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Schlagwortarchiv für: Werkmangel

Dr. Melanie Jänsch

BGH: Abgrenzung von Schadensersatz statt und neben der Leistung beim Werkvertrag

Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Werkvertragsrecht, Zivilrecht

In seinem Urteil vom 7.2.2019 (Az.: VII ZR 63/18) hat sich der BGH der Abgrenzung von Schadensersatz statt und neben der Leistung beim Werkvertrag gewidmet. Der Fall ist ein Paradebeispiel, anhand dessen die extrem klausur- und examensrelevante Problematik ausführlich erörtert werden kann.
 
A) Sachverhalt (vereinfacht)
Im Januar 2016 beauftragte die Klägerin B den Beklagten U mit der Wartung ihres Pkw. Im Zuge der Wartungsarbeiten tauschte der U unter anderem den Keilrippenriemen, den Riemenspanner und den Zahnriemen aus. Am 9. Februar 2016 traten – so die Behauptung der B – erhebliche Probleme mit der Lenkung auf, sodass sie das Auto in eine andere Werkstatt abschleppen lassen musste, weil der U bis zum 10. Februar 2016 Betriebsferien hatte. Dort habe sich herausgestellt, dass der U den Keilrippenriemen nicht richtig gespannt habe. Der aus diesem Grund gerissene Riemen habe sich um die Welle und das Gehäuse der Lichtmaschine gewickelt und diese beschädigt. Überreste des Riemens hätten sich um die Riemenscheibe der Servolenkungspumpe gewickelt mit der Folge, dass die Riemenscheibe gebrochen und die Dichtung der Servolenkungspumpe beschädigt worden sei. Zudem seien Teile des Riemens in den Riementrieb des Zahnriemens gelangt. Die B ließ Keilrippenriemen, Riemenspanner, Zahnriemen, Servolenkungspumpe und Lichtmaschine ersetzen und verlangt nunmehr von U die hierbei unstreitig entstandenen Reparaturkosten i.H.v. 1.715,57 € nebst Zinsen.
 
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter.
 
B) Rechtsausführungen
Der BGH hat mit Urteil vom 7.2.2019 das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Den Schwerpunkt der Entscheidung bildet die höchst klausur- und examensrelevante Abgrenzung von Schadensersatz statt der Leistung von Schadensersatz neben der Leistung, insbesondere die Einordnung sog. Mangelfolgeschäden.
 
I. Allgemeine Grundsätze zur Abgrenzung des Schadensersatzes statt vom Schadensersatz neben der Leistung
Ist eine Pflichtverletzung in Form einer mangelhaften Werkleistung i.S.v. § 633 BGB gegeben, ist in der Folge zwischen dem Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß § 634 Nr. 4 i.V.m. §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB und dem Schadensersatzanspruch neben der Leistung gemäß § 634 Nr. 4 i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB zu differenzieren. Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß § 634 Nr. 4 i.V.m. §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB tritt an die Stelle der geschuldeten Werkleistung und erfasst das Leistungsinteresse des Bestellers. Grundsätzlich ist hierfür – abgesehen von den normierten Ausnahmen – eine Fristsetzung zur Nacherfüllung erforderlich, damit der Unternehmer eine letzte Gelegenheit erhält, seiner Pflicht zur geschuldeten Leistung, also der Herstellung eines mangelfreien Werks, nachkommen zu können. In Abgrenzung hierzu sind über § 634 Nr. 4 i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB, der ausweislich keine Fristsetzung verlangt, die über das Leistungsinteresse hinausgehenden Vermögensnachteile, insbesondere Folgeschäden an anderen Rechtsgütern des Bestellers als dem Werk selbst oder an dessen Vermögen, zu ersetzen (vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 14/6040, S. 225, 263). Mit dem Schadensersatzanspruch neben der Leistung gemäß § 634 Nr. 4 i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB kann also Ersatz für Schäden verlangt werden, die aufgrund eines Werkmangels entstanden sind und durch eine Nacherfüllung der geschuldeten Werkleistung nicht beseitigt werden können. Man muss sich daher stets die Testfrage stellen, ob der aufgrund eines Werkmangels entstandene Schaden durch eine Nacherfüllung der geschuldeten Werkleistung beseitigt werden kann – und dann auf dieser Grundlage ermitteln, ob § 634 Nr. 4 i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB oder §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB einschlägig ist.
 
