In einer jetzt unter www.bundesgerichtshof.de im Volltext veröffentlichten Entscheidung (11.10.2011 – VI ZR 46/10) hat sich der BGH zu Haftungsklauseln in gewerblichen Mietwagen-AGB geäußert.
1. Sachverhalt
In dem Fall hatte ein Arbeitgeber für seinen Arbeitnehmer einen Dienstwagen gemietet. Der Arbeitnehmer hatte den Dienstwagen grob fahrlässig (betrunken) beschädigt. Der Vermieter begehrte Schadensersatz. In den streitgegenständlichen AGB war eine Haftungsfreistellung nach Art einer Vollkaskoversicherung mit Selbstbeteiligung vereinbart worden. Diese sollte jedoch ausnahmslos dann nicht eingreifen, wenn der Schaden durch grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz verursacht würde. Das Berufungsgericht hielt die Klausel für unwirksam und wies die Klage – bis auf den Selbstbehalt – ab.
2. Entscheidung
Auch der VI. Senat sieht in der Klausel einen Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, weil die Regelung mit dem Grundgedanken des § 81 Abs. 2 VVG (seit 2008 in Kraft) unvereinbar sei. Nach dieser Vorschrift ist der Versicherer im Fall grober Fahrlässigkeit lediglich berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Dadurch sollte das früher geltende „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ abgeschafft werden. An die Stelle der unwirksamen Klausel tritt nach Ansicht des BGH gemäß § 306 Abs. 2 BGB eine Regelung entsprechend der des § 81 Abs. 2 VVG.Im Ergebnis haftet der Beklagte also nach dem Grad des Verschuldens trotz der Unwirksamkeit der Klausel und entgegen der vertraglich vereinbarten Haftungsfreistellung.
3. Bewertung
Den die Rechtsfolgen betreffenden Teil der Entscheidung kann man kritisieren: Denn § 81 Abs. 2 VVG setzt einen Versicherungsvertrag i.S.d. VVG voraus. Er kann also unmittelbar keine Anwendung finden, weil der Mietwagenvertrag kein solcher Vertrag ist. Einer entsprechenden Anwendung des § 81 Abs. 2 VVG ist entgegenzuhalten, dass dies zumindest wirtschaftlich einer richterlichen Vertragshilfe in Form einer geltungserhaltenden Reduktion gleichkommt, die sonst bei § 306 Abs. 2 BGB allgemein abgelehnt wird (gegen diesen Einwand Rn. 19 f. der Entscheidung). Ersichtlich ist der BGH bemüht, die Rechtsfolgen für die Mietwagenbranche erträglich zu gestalten. Dem kann man aber entgegenhalten, dass die Mietwagenbranche selber Schuld ist, wenn sie ihre AGB bis zur Grenze des Zulässigen und darüber hinaus ausgestaltet. Wer hoch pokert, kann eben auch hoch verlieren.
4. Examensrelevanz
Die Entscheidung ist für die amtliche Sammlung vorgesehen und ist schon deshalb von erhöhter Examensrelevanz. Daneben weist sie Bezüge zum Deliktsrecht auf (hier nicht erörtert) und sie kann dazu dienen, Grundlagenwissen im VVG sowie im AGB-Recht abzufragen. Mein Tipp: Lesenswert!
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