Das VG Neustadt hat in einer aktuellen Entscheidung (5 K 1163/11.NW) klargestellt, dass ein „NPD-Trauermarsch“ am Volkstrauertag gegen das Landesfeiertagsgesetz verstößt.
Sachverhalt
Der NPD-Kreisverband K beabsichtigt, am Volkstrauertag (2 Sonntage vor dem ersten Adventssonntag) eine sechstündige Veranstaltung zum Gedenken an die Gefallenen der Weltkriege abzuhalten. Es sind mehrere Kundgebungen sowie ein Marsch zum Denkmal des „Deutschen Befreiungskrieges“ 1870/71 geplant. Neben Fahnen und Bannern sollen auch eine transportable Lautsprecheranlage, ein Handmegafon sowie ein Lautsprecherfahrzeug zum Einsatz kommen.
Die zuständige Behörde untersagte die Veranstaltung mit der Begründung, dass diese gegen das Landesfeiertagsgesetz verstoße. K fühlt sich in seinem Recht auf Versammlungsfreiheit verletzt. Das Landesfeiertagsgesetz müsse hinter dem Versammlungsgesetz zurücktreten. Immerhin betreffe die Veranstaltung gerade das Gedenken an gefallene Soldaten und sei „ganz im Sinne“ des Volkstrauertags. Es handele sich nicht um eine Tanzveranstaltung.
Versammlungsrecht durch Landesfeiertagsgesetz beschränkbar
Das Gericht ist nicht der Auffassung, dass das Versammlungsrecht in jedem Fall dem Landesfeiertagsgesetz vorgehe. Stattdessen stellt es Versammlungsfreiheit und den Schutz der Sonntags- und Feiertagsruhe in einen Zusammenhang.
Das Landesfeiertagsgesetz konkretisiere den Schutz der Sonntags- und Feiertagsruhe und beschränke das Recht auf Versammlungen unter freiem Himmel an bestimmten Feiertagen. Am Volkstrauertag seien ab 4.00 Uhr generell öffentliche Versammlungen und Aufzüge verboten, soweit sie nicht der Religionsausübung dienten oder dem Charakter des Feiertags entsprächen. Der beklagte Landkreis habe zu Recht angenommen, dass die von der NPD geplante Versammlung, bei der ein nicht erforderlicher Akustikverstärker hätte verwendet und Flugblätter über die so genannte Rheinwiesenlagerkampagne hätten verteilt werden sollen, dem Charakter des Volkstrauertages als Tag des stillen Gedenkens an die Opfer der beiden Weltkriege und des Nationalsozialismus widersprochen habe (Pressemitteilung 32/12).
Konkrete Ausgestaltung der Versammlung maßgeblich
Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, die bei solchen Entscheidungen immer zum Tragen kommen müssen, verweist das Gericht auf die konkrete Ausgestaltung der Versammlung. Maßgeblich ist, ob die Versammlung im konkreten Fall dem – gesetzlich geschützten – Charakter des Volkstrauertags entgegensteht. Dabei müssen nach Ansichts des Gerichts nicht nur versammlungsspezifische Umstände (z.B. die Lautsprecheranlage) berücksichtigt werden, sondern auch die äußeren Umstände, die eine solche Versammlung von Rechtsextremen typischerweise mit sich bringt.
Die konkret geplante Ausgestaltung der Versammlung als Trauermarsch sei in hohem Maße geeignet gewesen, den durch das Landesfeiertagsgesetz geschützten Charakter des Volkstrauertags zu stören; das Verbot sei daher wegen einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit gerechtfertigt gewesen. Hinzu komme, dass bei Durchführung des Trauermarsches mit einem größeren Aufgebot an Polizeikräften im näheren Umfeld des Aufzugs hätte gerechnet werden müssen, so dass auch deshalb eine empfindliche Störung der Feiertagsruhe zu befürchten gewesen sei (Pressemitteilung 32/12).
Fazit
Das Versammlungsrecht ist ein Klassiker im Examen, v. a. im Zusammenhang mit dem Aufmarsch extremer Gruppen (vgl. auch diesen Beitrag mit weiteren Nachweisen).
Bei dem zuletzt verlinkten Beitrag vom 30.01.2012 ging es übrigens um einen NPD-Aufmarsch am „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ (nicht, wie hier, am „Volkstrauertag“), der am 27.01 eines jeden Jahres begangen wird. Diese beiden Feiertage sind also nicht gleichbedeutend! Bei der Entscheidung des OVG Koblenz wurde insbesondere mit der erheblichen Provokationswirkung der Veranstaltung hinsichtlich des Sinn und Zwecks des Feiertags argumentiert (nachzulesen unter Beschl. v. 27.01.2012, Az. 7 B 10102/12.OVG im Volltext).