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Schlagwortarchiv für: Wegfall der Geschäftsgrundlage

Tobias Vogt

BGH: Rückforderungsanspruch der schenkenden „Schwiegereltern“ auch bei Ende nichtehelicher Lebensgemeinschaft

Bereicherungsrecht, BGB AT, Examensvorbereitung, Familienrecht, Lerntipps, Rechtsprechung, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht

In der examensrelevanten Entscheidung  vom 18.06.2019 (Az.: X ZR 107/16) sprach der BGH den „Schwiegereltern“ einen Anspruch auf Rückzahlung eines geschenkten Geldbetrages gegen den Ex-Freund ihrer Tochter nach der Trennung des Paars zu.  Der X. Zivilsenat hat damit die BGH-Rspr. zu Rückforderungsansprüchen bei Schwiegerelternschenkungen nach Scheitern einer Ehe auf nichteheliche Lebensgemeinschaften übertragen. Zudem äußerten sich die obersten Richter in einem „obiter dictum“ zu der Frage der anteiligen Kürzung des Rückforderungsanspruchs – unter Abweichung von der Ansicht der Vorinstanz.
I. Sachverhalt
Der Beklagte lebte seit dem Jahr 2002 in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin kaufte er im Jahr 2011 eine Immobilie zum gemeinsamen wohnen. Die Eltern der ehemaligen Lebensgefährtin des Beklagten wandten ihrer Tochter und ihm Geldbeträge in Höhe von insgesamt über 100.000 Euro zur Finanzierung des Eigenheims zu. Nur knapp 2 Jahre nach dieser Zuwendung trennte sich das Paar endgültig. Infolgedessen forderten Die Eltern  die Hälfte des Betrags von dem ehemaligen Lebensgefährten ihrer Tochter zurück.
II. Rückforderungsanspruch gemäß §§ 516 I, 313 III, 346 I BGB
Die Zuwendung des Geldbetrags erfolgte ohne dass eine Gegenleistung geschuldet wurde. Die Geldhingabe führte zu einer Bereicherung des Beklagten und einer dauerhaften Vermögensminderung der „Schwiegereltern“. Die Voraussetzungen einer Schenkung liegen daher vor. Auch auf Schenkungsverträge sind die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB anwendbar. Zwar bestehen im Schenkungsrecht spezielle Anspruchsgrundlagen für eine Rückforderung wegen Nichterfüllung einer Auflage (§ 527 BGB), Verarmung (§ 528 BGB) und groben Undanks (§ 530 BGB) vorgesehen. Diese sperren jedoch nicht den Rückgriff auf § 313 BGB. Vielmehr ist anerkannt, dass das allgemeine Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage anwendbar ist, soweit der Sachverhalt außerhalb des Bereichs der speziellen Herausgabeansprüche des Schenkungsrechts liegt (so schon BGH, Urteil vom 03.02.2010 – XII ZR 189/06). Liegen die Voraussetzungen des § 313 III BGB vor, so kann der Schenker nach §§ 516 I, 313 III, 346 I BGB Rückgabe verlangen.
III. Wegfall der Geschäftsgrundlage durch Trennung schon nach kurzer Zeit
Geschäftsgrundlage sind die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei Vertragsschluss aber zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien sowie die der einen Vertragspartei erkennbaren und von ihr nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut. Die Schenkung eines Grundstücks oder eines Geldbetrags zum Erwerb eines Grundstücks von Seiten der Schwiegereltern erfolge typischerweise in der Erwartung, die Immobilie werde von den Beschenkten jedenfalls für einige Dauer gemeinsam genutzt. Zwar sei nicht davon auszugehen, dass von einem gemeinsamen Bewohnen bis zum Tod eines der Partner ausgegangen werde, jedoch dass die Immobilie für eine nicht nur kurzfristige Zeit als räumliche Grundlage des Paares diene. Dies sei für den Beschenkten Lebenspartner auch erkennbar gewesen. Die Trennung bereits nach weniger als zwei Jahren begründet daher den Wegfall der Geschäftsgrundlage „Fortbestand der Lebensgemeinschaft nicht lediglich für kurze Zeit“.
