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Schlagwortarchiv für: Verwahrungsbruch

Christian Muders

Aus aktuellem Anlass: Strafbarkeit des „Schredderns“ amtlicher Akten

Startseite, Strafrecht, Strafrecht BT, Tagesgeschehen

In den letzten Tagen wurde in den Medien davon berichtet, dass ein Referatsleiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) im November 2011, just als die NSU-Terror-Zelle aufflog und die Bundesanwaltschaft nach Übernahme der Ermittlungen alle relevanten Akten angefordert hatte, sieben Dokumente vernichtete, die von seinem Referat erstellt worden waren (vgl. etwa hier und hier). Der Sachverhalt ereignete sich dabei anscheinend dergestalt, dass der Referatsleiter von der Amtsleitung des BfV anlässlich der Anfrage der Staatsanwaltschaft den Auftrag erhielt, seinen Aktenbestand auf die Namen der NSU-Terroristen bzw. Querverbindungen zur rechten Szene durchzusehen. Dabei fiel ihm nach eigener Aussage auf, dass mehrere Akten die Aufbewahrungsgrenze von zehn Jahren überschritten hatten, so dass er deren Vernichtung anordnete.
Der Vorfall bietet Anlass genug, sich aus strafrechtlicher Perspektive und im Hinblick auf eine möglicherweise nahende mündliche Prüfung mit der Frage zu beschäftigen, nach welchen Delikten sich der Referatsleiter ggf. strafbar gemacht haben könnte. Dabei soll im Folgenden freilich keine „Musterlösung“ präsentiert, sondern nur Denkanstöße für die Prüfung evtl. einschlägiger Strafvorschriften gegeben werden – ergänzende Vorschläge und Anmerkungen immer möglich. Die Darstellung orientiert sich dabei an der Reihenfolge der Tatbestände im Gesetz.
1. Strafbarkeit wegen Verwahrungsbruchs, § 133 Abs. 1 StGB:
Nach diesem Tatbestand macht sich u.a. strafbar, wer Schriftstücke oder andere bewegliche Sachen, die sich in dienstlicher Verwahrung befinden, zerstört, beschädigt, unbrauchbar macht oder der dienstlichen Verfügung entzieht.
a) Insofern bedarf es zunächst einmal eines tauglichen Tatobjekts: Eine Sache befindet sich in amtlicher Verwahrung, wenn sie durch eine Behörde, einen Amtsträger oder einen für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten in Gewahrsam genommen worden ist, um sie für bestimmte, über das bloße Funktionsinteresse der Behörde hinausgehende Zwecke um ihrer selbst willen möglichst unversehrt zu erhalten und vor unbefugtem Zugriff zu bewahren. Zu den tatbestandsmäßigen Schriftstücken zählen dabei auch dienstliche Akten (vgl. MK-Hohmann, 2. Aufl. 2012, § 133 Rn. 6).
b) Fraglich ist aber, ob sich die hier interessierenden sieben Akten zum Zeitpunkt der Tathandlung, nämlich ihrer Vernichtung, noch in dienstlicher Verwahrung befanden. Die dienstliche Verwahrung dauert so lange an, bis sie durch Erfüllung des Zwecks der Verwahrung aufgehoben wird (vgl. LK-Krauß, 12. Aufl. 2011, § 133 Rn. 15). Nach den Presseberichten wies der Referatsleiter die Löschung der Akten an, die dann einen Tag später von einem anderer Mitarbeiter auftragsgemäß durchgeführt wurde. Durchaus denkbar ist nun, dass dann, wenn (wie offenbar hier) der Referatsleiter zu einer solchen Anweisung grds. befugt ist, das dienstliche Verwahrungsverhältnis mit der Anordnung zur Vernichtung aufgehoben wird. Entsprechendes nimmt der BGH jedenfalls in einem Fall an, in dem es um die Entziehung (= 4. Tatmodalität des § 133 Abs. 1 StGB) eines Führerscheins aus der dienstlichen Verwahrung ging (BGHSt 33, 190 [193 ff.]):

Ein im Sinne des § 133 StGB beachtlicher (…) Verwahrungszweck endet jedenfalls in dem Augenblick, in dem der zur amtlichen Verfügung darüber Berechtigte den Führerschein der allgemeinen dienstlichen Verwendung zuführt. Mit einer solchen Verfügung durch den Berechtigten wird der Führerschein nicht der dienstlichen Verwendung entzogen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Berechtigte eine in jeder Hinsicht gesetzmäßige Verfügung trifft und ob er ein ihm vom Gesetz eingeräumtes Ermessen sachgemäß ausübt (…).

