Rücksendungskosten, insgesamt 1.138,01 €. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage stattgegeben. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Grundsätzlich ist der Kaufvertrag über den Erwerb eines Radarwarngeräts nach der Rechtsprechung des Senats sittenwidrig und damit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Der Kauf eines Radarwarngeräts, das aufgrund seiner Codierung zum Einsatz im deutschen Straßenverkehr bestimmt ist, diene der Begehung eines nach § 23 Abs. 1 b der StVO verbotenen Verhaltens im Straßenverkehr, durch das Geschwindigkeitskontrollen unterlaufen und Geschwindigkeitsübertretungen mit den damit verbundenen Gefahren für Leib und Leben Dritter begünstigt werden. Ein solches Rechtsgeschäft, das letztlich darauf gerichtet sei, die Sicherheit im Straßenverkehr zu beeinträchtigen, verstöße gegen die guten Sitten und sei deshalb von der Rechtsordnung nicht zu billigen (§ 138 Abs. 1 BGB). Zwar untersagt § 23 Abs. 1 b StVO nicht schon den Erwerb eines Radarwarngeräts, sondern erst dessen Betrieb oder betriebsbereites Mitführen im Kraftfahrzeug. Jedoch sei dies eine unmittelbare Vorbereitungshandlung für dessen Betrieb. Deshalb sei bereits ein solcher Erwerb rechtlich zu missbilligen – so der BGH in seinem Urteil vom 23. Februar 2005 (VIII ZR 129/04, NJW 2005, 1490 f.) Dies entspricht auch der nahezu einhelligen Auffassung in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und im rechtswissenschaftlichen Schrifttum.
Das Recht der Klägerin, sich von dem Fernabsatzvertrag zu lösen, wird davon jedoch nicht berührt. Ein Widerrufsrecht nach §§ 312d, 355 BGB beim Fernabsatzvertrag ist unabhängig davon gegeben, ob die Willenserklärung des Verbrauchers oder der Vertrag wirksam ist. Der Sinn des Widerrufsrechts beim Fernabsatzvertrag besteht darin, dem Verbraucher ein an keine materiellen Voraussetzungen gebundenes, einfach auszuübendes Recht zur einseitigen Loslösung vom Vertrag in die Hand zu geben, das neben den allgemeinen Rechten besteht, die jedem zustehen, der einen Vertrag schließt.
Der Senat ist der Auffassung entgegengetreten, nach der sich der Verbraucher bei einer Nichtigkeit des Vertrages dann nicht auf sein Widerrufsrecht berufen könne, wenn er den die Vertragsnichtigkeit nach §§ 134, 138 BGB begründenden Umstand jedenfalls teilweise selbst zu vertreten habe. Ein Ausschluss des Widerrufsrechts wegen unzulässiger Rechtsausübung kann nur bei besonderer Schutzbedürftigkeit des Unternehmers in Betracht kommen. Daran fehlt es jedoch, wenn – wie in diesem Fall – beiden Parteien ein Verstoß gegen die guten Sitten zur Last fällt.
BGH, Urteil vom 25. November 2009 – VIII ZR 318/08
Andere Fallkonstellation: BGH-Urteil aus dem Jahr 2005
Dieser Fall unterscheidet sich in seiner Fallkonstellation von einem Urteil des BGH vom 23. Februar 2005 – VIII ZR 129/04, NJW 2005, 1490. Dort ging es ebenfalls um die Rückabwicklung eines sittenwidrigen Kaufvertrages über ein Radarwarngerät. Jedoch hatte die Klägerin nicht ein Widerrufsrecht nach § 312 d BGB geltend gemacht. Vielmehr ging es in diesem Fall um die Rückabwicklung des wegen Sittenwidrigkeit nichtigen Kaufvertrages wegen angeblicher Mängel. Vertragliche Mängelgewährleistungsansprüche kamen wegen Nichtigkeit des Vertrages nicht in Betracht. Auch ein Anspruch auf Rückzahlung des zur Erfüllung des nichtigen Vertrages geleisteten Kaufpreises stand der Klägerin nicht zu. Nach § 817 Satz 2 BGB ist der Rückforderungsanspruch ausgeschlossen, wenn beiden Parteien ein Verstoß gegen die guten Sitten zur Last fällt. Zwar zog die Beklagte (Verkäuferin) infolge der Anwendung des § 817 Satz 2 BGB aus dem sittenwidrigen Vertrieb von Radarwarngeräten wirtschaftliche Vorteile. Jedoch traf der Ausschluss des Rückforderungsanspruchs die Klägerin, wie der BGH ausgeführt hat, auch unter Berücksichtigung dieses Umstands nicht unbillig, da die Klägerin ebenfalls sittenwidrig handelte und dem verbotenen Verhalten noch näher stand als die Beklagte, weil sie das Radarwarngerät zu dem Zweck erwarb, es entgegen dem Verbot in der StVO zu verwenden.
BGH, Urteil vom 23. Februar 2005 – VIII ZR 129/04
Examensrelevanz
Zwei sehr interessante und examensrelevante BGH-Entscheidungen, die man gut auch in Form eines Grundfalls mit einer Abwandlung (BGH-Urteil aus dem Jahr 2005) im Rahmen einer Zivilrecht Examensklausur prüfen könnte. Bei einer möglichen Fallfrage „Was kann die Klägerin unternehmen?“ in der Klausur wäre die Schwierigkeit gewesen, überhaupt erst einmal drauf zu kommen, dass ein Widerrufsrecht nach §§ 312d, 355 BGB beim Fernabsatzvertrag gegeben sein könnte, unabhängig davon, ob die Willenserklärung des Verbrauchers oder der Vertrag als ganzes wirksam ist oder nicht.