IV. Unzumutbarkeit für Schenker
Der Wegfall der Geschäftsgrundlage allein rechtfertigt jedoch noch nicht zum Rücktritt nach § 313 III BGB. Vielmehr muss dem Zuwendenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zumutbar sein. Es bedarf einer umfassenden Interessenabwägung, wobei die zur Schweigerelternschenkung herangezogenen Kriterien wie die Beziehungsdauer, die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien, der Umfang der noch vorhandenen Vermögensmehrung und die Frage, inwieweit der mit der Schenkung erfolgte Zweck erreicht wurde, heranzuziehen sind. Denn die Interessenlage bei einer Schenkung von „Schwiegereltern“ an Partner einer auf Dauer angelegten nichtehelichen Lebensgemeinschaft ist vergleichbar mit derjenigen bei echten Schwiegerelternschenkungen vergleichbar. Anhand dieser Kriterien erachtete der BGH das Festhalten am unveränderten Vertrag als unzumutbar. Nach der Systematik des § 313 BGB ist zwar vorrangig eine Vertragsanpassung nach § 313 I BGB vorgesehen. Da aber auch eine Vertragsanpassung den „Schwiegereltern“ nicht zugemutet werden kann, besteht das Rücktrittsrecht nach § 313 III BGB.  In einer Klausur sollte um Systemverständnis zu zeigen hier sauber geprüft und auf die verschärften Anforderungen des § 313 III BGB gegenüber § 313 I BGB eingegangen werden.
V. Keine anteilige Kürzung
Insbesondere besteht der Rückforderungsanspruch in voller Höhe und nicht nur anteilig. Die Vorinstanz OLG Brandenburg (Urteil vom 26.10.2016 – 4 U 159/15) hatte noch den Anspruch anteilig gekürzt mit der Begründung, durch den Zeitraum, in dem die Tochter das Grundstück bewohnte, sei der Zweck der Schenkung teilweise erreicht. Diesen Ansatz teilte der BGH jedoch nicht. Denn es liege fern, dass die schenkenden „Schwiegereltern“ die Höhe des Geschenks um eine bestimmte Quote gemindert hätten, wenn sie die tatsächliche, nur kurze Dauer der Lebensgemeinschaft vorausgesehen hätten. Stattdessen hätten sie gar keinen Geldbetrag geschenkt. Somit ist auch der volle Betrag zurückzuzahlen.
VI. Fazit
Auch im Falle einer bloßen Lebensgemeinschaft statt einer Ehe kann eine Schenkung der „Schwiegereltern“ also nach §§ 516 I, 313 III, 346 I BGB zurückgefordert werden, wenn sie wie im Falle der Schenkung einer Immobilie oder eines Geldbetrages zum Erwerb einer Immobilie erkennbar auf der Vorstellung beruht, die Lebensgemeinschaft werde zwar ggf. nicht ewig, jedoch für eine nicht nur kurze Zeit fortbestehen, diese tatsächlich aber bereits nach kurzer Zeit endet. Regelmäßig ist dann ein festhalten am Schenkungsvertrag nicht zumutbar.
In solchen Konstellationen kann auch eine Kondiktion wegen Zweckverfehlung nach § 812 I 2 Alt. 2 BGB in Betracht kommen und sollte daher in einer Klausur jedenfalls kurz angesprochen werden. Denn nach der Rspr. ist die „condictio ob rem“ neben § 313 BGB anwendbar (nach einer verbreiteten Literaturansicht jedoch von dem spezielleren § 313 BGB verdrängt). In der Regel scheitert ein solcher Anspruch aber an einer fehlenden Zweckabrede iSd. § 812 I 2 Alt. 2 BGB. Denn anders als im Rahmen des § 313 BGB reicht hier keine Erkennbarkeit des Zwecks. Erforderlich für eine Zweckabrede ist positive Kenntnis des Vertragspartners (BGH, Urteil vom 03.02.2010 – XII ZR 189/06).
 
