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Schlagwortarchiv für: VG Köln

Dr. Simon Kohm

OVG Münster: Klage gegen Versuchsreihen am CERN ohne Erfolg

Lerntipps, Rechtsprechung, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht

Das OVG Münster hat mit Beschluss vom gestrigen Tage entschieden (OVG Münster, Beschluss vom 16.10.2012, Az. 16 A 591/11), dass die Klage gegen die Versuchsreihen am CERN in Genf ohne Erfolg bleibt.
Hintergrund und Verfahrensgang
Die Bezeichnung CERN leitet sich aus dem Französischen ab – Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire, also die Europäische Organisation für Kernforschung. Diese betreibt in Genf mehrere Teilchenbeschleuniger, die zur Erforschung der Materie dienen. Diese Teilchen (z.B. Atomkerne) werden hier auf hohe Geschwindigkeiten beschleunigt. Dabei werden auch im Rahmen von Versuchsreihen Teilchen auf einander geschossen, um damit den sog. Urknall zu simulieren. Die jetzige Klägerin, die deutsche Staatsangehörige ist, aber in Zürich wohnt, will diese Art der physikalischen Grundlagenforschung verhindern. Sie befürchtet, dass es dabei zu so genannten schwarzen Löchern kommen könne, die das gesamte irdische Leben zerstören könnten. Bereits im Jahr 2008 hat die Klägerin sich mit diesem Begehren im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes an das VG Köln gewandt. Die Beschwerde gegen das ablehnende Urteil wies das OVG Münster seiner Zeit zurück, die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen. Mit der erhobenen Klage in der Hauptsache verfolgte die Klägerin die Sache vor dem VG Köln weiter, das aber mit Urteil vom 27.01.2011 (Az. 13 K 5693/08) die Klage zurückgewiesen hat. Mit dem gestrigen Beschluss und der Nichtzulassung der Berufung hat nunmehr das OVG Münster dem Verfahren ein vorläufiges Ende gesetzt.
Rechtliche Würdigung durch das VG Köln

Neben dem skurrilen Klägerbegehren und der für einfachen Juristen kaum zu durchdringenden Materie der Kernforschung, ist die Sache aber auch rechtlich durchaus interessant, vor allem im Hinblick auf die Zulässigkeit der Klage. Betrachten wir daher zu Anfang den Hauptantrag der Klägerin:

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die von ihr in den Rat der Europäischen Kernforschungsorganisation CERN entsandten Delegierten sofort anzuweisen, im Rat des CERN eine sofortige Beschlussfassung darüber zu initiieren und auf eine dahingehende sofortige Beschlussfassung hinzuwirken, dass der Protonenbeschleuniger LHC in Genf/Schweiz höchstens auf einer Gesamtenergie von 2 Billionen Elektronenvolt betrieben wird.

Es geht der Klägerin damit nicht um ein direktes Vorgehen gegen das CERN selbst (hiermit war sie bereits in der Schweiz gescheitert), sondern um ein Einwirken der Bundesrepublik auf die entsandten Mitglieder.
Das VG Köln hat die Klage für zulässig erachtet.
Die Sache ist justiziabel. Das VG Köln hält fest, dass auch die Übertragung hoheitlicher Befugnisse auf zwischenstaatliche Einrichtungen justiziabel sei. Das gelte dann erst recht im vorliegenden Fall, da hier keine Übertragung von Hoheitsrechten vorläge, sondern bloß ein Fall staatlich geförderter Wissenschaft. Der Art. 19 Abs. 4 GG sehe in einem solchen Fall keine Entbindung von der staatlichen Schutzpflicht vor (VG Köln, Urteil vom 27.01.2011, Az. 13 K 5693/08, Rn. 37 ff.).
Der Verwaltungsrechtsweg gem. § 40 VwGO ist eröffnet. Insbesondere liegt eine öffentlich rechtliche Streitigkeit vor. Vorliegend will die Klägerin einen Anspruch gegen die BRD geltend machen. Streitentscheidende Norm muss hier also eine Anspruchsgrundlage sein. Diese ergibt sich vorliegend aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, der staatlichen Schutzpflicht. Diese Norm verpflichtet in dieser spezifischen Ausprägung den Staat, also einen Hoheitsträger. Das VG Köln hält hier bemerkenswert ausführlich fest, dass keine verfassungsrechtliche Streitigkeit vorliegt (VG Köln, Urteil vom 27.01.2011, Az. 13 K 5693/08, Rn. 49). Ein Abweichen von der allgemein bekannten Definition der doppelten Verfassungsunmittelbarkeit sei hier gerade nicht angezeigt.