II. Die Entscheidung des BGH vom 7.2.2019
Nach diesen Maßstäben nahm der BGH hinsichtlich der verschiedenen Schäden eine dogmatisch konsequente differenzierte Betrachtungsweise ein: So wurde bezüglich der Lichtmaschine und der Servolenkungspumpe ein Anspruch aus § 634 Nr. 4 i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB hergeleitet; ein Anspruch auf Ersatz der Kosten für den Austausch des Keilrippenriemens, des Riemenspanners und des Zahnriemens konnte sich allerdings nur aus § 634 Nr. 4 i.V.m. §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB ergeben.
 
1. Über § 634 Nr. 4 i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB ersatzfähige Mangelfolgeschäden
Anders als das Berufungsgericht kam der BGH zu dem Ergebnis, dass es sich bezüglich der Kosten für Lichtmaschine und Servolenkungspumpe um über §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB neben der Leistung ersatzfähige Mangelfolgeschäden handelte, für die es keiner Fristsetzung bedurfte: „Für derartige Folgeschäden kommt die Setzung einer Frist zur Nacherfüllung gemäß § 634 Nr. 4, § 281 Abs. 1 BGB nicht in Betracht. Denn der Zweck dieser Fristsetzung, dem Unternehmer eine letzte Gelegenheit einzuräumen, ein mangelfreies Werk herzustellen, kann nicht erreicht werden in Bezug auf Schäden, die durch eine Nacherfüllung der geschuldeten Werkleistung nicht zu beseitigen sind.“ (Rn. 19) Der BGH argumentiert also mit dem Telos des Fristsetzungserfordernisses, der darin besteht, dass dem Unternehmer eine letzte Gelegenheit zur mangelfreien Leistung gewährt werden soll. Gerade diesem Sinn und Zweck entspreche es aber nicht, wenn bei Schäden an anderen Rechtsgütern des Bestellers als dem Werk selbst eine Fristsetzung verlangt würde.
Allerdings bedarf es in einem vorherigen Schritt im Wege der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB der Ermittlung der konkret geschuldeten Werkleistung. Denn nur dann kann auch festgestellt werden, wann Schäden vorliegen, die an anderen Rechtsgütern als dem Werk selbst eingetreten sind. Besonders schwierig ist dies in der – wie hier vorliegenden – Konstellation, in der die einzelnen Teile, bei denen Schäden eingetreten sind, einer Gesamtsache – hier: dem Auto – zugehörig sind. Der BGH kam basierend auf diesen Erwägungen zu folgendem Auslegungsergebnis:

„Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war der Beklagte mit der Wartung des Kraftfahrzeugs der Klägerin beauftragt. Ein Wartungsvertrag über ein Kraftfahrzeug beinhaltet regelmäßig dessen Überprüfung auf Funktions- und Verkehrstüchtigkeit im vereinbarten Umfang und damit insbesondere auch die Aufdeckung etwaiger Schäden der zu überprüfenden Bereiche. Auch der Austausch von Verschleißteilen kann davon umfasst sein. Die Reparatur von im Rahmen der Wartung aufgedeckten Schäden gehört dagegen nicht zur geschuldeten Leistung eines Wartungsvertrags. Sie ist nur bei einer entsprechenden Vereinbarung durchzuführen. Entgegen der Auffassung der Revision umfasste der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts ferner den Austausch des Keilrippenriemens, des Riemenspanners und des Zahnriemens. Dabei kann dahinstehen, ob derartige Arbeiten regelmäßig zum geschuldeten Leistungsumfang eines Vertrags über die Wartung eines Kraftfahrzeugs gehören. Denn die Parteien haben diese Arbeiten hier – spätestens mit der (konkludenten) Abnahme der ausgeführten Arbeiten seitens der Klägerin durch Abholung des Kraftfahrzeugs und Begleichung der Rechnung des Beklagten – zum Gegenstand ihrer vertraglichen Vereinbarungen gemacht. Die vom Beklagten geschuldete Werkleistung bestand danach in der ordnungsgemäßen Wartung des Kraftfahrzeugs einschließlich des Austauschs des Keilrippenriemens, des Riemenspanners und des Zahnriemens. Hierauf beschränkte sich indes auch die Leistungspflicht des Beklagten. Demgegenüber handelt es sich bei den Schäden an der Lichtmaschine und der Servolenkungspumpe um Folgeschäden, die durch die mangelhafte Werkleistung des Beklagten – das mangelhafte Spannen des Keilrippenriemens – entstanden sind, und die durch eine Nacherfüllung der geschuldeten Werkleistung nicht mehr beseitigt werden können. Diese Schäden betreffen vielmehr zuvor unbeschädigte Bestandteile des Kraftfahrzeugs und nicht das geschuldete Werk selbst.“ (Rn. 21-25)