 
 

09.07.2019/0 Kommentare/von Tobias Vogt
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tobias Vogt https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tobias Vogt2019-07-09 08:52:272019-07-09 08:52:27BGH: Rückforderungsanspruch der schenkenden „Schwiegereltern“ auch bei Ende nichtehelicher Lebensgemeinschaft
Redaktion

Simulation mündliche Prüfung: Privatier P hält die Ohren steif – Zur analogen Anwendung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage

BGH-Klassiker, Examensvorbereitung, Mündliche Prüfung, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht

Die Simulation ist einer brandaktuellen Entscheidung des BGH nachgebildet. Das Gericht äußert sich zu grundlegenden Fragen des allgemeinen Schuldrechts und nimmt darüber hinaus erstmalig zu einem neuen, bislang wenig Beachtung gefundenen Vertragstypus Stellung. Die Entscheidung ist bereits deshalb besonders examensrelevant und kann nicht nur Gegenstand einer mündlichen Prüfung, sondern auch universitärer Klausuren sein. Ein vertiefter Blick in das Urteil ist deshalb dringend geboten.  
 
Prüfer:  Willkommen zur Prüfung im Zivilrecht. Lassen Sie mich einen Fall referieren, der mir neulich zu Ohren kam. Die Entscheidung ist einem Fall des XIII. Senats des BGH v. 01.04.2019 (Az. 70 PSG 200) nachgebildet. Der Fall ist recht umfangreich, also spitzen Sie die Ohren:
Der dauerhaft in Berlin lebende, vom Hals abwärts gelähmte französische Staatsbürger P sowie sein senegalesisch-stämmiger Pfleger D beschließen, sich nach einem anstrengenden Arbeitstag eine kleine Belohnung zu genehmigen. Pfleger D beschafft dazu – neben mehreren Marihuana-Zigaretten (sog. „Johnys“) – zwei mit den thailändischen Massagekünsten bestens vertraute Prosituierte (B und J), die dem D aus älteren „Geschäftsbeziehungen“ bereits hinlänglich bekannt sind. Gegen 21:30h treffen B und J am prunkvollen Anwesen des P ein.
P und D konsumieren über den Abend verteilt mehrere „Blunts“, wobei zunächst D den Löwenanteil der Rauchwaren verputzt. Während P wie gewohnt in seinem Rollstuhl sitzt, lässt sich D auf einem barocken Ohrensessel neben D nieder. Sodann positionieren sich B und J hinter D und P. Während D sich unverzüglich seines Oberteils entledigt, beschließt P, sich das Oberhemd nur ein wenig aufknöpfen zu lassen. B und J beginnen, P und D zu massieren. D nutzt dabei die Gelegenheit, und zündet eine weitere „Kräuterrakete“ an. Entsprechend seinen Wünschen massiert B den D von Kopf bis zu seiner stählernen Brust. P bevorzugt es hingegen, die Massageeinheit auf seine besonders empfindlichen Ohrläppchen zu beschränken. Als J beginnt, ihre Hände von den Ohrläppchen des P an dessen Körper herabgleiten zulassen, interveniert D energisch: „Nein, nein, nein, bleib schön am Ohr. Das mag er.“ – während er P eine frische „Tüte“ anreicht. J kommt diesem Wunsch nach.
Aufgrund des durch die hohe Anzahl an „Doobys“ ausgelösten Rausches, schläft der Gelegenheitsstoner P nach achtminütiger Massageeinheit unvermittelt ein. J stellt daraufhin die Arbeit ein, steckt das auf dem Couchtisch des P platzierte Entgelt in Höhe von 150 € ein und verlässt das Anwesen des P. D – der mittlerweile zusammen mit B den Raum gewechselt hat – bekommt von alldem nichts mehr mit.
P verlangt von J nun anteilige Rückzahlung des bereits gezahlten Entgelts in Höhe von 50 €: Die Leistung sei nicht vollständig erbracht worden. Seine Ohren seien nicht bis zur endgültigen Befriedigung gekrault worden – nicht mal ein leichtes, frohlockendes Zucken seiner Ohrläppchen habe er verspüren können. Auch sei die Dauer von lediglich acht Minuten nicht angemessen, ein derart hohes Entgelt zu rechtfertigen.
J entgegnet, sie habe ausreichend lange „an den Löffeln herumgefummelt“. Dass ihre Leistung durchaus zufriedenstellend war, könne man daran erkennen, dass P bereits nach kurzer Zeit in das Land der Träume versunken sei. Gewährleistungsansprüche bestünden bereits gar nicht. Hilfsweise rechnet sie mit einem Schadensersatzanspruch auf: Durch die für sie ungewohnte Tätigkeit habe sie sich eine Sehnenscheitentzündung zugezogen, sie habe dadurch einen mehrnächtigen Arbeitsausfall erlitten.
Herr Wenneck, haben Sie den Fall verstanden? Dann lassen Sie uns mal an Ihren Gedanken teilhaben: Was für ein Vertrag kommt hier in Betracht?
Herr Wenneck: Also, es kommt ein Geschäftsbesorgungsvertrag in Betracht…
Prüfer: Sie wollen mich wohl übers Ohr hauen! Sie haben da etwas grundlegend falsch verstanden. Frau Garner, was sagen Sie dazu?
Frau Garner: Der Vertragstypus ist anhand des Parteiwillens zu bestimmen. Zu fragen ist also, was die Parteien hier vereinbart haben. Ich würde zwischen einem Dienstvertrag nach §§ 611 ff. BGB und einem Werkvertrag nach den §§ 631 ff. BGB differenzieren. Beim Dienstvertrag ist lediglich ein Tätigwerden geschuldet, während beim Werkvertrag ein bestimmter Erfolg herbeigeführt werden muss.