Von dieser allgemeinen Rechtsauffassung abzuweichen, sieht das Gericht bei der vorliegenden Konstellation keinen Anlass, zumal neben den rechtlichen Fragen auch tatsächliche Aspekte eine wesentliche Rolle spielen und es daher der dem Grundgesetz zu Grunde liegenden Vorstellung über die Verteilung der Aufgaben von Fachgerichtsbarkeit und Verfassungsgerichtsbarkeit bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes entspricht, das Verfahren zunächst als ein verwaltungsgerichtliches zu führen. Damit soll erreicht werden, dass das Bundesverfassungsgericht nicht auf ungesicherter Tatsachen- und Rechtsgrundlage weitreichende Entscheidungen trifft.

Statthaft ist vorliegend die allgemeine Leistungsklage. Da die Klägerin vorliegend etwas begehrt, käme allenfalls noch die Verpflichtungsklage gem. § 42 VwGO in Betracht. Dann müsste die Anweisung an die deutschen Mitglieder einen VA darstellen. Dies kann vorliegend damit verneint werden, dass hier die Außenwirkung fehlt. Denn solche Weisungen wären als „Dienstanweisungen“ zu sehen, die die jeweiligen Mitglieder nicht in ihrem grundrechtssensiblen Bereich treffen, sondern nur ihre beruflichen Eigenschaften betreffen.
Im Hinblick auf die Klagebefugnis argumentiert das VG Köln mit der Möglichkeitstheorie und hält fest, dass das Eingreifen der staatlichen Schutzpflicht im vorliegenden Fall jedenfalls nicht von vorneherein abzulehnen sei. Auch fordere die Klägerin nichts objektiv Unmögliches von der Beklagten ein. Die BRD hatte vorgebracht, dass es nicht allein in der Hand ihrer Abgesandten läge, Entscheidungen im CERN zu treffen. Das VG Köln argumentiert hier überzeugend dahingehend, dass es die Schutzpflicht aus Art. 2 GG jedenfalls erfordere, die gebotenen Anstrengungen zu unternehmen, auch wenn diese einen Erfolg nicht garantierten (VG Köln, Urteil vom 27.01.2011, Az. 13 K 5693/08, Rn. 55).
Schlussendlich scheitert das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin nicht daran, dass sie vorher keinen „Antrag“ bei der Beklagten gestellt habe. Das VG Köln argumentiert, dass die Beklagte im Vorfeld und im einstweiligen Rechtsschutz mehrfach deutlich gemacht habe, dass es ihrem Ansinnen nicht nachkommen werde (VG Köln, Urteil vom 27.01.2011, Az. 13 K 5693/08, Rn. 56).
Im Rahmen der Begründetheit stellt das VG Köln unter Bezugnahme auf den ablehnenden Beschluss des BVerfG die Einzelheiten der staatlichen Schutzpflichten dar (VG Köln, Urteil vom 27.01.2011, Az. 13 K 5693/08, Rn. 62 f.).

Sie gebiete dem Staat, sich schützend und fördernd vor gefährdetes menschliches Leben zu stellen, es insbesondere vor rechtswidrigen Eingriffen Dritter zu bewahren. Eine Verletzung der staatlichen Schutzpflicht könne aber nur unter der Voraussetzung festgestellt werden, dass die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen habe oder die ergriffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich seien, das gebotene Schutzziel zu erreichen oder erheblich dahinter zurückblieben. Die staatliche Schutzpflicht verlange bei komplexen Sachverhalten, über die noch keine verlässlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen würden, auch von den Gerichten nicht, ungesicherten wissenschaftlichen Theorien zur Durchsetzung zu verhelfen; im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten obliege aber allen Stellen, die öffentliche Gewalt ausübten, eine gesteigerte Verantwortung, wenn sie Entscheidungen treffen würden, die auf ungewissen Folgenabschätzungen beruhten. Werde wissenschaftlich und praktisch noch unerschlossenes Neuland betreten, hätten sich alle diese Stellen eine möglichst breite Informationsgrundlage für eine möglichst rationale Risikoabschätzung zu verschaffen, wobei die unterschiedlichen Erkenntnismöglichkeiten im Rahmen eines gewaltenteiligen Systems berücksichtigt werden müssten.

