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Schlagwortarchiv für: Verwaltungsvollstreckung

Dr. Maximilian Schmidt

Mündliche Prüfung im Öffentlichen Recht – Wieder mal abgeschleppt

Mündliche Prüfung, Öffentliches Recht, Polizei- und Ordnungsrecht, Schon gelesen?, Startseite, Verschiedenes, Verwaltungsrecht

Es geht weiter in unserer Serie der simulierten mündlichen Prüfungen. Heute: wieder mal abgeschleppt.
Sehr geehrte Damen und Herren,
willkommen zur Prüfung im Öffentlichen Recht. Folgender Fall hat sich kürzlich in Neustadt an der Weinstraße ereignet, ich zitiere aus der Pressemitteilung des VG Neustadt:

Der Kläger stellte sein Fahrzeug am Mittwoch, den 27. Februar 2013, um 7.00 Uhr auf dem Pfalzplatz in Haßloch ab. Er wollte sich mit Freunden treffen, um gemeinsam in den Urlaub zu fahren. Zu diesem Zeitpunkt war das Parken auf dem Pfalzplatz erlaubt. Mehrere Schilder an den umliegenden Straßen und im Zufahrtsbereich des Pfalzplatzes wiesen hin auf „Pfalzplatz unbegrenzt P“. Auf dem Pfalzplatz selbst stehen keine Parkschilder. Ebenfalls am Mittwoch, den 27. Februar 2013, zu einer späteren Zeit, stellte die Beklagte an der Schillerstraße, der einzigen Zufahrt zum Pfalzplatz, folgende Verkehrsschilder auf: Verkehrszeichen 283 (absolutes Halteverbot) und 250 (Verbotder Einfahrt) sowie Zusatzzeichen „Sonntag, 03.03.2013 ab 7.00 Uhr“. Grundlage für die Aufstellung der Verkehrsschilder war die verkehrspolizeiliche Anordnung der Beklagten vom 7. Februar 2013 zum Sommertagsumzug, der am 3.März 2013 stattfinden sollte. Nach der Anordnung sollte die gesamte Beschilderung bis spätestens am Donnerstag, den 28. Februar 2013, aufgestellt werden. Eventuelle gegensätzliche Schilder sollten bis spätestens sonntags, 11.00 Uhr, abgehängt bzw. abgeklebt werden. Am Sonntag um 10.00Uhr wurden auch die Schilder„Pfalzplatz unbegrenzt P“ nach Angaben der Beklagten gemäß der Anordnung mit Müllsäcken abgedeckt. Am Sonntag, den 3. März 2013, um 12.15 Uhr wurde das Auto des Klägers abgeschleppt. Der Kläger konnte nicht informiert werden, da seine Nummer nicht im Telefonbuch eingetragen war.

Mit Schreiben vom 7.März 2013 hörte die Beklagte den Kläger zu dem Vorgang an. Mit Bescheid vom 3. April 2013 zog die Beklagte den Kläger zu den Kosten für die Abschleppmaßnahme in Höhe von insgesamt 207,00 € heran. Die Kosten setzten sich zusammen aus 178,50 € Entgelt für das Abschleppunternehmen, 25,00 € Verwaltungsgebühren und eine Zustellungsgebühr von 3,50 €. Dagegen legte der Kläger am 23. April 2013 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 4. April 2014, dem Kläger zugegangen am 10. April 2014, wies der Kreisrechtsausschuss der Kreisverwaltung Bad Dürkheim den Widerspruch des Klägers zurück.

