Nahezu jeder Jurastudent kennt wahrscheinlich die bekannten Irrtumskonstellationen im Strafrecht:
- Ein Schütze schießt auf einen Menschen und verletzt ihn tödlich, den er in der Dunkelheit für ein Tier gehalten hat (Folge: Kein Vorsatz bezogen auf § 211 StGB, da Irrtum – § 16 Abs. 1 StGB – über das Tatobjekt Mensch; mglw. aber Strafbarkeit nach § 222 StGB – sog. beachtlicher error in persona vel objecto)
- Ein Schütze schießt mit Tötungsvorsatz auf den Briefträger A und verletzt ihn tödlich, tatsächlich wollte er aber den Nachbarn B erschießen. In der Dunkelheit hielt er den A für B (Folge: Vorsatz bezogen auf § 211 StGB liegt vor, da kein Irrtum hinsichtlich des Tatobjekts; sog. unbeachtlicher error in persona vel objecto; Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Tötung des A; keine versuchte Tötung des B)
- Ein Schütze schießt mit Tötungsvorsatz auf den (zutreffend identifizierten) Nachbarn B. Da er aber im Schießen ungeübt ist, trifft er den wenige Meter entfernt stehenden A und verletzt ihn tödlich. (Folge: Vorsatz bezogen auf § 211 StGB hinsichtlich des A liegt nicht vor, da Vorsatz allein auf eine Person beschränkt und diese auch anvisiert wurde. Allein § 222 StGB bezogen auf A. Ergänzend versuchte Tötung des B – Fall des sog. aberratio ictus)
Auch im Verwaltungsrecht können vergleichbare Konstellationen relevant werden, wie ein aktueller Fall des VG Berlin (VG 1 L 251.13) deutlich macht:
Der Antragsteller hatte bei der Jagd im August 2012 ein Islandpony mit einem Wildschwein verwechselt und das Pony getötet. Daraufhin widerrief die Waffenbehörde seine waffen- und munitionsrechtliche Erlaubnis (vgl. die Voraussetzungen in § 5 WaffG)
Hiergegen erhob der Schütze Klage. Das Gericht stellte aber fest:
Es fehle an der Zuverlässigkeit des Antragstellers, da Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass er Waffen oder Munition auch künftig missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werde. Denn es gehöre zu den elementaren Verhaltensregeln des Gebrauchs von Schusswaffen bei der Jagd, dass der Jäger einen Schuss auf Wild nur dann abgeben dürfe, wenn er sich über das Tier, das er beschieße, vergewissert habe. Der Jäger müsse daher das Tier vor Schussabgabe jedenfalls nach seiner Art, eventuell auch nach Alter, Geschlecht und Körperzustand bestimmen. Jede noch so geringe Unsicherheit und Unwägbarkeit verbiete den Schuss.
Die Waffen- und Munitionserlaubnis durfte aufgrund des Irrtums folglich zurecht entzogen werden. Hier zeigen sich deutlich die Wertungen dieses Sonderordnungsrechts. Es sind durchaus Fälle denkbar, in denen ein (möglicherweise strafbares) fahrlässiges Handeln nach dem StGB nicht vorliegt und dennoch ein Entzug der waffenrechtlichen Erlaubnis in Betracht kommt. Dies zeigt die strikte Ausrichtung des Waffenrechts. Bereits kleinere Verfehlungen können zur Ablehnung der Zuverlässigkeit (vgl. § 5 WaffG) führen. Dies ist im Ergebnis auch richtig so. Die strafrechtliche Sanktion ist deutlich strenger als der bloße Entzug der Waffenbesitzkarte. Das Waffenrecht enthält gerade besondere Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um mit einer Waffe umgehen zu dürfen. § 5 WaffG normiert hier gerade besondere Vorgaben, die über die Verurteilung wegen einer Straftat (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG; § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG) weit hinausgehen. Auch eine Person, die strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist, kann folglich unzuverlässig sein. Insofern ist es auch nur konsequent, die Voraussetzungen des Zuverlässigkeit nicht an die Fahrlässigkeitsvoraussetzungen des StGB zu knüpfen.
- Siehe zum Entzug der Waffenbesitzkarte auch unseren Beitrag zum Entzug wegen einer Mitgliedschaft in der NPD