Der BGH nahm also aufgrund der Vereinbarung der Parteien, der U habe das Fahrzeug ordnungsgemäß zu warten sowie den  Keilrippenriemen, den Riemenspanner und den Zahnriemen auszutauschen, an, dass sich hierauf die geschuldete Werkleistung beschränkte. Bei den Schäden an Lichtmaschine und Servolenkungspumpe handelt es sich daher um Schäden, die an anderen Rechtsgütern als dem Werk selbst eingetreten sind.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus Entscheidungen des BGH, nach denen die Nacherfüllung alle Arbeiten umfasst, die zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes erforderlich sind (vgl. beispielhaft BGH Urt. v. 22.3.1979 – VII ZR 142/78, juris, Rn. 17, und Urt. v. 29.11.1971 – VII ZR 101/70, juris, Rn. 41) Denn: „Jene Entscheidungen betreffen allein die Frage, welche Maßnahmen im Rahmen einer Nacherfüllung geschuldet sind, um ein mangelfreies Werk herzustellen. Erfordert die Nacherfüllung der geschuldeten Werkleistung Eingriffe in das sonstige Eigentum des Bestellers, sind auch die hierdurch entstehenden Schäden zu beheben. Von solchen Schäden, die im Zuge der Nacherfüllung zwangsläufig entstehen, sind diejenigen Schäden an anderen Rechtsgütern des Bestellers oder an dessen Vermögen zu unterscheiden, die durch die mangelhafte Werkleistung verursacht wurden. Sie werden von der Nacherfüllung nicht erfasst, sondern können nur Gegenstand des – verschuldensabhängigen – Schadensersatzanspruchs gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB sein (vgl. zur Abgrenzung bereits BGH, Urteil vom 7. November 1985 – VII ZR 270/83, BGHZ 96, 221, juris Rn. 14 ff.). So liegt der Fall hier. Denn hinsichtlich der Lichtmaschine und der Servolenkungspumpe geht es nicht um die Nacherfüllung der Wartung oder der vereinbarten Austauscharbeiten und hierdurch erforderlich werdende Maßnahmen, sondern um die Beseitigung weiterer, aufgrund der mangelhaften Werkleistung eingetretener Schäden am Kraftfahrzeug der Klägerin.“
Zusammenfassend kann sich ein Anspruch aus § 634 Nr. 4 i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB daher nur für die Schäden an Lichtmaschine und Servolenkungspumpe ergeben, nicht aber bezüglich Keilrippenriemen, Riemenspanner und Zahnriemen.
 
2. Über § 634 Nr. 4 i.V.m. §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB ersatzfähige Mangelschäden
Hinsichtlich der Kosten für den Austausch des Keilrippenriemens, des Riemenspanners und des Zahnriemens kam indes ein Anspruch aus § 634 Nr. 4 i.V.m. §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB in Betracht. Wie bereits dargelegt, tritt der Schadensersatz statt der Leistung an die Stelle der Leistung und umfasst das Leistungsinteresse des Bestellers. Er knüpft daran an, dass keine ordnungsgemäße Nacherfüllung stattgefunden hat. Damit deckt sich sein Anwendungsbereich mit der Reichweite der Nacherfüllung, die gemäß § 634 Nr. 1 i.V.m. § 635 BGB auf die Bewirkung der geschuldeten Leistung gerichtet ist. Die geschuldete Leistung bestand im konkreten Fall – wie bereits im Wege der Auslegung ermittelt wurde – in der ordnungsgemäßen Wartung des Kraftfahrzeugs einschließlich des Austauschs des Keilrippenriemens, des Riemenspanners und des Zahnriemens. Der BGH führte wie folgt aus:

„Soweit der Keilrippenriemen durch den mangelhaft ausgeführten Austausch – das mangelhafte Spannen – gerissen ist und deshalb dessen erneuter Austausch erforderlich wurde, betrifft dies den bei Abnahme vorhandenen Mangel des Werks. Die Beseitigung dieses Mangels wird von der Nacherfüllung erfasst, so dass die Kosten für den Austausch des Keilrippenriemens als Schadensersatzanspruch statt der Leistung nach § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB zu ersetzen sind. Gleiches gilt hinsichtlich des Austauschs von Riemenspanner und Zahnriemen. Auch insoweit ist das geschuldete Werk betroffen. Ohne Belang ist, dass Riemenspanner und Zahnriemen bei Abnahme noch nicht mangelhaft waren. Denn der jeweilige Mangel hat seine Ursache in dem mangelhaften Spannen des Keilrippenriemens und damit in der vertragswidrigen Beschaffenheit des Werks bei Abnahme. Der erforderliche erneute Austausch wird damit ebenfalls von der Nacherfüllung erfasst, so dass sich der Ersatz der Austauschkosten nach § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB richtet.“ (Rn. 35, 36)