Der Kläger richtet sich nun an das VG Neustadt.  Ein relativer langer Sachverhalt, falls Sie Nachfragen hinsichtlich des Sachverhaltes haben, melden Sie sich bitte. Wir prüfen selbstverständlich nach nordrhein-westfälischem Recht. Zunächst: Welche Klageart kommt in Betracht?
In Betracht kommt eine Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Fall 1 VwGO. Diese hat Erfolg, soweit sie zulässig und begründet ist.
Ja, wir möchten uns auf die Begründetheitsprüfung konzentrieren. Frau A, beginnen Sie doch bitte!
Die Anfechtungsklage des K ist nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO begründet, soweit der angegriffene Verwaltungsakt rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Zunächst ist also die Rechtmäßigkeit des ergangenen Verwaltungsaktes, also des Kostenbescheides, zu prüfen. Ermächtigungsgrundlage hierfür ist §§ 55, 57 Abs. 1 Nr. 1, 59, 77 Abs. 1 VwVG NRW i.V.m. § 20 Abs. 2 Nr. 7 VO VwVG.
Schön, Sie sind nun unmittelbar auf die Ersatzvornahme nach §§ 55, 57 Abs. 1 Nr. 1 VwVG NRW gesprungen. Was könnte „das Abschleppen“ noch sein?
Das Abschleppen eines PKW kann grundsätzlich sowohl als Ersatvornahme als auch als Sicherstellung eingeordnet werden. Sinnvoll erscheint eine Abgrenzung nach der Zweckrichtung der handelnden Behörde. Dabei liegt eine Sicherstellung vor, wenn eine Gefahr für das Fahrzeug vorlag, eine Ersatzvornahme, wenn von dem Fahrzeug eine Gefahr ausging. Demnach ist hier die Ersatzvornahme einschlägig, da die Behörde nicht zum Schutz des Fahrzeuges, sondern zur Beseitigung der von ihm ausgehenden Gefahr handelte.
Kommen wir zu formellen Rechtmäßigkeit, Herr B.
Eine nach § 28 VwVfG erforderliche Anhörung hat stattgefunden, diese war insbesondere nicht nach § 28 Nr. 5 VwVfG  hinsichtlich des Kostenbescheides entbehrlich. Zugleich hat die nach § 77 VwVG NRW zuständige Behörde gehandel, wonach Kostengläubiger der Rechtsträger ist, dessen Behörde die Amtshandlung vornimmt.
Frau A, versuchen Sie sich doch bitte an der materiellen Rechtmäßigkeit des Kostenbescheides.
Der Kostenbescheid ist rechtmäßig, wenn eine Amtshandlung nach diesem Gesetz vorliegt, vgl. § 77 VwVG NRW. Daher muss nun inzident die Rechtmäßigkeit der Ersatzvornahme geprüft werden, da nur dann eine „Amtshandlung nach diesem Gesetz“ gegeben ist. Die richtige Ermächtigungsgrundlage hängt davon ab, ob die Behörde das gestreckte Verfahren oder den Sofortvollzug verwendet hat, § 55 VwVG NRW. Hier besteht die Besonderheit, dass es einen Grund-VA in Form der Verkehrsschilder (Halteverbot) gibt, die Behörde diesen aber ohne die Voraussetzungen des Sofortvollzugs vollstreckt. Dies nennt man abgekürztes Verfahren, dessen Rechtmäßigkeit sich aus einem „argumentum a maiore ad minus“ ergibt: Wenn schon alle Voraussetzungen des gestreckten Verfahrens im Sofortvollzug außer Acht gelassen werden können, muss erst-recht das Auslassen einzelner Verfahrensabschnitte zulässig sein. Daher ist das sog. abgekürzte Verfahren rechtmäßig.
Sehr schön. Bevor wir fortfahren, erlauben Sie mir eine kurze Zwischenfrage: Welche weiteren Argumentationsmuster kennen Sie?
Besonders wichtig ist sicherlich das argumentum e contraria, also der Umkehrschluss. Beliebt ist zudem das argumentum ad absurdum sowie das argumentum ad horribilis. Vergleichbar dem schon angesprochenen argumentum a maiore ad minus ist das argumentum a fortiori. Ungeeignet und zu vermeiden ist hingegen ein argumentum ad personam – außer es gehen einem tatsächlich einmal die Argumente aus…
In Ordnung. Herr B, prüfen Sie doch bitte das von der Kollegin beschriebene abgekürzte Verfahren durch.
Zunächst sind die Voraussetzungen des gestreckten Verfahrens nach § 55 Abs. 1 VwVG NRW zu prüfen. Das Verkehrsschild ist eine HDU-Verfügung, so dass nun die Rechtmäßigkeit des Grund-VAs, also des Verkehrsschildes zu prüfen ist. Dies folgt aus der Tatsache, dass wir mangels Androhung und Festsetzung nun den Sofortvollzug eines tatsächlich ergangenen Grund-VAs prüfen. Aus der Formulierung „im Rahmen ihrer Befugnisse“ folgt also zwingend eine Rechtmäßigkeitsprüfung.
Ist die HDU-Verfügung denn überhaupt wirksam geworden, was § 55 VwVG NRW ja voraussetzt?