Prüfer: Da werde ich hellhörig. Überlegen Sie doch einmal, in welchem Gewerbe die Damen normalerweise tätig sind. Wäre das auch hier zu berücksichtigen, Herr Carlos?
Herr Carlos:  Es ließe sich natürlich auch über einen Prostitutionsvertrag nachdenken. Der Prostitutionsvertrag ist in Deutschland ein lediglich einseitig verpflichtender Vertrag, d.h. nur der Freier wird verpflichtet die Gegenleistung, also die Bezahlung, zu leisten, während die Erbringung der sexuellen Leistung vom freien Willen der Prostituierten abhängt.
Prüfer: Sehr richtig. Und wie wäre es in unserem Fall?
Herr Carlos: Hier stellt sich natürlich die Frage, ob es sich überhaupt um eine sexuelle Leistung handelt. Denn selbstverständlich kann eine Prosituierte auch andere Verträge schließen: Wenn ich zu einer Prosituierten gehe und von ihr verlange, dass sie mir nur für ein paar Minuten ein Ohr leiht, dann ist das mit Nichten ein Prostitutionsvertrag.
In unserem Fall ist meiner Meinung nach ein Prostitutionsvertrag abzulehnen. Das reine Kraulen an den Ohren stellt keine sexuelle Leistung dar. Es ist eine Leistung, die von der überwiegenden Mehrzahl der Bürger nicht in einem sexuellen Kontext gesehen wird. Denn auch die handelsübliche Thai-Massage fällt nicht in den Rahmen des Prostitutionsschutzgesetzes – und diese ist meines Erachtens doch intimer als ein bloßes Streicheln der Ohrläppchen.
Prüfer: In der Tat! Man merkt, Sie wissen wovon Sie reden. Kommen wir nochmal auf unsere Ausgangsfrage zurück: Werk- oder Dienstvertrag? Mr. Chow, Sie haben sich bislang noch sehr bedeckt gehalten. Lassen Sie mal die Katze aus dem Sack!
Mr. Chow: Ich will sofort mein Handtäschchen wieder!
Prüfer: Wie bitte?
Mr. Chow: Gebt mir sofort mein Handtäschchen wieder!
Prüfer: Ich ziehe ihnen gleich das Fell über die Ohren. Herr Wenneck, können Sie uns hier weiterhelfen?
Herr Wenneck: Entscheidend ist, was Frau J schuldet. Mit Blick auf einen Werkvertrag ist bereits fraglich, welcher Erfolg von J überhaupt zu erbringen wäre. Das Ohrkraulen „an sich“ ist jedenfalls kein Erfolg. Es müsste vielmehr ein hierüber hinausgehender Erfolg geschuldet sein. Zu denken wäre etwa an ein – und hier spreche ich untechnisch – „Happy End“. Ein dahingehender Parteiwille ist jedoch nicht ersichtlich. In Betracht kommt also allenfalls ein Dienstvertrag.
Prüfer: Frau Garner, stimmen Sie Ihrem Kollegen zu?
Frau Garner: Da ist der Kollege wohl noch ein bisschen grün hinter den Ohren. In einer aktuellen Entscheidung hat der BGH einen sog. „Ohrläppchenvertrag“ sui generis angenommen. Dieser Vertragstypus bildet die Schnittstelle zwischen Werk- und Dienstvertrag. Es ist in der Tat richtig,  dass eine Tätigkeit geschuldet ist. Die Hauptleistungspflicht beim „Ohrläppchenvertrag“ geht jedoch über das bloße Massieren der Lauscher hinaus. Notwendig ist nämlich, dass zumindest zeitweilig ein wohliges – vielleicht gar genüssliches – Stöhnen das Bekraulten zu vernehmen ist. Tritt dies ein, ist der Vertrag zwar nicht automatisch erfüllt. Wäre dies so, hätten wir es mit einem Werkvertrag zu tun. Auch bei Eintritt derartiger Geräusche kann es nach den Umständen des Einzelfalls sein, dass weitere Kraultätigkeiten noch zu erbringen sind. Deutlich wird: Keiner der ausdrücklich normierten Vertragstypen passt, mit der Folge, dass der Pflichtenkanon des „Ohrläppchenvertrags“ losgelöst von den Vertragstypen des BGB zu bestimmen ist.
Prüfer: A la bonne heure, Sie sind ein richtiges Schlitzohr! Jetzt, da wir den Vertragstyp bestimmt haben, stellt sich die Frage, ob Frau J den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hat oder ob der P hier das vereinbarte Entgelt mindern durfte. Herr Carlos, was sagen Sie dazu?
Herr Carlos: Zunächst muss erörtert werden, ob ordnungsgemäß erfüllt worden ist. Anschließend lässt sich gegebenenfalls darüber nachdenken, ob der „Ohrläppchenvertrag“ ein Mängelgewährleistungsrecht kennt.
Die Frage, ob hier ordnungsgemäß erfüllt wurde, würde ich verneinen: Wie Frau Garner dargelegt hat, muss das Kraulen der Ohrläppchen zu einem „wohligen Stöhnen“ des Bekraulten führen. Der P führt aber aus, dass es nicht mal zu einem „leichten, frohlockenden Zucken der Ohrläppchen“ gekommen sei. Ein Einschlafen des Leistungsempfängers genügt den Anforderungen nicht, die an den Erfolg angelegt werden. 
Prüfer: Das ist Musik in meinen Ohren! Sehr schön Herr Carlos. Also hat Frau J den Vertrag somit nicht ordnungsgemäß erfüllt. Frau Garner, gehen Sie einmal davon aus, dass wir es bei der J mit einer geübten Ohrmasseurin zu tun haben, die dem P sicherlich noch ein kleines Stöhnen hätte entlocken können. Woran könnte man in diesem Fall denken?