28.11.2009/8 Kommentare/von Samuel Ju
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Samuel Ju https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Samuel Ju2009-11-28 11:32:402009-11-28 11:32:40BGH: Widerrufsrecht des Verbrauchers im Fernabsatz besteht auch bei sittenwidrigem Vertrag über ein Radarwarngerät
Samuel Ju

EuGH: Keine generelle Wertersatzpflicht nach fristgerechtem Widerruf

Europarecht, Öffentliches Recht, Schuldrecht, Zivilrecht

Der EuGH hat gestern (Urteil vom 03.09.2009 – C 489/07) in einem mit Spannung und von Onlinehändlern mit Nervosität erwarteten Urteil entschieden, dass ein Verbraucher, der von seinem Widerrufsrecht im Fernabsatz Gebrauch macht, nicht generell dazu verpflichtet werden darf, dem Verkäufer Wertersatz für die Nutzung der Ware zu leisten. Unter bestimmten Voraussetzungen allerdings kann ein Verbraucher, der die Ware auf eine mit den Grundsätzen von Treu und Glauben oder der ungerechtfertigten Bereicherung unvereinbare Art und Weise benutzt hat, durchaus zum Wertersatz verpflichtet werden.
Sachverhalt
Frau M. kaufte am 02.12.2005 über das Internet von Herrn K. ein gebrauchtes Notebook zum Preis von 278,00 Euro. Herr K. hatte in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Regelung, dass der Käufer für die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme eingetretene Verschlechterung der Ware Wertersatz leisten müsse, die im Übrigen auch § 357 Abs. 3 BGB entspricht.
Nach acht Monaten widerrief Frau M. den Kaufvertrag. Dies war möglich, weil die Widerrufsbelehrung fehlerhaft war und die Widerspruchsfrist damit noch nicht zu laufen begonnen hatte. In einem Verfahren vor dem Amtsgericht Lahr wendete der Verkäufer ein, dass für die achtmonatige Nutzung des Notebooks ein Wertersatz in Höhe von 316,80 Euro zu zahlen sei. Daraufhin setzte das Amtsgericht Lahr das Verfahren aus und legte dem europäischen Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vor: Sind die Bestimmungen des Artikel 6 Abs. 2 i.V.m. Artikel 1 Satz 2 der Richtlinie 97/7/EG dahingehend auszulegen, dass dieser einer nationalen gesetzlichen Regelung entgegensteht, die besagt, dass der Verkäufer im Falle des fristgerechten Widerrufes durch den Verbraucher Wertersatz für die Nutzung des gelieferten Verbrauchsgutes verlangen kann?
Entscheidung des EuGH
Der EuGH entschied hierzu, dass ein Verbraucher, der von seinem Recht Gebrauch macht, einen Vertragsschluss im Fernabsatz zu widerrufen, nicht dazu verpflichtet werden darf, dem Verkäufer generell Wertersatz für die Nutzung der Ware zu leisten. Eine solche generelle Auferlegung wäre nicht mit der Fernabsatzrichtlinie vereinbar.