Die Voraussetzungen zur Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes sindin § 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG geregelt. Hierfür ist die Bekanntgabe erforderlich. Eine ältere Ansicht geht davon aus, dass der Verkehrsteilnehmer das Verkehrsschild wahrnehmen muss, also letztlich (erst) eine Einzelbekanntgabe die Wirksamkeit auslöst. Die Gegenaufassung nimmt hingegen an, dass ein Verkehrsschild durch öffentliche Bekanntgabe wirksam ((§41 Abs. 3 Satz 2 VwVfG i.V.m.) §§ 39 Abs. 1, 45 Abs. 4 StVO) wird.  Auf die tatsächliche Kenntnisnahme durch den einzelnen Verkehrsteilnehmer kommt es dann nicht mehr. Aus Gründen der Rechtsklarheit und der Vermeidung des Auseinanderfallens von Regelungen im Straßenverkehr ist von der Möglichkeit der öffentlichen Bekanntgabe auszugehen. Zudem könnten sonst Verkehrsschilder jederzeit angegriffen werden, man denke nur an den Kieler, der mit dem Auto nach Passau fährt. Im vorliegenden Fall wurde daher das Verkehrsschild mit Aufstellung bekanntgegeben und wirksam.
Wunderbar.Wie ordnen Sie demnach das Verkehrsschild dogmatisch ein?
Es handelt sich um eine Allgemeinverfügung nach § 35 S. 2 VwVfG.
Ist das Verkehrsschild als Allgemeinverfügung denn auch sofort vollziehbar?
Ja, nach § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO analog. Es ist der Anordnung durch einen Polizisten gleichzusetzen, die Möglichkeit der sofortigen Vollziehung kann nicht davon abhängen, ob die Regelung durch bspw. Handzeichen eines Polizisten oder durch ein Schild verkörpert wird.
Korrekt. Wir springen in der Prüfung etwas weiter und fragen uns, ob die Ersatzvornahme im abkürzten Verfahren wirklich notwendig war. Was meinen Sie, Frau A?
An dieser Stelle ist eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an Beseitigung der Gefahr einerseits und den Interessen des Betroffenen andererseits. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Parkplatz als „Dauerparkplatz“ ausgeschildert war und der Kläger seinen PKW gerade deswegen dort abstellte. Man könnte also an eine Art „Vertrauensschutz“ denken. Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass im Straßenverkehr nicht davon ausgegangen werden kann, dass Verkehrsschilder „ewig“ unverändert bleiben. Daher müsste der Parkende innerhalb einer bestimmten zeitlichen Frist, bspw. alle sieben Tage, kontrollieren, ob er noch rechtmäßig dort parkte.  Doch in Ausnahmefällen kann auch ein sofortiges Abschleppen zulässig sein, es kommt auf den Einzelfall an. Hier versuchte die Behörde sogar den Kläger zu erreichen. Zudem behinderte das Fahrzeug die Durchführung des Sommerfestes, so dass ein besonderes öffentliches Interesse an der Abschleppmaßnahme vorlag.
Also war das Abschleppen demnach wohl verhältnismäßig. Was bedeutet das für unseren Kläger?
Zunächst nur, dass das Abschleppen selbst rechtmäßig war. Somit liegt eine „Amtshandlung nach diesem Gesetz“ nach § 77 VwVG NRW vor. Es handelt sich um eine gebundene Entscheidung, so dass grundsätzlich mit Rechtmäßigkeit des Verwaltungszwanges auch eine Kostenpflicht des Betroffenen entsteht. Dies ergibt sich aus der Formulierung „werden erhoben“. Allerdings ist in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass eine Ausnahme vom Grundsatz der gebundenen Entscheidung aus rechtsstaatlichen Gründen zu machen ist, wenn es sich um eine offensichtlich unverhältnismäßige Maßnahme handelte. In diesen Fällen kann ausnahmsweise eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt werden.
Sehr schön. Zu welchem Ergebnis kommen Sie hier, Herr B?
Unverhältnismäßigkeit kann nur in absoluten Ausnahmefällen angenommen werden, bspw. wenn eine Behörde zwar rechtmäßig vollstreckt, aber die Änderung der Rechtslage nicht rechtzeitig angekündigt hatte. Im vorliegenden Fall liegt genau hier das Problem. Sinnvoll erscheint es davon auszugehen, dass der Parkende alle vier Tage kontrollieren muss, ob er noch rechtmäßig parkt. Insoweit hat die Behörde ihrer „Ankündigungsfrist“ Genüge getan. Der Kostenbescheid ist nicht unverhältnismäßig.
Ein vertretbares Ergebnis, genauso entschied das VG Neustadt a.d. Weinstraße (5 K 444/14.NW, Urteil hier abrufbar). Vielen Dank!