Frau Garner: Das entscheidende Momentum ist in dem Einschlafen des P zu sehen. Wäre P nicht eingenickt, hätte J den geschuldeten Erfolg noch herbeiführen können. An eine Mängelgewährleistung ist deshalb nur zu denken, wenn das Einschlafen des Leistungsberechtigten beim „Ohrläppchenvertrag“ der Risikosphäre der Kraulerin zugerechnet werden müsste. Beim „Ohrläppchenvertrag“ hat die Kraulerin zwar die Ohren, nicht hingegen das Einschlafen des Bekraulten in der Hand. Zudem würde eine sehr beruhigende Kraulweise, die regelmäßig notwendig ist, um ein frohlockendes Zucken herbeizuzaubern, ihre Wirkung rechtlich betrachtet ins Gegenteil verkehren. Andernfalls würde man von der Kraulerin einen Satz heiße Ohren verlangen – das wird auch vom Berkraulten nur in einzelnen Sonderfällen gewünscht sein.
Prüfer: Ihr Wort in Gottes Ohr, Frau Garner! Und in welchen Teil des allgemeinen Schuldrechts würden Sie in der Konsequenz schauen, Herr Wenneck?
Herr Wenneck: § 313 BGB scheint mir hier sehr passend. Wenn ich mich recht entsinne, hat auch der BGH hier eine analoge Anwendung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage angenommen. Die Geschäftsgrundlage – hier das Wachbleiben des Bekraulten – ist entfallen. Treffend lässt sich hier vom „Wegschlafen der Geschäftsgrundlage“ sprechen. Daher auch die analoge Anwendung.
Prüfer: Herr Wenneck, Sie haben es faustdick hinter den Ohren! Ich möchte ein Zitat des BGH anmerken. Dieser führte aus: „Wer im Geiste ruht, dessen Ohrläppchen können nicht wachen.“ Ist das nicht schön formuliert? Nun gut, ich merke, ich schweife ab. Reicht uns ein Wegschlafen der Geschäftsgrundlage bereits für eine entsprechende Anwendung des § 313 BGB, Herr Carlos?
Herr Carlos: Tut mir Leid, ich hatte gerade auf Durchzug geschaltet. 
Prüfer: Herr Carlos, Sie sollten aufmerksam bleiben, wenn ihr Kollege subsumiert. Schreiben Sie sich das hinter die Löffel! Neben dem Wegfallen – oder hier dem Wegschlafen – erfordert die Anwendung des § 313 BGB als weitere Voraussetzung…
Herr Carlos: Das Wegschlafen darf nicht in den Risikobereich einer der Parteien fallen. Dass das Wegschlafen nicht in den Risikobereich der Kraulerin fällt, haben wir bereits festgestellt – da war ich noch am Ball. Wir müssen nun noch klären, ob ein Wegnicken in den Risikobereich des Bekraulten fällt. Die Umstände des Falles können hier dafür sprechen: P und D hatten einige „Sandwiches“ gemampft – eine Tatsache, die, wie jedem bekannt sein dürfte, schnell zu großer Müdigkeit führen kann.
Prüfer: Das ist doch an den Ohren herbeigezogen. Frau Garner, klären Sie uns auf!
Frau Garner: Abzustellen ist auf den jeweiligen Verkehrsteilnehmerkreis: Es ist gerade nicht atypisch, dass vor und während des „Ohrläppchenkraulens“ auch „gedübelt“ wird. Für die Annahme, dass die hiermit verbundene Gefahr des Wegnickens in den Risikobereich einer der Vertragsparteien fallen soll, bedarf es deshalb besonderer Anhaltspunkte. Zu denken ist etwa an die Einnahme von Schlaftabletten, ein besonders langweiliges Kraulprogramm oder eine äußerst einschläfernde Hintergrundmusik, wie man sie von zweitklassigen Thaimassagestudios kennt. All das haben wir hier jedoch nicht. Vor diesem Hintergrund kommen wir zu dem Ergebnis, dass das Wegschlafen des P nicht in dessen vertragliche Risikosphäre fällt. Die Voraussetzungen des § 313 BGB analog liegen vor.
Prüfer:  Sehr schön, Frau Garner. Herr Carlos, machen Sie den Sack zu.
Herr Carlos: Ein Wegschlafen der Geschäftsgrundlage führt in analoger Anwendung des § 313 BGB zu einer Anpassung des Vertrags oder – soweit dies nicht möglich ist – zu einem Rücktrittsrecht des Bekraulten. Hier vergingen acht Minuten bis zum Wegschlafen, die Vergütung ist dementsprechend zu mindern. Der Bekraulte hat somit einen Rückzahlungsanspruch gegen die Kraulerin.
Prüfer: In der Tat! Kommt denn eine Aufrechnung mit dem Schadensersatzanspruch der Kraulerin J in Betracht? Herr Wenneck, lassen Sie uns an Ihren Gedanken teilhaben.
Herr Wenneck: Also um einen Schadensersatzanspruch zu begründen, bedarf es einer Pflichtverletzung des Bekraulten. Es ist doch gerade Gegenstand des Vertrages, sich die Ohren massieren zu lassen, mehr hat der P nicht getan – wie denn auch? „Keine Arme, keine Schokolade.“ Eine Pflichtverletzung haben wir somit nicht. Im Ergebnis kann somit auch keine Aufrechnung erfolgen.
Prüfer:  Sehr ohrdentlich, Herr Wenneck. Das soll uns für die Zivilrechtsprüfung genügen. Wenn Sie mehr zu diesem Ohrbiter Dictum des XIII. Senats lesen möchten, sollten Sie die Entscheidung unbedingt bei Gelegenheit nachlesen.