Auch im Hinblick auf die Darlegungspflichten liefert das VG Köln detaillierte Formulierungen (VG Köln, Urteil vom 27.01.2011, Az. 13 K 5693/08, Rn. 62 f.):

Gehe es um die Vernachlässigung einer Schutzpflicht, sei der klagende Bürger nicht nur gehalten, schlüssig darzutun, dass die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen habe oder dass offensichtlich die getroffenen Regelungen und Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich seien, das Schutzziel zu erreichen. Vielmehr sei vorweg darzulegen, dass überhaupt eine Gefahr existiere. Dieses Schlüssigkeitserfordernis gelte auch, soweit eine Verantwortung staatlicher Stellen zur empirischen Widerlegung von Warnungen vor Schadensereignissen in Rede stehe. Der bloße Hinweis auf vereinzelt bleibende Warnungen genüge nicht, um eine gesteigerte staatliche Untersuchungs- oder gar Widerlegungspflicht anzunehmen. Soweit experimentelle Forschungsansätze betroffen seien, die im Wesentlichen auf theoretischen Erwägungen zu zentralen Grundfragen der modernen Physik aufbauten, seien jedenfalls solche Behauptungen unzureichend substantiiert, die lediglich eine Verantwortung staatlicher Stellen zur vorherigen, empirischen Widerlegung sämtlicher in der Öffentlichkeit diskutierter Warnungen vor (Groß-)Schadensereignissen einforderten. Die Substantiierung einer Verletzung verfassungsrechtlicher Schutzpflichten verlange für Warnungen, die weitreichende Schutzpflichten auslösen sollen, die Einhaltung gewisser Mindeststandards, jedenfalls die Beachtung des Schlüssigkeitserfordernisses. Ansonsten sei es für staatliche Stellen unmöglich, relevante Warnungen, denen sie prinzipiell nachzugehen haben, von irrelevanten hypothetischen Prophezeiungen zu unterscheiden.

Gleichwohl dürfte der Staat Restrisiken in Kauf nehmen.

Die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG herzuleitende Schutzpflicht hindere die öffentliche Gewalt nicht, mit der Förderung wissenschaftlicher Forschungstätigkeit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) insofern unentrinnbare Restrisiken in Kauf zu nehmen. Ansonsten wäre großexperimentelle Grundlagenforschung kaum möglich, weil sich im zu erforschenden Grenzbereich überraschende physikalische Wirkungen auslösende Ergebnisse nicht völlig ausschließen ließen. Allerdings treffe die Träger öffentlicher Gewalt eine Pflicht, Erkenntnisquellen auszuschöpfen und eine Risikoanalyse mit fachlicher Bewertung vorzunehmen. Diese Anforderungen dürften aber nicht zu Lasten der Forschungsfreiheit überspannt werden; sie dienten vielmehr dazu, den wissenschaftlichen Diskurs offen zu halten und seine Erkenntnisse nachzuvollziehen. Soweit die dafür zuständigen Verfassungsorgane oder entsprechende Stellen öffentlicher Verwaltung die fachlichen Abschätzungen verantwortlich vorgenommen hätten, fehle es den Gerichten an Maßstäben, ihre eigene Beurteilung jenseits praktischer Vernunfterwägungen an die Stelle des legislativen oder exekutiven Sachverstandes zu setzen.