10.02.2015/3 Kommentare/von Dr. Maximilian Schmidt
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maximilian Schmidt https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maximilian Schmidt2015-02-10 10:00:052015-02-10 10:00:05Mündliche Prüfung im Öffentlichen Recht – Wieder mal abgeschleppt
Gastautor

BVerwG: Zur Konkretisierung der Wartepflicht von Abschleppdiensten

Fallbearbeitung und Methodik, Lerntipps, Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Polizei- und Ordnungsrecht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Verwaltungsrecht

Wir freuen uns einen Gastbeitrag von Loni Bredies veröffentlichen zu können. Die Autorin hat in Düsseldorf studiert und ist nun als Referendarin am LG Düsseldorf tätig.


 
Wer kennt sie nicht, die bei Klausur-Erstellern besonders beliebten Abschleppfälle. Dennoch kommt die Vorbereitung gerade solcher Klausur-Klassiker oft zu kurz, was im Examen dann für großen Ärger sorgt. Daher soll am Beispiel des erst kürzlich ergangenen Urteils des BVerwG vom 09.04.2014 das Wichtigste zum Abschleppfall hier noch einmal erläutert werden.
I. Sachverhalt
Der Kläger ist ein selbstständiger Reisebusunternehmer, welcher sich gegen Kostenbescheide wehrt, die ihn zur Zahlung der Abschleppkosten seines Reisebusses heranziehen.
Er hatte am 02.07.2011 seinen Reisebus auf einen Taxenstand abgestellt. Dieser war mit einem absoluten Halteverbot (Zeichen 229) ausgeschildert.
Gegen 19:30 desselben Tages stellte ein mit der Überwachung des ruhenden Verkehrs beauftragter Bediensteter der Beklagten (Stadt Frankfurt) das verbotswidrige Parken des Reisebusses fest. Der Fahrer des Busses war nicht im Fahrzeug. Im Reisebus war jedoch eine Mobilfunknummer ausgelegt, über welche der Bedienstete vergeblich versuchte der Kläger telefonisch zu erreichen. Anschließend ordnete er das Abschleppen des Busses an. Gegen 19:40 erschien der Fahrer des Reisebusses und fuhr diesen wenig später weg. Der Bedienstete brach die Abschleppmaßnahme daher noch vor dem Eintreffen des Abschleppfahrzeugs um 19:42 ab.
Mit Bescheid vom 25.11.2011 machte die Beklagte die Kosten in Höhe von 513,15 Euro geltend. Diese Kosten setzen sich zusammen aus den Kosten für die Leerfahrt in Höhe von 446,25 Euro sowie Verwaltungsgebühren und Zustellkosten.
Das VG Frankfurt hat die auf Kostenaufhebung gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat der VGH Kassel die Entscheidung geändert und die angegriffenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung führte er aus, die Abschleppanordnung sei unverhältnismäßig, da der städtische Bedienstete länger hätte warten müssen, bevor er das Abschleppen anordnete. Die Wartezeit betrage an einem mit dem (Verkehrs-) Zeichen 229 ausgeschilderten Taxenstand im Allgemeinen 30 Minuten. Die Abschlepp-Maßnahme sei daher rechtswidrig gewesen.
II. Entscheidung des BVerwG
1. Grundsatz: Keine Wartepflicht
Das BVerwG hat entschieden, dass die Maßnahme rechtmäßig, insbesondere nicht unverhältnismäßig ist. Denn eine Wartezeit müsse bei einem sich aus dem Zeichen 229 ergebenden absoluten Haltverbot parkenden Fahrzeug grundsätzlich nicht eingehalten werden. Dies werde dadurch bestätigt, dass das früher an Taxiständen geltende Parkverbot nunmehr zu absoluten Halteverboten verschärft wurde. Der Verordnungsgeber messe der jederzeitigen bestimmungsgemäßen Nutzbarkeit der Taxenstände daher eine hohe Bedeutung bei.
2. Ausnahme: Wartepflicht bei konkreten Umständen des Einzelfalls
Eine Wartepflicht soll ausnahmsweise dann anzunehmen sein, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der Verantwortliche kurzfristig wieder am Fahrzeug erscheinen und es unverzüglich selbst entfernen wird. (Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Verantwortliche mit Datum und Uhrzeit seine Mobilfunknummer hinterlässt und deutlich macht, dass er unverzüglich wieder am Fahrzeug erscheinen wird.)
In dem vom BVerwG zu entscheidenden Fall konnte der Fahrer jedoch nicht telefonisch erreicht werden, sodass auch keine weitere Wartepflicht bestand.
III. Das Wichtigste für die Klausur
Der Abschlepp-Fall spielt sich in der Regel im Vollstreckungsrecht ab. Sollte sich beim Lesen des Sachverhalts also abzeichnen, dass es sich um einen solchen Fall handelt, sollte man in jedem Fall die vollstreckungsrechtlichen Vorschriften des VwVG im Hinterkopf behalten. Meist wird in den Examensklausuren nach Landesrecht vollstreckt, sodass die jeweiligen Landes-Vollstreckungsgesetze sowie – bei Vollstreckung durch die Polizei – die jeweiligen Landes-Polizeigesetze einschlägig sind. Aufhänger der meisten Klausuren ist dabei der Kostenbescheid für die Abschleppmaßnahme, sodass die Rechtmäßigkeit derselben inzident zu prüfen ist.
1. Ermächtigungsgrundlage
Da bei den Abschleppfällen meist Kostenbescheide angegriffen werden ist die Ermächtigungsgrundlage häufig in einer Norm aus dem Vollstreckungsgesetz i.V.m. einer Norm, welche die Erhebung der Kosten regelt (in NRW bspw. §§ 55, 57 Abs. 1 Nr. 1, 59, 77 Abs. 1 VwVG NW i.V.m. § 20 Abs. 2 Nr. 7 VO VwVG), zu finden.
Hier ist üblicherweise eine Abgrenzung der Ersatzvornahme von der Sicherstellung vorzunehmen, da beim Abschleppen eines PKW grundsätzlich beides in Betracht kommt. Dabei liegt eine Sicherstellung vor, wenn eine Gefahr für das Fahrzeug vorlag, eine Ersatzvornahme, wenn von dem Fahrzeug eine Gefahr ausging. In der Regel liegt jedoch eine Ersatzvornahme vor.
Im weiteren Verlauf erfolgt das Prüfungsschema nach den in NRW geltenden Normen.
2. Formelle Rechtmäßigkeit
a) Zuständig ist nach § 77 Abs. 1 S. 2 VwVG, der Rechtsträger, dessen Behörde die Amtshandlung vornimmt.
b) Hinsichtlich des einzuhaltenden Verfahrens wird oft eine fehlende Anhörung gerügt, welche jedoch gem. § 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG NW nicht durchzuführen ist, da es sich bei der Anforderung der Kosten für die Ersatzvornahme nicht um eine Maßnahme in der Verwaltungsvollstreckung handelt.
3. Materielle Rechtmäßigkeit
Hier ist es besonders wichtig, nicht den Überblick zu verlieren, da in diesem Abschnitt umfassende Inzidentprüfungen vorzunehmen sind.
a) Tatbestandsvoraussetzungen der EGL
Zu prüfen sind die Voraussetzungen der unter 1. festgestellten Ermächtigungsgrundlage. Gemäß § 77 Abs. 1 VwVG NW sind „Amtshandlungen nach diesem Gesetz“ erstattungsfähig. Die Ersatzvornahme stellt die Amtshandlung i.d.S. dar, welche inzident zu prüfen ist (1. Inzidentprüfung).
aa) Ermächtigungsgrundlage
Hier ist zu entscheiden, ob die Behörde das gestreckte (dann § 55 Abs. 1 VwVG NW – EGL) oder das gekürzte Verfahren (dann § 55 Abs. 2 VwVG NW – EGL) angewendet hat. Dies ist anhand des Sachverhalts zu ermitteln.
bb) Formelle Rechtmäßigkeit
(1) Zuständig ist gemäß § 56 VwVG NW die sog. Vollzugsbehörde, also die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat.
(2) Hinsichtlich des Verfahrens ist hier zu beachten, dass es sich um eine Maßnahme in der Verwaltungsvollstreckung handelt, sodass gem. § 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG NW eine Anhörung durchzuführen ist.
cc) Materielle Rechtmäßigkeit
Bei der materiellen Rechtmäßigkeit sind die Tatbestandsvoraussetzungen der jeweils einschlägigen Ermächtigungsgrundlage (gestrecktes/gekürztes Verfahren) zu prüfen. Dabei kommt es wiederum regelmäßig zu einer Inzidentprüfung, da die Wirksamkeit oder Rechtmäßigkeit des vollstreckten Verwaltungsaktes (häufig ein Halteverbotsschild!) zu prüfen ist (2. Inzidentprüfung).
– Im Falle des § 55 Abs. 1 VwVG NW bedeutet dies:
(1) VA der auf Handlung, Duldung oder Unterlassung gerichtet ist
(2) Unanfechtbarkeit des VA oder fehlende aufschiebende Wirkung eines Rechtsmittels
(3) Rechtmäßigkeit des VA (str. – kann dahinstehen, wenn RMK (+)
 hier sollte der Grund-VA (z.B. das Verkehrszeichen) inzident geprüft werden! (3. Inzidentprüfung!)

  • EGL: § 45 Abs. 1 S. 1 StVO
  • Formelle RMK ist grds. gegeben
  • Materielle RMK: § 45 Abs. 1 S. 1 StVO lautet „Die Straßenverkehrsbehörden können die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten.“ Daher ist hier zu prüfen, ob solche Gründe der (öffentlichen) Sicherheit oder Ordnung vorliegen und ob die Verhältnismäßigkeit gegeben ist.

