Lidl soll seine Arbeitnehmer per Videokamera ausgespäht haben. Damit hat der Arbeitnehmerdatenschutz einen aktuellen Aufhänger, der sich im Schwerpunkt und in der mündlichen Prüfung bemerkbar machen kann. Die Videoüberwachung von Arbeitnehmern hat schon mehrfach das BAG beschäftigt, zuletzt im August 2008.
Gesetzliche Grundlagen
Maßgeblich für die Zulässigkeit der Videoüberwachung ist zunächst die EG-Datenschutzrichtlinie 95/46/EG. Diese ist allerdings „technologieneutral“ verfasst, so dass sich für die Videoüberwachung keine Besonderheiten ergeben. Die Richtlinie wurde in Deutschland mit dem BDSG umgesetzt.
Im Datenschutzrecht geht es häufig darum, widerstreitende Grundrechtspositionen in praktische Konkordanz zu bringen (dadurch lässt sich auch die Grundrechtsdogmatik sehr gut anhand diese Themas abprüfen). Dabei geraten regelmäßig das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer sowie das Eigentumsrecht und die Berufsausübungsfreiheit des Arbeitgebers in Konflikt. In Fällen, die das BAG zu entscheiden hatte, waren zudem Briefsendungen abhanden gekommen, so dass das Gericht auch das Postgeheimnis der Postkunden in die Abwägung mit einbeziehen musste.
Auf einfachgesetzlicher Ebene regeln § 6b BDSG und §§ 32, 38 BDSG die Videoüberwachung. Dabei ist die Unterscheidung zwischen der Videoüberwachung im öffentlich zugänglichen Raum und im nicht öffentlich zugänglichen Raum grundlegend.
Videoüberwachung im öffentlich zugänglichen Raum
§ 6b BDSG erfasst die Videoüberwachung im öffentlich zugänglichen Raum, er gilt auch für Arbeitsplätze, sofern diese im öffentlich zugänglichen Raum belegen sind. Öffentlich zugänglich ist ein Raum, wenn er durch den Berechtigten einem unbestimmten oder nur nach allgemeinen Merkmalen bestimmten Personenkreis zur tatsächlichen Nutzung eröffnet worden (gewidmet) ist. Erfasst sind beispielsweise Bahnhöfe, Banken, Bibliotheken, Einzelhandelsgeschäfte, Friseursalons, Fußgängerzonen, Kaufhäuser, Kinos, Museen, Parkplätze, Parks, Restaurants, Tankstellen, Spielhallen, Stadien sowie Straßen und Wege. Eine Videoüberwachung ist hier zulässig, soweit sie zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen, zur Wahrnehmung des Hausrechts oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Nach § 6b Abs. 2 BDSG ist die Videoüberwachung kenntlich zu machen, so dass eine heimliche Videoüberwachung im öffentlich zugänglichen Raum stets rechtswidrig ist.
Videoüberwachung im nicht öffentlich zugänglichen Raum
Im nicht öffentlich zugänglichen Raum will das BAG die Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung ausschließlich (!) am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz messen (BB 2008, 2743, 2746, 2747) und nicht auf die §§ 32, 28 BDSG abstellen. Damit käme es zu einer unmittelbaren Grundrechtswirkung zwischen Privaten, die ganz überwiegend abgelehnt wird. Richtig ist es, auf die §§ 32, 28 BDSG abzustellen. § 32 BDSG ist lex specialis für den Arbeitnehmerdatenschutz. Daneben kann nach Auffassung der Bundesregierung § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG Anwendung finden (BT-Drucks. 16/13657, S. 34 f.). Praktisch bedeutsam ist vor allem die heimliche Videoüberwachung von Arbeitnehmern zur Feststellung von Straftaten, die eine Kündigung rechtfertigen. Sedes materiae hierzu ist § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG. Dieser kodifiziert nach Auffassung der Bundesregierung die Rechtsprechung des BAG in den Fällen NZA 2003, 1193 und BB 2008, 2743 (BT-Drucks. 16/13657, S. 35). Danach ist die heimliche Videoüberwachung eines Arbeitnehmers zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwachung praktisch das einzig verbleibende Mittel darstellt und insgesamt nicht unverhältnismäßig ist.
Betriebsrat ist zu beteiligen
Zu beachten ist, dass der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG der Einführung einer Videoüberwachung im Betrieb zustimmen muss. Bei einer Regelung durch Betriebsvereinbarung haben die Parteien das APR der Arbeitnehmer nach § 75 Abs. 2 BetrVG zu beachten (dazu BAG NZA 2004, 1281; NJOZ 2005, 2708; BB 2008, 2743).
Rechtsfolgen unzulässiger Videoüberwachung
Beachtet der Arbeitgeber diese Grundsätze nicht, besteht im Kündigungsschutzprozess ein Beweisverwertungsverbot für die Videoaufzeichnung (str.). Ferner können dem Arbeitnehmer Abwehr- und Unterlassungsansprüche nach §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB analog i.V.m. §§ 6b, 28, 32 BDSG zustehen. Zudem besteht die Gefahr einer Verwirklichung des Straftatbestandes des § 201a StGB.
Rechtsprechung: BAG, NZA 2003, 1193; NZA 2004, 1281; NJOZ 2005, 2708; BB 2008, 2743.
Literatur: Forst, RDV 2009, 204 ff.
S. auch:
Arbeitnehmerdatenschutz: Neuer § 32 BDSG tritt am 1.9.2009 in Kraft
§ 32 BDSG tritt heute in Kraft
Arbeitnehmerdatenschutz: Blutentnahme bei Bewerbern?
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