Es bedurfte damit grundsätzlich einer Fristsetzung. Allerdings hat der BGH festgestellt, dass eine solche ausnahmsweise nach § 281 Abs. 2 Var. 2 BGB entbehrlich ist. Es lägen besondere Umstände vor, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigten: Es „besteht ein besonderes Interesse der Klägerin an einer einheitlichen Reparatur, bei der die erforderlichen Austauscharbeiten im Zuge der Beseitigung der wirtschaftlich im Vordergrund stehenden Folgeschäden an der Lichtmaschine und der Servolenkung miterledigt werden. Demgegenüber tritt das – grundsätzlich bestehende – Interesse des Beklagten an der Möglichkeit einer Nacherfüllung betreffend Keilrippenriemen, Riemenspanner und Zahnriemen zurück, zumal dies im Anschluss an die Reparatur (allein) der Folgeschäden ein aufwendiges Verbringen des Kraftfahrzeugs in die Werkstatt des Beklagten erfordert hätte.“ (Rn. 37)
Nach Ansicht des BGH musste mithin keine Frist gesetzt werden, sodass auch ein Anspruch aus § 634 Nr. 4 i.V.m. §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB in Betracht kommt.
 
C) Fazit
Die Entscheidung des BGH ist dogmatisch konsequent. Bei verschiedenen Schäden – auch an einer „Gesamtsache“ – ist bei der Abgrenzung von Schadensersatz statt und neben der Leistung stets zu differenzieren, ob das Leistungsinteresse des Bestellers betroffen ist oder ob Vermögensteile des Bestellers, die nicht das geschuldete Werk betreffen, beschädigt wurden. Hier bedarf es einer Auslegung im jeweiligen Einzelfall, worin die geschuldete Werkleistung liegt. Auf dieser Grundlage kann dann die Reichweite der Nacherfüllung und somit der Anwendungsbereich des § 634 Nr. 4 i.V.m. §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB bestimmt werden. Hiervon nicht erfasste Schäden können dann über § 634 Nr. 4 i.V.m. §§ 280 Abs. 1 BGB ersatzfähig sein. In der Klausur ist daher unter Ausschöpfung aller im Sachverhalt genannten Aspekte der Umfang der geschuldeten Werkleistung auszulegen, um auf dieser Basis eine Abgrenzung von Schadensersatz statt und neben der Leistung vornehmen zu können.
 
 

11.06.2019/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2019-06-11 09:20:242019-06-11 09:20:24BGH: Abgrenzung von Schadensersatz statt und neben der Leistung beim Werkvertrag
Nicolas Hohn-Hein

AG München: „Kunstgeschmack“ im Rahmen eines Werkvertrags

Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Werkvertragsrecht, Zivilrecht, Zivilrecht

In einer im vergangenen Jahr entschiedenen und nunmehr rechtskräftigen Sache des AG München (Urteil vom 19.04.2011 – Az. 224 C 33358/10) ging es um die Frage, ob der Besteller Mängel im Rahmen eines Werkvertrags geltend machen kann, wenn das bei einem Künstler in Auftrag gegebene Kunstwerk dem Besteller nicht gefällt.
Sachverhalt (vereinfacht und leicht abgewandelt)
B ist Kunstliebhaberin und besitzt ein Wohnhaus in einer noblen Gegend in München. Um dem schon in die Jahre gekommenen Treppenhaus wieder den notwendigen Glanz zu verleihen, wendet sie sich im Mai 2010 an den Künstler K, der für seine ausgefeilten und einzigartigen Glasfenster bis an den Starnberger See hin berühmt ist. B, die die Werke des K aus einem Katalog kennt, beschreibt dem K ihre ungefähren Vorstellungen von dem neuen Fenster. Es müsse den typischen „Wow-Effekt“ haben, wie man es von den Werken des K gewohnt sei. Das Fenster solle B und vor allem ihre Besucher „umhauen“ und die besondere Exklusivität ihres Hauses unterstreichen. K solle sich an den Werken in seinem Katalog orientierten. Weitere Einzelheiten der Ausführung oder des Motivs werden nicht besprochen. Sie vereinbaren einen Preis in Höhe von 4000 Euro. K macht sich daraufhin an die Arbeit.
Im Juli 2010 teilt K der B die Fertigstellung des Fensters mit und lässt es auch sogleich montieren. B überweist eine erste Anzahlung in Höhe von 2000 Euro auf das Konto des K. Da sich B in der Folgezeit zunächst nicht meldet, kontaktiert K die B und verlangt das restliche Geld. B verweigert die weitere Zahlung und verlangt ihrerseits „ihr Geld“ wieder zurück. B führt aus, sie sei „maßlos enttäuscht“, weil sie sich eine „Sonnenuntergangsstimmung“ vorgestellt habe. Dies sei jedoch nicht erreicht worden. Bei dem Fenster stelle sich nicht der gewünscht „Wow-Effekt“ ein, sodass B sich veranlasst sehe, von der ganzen Sache Abstand zu nehmen. K hält an seinem Zahlungsverlangen fest.
Kann B von K die Rückzahlung der 2000 Euro verlangen?
 