(4) Androhung des Zwangsmittels
– wenn (-) gekürztes Verfahren prüfen!
(5) Festsetzung des Zwangsmittels
– wenn (-) gekürztes Verfahren prüfen!
(6) Anwendung des Zwangsmittels
(7) Verhältnismäßigkeit der Zwangsmaßnahme
Die Ersatzvornahme muss auch verhältnismäßig sein, sodass hier eine eventuelle Wartepflicht des städtisch Bediensteten zu prüfen ist.
– Im Falle des § 55 Abs. 2 VwVG NW bedeutet dies:
(1) Gegenwärtige Gefahr
(2) Rechtmäßigkeit eines hypothetischen Grund-VA

  • erst recht kann das gekürzte Verfahren angewendet werden, wenn tatsächlich ein VA (z.B. Verkehrsschild) erlassen wurde und das gestreckte Verfahren nur an der fehlenden Androhung und/oder Festsetzung scheitert!
  •  aus der Formulierung „handeln innerhalb ihrer Befugnisse“ wird die RMK eines hypothetischen Grund-VA hergeleitet
  • hier wird der Grund-VA (z.B. das Verkehrszeichen) inzident geprüft (3. Indizdentprüfung!)

– EGL: § 45 Abs. 1 S. 1 StVO
– Formelle RMK ist grds. gegeben
– Materielle RMK: § 45 Abs. 1 S. 1 StVO lautet „Die Straßenverkehrsbehörden können die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten.“ Daher ist hier zu prüfen, ob solche Gründe der (öffentlichen) Sicherheit oder Ordnung vorliegen und ob die Verhältnismäßigkeit gegeben ist.

(3) Notwendigkeit des Handeln im Sofortvollzug
b) Rechtmäßigkeit des Kostenansatzes
Anschließend sind noch die Rechtmäßigkeit des Kostenansatzes (Art, Höhe, Fälligkeit) sowie …
c) Ermessen
… das Ermessen hinsichtlich Kostenschuldner (§§ 17, 18 OBG) und Anordnung der Kosten zu prüfen.
Bei den Abschleppfällen sollte man vor allem sauber arbeiten und eine ordentliche Lösungsskizze verfassen, die sauber zwischen den verschiedenen Ebenen (Kostenbescheid – Ersatzvornahme – vollstreckter VA [sehr oft Verkehrszeichen!]) trennt.

12.05.2014/7 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2014-05-12 08:00:092014-05-12 08:00:09BVerwG: Zur Konkretisierung der Wartepflicht von Abschleppdiensten
Gastautor

Die Androhung von Zwangsmitteln in der Verwaltungsvollstreckung

Öffentliches Recht, Referendariat, Schon gelesen?, Verschiedenes, Verwaltungsrecht