Insbesondere hält das VG Köln fest, dass es nicht Sache der Gerichte sei, über fachwissenschaftliche Streitigkeiten zu entscheiden bzw. diese zu bewerten (VG Köln, Urteil vom 27.01.2011, Az. 13 K 5693/08, Rn. 81):

Von einer Grundrechtsgefährdung und erst recht einem Grundrechtseingriff kann nach dem gesamten Sachstand nicht ausgegangen werden. Dabei ist im Ausgangspunkt zum einen zu berücksichtigen, dass nach dem von der Klägerin beschworenen Gefahrszenario nur niedrige Anforderungen an die plausible Darlegung und Feststellung möglicher Gefahrenlagen zu stellen sind. Zum anderen ist hier aber in den Blick zu nehmen, dass die gesamte Diskussion um Voraussetzungen und Folgen der hier in Rede stehenden Experimente im LHC mit 2 TeV übersteigenden Energien weitgehend durch eine theoretische Auseinandersetzung ohne gesicherte experimentelle Basis geführt wird. Wissenschaftliche Streitfragen zu entscheiden, ist nicht Aufgabe der Gerichte.

In der Folge entscheidet das VG Köln dann über die einzelnen Gefahren, deren Wahrscheinlichkeiten und den jeweiligen Forschungsstand. Das dürfte für die juristische Prüfung eher zweit- und drittrangig sein.
Examensrelevanz: Niemand wird erwarten, dass sich der Examenskandidat vertieft mit der Problematik schwarzer Löcher auseinandersetzt. Gleichzeitig aber kann dieser skurrile Sachverhalt durchaus den ein oder anderen Prüfer dazu motivieren, mal wieder die Zulässigkeit einer verwaltungsrechtlichen Klage im Detail und versehen mit einigen Sonderproblemen abzufragen. Materiell ist vor allem die Schutzpflicht des Staates aus Art. 2 GG examensrelevant. Ein aktueller Bezug ist auch mit dem Atommoratorium gegeben (dazu hier und hier). Besonders interessant sind hier die Äußerungen des VG zu den Darlegungspflichten (nicht formelle Beweislast) und dem Hinweis, dass bloße wissenschaftliche Uneinigkeiten nicht zur einer belastbaren Gefahrprognose führen können und dass es nicht Sache der Gerichte, sondern vielmehr der Exekutive sei, derartige Unstimmigkeiten aufzulösen bzw. zu bewerten. Das VG nimmt also eine Art „Beurteilungsspielraum“ an. Die Exekutive bzw. Legislative muss den Sachverhalt und die entsprechenden wissenschaftlichen Stimmen auswerten, darf aber durchaus Restrisiken eingehen und muss hier auch nicht auf jede einzelne Stimme in Wissenschaft und Öffentlichkeit eingehen und diese in ihre Bewertung einbeziehen.

17.10.2012/7 Kommentare/von Dr. Simon Kohm
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Simon Kohm https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Simon Kohm2012-10-17 15:05:262012-10-17 15:05:26OVG Münster: Klage gegen Versuchsreihen am CERN ohne Erfolg
Dr. Johannes Traut