01.04.2019/8 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2019-04-01 09:30:252019-04-01 09:30:25Simulation mündliche Prüfung: Privatier P hält die Ohren steif – Zur analogen Anwendung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage
Dr. Melanie Jänsch

Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB – Ein Grundlagenbeitrag

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Als eine vom Grundsatz pacta sunt servanda abweichende Regelung betrifft die Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB den Fall, dass Umstände von vornherein fehlen oder nachträglich wegfallen, die für eine Vertragspartei so wesentlich sind, dass der Vertrag geändert oder aufgehoben werden muss, weil ein Festhalten am unveränderten Vertrag sich als unzumutbar darstellen würde. Dabei sind gerade Umstände maßgeblich, die die Vertragsgrundlage darstellen – die aber nicht Vertragsinhalt geworden sind. Aber welche konkreten Situationen sind hiermit gemeint? Dass die Norm den Rechtsanwender vor Probleme stellt, liegt schon im Wortlaut begründet, der „sowohl auf Tatbestands- wie auch Rechtsfolgenseite eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe oder wertungsbedürftiger Gesichtspunkte“ (so MüKoBGB/Finkenauer, 7. Aufl. 2016, § 313 Rn. 7) aufweist. Der vorliegende Beitrag soll die Grundzüge der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB darstellen und typische Fallkonstellationen aufzeigen, um die Norm besser handhabbar zu machen.
 
A. Anwendbarkeit
§ 313 BGB erstreckt sich auf alle schuldrechtlichen Verträge (Palandt/Grüneberg, 77. Aufl. 2018, § 313 Rn. 7). Dabei kommt die Norm erst dann in Betracht, wenn keine spezielleren Regelungen vorliegen. Solche können sich ergeben aus

  • vertraglichen Vereinbarungen (die auch im Wege der Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB offenbar werden können); es ist hier insbesondere zu prüfen, ob ein Rücktritt oder eine auflösende Bedingung gemäß § 158 II BGB vereinbart wurde.
  • gesetzlichen Sonderregelungen, z. B. § 490 BGB oder §§ 530, 531 BGB, ebenso Rücktritts- und Kündigungsvorschriften sowie die Vorschriften über die Mängelhaftung (§§ 434 ff. BGB). § 313 BGB wird auch durch die Vorschriften der Unmöglichkeit verdrängt, denn Unmöglichkeit gemäß § 275 BGB führt automatisch zum Ausschluss der Leistungspflicht, sodass für eine Vertragsanpassung kein Raum mehr bleibt (zur Abgrenzung zur praktischen Unmöglichkeit i.S.v. § 275 II BGB s. u.). Auch vorrangig sind die Regeln der Anfechtung wegen Irrtums gemäß §§ 119 f. BGB.

 
Anmerkung: Sofern es sich um einen beiderseitigen Motivirrtum handelt, der ohnehin nicht zur Anfechtung nach §§ 119 f. BGB berechtigt, ist der Anwendungsbereich des § 313 BGB eröffnet. Umstritten ist, wie der Fall eines beiderseitigen Irrtums zu behandeln ist, der zur Anfechtung berechtigt. Da es dann vom Zufall abhinge, wer anficht und dem Vertragspartner die Ersatzpflicht nach § 122 BGB aufbürdet, wird teilweise dafür plädiert, auch hier auf § 313 BGB zurückzugreifen (zum Streitstand s. etwa MüKoBGB/Finkenauer, 7. Aufl. 2016, § 313 Rn. 146 ff.).
 