Wir freuen uns, heute erneut einen Gastbeitrag von David Ullenboom veröffentlichen zu können. David ist zur Zeit Rechtsreferendar am LG Münster.
I. Einführung
Gem. § 63 Abs.1 S.1 VwVG NRW sind Zwangsmittel (Ersatzvornahme, Zwangsgeld, unmittelbarer Zwang) grds. vor ihrer Anwendung dem Betroffenen gegenüber anzudrohen. Auf die Androhung kann nur ausnahmsweise verzichtet werden (§ 63 Abs.1 S.5 VwVG NRW). Das betrifft insbesondere die Fälle des sog. „Sofortvollzugs“ ohne vorausgehenden VA (§ 55 Abs.2 VwVG NRW). Die Androhung ist ein notwendiger Verfahrensschritt auf dem Weg hin bis zur Anwendung eines Zwangsmittels. Die Androhung eines Zwangsmittels ist in besonderem Maße Ausdruck eines rechtsstaatlichen Vollstreckungsverfahrens (Art. 20 III GG). In einem Rechtsstaat verbietet es sich, Verwaltungsakte gegen den Bürger „überfallartig“ ohne Ankündigung zu vollstrecken.
Der folgende Beitrag widmet sich allein der Problematik der Androhung von Zwangsmitteln in Nordrhein-Westfalen. Einschlägige Regelung ist hier § 63 VwVG NRW. Daneben existieren – teils abweichende – spezielle Regelungen der Androhung in § 56 PolG NRW, § 13 VwVG Bund und im besonderen Verwaltungsrecht z. B. in § 59 AufenthG, die hier nicht näher behandelt werden sollen.
II. Allgemeines
Die Androhung eines Zwangsmittels ist ein eigenständiger Verwaltungsakt („Androhungs-VA“, vgl. Kopp/Schenke, § 42 Rn. 32). Der Regelungsinhalt der Androhung wird überwiegend in der Auswahl eines bestimmten Zwangsmittels (Ersatzvornahme, Zwangsgeld, unmittelbarer Zwang) durch die Vollzugsbehörde und der Bestimmung einer angemessenen Frist für die Verpflichtung aus dem Grund-VA gesehen (vgl. § 63 Abs.1 S.2-4, Abs.3 S.1 VwVG NRW).
Die Androhung ist ein eigenständiges Beugemittel im Vorfeld der Anwendung des Zwangsmittels. Der Pflichtige soll durch die Androhung des Zwangsmittels veranlasst werden, die im Grund-VA geregelte Verpflichtung zu erfüllen (Dietlein/Burgi/Hellermann, Landesrecht NRW, § 3 Rn. 247)
Der Androhungs-VA soll gem. § 63 Abs.2 VwVG NRW regelmäßig mit dem Grund-VA, der vollstreckt wird, verbunden werden. In der Praxis, insbesondere im Bereich von Ordnungsverfügungen, ist dies der Regelfall. Daraus ergibt sich, dass die typische Ordnungsverfügung regelmäßig zwei Verwaltungsakte enthält: Die Grundverfügung und die Zwangsmittelandrohung. Die ebenfalls in Ordnungsverfügungen oftmals ausgesprochene Anordnung der sofortigen Vollziehung (ASofVZ) gem. § 80 Abs.2 S.1 Nr.4 VwGO ist hingegen nach h. M. kein eigenständiger VA, sondern ein bloßer unselbständiger Annex (Kopp/Schenke, § 80 Rn. 78).
Diese in praxi weit verbreitete Verbindung von Grund-VA und Androhungs-VA hat zur Folge, dass regelmäßig der gesamte Bescheid nach den Vorschriften des LZG NRW förmlich zugestellt werden muss, weil die Androhung als zustellungsbedürftiger VA den gesamten Bescheid „infiziert“ (vgl. § 63 Abs.6 VwVG NRW).
Da die Androhung ein selbständiger VA ist, kann sie auch isoliert mittels Widerspruch und Anfechtungsklage angegriffen werden, z. B. wenn die Androhung ausnahmsweise nicht mit dem Grund-VA verbunden wurde. Dem steht auch nicht § 44a VwGO entgegen. Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, dass die Androhung nur eine unselbständige Verfahrenshandlung auf dem Weg zur Anwendung des Zwangsmittels darstellt (Androhung, Festsetzung, Anwendung). § 44a VwGO setzt aber ein Verwaltungsverfahren voraus, das auf den Abschluss durch Sachentscheidungs-VA gerichtet ist (Kopp/Schenke, § 44a Rn. 3). Die Androhung gehört aber zum Vollstreckungsverfahren, welches dem Verwaltungsverfahren (vgl. § 9 VwVfG NRW) nachgelagert ist, und ist zudem nicht auf einen Sachentscheidungs-VA gerichtet, sondern auf einen Realakt in Form der Anwendung des angedrohten Zwangsmittels.
Rechtsbehelfe gegen den Androhungs-VA haben gem. § 80 Abs.2 S.1 Nr.3 VwGO i.V.m. § 112 JustG NRW keine aufschiebende Wirkung, weil die Androhung des Zwangsmittels eine „Maßnahme in der Verwaltungsvollstreckung“ ist. Eine ASofVZ durch die Behörde auch in Bezug auf die Androhung wäre also nicht notwendig. Dem Adressaten wird effektiver Rechtsschutz gegen die Androhung somit nur mittels eines Antrags nach § 80 Abs.4 an die Behörde oder gem. § 80 Abs.5 VwGO an das Verwaltungsgericht gewährt. Rechtsbehelfe gegen den Grund-VA haben hingegen vorbehaltlich von Ausnahmen grds. aufschiebende Wirkung (vgl. § 80 Abs.1 VwGO). Will die Behörde den Grund-VA sofort vollziehen, muss sie somit gem. § 80 Abs.2 S.1 Nr.4 VwGO die sofortige Vollziehung anordnen.
Will der Adressat die in einem Bescheid verbundenen Verwaltungsakte (Grundverfügung, Androhung) gleichzeitig mittels Anfechtungsklage angreifen, so ist dies eine grds. gem. § 44 VwGO zulässige objektive Klagehäufung, weil beide im Zusammenhang stehen, sich gegen den selben Beklagten richten und für beide Anfechtungsklagen das Verwaltungsgericht zuständig ist.
III. Ermächtigungsgrundlage
Da die Androhung eines Zwangsmittels ein selbständiger belastender VA ist, erfordert diese nach dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes und vom Parlamentsvorbehalt eine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Ermächtigungsgrundlage für den Androhungs-VA ist hierbei § 55 i.V.m. § 63 Abs.1 S.1 VwVG NRW (Näheres dazu sogleich).
IV. formelle Anforderungen