VG Köln: Eilantrag der ddp gegen „Wahl-O-Mat“ abgelehnt

Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Verfassungsrecht

Das VG Köln hat in seiner Entscheidung vom 18.3.2011 zu der Zulässigkeit des „Wahl-O-Mat“ der Bundeszentrale für politische Bildung Stellung genommen. Der Landesverband der „deutschen demokratischen partei (ddp) Die Einstein Partei “ (ddp) hatte in einem Eilantrag beantragt, den Wahl-O-Mat von der Internetseite der Bundeszentrale zu nehmen. Er machte u.a. geltend, dass die mit dem „Wahl-O-Mat“ bei den Nutzern abgefragten 38 Thesen zur Landtagswahl in Rheinland-Pfalz am 27.03.2011 einseitig an den Programmen der großen Parteien ausgerichtet seien. Darum verletzten sie die ddp in ihrem Recht auf Chancengleichheit nach Art. 21 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG. Das VG Köln folgte dieser Argumentation nicht und verwies darauf, dass sämtliche antretende Parteien an der Ausarbeitung der Thesen beteiligt würden.
Im Folgenden wird der Versuch gemacht, den Inhalt der Pressemitteilung des VG Köln v. 18.3.2011 in eine klausmäßigen Aufbau zu bringen. Dazu mussten die Ausführungen an vielen Stellen ergänzt werden, so dass die hier präsentierte Lösung nicht in allen Punkten der Entscheidung des VG entsprechen muss.
A. Zulässigkeit
I. Verwaltungsrechtsweg, § 40 Abs. 1 VwGO
(+), denn streitentscheidende Normen sind solche des öffentlichen Rechts; Art. 21 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG; ggf. §  5 ParteiG. Es handelt sich auch nicht um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit, da es an der doppelten Verfassungsunmittelbarkeit fehlt.
II. Statthafte Antragsart
Abgrenzung nach § 123 Abs. 5 VwGO: § 80 Abs. 5 vorrangig, sonst § 123 Abs. 1 VwGO. Hier eindeutig § 123 Abs. 1 VwGO, weil ein Realakt begehrt wird und es daher um eine allgemeine Leistungsklage (in Form der Unterlassungsklage) in der Hauptsache ginge.
III. Antragsbefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO analog
Möglichkeitstheorie im Hinblick auf Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund.
1. Anordnungsanspruch:
§ 5 ParteiG? Nein, weil der Wahl-O-Mat zumindest keine Einrichtung ist, die den Parteien zur Verfügung gestellt ist. Er richtet sich an die Öffentlichkeit. Also Rückgriff unmittelbar auf die Verfassung: Kurz darlegen, dass aus Art. 21 Abs. 1 GG jedenfalls in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG ein Anspruch auf Gleichbehandlung (subjektiv-öffentliches Recht) folgt, der zumindest möglicherweise verletzt sein kann. Hier sollte man in der Klausur/Prüfung ein wenig argumentieren, dass ein solcher Anspruch zur Erfüllung der Aufgabe der Parteien, an der politischen Meinungsbildung mitzuwirken (Art. 21 Abs. 1 GG), erforderlich ist.

Was genau die Grundlage des Anspruchs der Parteien auf Gleichbehandlung ist, ist umstritten. Das BVerfG liest ihn in Art. 21 Abs. 1 GG selbst hinein (BVerfGE 1, 208, 241; BVerfGE 85, 264, 297), andere leiten ihn aus Art. 3 Abs. 1 GG ab, während wieder andere eine Ableitung aus Art 3 Abs 1 GG iVm dem Demokratieprinzip und Art 21 Abs 1 GG vertreten (genauer BeckOK-GG/Kluth, Art. 21 Rn. 125).