Müsste der Verbraucher einen solchen Wertersatz allein deshalb leisten, weil er die Möglichkeit hatte, die durch Vertragsabschluss im Fernabsatz gekaufte Ware in der Zeit, in der er sie im Besitz hatte, zu benutzen, könnte er sein Widerrufsrecht nur gegen Zahlung dieses Wertersatzes ausüben. Eine solche Folge nähme dem Verbraucher insbesondere die Möglichkeit, die ihm von der Richtlinie eingeräumte Bedenkzeit völlig frei und ohne jeden Druck zu nutzen. Eine solche Regelung sei daher geeignet, den Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten.
Sinn und Zweck des Widerrufsrecht sei es, dem Verbrauche die Möglichkeit zu geben, die Ware zu prüfen und auszuprobieren. Hätte bereits eine solche Prüfung und Probe der Ware einen Wertersatz zur Folge, würde das Ziel des Widerrufsrechts verfehlt. Ziel der Richtlinie sei allerdings nicht, dem Verbraucher Rechte einzuräumen, die über das hinausgehen, was zur zweckdienlichen Ausübung seines Widerrufsrechts erforderlich ist. Daher stehe die Richtlinie grundsätzlich solchen nationalen Vorschriften nicht entgegen, die den Verbraucher zur Zahlung eines Wertersatzes verpflichten, wenn er die durch Vertragsabschluss im Fernabsatz gekaufte Ware auf eine mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts wie denen von Treu und Glauben oder der ungerechtfertigten Bereicherung unvereinbare Art und Weise benutzt hat.
Konsequenzen für den Internethandel und den Gesetzgeber
Die aktuelle Widerrufs- oder Rückgabebelehrung kann auf Grund der Entscheidung des europäischen Gerichtshofes aktuell wohl keinen Bestand haben und muss abgeändert werden. Auch der Gesetzgeber wird wohl kurzfristig in Reaktion auf das Urteil des EuGH sowohl das BGB wie auch die neue Musterwiderrufsbelehrung, die im Juni 2010 eine Widerrufsbelehrung als Gesetz vorsieht, noch einmal überarbeiten müssen.
Examensrelevanz
Im November letzten Jahres kam in einer Zivilrechts-Examensklausur in NRW das Quelle-Urteil des EuGH – Az. C-404/06 dran. Für die mündliche Prüfung eignet sich das Urteil als aktuelle Entscheidung des EuGH, aber auch, um das oftmalige Inselwissen der Prüflinge im Europarecht (Vorabentscheidungverfahren etc.) und die Wirkung von EuGH-Urteilen auf das Zivilrecht zu überprüfen.

04.09.2009/4 Kommentare/von Samuel Ju
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Samuel Ju https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Samuel Ju2009-09-04 13:46:352009-09-04 13:46:35EuGH: Keine generelle Wertersatzpflicht nach fristgerechtem Widerruf
Seite 2 von 212

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