Zuständig für die Androhung eines Zwangsmittels ist gem. § 56 Abs.1 VwVG NRW die Ausgangsbehörde, die den Grund-VA erlassen hat. Der Begriff des „Vollzugs des VA“ i.S.v. § 56 Abs.1 VwVG NRW ist hierbei weit zu verstehen und erfasst nicht nur die eigentliche Anwendung des Zwangsmittels, sondern auch die vorgelagerte Androhung und Festsetzung des Zwangsmittels.
Eine Anhörung gem. § 28 Abs.1 VwVfG NRW ist vor dem Erlass des Androhungs-VA gem. § 28 Abs.2 Nr.5 VwVfG NRW nicht notwendig, weil die Androhung eine „Maßnahme in der Verwaltungsvollstreckung“ ist. Wird die Androhung hingegen gem. § 63 Abs.2 VwVG NRW mit dem Grund-VA verbunden, muss der Adressat in Bezug auf den Grund-VA vorher angehört werden.
Die Androhung muss gem. § 63 Abs.1 S.1 VwVG NRW schriftlich ergehen.
V. materielle Anforderungen
1. Allgemeine Voraussetzungen
§ 63 Abs.1 S.1 VwVG NRW spricht nur davon, dass Zwangsmittel anzudrohen sind. Der Androhungs-VA ist aber nicht voraussetzunglos. Ansatzpunkt muss hier zunächst § 55 Abs.1 VwVG sein. Danach kann ein Grund-VA mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn ein Rechtmittel keine aufschiebende Wirkung hat. Die Androhung ist nun selbst aber kein „Zwangsmittel“ (vgl. § 57 VwVG NRW) i.S.d. § 55 Abs.1 VwVG NRW. Man könnte wiederum geneigt sein, den Begriff der „Durchsetzung mit Zwangsmitteln“ weit zu verstehen und auch die Androhung (und Festsetzung) darunter zu subsumieren. Dies würde aber zu der unerwünschten Konsequenz führen, dass die Voraussetzungen des § 55 Abs.1 VwVG NRW im Zeitpunkt des Erlasses des Androhungs-VA oftmals (noch) nicht vorlägen. Erlässt die zuständige Ordnungsbehörde beispielsweise gegen einen Störer eine Ordnungsverfügung ohne gem. § 80 Abs.2 S.1 Nr.4 VwGO die sofortige Vollziehung anzuordnen und droht gleichzeitig ein bestimmtes Zwangsmittel an, fehlt es für die Vollstreckungsvoraussetzungen des § 55 Abs.1 VwVG NRW im Zeitpunkt der Androhung an der Unanfechtbarkeit des Grund-VA, weil diese erst nach Ablauf von einem Monat ab Zustellung des Grund-VA eintritt (§§ 70, 74 VwGO). Dies alles zeigt, dass eine direkte Anwendung des § 55 Abs.1 VwVG NRW auf den Erlass des Androhungs-VA nicht so recht passt. Erforderlich sind einige Modifizierungen.
Zunächst könnte man sagen, dass § 55 Abs.1 VwVG NRW im Falle des Androhungs-VA so zu lesen ist, dass dessen Voraussetzungen erst bei Ablauf der in der Androhung gesetzten Frist vorliegen müssen. Da die Frist in den Fällen, in denen keine ASofVZ ergeht, gem. § 63 Abs.1 S.3 VwVG NRW die Rechtsmittelfrist von einem Monat nicht unterschreiten darf, tritt bei Fristablauf grds. Unanfechtbarkeit ein, sodass in diesem zukünftigen Zeitpunkt die Voraussetzungen des § 55 Abs.1 VwVG NRW grds. vorlägen.
Problematisch wird dies aber wiederum dann, wenn der Adressat der Ordnungsverfügung nun mit aufschiebender Wirkung ein Rechtsmittel einlegt. Da die Bestandskraft dann über den Zeitraum von einem Monat hinaus gehemmt ist, lägen die Voraussetzungen des § 55 Abs.1 VwVG NRW nach Ablauf von 1 Monat ab Zustellung des Grund-VA auch dann nicht vor.
Dennoch ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber jedenfalls in den Fällen, in denen die Androhung mit dem Grund-VA verbunden wird, eine Androhung bereits vor Unanfechtbarkeit des Grund-VA zulassen wollte. Ansonsten wäre die in § 63 Abs.2 S.1 VwVG NRW vorgesehene Möglichkeit, den nicht für sofort vollziehbar erklärten Grund-VA mit der Androhung zu verbinden, aus sich heraus nicht verständlich. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber der Verwaltung die Möglichkeit einer rechtswidrigen Verbindung von zwei VAen einräumt. § 63 Abs.2 VwVG NRW dient insbesondere der Verfahrensvereinfachung in der Zwangsvollstreckung.
Auch bei nicht sofort vollziehbaren oder bestandskräftigen Grundverfügungen ist eine Androhung somit zulässig, wenn die Möglichkeit besteht, dass die Vollstreckungsvoraussetzungen des § 55 Abs.1 VwVG NRW bei Ablauf der gesetzten Frist vorliegen, nämlich in dem Fall, dass der VA vom Adressaten nicht angefochten wird (Engelhardt, VwVG NRW, § 63 Rn. 16).
2. Fristsetzung
Enthält der Grund-VA ein Handlungsgebot für den Adressaten, dann ist dem Betroffenen in der Androhung eines Zwangsmittels eine angemessene Frist zur Erfüllung dieser Handlungspflicht zu bestimmen. Im Falle einer Unterlassungs- oder Duldungsverfügung ist eine Fristsetzung nicht erforderlich (vgl. § 63 Abs.1 S.2 VwVG NRW). Ist der Grund-VA nicht für sofort vollziehbar erklärt worden und noch nicht bestandskräftig, darf die gesetzte Frist die Rechtsbehelfsfrist von einem Monat ab Bekanntgabe (vgl. §§ 70, 74 VwGO) nicht unterschreiten (§ 63 Abs.1 S.3 VwVG NRW). Der Grund dieser Regelung ist darin zu sehen, dass dem Adressaten eines nicht vollziehbaren VA die Möglichkeit verbleiben soll, die Rechtsbehelfsfrist voll auszuschöpfen (effektiver Rechtsschutz). Vor Ablauf der Monatsfrist ist der VA zudem gar nicht vollziehbar. Zwangsmittel dürfen aber nicht für einen Zeitpunkt angekündigt werden, zu dem die Vollstreckungsvoraussetzungen sicher noch gar nicht vorliegen. Wichtig ist auch die Regelung des § 63 Abs.1 S.4 VwVG NRW. Hat die Behörde im Androhungs-VA als Fristbeginn die Zustellung bestimmt, so tritt an dessen Stelle kraft Gesetzes der Zeitpunkt der Bestandskraft der Grundverfügung, wenn der Adressat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung einlegt. Diese Regelung ermöglicht die in praxi weit verbreitete Tenorierung nach Art von:

