In den vergangenen Wochen hat der BGH wieder eine Reihe examensrelevanter Urteile in Zivilsachen erlassen, die wir Euch nicht vorenthalten möchten. Einige dieser Urteile haben wir schon an anderer Stelle besprochen (z.B. BGH, Urt. v. 4.7.2013 – VII ZR 249/12 über die Wirksamkeit der AGB von Reinigungen, dazu dieser Beitrag und BGH, Urt. v. 1.8.2013 – VII ZR 6/13 zu Mangelgewährleistungsrechten bei steuerlicher Schwarzarbeit, dazu dieser Beitrag).
I. Materielles Recht
BGH, Urt. v. 3.7.2013 – VIII ZR 169/12 (zu §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB) – TOP-TIPP:
Mehrkosten eines eigenen Deckungskaufs des Käufers sind nicht als Verzögerungsschaden nach § 280 Abs. 1, 2, § 286 BGB ersatzfähig. Es handelt sich um einen an die Stelle der Leistung tretenden Schaden, den der Gläubiger nur unter den Voraussetzungen von § 280 Abs. 1, 3, § 281 BGB und somit nicht neben der Vertragserfüllung beanspruchen kann.
BGH, Urt. v. 3.7.2013 – VIII ZR 191/12 (zu § 536a BGB):
Die Kündigung eines Mietverhältnisses, die von einem sachlichen Grund zur fristlosen Kündigung getragen ist, steht, auch wenn sie an einem formellen Mangel leidet, einem auf § 536a Abs. 1 BGB gestützten Ersatz derjenigen Schäden nicht entgegen, die darauf beruhen, dass der Mieter bestehende Mängel der Mietwohnung berechtigterweise zum Anlass nimmt, wegen einer nicht mehr vorhandenen Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch eine den Umständen nach angemessene neue Wohnung anzumieten.
BGH, Urt. v. 4.7.2013 – III ZR 342/11 (zu § 839 BGB):
a) Zur Amtshaftung wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen.
b) Dem Inhaftierten, der menschenunwürdigen Haftbedingungen ausgesetzt ist, steht kein Entschädigungsanspruch nach Art. 5 Abs. 5 EMRK zu. Art. 5 EMRK bezieht sich grundsätzlich nur auf die Freiheitsentziehung als solche, nicht auf die Modalitäten des Vollzugs der Haft. Unzumutbare Haftbedingungen werden ausschließlich von Art. 3 EMRK erfasst. Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK richten sich primär nach nationalem Recht in Deutschland nach §§ 839, 249 ff BGB.
Anm. d. Verf.: Die EMRK gilt in Deutschland nach der Rechtsprechung des BVerfG (z.B. BVerfG, Urt. v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, 315) im Rang eines einfachen Bundesgesetzes.
BGH, Urt. v. 11.6.2013 – VI ZR 209/12 (zu § 823 Abs. 1 BGB):
Zur Zulässigkeit eines satirisch gefärbten Fernsehbeitrags über das Streitgespräch eines Journalisten mit einer Teilnehmerin an einer Mahnwache im Hinblick auf das Recht am eigenen Bild und am eigenen Wort.
BGH, Urt. v. 4.6.2013 – II ZR 207/10 (zu §§ 138, 705 BGB):
a) Die im Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts begründete Verpflichtung einer nicht leistungsfähigen Gesellschafterin zur Rückzahlung erheblicher Beträge, die der andere Gesellschafter einlegt und die vereinbarungsgemäß dem im Interesse der Gesellschaft tätigen Ehemann der Gesellschafterin zufließen, ist nicht sittenwidrig, wenn die Ehefrau aufgrund ihrer Gesellschafterstellung ein adäquates wirtschaftliches Eigeninteresse an der mit den Zahlungen verbundenen Förderung des Gesellschaftszwecks hat.
b) Die Beurteilung der Sittenwidrigkeit gesellschaftsvertraglicher Regelungen erfordert eine Gesamtwürdigung unter Einbeziehung aller relevanten Umstände, die zur Zeit des Vertragsschlusses gegeben sind.
BGH, Urt. v. 14.5.2013 – X ZR 15/11 (zu §§ 651c Abs. 1, 651a Abs. 1, 651e Abs. 1, 651f Abs. 2 BGB):
a) Inwieweit die Reise mangelhaft war und sich der Reisepreis infolgedessen mindert, kann bei
einer Kreuzfahrt nicht schematisch aufgrund eines für jeden Reisetag anzusetzenden gleichen Bruchteils des Reisepreises beurteilt werden. Vielmehr ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der einzelnen Teilen des Reiseprogramms unterschiedliches Gewicht beizumessen sein kann.
b) Ob der Reisende wegen einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit verlangen kann, hängt nicht nur davon ab, in welchem Umfang Reiseleistungen nicht oder nicht vertragsgemäß erbracht worden sind. Vielmehr ist aufgrund einer an Zweck und konkreter Ausgestaltung der Reise sowie Art und Dauer der Beeinträchtigung orientierten Gesamtwürdigung zu beurteilen, wie gravierend sich die Mängel für den Reisenden ausgewirkt haben.
c) Eine bestimmte Minderungsquote, etwa von 50%, ist für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise weder notwendig noch ausreichend. Eine hohe Minderungsquote ist jedoch ein Indiz für eine erhebliche Beeinträchtigung.
d) Grundsätzlich dieselben Maßstäbe gelten für die Beurteilung der Frage, ob der Reisende wegen einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise den Vertrag kündigen kann
BGH, Urt. v. 28.5.2013 – VI ZR 125/12 (zu Art. 5 GG, Artt. 8, 10 EMRK, §§ 22, 23 KUG):
Zur Zulässigkeit der Bildberichterstattung über die Teilnahme eines 11-jährigen Kindes an einer Sportveranstaltung.
II. Prozessrecht
BGH, Urt. v. 4.7.2013 – VII ZR 52/12 (zu §§ 256 Abs. 1, 263 Abs. 3 Nr. 1 ZPO):
Erhebt der Kläger, der in einem Rechtsstreit eine positive Feststellungsklage erhoben hat, nachfolgend in einem weiteren Rechtsstreit eine Leistungsklage, mit der ein aus demselben streitigen Rechtsverhältnis abgeleiteter Anspruch geltend gemacht wird, steht dem die Rechtshängigkeit der Feststellungsklage nicht entgegen, unabhängig davon, ob mit der Leistungsklage alle von der Feststellungsklage erfassten Ansprüche geltend gemacht werden.
BGH, Urt. v. 18.7.2013 – III ZR 208/12 (zu § 314 ZPO) – nur für Referendare wichtig:
Der nach § 314 Satz 1 ZPO erbrachte Beweis kann durch das Sitzungsprotokoll gemäß § 314 Satz 2 ZPO nur entkräftet werden, wenn die dort getroffenen Feststellungen ausdrücklich oder wenigstens unzweideutig denjenigen des Tatbestands widersprechen.
BGH, Urt. v. 4.7.2013 – IX ZR 306/12 (zu § 11 RVG) – nur für Referendare wichtig:
Beantragt der Rechtsanwalt gegen seinen Mandanten, nachdem er diesem höhere Rahmengebühren in Rechnung gestellt hat, die Festsetzung der Mindestgebühren, verzichtet er damit auf die weitere Gebührenforderung.
BGH, Urt. v. 3.7.2013 – VIII ZR 354/12 (zu § 558 Abs. 2 ZPO) – nur für Referendare wichtig:
Zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete durch Sachverständigengutachten.