Künstlerische Freiheit des Künstlers hat grundsätzlich Vorrang
Die Rückzahlung käme nur dann in Frage, wenn der fehlende „Wow-Effekt“ einen Sachmangel im Sinne von § 633 BGB darstellen würde und B damit Mängelrechte über § 634 BGB  geltend machen könnte. Entgegen anderen Werkverträgen, die z.B. die Herstellung oder Reparatur eines Gegenstands zum Inhalt haben, ist bei einem Vertrag über die Herstellung einer Kunstinstallation die Besonderheit zu beachten, dass das Kunstwerk das Ergebnis eines Schaffensprozesses des Künstlers ist. Das Ergebnis ist damit grundsätzlich allein vom Wirken des Künstlers abhängig, der insoweit seinem Schöpferwillen Ausdruck verleiht. Dabei besitzt er eine gewisse Gestaltungsfreiheit. Sie geht bspw. aber nicht soweit, dass bei einem Portrait diejenige Person nicht mehr erkennbar und identifizierbar ist. Ebenso bei Textabweichungen bei einem Theaterstück (Palandt/Sprau, § 633, Rz. 13). Das Gericht führt dazu aus, dass

[d]iese Installation ordnungsgemäß erstellt worden [sei]. Grundsätzlich müsse jemand, der einen Künstler beauftrage, sich vorher mit dessen künstlerischen Eigenarten und Auffassungen vertraut machen. Der Künstler schaffe das Werk in eigener Verantwortung und in künstlerischer Freiheit. Solange der vereinbarte Zweck und die tragende Idee vorhanden seien, sei das Werk vertragsgemäß. Der Besteller trage das Risiko, ein Werk abnehmen zu müssen, das ihm nicht gefalle. Dies sei Ausfluss der Gestaltungsfreiheit des Künstlers. 

Gestaltungsfreiheit einschränkbar durch Parteiabrede
Von dem obigen Grundsatz kann aber ohne Weiteres abgewichen werden, wenn zwischen dem Besteller und dem Künstler entsprechende Abreden bestehen, die das zu erstellende Werk näher konkretisieren. Beim Beispiel des Portrait-Gemäldes wird eine Konkretisierung bereits „in der Natur der Sache“ liegen, es sei denn, der Künstler wäre für seine abstrakten Portraits bekannt. Hier fehlt aber eine solche Einschränkung. Denn

[e]ine solche Abrede sei hier aber nicht erfolgt. Der Vertrag lege eindeutig fest, dass sich das Gemälde zwar an den anderen im Katalog orientiere, aber keine Kopie, sondern ein eigenständiges Werk sei. Dass hinterher eine andere Vereinbarung getroffen wurde, habe [B] nicht beweisen können.

B kann daher eine Rückzahlung des Geldes nicht verlangen und ist darüber hinaus verpflichtet, auch den Restbetrag an K zu leisten.
Fazit
Der Fall bietet wenig Neues und bestätigt lediglich die BGH-Rechtssprechung zu dem Thema. Die Konstellation ist aber nicht nur für Examenskandidaten interessant, sondern auch für Studenten früherer Semester, da sie Raum zum Argumentieren lässt, auch ohne die Rechtsprechung zu kennen. Der griffige „Wow-Effekt“  (wörtliches Zitat in der Pressemitteilung!) und die wesentlichen Umstände des vorliegenden Falls ließen sich gut in den Text einer Fortgeschrittenenklausur einbauen und mit weiteren Problemen aus dem Vertragsrecht verbinden.

17.04.2012/0 Kommentare/von Nicolas Hohn-Hein
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Nicolas Hohn-Hein https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Nicolas Hohn-Hein2012-04-17 17:36:582012-04-17 17:36:58AG München: „Kunstgeschmack“ im Rahmen eines Werkvertrags

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