B. Voraussetzungen
I. Reales Element
Zunächst ist erforderlich, dass es sich um die Geschäftsgrundlage handelt, mithin um einen Umstand, dessen (Fort-)Bestand von jedenfalls einer Vertragspartei vorausgesetzt wurde – der zwar nicht Vertragsinhalt geworden ist, aber der nach der Intention zumindest einer Partei erforderlich ist, um den Vertrag als sinnvolle Regelung aufrechtzuerhalten (Palandt/Grüneberg, 77. Aufl. 2018, § 313 Rn. 4). Dies muss für den Vertragspartner auch erkennbar gewesen sein; einseitige Motive genügen nicht. Zur Bestimmung des Begriffs der Geschäftsgrundlage greift die Rechtsprechung auf subjektive Kriterien zurück (s. etwa BGH v. 5.1.1995 – IX ZR 85/94, DNotZ 1995, 399, 401); möglich ist es aber auch, eine Bestimmung anhand objektiver Faktoren vorzunehmen, wenn die Parteien keine konkreten Vorstellungen hatten (hierzu s. Palandt/Grüneberg, 77. Aufl. 2018, § 313 Rn. 4).
 
II. Wegfall oder Fehlen dieses Umstandes
Dieser Umstand muss entweder nachträglich weggefallen sein bzw. sich schwerwiegend verändert haben (§ 313 I BGB) oder von vornherein fehlen (§ 313 II BGB).
 
Anmerkung: Die Störung der Geschäftsgrundlage kann entweder aus Faktoren resultieren, die lediglich für den konkreten Vertrag Bedeutung haben (kleine Geschäftsgrundlage), oder aber auf grundlegenden Veränderungen der politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Rahmenbedingungen beruhen (große Geschäftsgrundlage) (Palandt/Grüneberg, 77. Aufl. 2018, § 313 Rn. 5).
 
III. Hypothetisches Element
Weiterhin muss der Umstand, der von der Vertragspartei vorausgesetzt wurde, so wesentlich sein, dass sie ohne ihn den Vertrag nicht bzw. zu anderen Konditionen abgeschlossen hätte. Hier muss also die Frage gestellt werden, ob die Partei den Vertrag ggf. mit anderem Inhalt abgeschlossen hätte, wenn sie die wesentliche Veränderung des Umstands vorhergesehen hätte.
 
IV. Normatives Element
Schließlich ist zu prüfen, ob der Partei das Festhalten am unveränderten Vertrag zugemutet werden kann. Hierbei handelt es sich um eine normative Wertungsentscheidung, die eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls erfordert. Wie § 313 I BGB vorgibt, fließen hierbei insbesondere vertragliche oder gesetzliche Risikoverteilungen ein. Unzumutbarkeit ist folglich nicht gegeben, wenn es sich um einen Umstand handelt, der dem Risikobereich der Vertragspartei zuzuordnen ist.
 
Beispiel:  Ein Bürge kann sich nicht vom Bürgschaftsvertrag über § 313 I BGB lösen, wenn er nachträglich erfährt, dass der Hauptschuldner zahlungsunfähig ist – das gehört ja gerade zum Risiko des Bürgschaftsvertrags.
 
C. Typische Fallkonstellationen
Da, wie eingangs erwähnt, die Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe die Handhabung des Instituts erschwert, haben sich verschiedene – nicht abschließende – Fallgruppen herausgebildet, in denen § 313 BGB als einschlägig erachtet wird:

  • Äquivalenzstörung: Hierbei führt die nachträgliche Veränderung dazu, dass das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung erheblich und unvorhersehbar gestört wird, was dem allgemeinen Gedanken der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung widerspricht, z.B. im Falle einer Inflation.
  • Wirtschaftliche Unmöglichkeit: Hierunter fallen nachträgliche Erschwerungen des Schuldners aufgrund unerwartet hoher Kosten, die zu einem unzumutbar hohen Aufwand für ihn führen, zur Abgrenzung zu § 275 II BGB s.u.
  • Zweckstörung: Eine solche ist gegeben, wenn die Herbeiführung des Leistungserfolgs zwar noch möglich ist, der Gläubiger aber aufgrund erheblich veränderter Bedingungen kein Interesse mehr an der Leistung hat. Zu beachten ist, dass grundsätzlich den Gläubiger das Risiko der Verwendung der Leistung trifft; demnach kann eine relevante Zweckstörung nur vorliegen, wenn der Vertragspartner sich den Verwendungszweck ebenfalls so zu Eigen gemacht hat, dass das Verlangen nach Vertragserfüllung Treu und Glauben widerspräche (s. etwa Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 533).
  • Beiderseitiger Motivirrtum, der nicht zur Anfechtung berechtigt; nach e.A. ebenso beiderseitige Irrtümer, die zur Anfechtung berechtigen (str.), s.o.
  • Unbenannte Zuwendungen: Hierbei geht es um die Erbringung nicht äquivalenter Leistungen im Rahmen eines Kooperationsvertrags sui generis zur Verwirklichung oder Aufrechterhaltung von Lebensgemeinschaften, z.B. Schenkungen zwischen Ehegatten, weil von der dauerhaften Stabilität der Beziehung ausgegangen wird (str.). Auch hier ist der Anwendungsbereich sehr begrenzt: Die Zuwendungen müssen „die Grenze überschreiten, jenseits derer sie nicht mehr als Ausgleich für geleistete Mitarbeit oder als angemessene Beteiligung an den Früchten des ehelichen oder gemeinschaftlichen Zusammenwirkens und Wirtschaftens angesehen werden können“ (MüKoBGB/Finkenauer, 7. Aufl. 2016, § 313 Rn. 287).

 
D. Abgrenzungsprobleme
I. Praktische (auch: faktische) Unmöglichkeit gemäß § 275 II BGB
Insbesondere problematisch erscheint die Abgrenzung der praktischen Unmöglichkeit gemäß § 275 II BGB zur wirtschaftlichen Unmöglichkeit, die über § 313 BGB gelöst wird. Bei der praktischen Unmöglichkeit i.S.v. § 275 II BGB handelt es sich um „Leistungshindernisse, die nur mit völlig unverhältnismäßigem Aufwand überwunden werden können“ (Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 474) – oftmals erläutert anhand des verkauften Ringes, der bei der Übergabe ins Meer fällt. Theoretisch ist es zwar möglich, diesen wieder vom Meeresgrund zu holen; gleichwohl steht hier der für die Leistung erforderliche Aufwand in einem groben Missverhältnis zum Gläubigerinteresse. Der Unterschied zur wirtschaftlichen Unmöglichkeit besteht darin, dass i.R.v. § 275 II BGB ausschließlich das Interesse des Gläubigers am Erhalt der Leistung maßgeblich ist, während i.R.v. § 313 BGB auf den Aufwand des Schuldners, der in einem Missverhältnis zur Gegenleistung steht, abgestellt wird (BT-Drucks. 14/6040, S. 130). Das heißt: Praktische Unmöglichkeit liegt vor, wenn „die Behebung des Leistungshindernisses zwar theoretisch möglich wäre, aber von keinem vernünftigen Gläubiger ernsthaft erwartet“ werden kann. Wirtschaftliche Unmöglichkeit liegt vor, wenn der Aufwand des Schuldners die Opfergrenze überschreitet, sodass er nach Treu und Glauben nicht mehr zur Erbringung der Leistung verpflichtet ist (Canaris, JZ 2001, 499, 501).
 
II. Zweckverfehlungskondiktion gemäß § 812 I 2 Alt. 2 BGB
Auch die Abgrenzung zur condictio ob rem erscheint auf den ersten Blick schwierig. Im Rahmen des § 313 BGB wird aber ein Umstand vorausgesetzt, wohingegen der verfehlte Zweck im Rahmen von § 812 I 2 Alt. 2 BGB ein vereinbarter ist. Bei der Zweckverfehlungskondiktion ist also eine Zweckabrede erforderlich, die allerdings auch konkludent zustande kommen kann (MüKoBGB/Finkenauer, 7. Aufl. 2016, § 313 Rn. 179).
 
E. Rechtsfolge
Wenn die Voraussetzungen des § 313 BGB vorliegen, kann primär die Anpassung des Vertrags verlangt werden. Ist dies nicht möglich oder der anderen Partei nicht zumutbar, kann die benachteiligte Vertragspartei gemäß § 313 III BGB zurücktreten oder – bei Dauerschuldverhältnissen – kündigen.
 
F. Fazit
Mag die Norm aufgrund der Vielzahl unbestimmter Begriffe den Rechtsanwender vor Probleme stellen, so sollte insbesondere im Hinterkopf behalten werden, dass sie nur in evidenten Sonderkonstellationen einschlägig ist; da ein von einer Vertragspartei vorausgesetzter Umstand oftmals dem Risikobereich ebendieser Partei zuzuordnen ist, wird ein Festhalten am unveränderten Vertrag regelmäßig zumutbar erscheinen – der Grundsatz ist eben pacta sunt servanda.
 
 

08.10.2018/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2018-10-08 09:30:232018-10-08 09:30:23Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB – Ein Grundlagenbeitrag

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