Die Bundeszentrale für politische Bildung ist eine nicht-rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts (vgl. § 1 Abs. 1 des Erlass zur Bundeszentrale) und daher als Teil der öffentlich-rechtlichen Körperschaft „Bund“ unmittelbar an die Grundrechte sowie an Art. 21 GG gebunden.
2. Anordnungsgrund:
Unproblematisch, weil die Wahl bis zur Hauptsacheentscheidung durchgeführt ist und daher eine mögliche Verletzung der Rechte der Partei perpetuiert wird. Es handelt sich um eine Regelungsanordnung (§ 123 Abs. S. 2 VwGO), da eine Veränderung des status quo angestrebt wird. In der Praxis wird hier allerdings selten differenziert.
[Ergänzung vom 25.3.2011]
Allerdings könnte einer Anordnung hier entgegenstehen, dass damit möglicherweise die Hauptsacheentscheidung vorweggenommen würde. Ein solche Vorwegnahme der Hauptsache ist grundsätzlich mit dem Sinn und Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes, die Entscheidung in der Hauptsach offenzuhalten, unvereinbar. Die „Aussetzung“ des Wahl-O-Mat stellt eine Vorwegnahme der Hauptsache dar, weil der Wahl-O-Mat nur zeitlich begrenzt bis zur Wahl an diesem Wochenenden angeboten wird und bis dahin keine Hauptsachentscheidung getroffen werden wird. Durch bloßen Zeitablauf wird daher aus der vorläufigen Regelung zumindest eine endgültige, weil danach jedes Interesse am Rechtsschutz entfällt. Im Hinblick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) ist anerkannt, dass eine Vorwegnahme der Hauptsache dann zulässig ist, wenn ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung den Antragssteller er schwer und unzumutbar oder irreparabel belasten würde. Letzteres ist hier der Fall: Die gerügte Benachteiligung im Hinblick auf die Wahl wäre nicht mehr auszugleichen. Daher ist im vorliegenden Fall ausnahmsweise sogar eine Vorwegnahme der Hauptsache zulässig.
[Ergänzung Ende]
IV. Antragsgegner
§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO: Da die Bundeszentrale eine nichtrechtsfähige Bundesanstalt ist und im Bereich des Bundes das Rechtsträgerprinzip gilt, ist Antragsgegner die Bundesrepublik Deutschland.
V. Beteiligten- und Prozeßfähigkeit, § 61f. VwGO
Eigentlich ist die Partei ein „nichtrechtsfähiger“ Verein (§ 54 BGB), so dass die Beteiligten- und Prozeßfähigkeit kurz begründet werden muss. Allgemein verweist man dann entweder auf die verfassungskonforme Auslegung (Art. 9 Abs. 1 GG!) des § 54 BGB, wonach der Verweis als Verweis auf die Vorschriften für den rechtsfähigen Verein zu lesen ist, so lange sie die Eintragung nicht voraussetzen oder begründet die Rechtsfähigkeit mit der Rechtsprechung des BGH zur GbR (§ 705 BGB).  Für die Partei gilt hier jedoch die Sonderregelung des § 3 S. 2 ParteiG (für den Landesverband).
B. Begründetheit
Das Gericht erlässt die einstweilige Anordnung, wenn der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden sind, vgl § 123 Abs 3 VwGO iVm § 921 ZPO. Es handelt sich also im Hinblick auf die Tatsachenermittlung nur um eine summarische Prüfung: Eine Tatsache ist grundsätzlich bereits dann glaubhaft gemacht, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände mehr dafür als dagegen spricht, dass sie zutrifft (vgl. BeckOK-VwGO/Kuhla, § 123 Rn. 59ff.)
I. Anordnungsgrund
(+), s. oben, hier entscheiden. Prüfung vorgezogen, weil Anordnungsanspruch (-).
II. Anordnungsanspruch
Besteht der Anordnungsanspruch? Das ist zu bejahen, wenn durch den Wahl-O-Mat der Grundsatz der Gleichbehandlung der Parteien aus Art. 21 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG verletzt ist.
1. Prüfungsmaßstab
Vorliegend kann man entweder nach der Willkürformel des BVerfG für Art. 3 Abs. 1 GG prüfen oder eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung  („neue Formel“) vornehmen. Letztere ist hier überzeugender, da das BVerfG die neue Formel bei sensiblen Bereichen wie etwa personenbezogenen Differenzierungen anwendet. Von der Bedeutung ist die Gleichbehandlung der Parteien damit vergleichbar. Wie das BVerfG die Prüfung genau vornimmt, ist aber sehr unklar (ausführlich BeckOK-GG/Kischel, Art. 3 Rn. 24ff.)
2. Vorliegen einer Ungleichbehandlung
Hierüber kann man bereits streiten. Das VG Köln scheint schon dies zu verneinen. In der Pressemitteilung heißt es:

„[Das Gericht] stellte fest, dass die Bundeszentrale für politische Bildung im Zusammenwirken mit der Landeszentrale für politische Bildung in Rheinland-Pfalz mit dem „Wahl-O-Mat“ ihren verfassungsrechtlichen Informationsauftrag erfülle. Eine Verletzung der Chancengleichheit sei nicht erkennbar. Der mehrstufige Prozess der Erarbeitung und Auswahl der Thesen für den „Wahl-O-Mat“ erfolge unter Einbindung aller betroffenen Parteien – auch der ddp -, sodass die geschützten Rechtspositionen der Parteien gewahrt blieben.“

