Der BGh hat mit Urteil vom 9.5.2012 (VIII ZR 238/11) die Frage entschieden, ob die Kündigung von Wohnraum durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts auch denn zulässig ist, wenn nicht sie selbst, sondern eine „nahestehende“ juristische Person Bedarf an der Nutzung der Räumlichkeiten hat.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde:
„In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall beansprucht der Kläger, der als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierte Evangelische Kirchenkreis Düsseldorf, als Vermieter die Räumung einer von dem Beklagten innegehaltenen Mietwohnung in einem Mehrfamilienhaus. Das Mietverhältnis wurde dem Beklagten mit Schreiben vom 23.01.2009 gekündigt. Die Kündigung wurde darauf gestützt, dass das gesamte Anwesen, einschließlich der vom Beklagten genutzten Wohnung, für die Unterbringung der von der Diakonie Düsseldorf e.V. betriebenen Beratungsstelle für Erziehungs-, Ehe-, und Lebensfragen benötigt werde.“
Die Lösung dieses Falls stellt sich nach Ansicht des BGH wie folgt dar:
Eine Anwendung von § 573 Abs. 2 BGB ist nicht möglich, liegt doch keiner der dort aufgeführten Fälle vor. Die Kündigung kann sich damit allenfalls auf einen sachlichen Grund nach § 573 Abs. 1 BGB stützen. Ein solches „berechtigtes Interesse“ an einer Kündigung liegt dann vor, wenn „ein Kündigungsgrund von „gleichem Gewicht“ wie die in Abs 2 aufgezählten gegeben ist “ (BeckOK, § 573, Rn. 103). Dies liegt insbesondere dann vor, wenn die Wohnung für einen anderen benötigt wird, schließlich kann sich eine juristische Person nicht auf den Wohnbedarf aus § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB berufen, sodass hierfür parallel die Generalklausel des § 573 Abs. 1 BGB anzuwenden ist. Problematisch ist im konkreten Fall, dass hier nicht der Kirchenkreis, sondern nur die Diakonie Bedarf an der Nutzung der Räumlichkeiten hat. Diese ist aber – unstrittig – im Verhältnis zum Kirchenkreis eine selbständige juristische Person.
Dennoch hat der BGH hier die Zulässigkeit der Kündigung unter strengen Voraussetzungen bejaht. Dazu wird dargelegt:
Der BGH hat entscheidend darauf abgestellt, dass die Kündigung des Mietverhältnisses nicht nur der Verwirklichung fremder Interessen, sondern auch der Durchsetzung eigener Interessen des Klägers dient. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts erfülle die Diakonie Düsseldorf e.V., die ebenso wie der Kläger zum Gesamtkomplex der Evangelischen Kirche im Rheinland gehöre, für die Düsseldorfer Kirchengemeinden diakonische Aufgaben, unter anderem durch die Unterhaltung von Beratungsstellen. Es handele sich daher bei ihr um eine dem Kläger „nahestehende“ juristische Person, deren Tätigkeit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben auch des Klägers diene. Dieser Umstand begründe ein eigenes berechtigtes Interesse des Klägers an der Beendigung des Mietverhältnisses über die von dem Beklagten innegehaltene Wohnung.
Ein berechtigtes Interesse liegt also bereits dann vor, wenn eine nahestehende juristische Person die Räumlichkeiten nutzen will. Dieses Erfordernis liegt dann vor, wenn für die juristische Person des öffentlichen Rechts Aufgaben aus deren Aufgabenbereich erfüllt werden.
Fazit: Ein Urteil aus dem Mietrecht, von dem man zumindest in der Examensvorbereitung gehört haben sollte. Zusätzlich hierzu sollten zwei weitere aktuelle Urteile aus diesem Spektrum bekannt sein, die auch bereits im Examen gepüft wurden: Die Kündigung wegen Eigenbedarfs einer BGB-Gesellschaft sowie die Kündigung wegen Eigenbedarfs einer GmbH und Co KG. Hier sollten die Unterschiede zwischen den einzelnen Fallgestaltungen beherrscht werden.