1. (Grund-VA)
2. Für den Fall, dass Sie der Verfügung zu Ziff.1 dieses Bescheids nicht innerhalb einer Frist von 1 Monat ab Zustellung dieses Bescheids nachkommen, drohe ich Ihnen an…

Legt der Adressat nun einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung ein, so wird die Bestandskraft des VA über die Monatsfrist hinaus gehemmt. Grundsätzlich wäre der Grund-VA daher trotz Fristablaufs nicht vollstreckbar. Die Behörde müsste dann das Zwangsmittel unter neuer Fristsetzung (nun: ein Monat ab Bestandskraft des VA) erneut androhen. Hier setzt § 63 Abs.1 S.4 VwVG NRW an, der bestimmt, dass kraft Gesetzes an die Stelle der Zustellung als Fristbeginn, die Bestandskraft des Grund-VA tritt, falls der Adressat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung einlegt (Verfahrensvereinfachung).
Um Missverständnisse beim Bürger zu vermeiden, wird bisweilen vorgeschlagen, im Androhungs-VA als Fristbeginn sogleich die Bestandskraft des Grund-VA zu bestimmen (z. B. „1 Monat ab Bestandskraft dieses Bescheids“; vgl. etwa Engelhardt, VwVG NRW, § 63 Rn. 18). Dem ist nicht zuzustimmen. Danach könnte die Verwaltung, selbst wenn der Adressat keinen Rechtsbehelf einlegt, erst nach Ablauf von zwei Monaten ab Zustellung der Grundverfügung vollstrecken. Ein solcher automatischer Vollstreckungsaufschub für den Adressaten der Verfügung ist aber nicht gerechtfertigt und widerspricht einer effektiven Vollstreckung von VAen.
Wird die Androhung mit dem Grund-VA verbunden (§ 63 Abs.2 VwVG NRW), so ist fraglich, ob die Fristsetzung im Rahmen der Grundverfügung oder der Androhung erfolgen soll. Gem. § 63 Abs.1 S.2 VwVG NRW ist dem Betroffenen „in der Androhung…eine angemessene Frist zu setzen“. Gem. § 37 Abs.1 VwVfG muss der Grund-VA inhaltlich hinreichend bestimmt sein, was voraussetzt, dass der Betroffene erkennen kann, was wann von ihm verlangt wird (vgl. Kopp/Ramsauer, § 37 Rn. 6a). Eine doppelte Fristsetzung in der Grundverfügung und im Androhungs-VA ist offensichtlich unsinnig. Der Wortlaut des § 63 Abs.1 S.2 VwVG NRW („Dem Betroffenen ist in der Androhung eine Frist zu bestimmen“) und der Lex-specialis-Charakter der Vorschrift gegenüber der allgemeinen Vorschrift des § 37 Abs.1 VwVfG sprechen dafür, eine Fristsetzung nur im Androhungs-VA auszusprechen. Für dieses Ergebnis spricht auch, dass § 37 Abs.1 VwVfG nicht voraussetzt, dass sich der bestimmte Inhalt des VA allein aus dem Verfügungssatz des VA präzise ergibt. Vielmehr soll es ausreichend sein, wenn sich dieser aus dem sonstigen Umständen des VA (andere Teile des Tenors, Begründung) ergibt (vgl. Kopp/Ramsauer, § 37 Rn. 6). Andererseits wird durch eine Fristsetzung nur im Grund-VA der Zweck des Fristsetzungserfordernisses ebenso gut erreicht wie bei einer Platzierung im Androhungs-VA. Deshalb dürften im Ergebnis beide Wege gangbar sein (vgl. Sadler, VwVG Bund, § 13 Rn. 71). Man kann demnach alternativ formulieren:
a) Fristsetzung im Grund-VA

1. Ihnen wird aufgegeben, innerhalb einer Frist von…
2. Für den Fall, dass Sie der Verfügung zu Ziff. 1 dieses Bescheids nicht fristgemäß nachkommen, drohe ich Ihnen…

b) Fristsetzung im Androhungs-VA

1. Ihnen wird aufgegeben,…
2. Für den Fall, dass Sie der Verfügung zu Ziff. 1 dieses Bescheids nicht innerhalb einer Frist von…nachkommen, drohe ich Ihnen…

3. weitere Voraussetzungen
Die Androhung muss ein bestimmtes Zwangsmittel bestimmen (Ersatzvornahme, Zwangsgeld, unmittelbarer Zwang). Dies ist gerade der wesentliche Regelungsinhalt des Androhungs-VA. Werden mehrere Zwangsmittel (z. B. Ersatzvornahme und Zwangsgeld) – unüblich – angedroht, so muss die genaue Reihenfolge, in welcher die einzelnen Zwangsmittel angewendet werden sollen, angegeben werden (vgl. § 63 Abs.3 VwVG NRW). Die gleichzeitige Anwendung mehrerer Zwangsmittel ist demnach grds. unzulässig („Kumulationsverbot“).
Bei einer Ersatzvornahme müssen in der Androhung zugleich die voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme (Selbst- oder Fremdvornahme) angegeben werden (§ 63 Abs.4 VwVG NRW). Da diese dem Prüfling in der Klausur nicht bekannt sein werden, sollte der Prüfling im Tenor einfach einen Betrag angeben, der ihm plausibel erscheint, um dem Prüfer zu zeigen, dass er das Problem gesehen hat. Ein Zwangsgeld ist in bestimmter Höhe anzudrohen (§ 63 Abs.5 VwVG NRW). Hier muss der Examenskandidat einen Betrag angeben, der sich innerhalb des vorgesehenen Zwangsgeldrahmens von 10 EUR bis 100.000 EUR hält (vgl. § 60 Abs.1 S.1 VwVG NRW). Aus dem Charakter des Zwangsgeldes als Beugemittel ergibt sich, dass bei der Bemessung der Höhe des Zwangsgeldes die konkreten Einkommensverhältnisse des Betroffenen und etwaige aus der Nichtbefolgung des VA fließende Vorteile zu berücksichtigen sind, damit das Zwangsmittel für diesen auch spürbar ist (§ 60 Abs.1 S.2 VwVG NRW). Die Androhung eines Zwangsgeldes „bis zu…EUR“ ist demnach aber mangels bestimmter Höhe rechtswidrig (Engelhardt, VwVG NRW, § 63 Rn. 35)
4. Androhung „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“
In NRW besteht die Besonderheit, dass ein Zwangsmittel im Falle einer Unterlassungs- und Duldungsverfügung „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ angedroht werden darf (vgl. § 57 Abs.3 S.2 VwVG NRW). Anders ist dies auf Bundesebene. Hier ist eine Androhung für jeden Fall der Zuwiderhandlung nach h. M. wegen Verstoßes gegen das Kumulationsverbot des § 13 Abs.3 S.2 VwVG Bund unzulässig (vgl. Engelhardt/App, VwVG Bund, § 13 Rn. 4).
 
VI. Resumée
Die Androhung von Zwangsmitteln ist vielen Studierenden der Rechtswissenschaft nur als „unselbständige“ Vollstreckungsvoraussetzung bekannt. Die Androhung ist aber ein eigenständiger VA, der grds. auch isoliert angefochten werden kann. Bei der Prüfung oder Tenorierung eines Androhungs-VA betreten viele Studierende deshalb Neuland. Die Regelung des Androhungs-VA in § 63 VwVG NRW wirft hierbei in praxi viele Probleme auf, deren Kenntnis und Einordnung dem Studierenden die Handhabung der Androhung erleichtert.



[1] Der Autor ist derzeit Rechtsreferendar am Landgericht Münster.

29.09.2012/4 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2012-09-29 13:47:572012-09-29 13:47:57Die Androhung von Zwangsmitteln in der Verwaltungsvollstreckung

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