Zur Beurteilung dieser Frage braucht man relativ genaue Sachverhaltsangaben. Worin man z.B. jedoch eine Ungleichbehandlung sehen kann, ist, dass standardmäßig die größeren Parteien für den Abgleich der eigenen Entscheidungen mit dem jeweiligen Parteiprogramm ausgewählt werden. Ferner ist der Wahl-O-Mat wegen der Begrenzung auf bestimmte Thesen dann problematisch, wenn sich das Programm einer Partei so von denen der anderen Parteien so unterscheidet, dass es nicht unter die Thesen subsumiert werden kann bzw. diese es nur unvollständig abdecken.
3. Hilfsweise: Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung
a) Schranke: Verfassungsrechtlicher Informationsauftrag der Regierung. Vgl. dazu das BVerfG kürzlich:

„Hierbei handelt es sich um die der Bundesregierung zukommende Aufgabe der Staatsleitung, die, ohne dass es darüber hinaus einer besonderen gesetzlichen Eingriffsermächtigung bedürfte, staatliches Informationshandeln legitimieren kann. Namentlich gestattet sie es der Bundesregierung, die Bürger mit solchen Informationen zu versorgen, deren diese zur Mitwirkung an der demokratischen Willensbildung bedürfen (vgl. BVerfGE 105, BVERFGE Jahr 105, 279, 302 = NJW 2002, 2626). Angesichts dessen ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Bundesregierung eine Bundeszentrale für politische Bildung unterhält, die ihrerseits publizistische Foren für politische Debatten betreibt. Eingebunden in einen Bildungsauftrag ist diese auch nicht von vornherein darauf verwiesen, alle im Rahmen von Art. GG Artikel 5 GG Artikel 5 Absatz I GG geschützten Meinungen formal gleich zu behandeln; vielmehr kann sie insoweit auch wertende Unterscheidungen treffen, hat dabei aber Ausgewogenheit und rechtsstaatliche Distanz zu wahren. Hierbei können insbesondere Kriterien wie Qualität und Repräsentativität eine maßgebliche Rolle spielen; insofern ist es der Bundeszentrale für politische Bildung nicht grundsätzlich verwehrt, Extremmeinungen am Rande des politischen Spektrums und solche, die von der Wissenschaft nicht ernst genommen werden, nicht zu berücksichtigen, sie als solche zu bezeichnen und sich demgegenüber auf die Präsentation von Hauptströmungen zu konzentrieren.“ (BVerfG NJW 2011, 511, Rn. 23)

b) Schranken-Schranke: Verhältnismäßigkeitsprüfung
Im Hinblick auf den Informationsauftrag (+). Der Informationsauftrag dient genau wie die Parteien selbst (vgl. Art. 21 Abs. 1 GG) dem Ziel, die politische Willensbildung zu ermöglichen bzw. zu fördern. Daher gehen die Rechte der Parteien ihm keinesfalls per se vor.  Der Wahl-O-Mat ist ein bewährtes und effektives Mittel, politische Aufklärung zu betreiben. Diese Effektivität würde der Wahl-O-Mat einbüßen, wenn etwa alle Programmpunkte sämtlicher Parteien aufgeführt würden: Er würde völlig unübersichtlich und ein Vergleich der Programme wäre nicht mehr möglich, wenn in den Parteiprogrammen der anderen Parteien zu bestimmen Fragen keine Aussagen enthalten sind. Demgegenüber wiegt der Eingriff in die Gleichbehandlung der Parteien allenfalls sehr leicht. Sie werden an der Ausarbeitung des Wahl-O-Mats beteiligt und können so ihre Interessen vertreten. Ferner können Sie durch die entsprechende Gestaltung ihrer Programme zumindest erreichen, dass sie zu allen für den Wahl-O-Mat relevanten Fragestellungen auch Gehör finden.
Hält man sich vor Augen, dass auch die Parteien letztlich im Hinblick auf ihren Beitrag zu politischen Willenssbildung geschützt sind (Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG), ist ein geringfügiger Eingriff, der gleichzeitig auf andere Weise ihren Daseinszweck fördert, hinzunehmen.
C. Ergebnis
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

23.03.2011/0 Kommentare/von Dr. Johannes Traut
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Johannes Traut https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Johannes Traut2011-03-23 10:15:102011-03-23 10:15:10VG Köln: Eilantrag der ddp gegen „Wahl-O-Mat“ abgelehnt

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