Der BGH hat am heutigen Tag (21.12.2011) ein Urteil (VIII ZR 70/08) mit sehr hoher Examensrelevanz gesprochen. Es geht hierbei darum, wie weit der Nacherfüllungsanspruch bei Lieferung einer mangelhaften Sache reicht, das heißt insbesondere darum, ob Aus- und Einbaukosten hiervon erfasst sind.
Das Urteil folgt auf eine Vorlage des BGH an den EuGH und dem entsprechenden wegweisenden Urteil des EuGH v. 16.06.2011 (C-65/09 und C-87/09). Siehe hierzu bereits den ausführlichen Artikel von Nicolas. Inhaltlich bietet das Urteil aus diesem Grund dann auch wenig Neues, sondern widerholt nur das Ergebnis des EuGH.
Im Zentrum steht folgender Abschnitt aus der Pressemitteilung:
„Nunmehr hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB* richtlinienkonform dahin auszulegen ist, dass die dort genannte Nacherfüllungsvariante „Lieferung einer mangelfreien Sache“ auch den Ausbau und den Abtransport der mangelhaften Kaufsache erfasst. Das dem Verkäufer in § 439 Abs. 3 Satz 3 BGB* eingeräumte Recht, die Nacherfüllung wegen (absolut) unverhältnismäßiger Kosten zu verweigern, ist beim Verbrauchsgüterkauf (§ 474 Abs. 1 Satz 1 BGB) im Wege der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung dahingehend einzuschränken, dass ein Verweigerungsrecht des Verkäufers nicht besteht, wenn nur eine Art der Nacherfüllung möglich ist oder der Verkäufer die andere Art der Nacherfüllung zu Recht verweigert. In diesen Fällen beschränkt sich das Recht des Verkäufers, die Nacherfüllung in Gestalt der Ersatzlieferung wegen unverhältnismäßiger Kosten zu verweigern, auf das Recht, den Käufer bezüglich des Ausbaus der mangelhaften Kaufsache und des Einbaus der als Ersatz gelieferten Kaufsache auf die Kostenerstattung in Höhe eines angemessenen Betrages zu verweisen. Bei der Bemessung dieses Betrags sind der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand und die Bedeutung des Mangels zu berücksichtigen. Die Beschränkung auf eine Kostenbeteiligung des Verkäufers darf allerdings nicht dazu führen, dass das Recht des Käufers auf Erstattung der Aus- und Einbaukosten ausgehöhlt wird.“
Dennoch ist die Rechtsprechung aus zwei Gründen bedeutsam:
Zum einen wird aufgezeigt, wie das Urteil des EuGH in das BGB einwirkt: Der BGH nimmt hier eine richtlinienkonforme Auslegung des § 439 Abs. 1 Var. 2 BGB vor. Zudem ist § 439 Abs. 3 S. 3 BGB richlinienkonform fortzubilden.
Zum anderen – und das ist das eigentlich Interessante an der Pressemitteilung – scheint der BGH nur über die Kosten des Ausbaus und des Abtransports, nicht aber über die Kosten des Einbaus entschieden zu haben. Gerade letzteres war das eigentlich Bedeutsame an der Entscheidung des EuGH. Zu mutmaßen, ob darüber tatsächlich nicht entschieden wurde, oder ob lediglich die Pressemitteilung fehlerhaft war, würde Kaffeesatzleserei gleichen. Hierzu muss die Veröffentlichung des Urteils abgewartet werden.
Dessen ungeachtet, kann dem Studenten in der Klausursituation nur geraten werden, der Rechtsprechung des EuGH vollumfänglich zu folgen, selbst wenn der BGH hierüber nicht entschieden haben sollte. Demnach wäre dann § 439 Abs. 1 Var. 2 BGB so weit richtlinienkonform auszulegen, dass bei der Nachlieferung sowohl die Ausbaukosten der mangelhaften Sache als auch die Einbaukosten der nachgelieferten Sache vom Verkäufer zu tragen sind. Die Rechtsprechung des EuGH war insofern eindeutig.