Schon allein aufgrund der Vielzahl an Gerichtsentscheidungen zu dieser Frage liegt die Examensrelevanz von Ansprüchen gegen den Hersteller im Rahmen des Abgasskandals auf der Hand. Nachdem am 12.06.2019 (Az.: 5 U 1318/18) das OLG Koblenz als erstes OLG einen Anspruch gegen den Hersteller wegen vorsätzlicher, sittenwidriger Schädigung bejahte, zog nun das OLG Hamm nach (Urt. v. 10.09.2019, Az.: 13 U 149/18). Neu an dieser Entscheidung ist, dass der Kauf erst erfolgte, nachdem der Abgasskandal bereits aufgedeckt und darüber in den Medien berichtet wurde. Dies hinderte das OLG Hamm jedoch nicht daran, eine vorsätzliche, sittenwidrige Schädigung anzunehmen.
I. § 826 BGB gegen der Hersteller
Das OLG Hamm schloss sich der Rechtsansicht des OLG Koblenz an und wertete das vorsätzliche und systematische Verschweigen der Abschalteinrichtung im sogenannten Abgasskandal als vorsätzliche, sittenwidrige Schädigung. Hierzu wird auf unseren Beitrag zum Urteil des OLG Koblenz verwiesen (hier).
II. Täuschung trotz vorheriger Berichterstattung über Abgasskandal
Naturgemäß scheidet die für einen Anspruch aus § 826 BGB erforderliche Täuschung aus, wenn der Anspruchsteller Kenntnis von den Umständen hatte. Dann wäre bei ihm kein Irrtum erzeugt worden. Daher wies die Vorinstanz (LG Bochum, Urt. V. 27.06.2018, Az.: I-2 O 85/18) die Klage noch ab, da der Kaufvertrag erst geschlossen wurde, nachdem der Abgasskandal bekannt geworden war. Aufgrund der umfassenden Berichterstattung seien die Umstände des Vorgehens der Volkswagen AG im Rahmen des Abgasskandals allgemein bekannt gewesen. Dies hätte niemanden, der sich im Jahr 2016 für den Erwerb eines VW-Diesels interessiert habe, verborgen bleiben können.
Dem schloss sich das OLG Hamm nicht an. Die Klägerin habe glaubhaft dargelegt, dass sie keine Kenntnis davon hatte, dass der von ihr erworbene Wagen ebenfalls von dem Abgasskandal betroffen ist. Richtigerweise differenziert hier das OLG Hamm: Die Kenntnis vom Abgasskandal im Allgemeinen bedeutet nicht zwingend auch Kenntnis darüber, dass der konkret gekaufte Wagen vom Abgasskandal betroffen ist. Die Käuferin durfte also davon ausgehen, dass ihr VW-Diesel entsprechend dem Verwendungszweck uneingeschränkt zulässig sei. Darüber aber wurde sie getäuscht. Denn aufgrund der unzulässigen Abschalteinrichtung drohte die Entziehung der Typengenehmigung und damit die Betriebsstillegung.
III. Schadensersatz: Auch Befreiung von Verbindlichkeiten aus Darlehensvertrag
Als Schaden erachtete das OLG Hamm die Belastung mit einer ungewollten Verbindlichkeit aus dem Kaufvertrag. Der Klägerin wurde Schadensersatz in Form der Kaufpreisrückzahlung Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Wagens zugesprochen. Da die Käuferin zur Finanzierung des Erwerbs eine Darlehensverbindlichkeit eingegangen war, sind auch die bisher aufgewendeten sowie noch ausstehenden Darlehenszinsen als Schadensposten auszugleichen. Davon abzuziehen ist eine Nutzungsentschädigung für die bisherige Nutzung des Wagens.
IV. Ausblick
Schadensersatzansprüche wegen des Abgasskandals gegen den Hersteller nach § 826 BGB bleiben aufgrund der in jüngster Vergangenheit ergangenen Urteile äußerst Prüfungsrelevant. Da das OLG Hamm zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Revision zum BGH zugelassen hat, bleibt diese Problematik weiterhin spannend.
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