Bei der anschließende Tathandlung, nämlich der Zerstörung der Akten auf Weisung des Referatsleiters, wären die Akten dann nicht mehr taugliches Tatobjekt i.S.d. § 133 StGB gewesen und unterfielen mithin nicht mehr dem Tatbestand.
2. Strafbarkeit wegen Urkundenunterdrückung, § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB:
Der Tatbestand erfordert, dass der Täter eine echte Urkunde, die ihm nicht oder nicht ausschließlich gehört, in der Absicht, jemandem einen Nachteil zuzufügen, beschädigt, vernichtet oder unterdrückt.
a) Zu prüfen ist zunächst, ob der Akteninhalt als taugliches Tatobjekt, nämlich als eine fremde Urkunde anzusehen ist. Urkunden sind verkörperte Gedankenerklärungen, die den Aussteller erkennen lassen und zum Beweis einer rechtserheblichen Tatsache geeignet und bestimmt sind (vgl. nur Joecks, Studienkommentar StGB, 8. Aufl. 2009, § 267 Rn. 13).
aa) Nach den Presseinformationen handelte es sich bei den sieben gelöschten Akten um Dossiers, sog. Beschaffungsakten, in welchen alle Details der Anwerbung einer Quelle bis hin zu Decknamen und Einschätzungen der Person vermerkt werden. Mithin sind diese Akten (verkörperte) Gedankenerklärungen, die auch ihren Aussteller (wohl das BfV) erkennen lassen.
bb) Fraglich erscheint indes, ob sie auch zum Beweis geeignet und bestimmt waren. Eine generelle Beweiseignung, nämlich um evtl. Verbindungen und Ermittlungen des Verfassungsschutzes bzgl. der NSU bzw. ihrer Vorgängerorganisation, dem Thüringer Heimatschutz, zu dokumentieren, ist grds. zu bejahen. Hinsichtlich der Beweisbestimmung kann man zwischen Absichts– und Zufallsurkunden unterscheiden (dazu Kindhäuser, LPK, 4. Aufl. 2010, § 267 Rn. 10): Erstere sind bereits bei ihrer Erstellung zum Beweis bestimmt (z.B. Kaufvertragsurkunde), letztere werden erst nachträglich von einem Dritten hierzu gewidmet (z.B. beleidigende Briefe, die das Opfer zur Vorbereitung eines Prozesses sammelt). Vorliegend dürfte die ursprüngliche Bestimmung der Akten, Beweis zu erbringen, eher zweifelhaft sein; offenbar sollte ihnen als „Dossier“ ein reiner Informationsgehalt bzgl. der angeworbenen Personen als „Quellen“ zukommen. Im Hinblick auf eine nachträgliche Beweisbestimmung könnte man sich allerdings fragen, ob nicht jedenfalls zum Zeitpunkt, als die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen und relevante Akten angefordert hatte, eine solche anzunehmen ist. Allerdings war der Referatsleiter laut Presseberichten nach eigener Aussage in den von ihm vernichteten Akten gerade nicht fündig geworden: So meldete er der Amtsleitung einen Tag, nachdem er den Auftrag bekommen hatte, seine Akten auf die Namen der NSU-Terroristen und mögliche Querverbindungen in die rechte Szene hin durchzusehen, in den Akten befänden sich weder die Namen der drei Terroristen noch andere Hinweise. Ob wiederum die spätere Bedeutung der Akten bei der politischen Aufarbeitung, namentlich um die Arbeit der Geheimdienste zu untersuchen, zum Zeitpunkt der Vernichtung bereits ausreichend im Fokus stand, erscheint fraglich. Mithin ist auch die Einordnung der Dossier-Akten als Zufallsurkunden zumindest zweifelhaft.
cc) Bejaht man nichtsdestotrotz die Beweisbestimmung, haben die Urkunden dem Referatsleiter nicht „gehört“ i.S.d. Tatbestandes und waren somit „fremd“ für ihn, wobei es hierfür allein darauf ankommt, ob jemand anderem ein Beweisführungsrecht an der Urkunde zusteht.
b) Eine taugliche Tathandlung i.S.e. Vernichtung liegt beim Zerstören der Akten auf Anweisung des Referatsleiters vor.
c) Fraglich ist schließlich, ob der Referatsleiter mit Nachteilszufügungsabsicht gehandelt hat. Unterstellt man, wie von dem BfV verlautbart, ein bloß „gedankenloses“ Handeln bzw. eine „eklatante Instinktlosigkeit“ desselben, ist dies zu verneinen. Denn die Nachteilszufügungsabsicht fordert (nach h.M.) jedenfalls einen dolus directus 2. Grades, also sicheres Wissen hinsichtlich der notwendigen Folge eines fremden Nachteils (hierzu Joecks, Studienkommentar StGB. 8. Aufl. 2009, § 274 Rn. 23).
3. Strafbarkeit wegen Sachbeschädigung, § 303 Abs. 1 StGB:
Wegen Sachbeschädigug nach § 303 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer eine fremde bewegliche Sache beschädigt oder zerstört.
a) Die Sache, nämlich die sieben Dossiers, sind durchaus als fremd, da nicht im (Allein-) Eigentum des Referatsleiters stehend, einzuordnen. Eine Zerstörung ist mit ihrer Vernichtung, ebenso wie bei §§ 133 Abs. 1, 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB, zu bejahen.
b) Allerdings erscheint fraglich, ob dem Referatsleiter nicht ein Rechtfertigungsgrund zur Seite stand. Zu denken wäre insofern an eine dienstliche Berechtigung, solange er im Rahmen seiner Befugnisse handelte. Hier ergibt sich damit eine entsprechende Argumentation wie im Rahmen der Frage einer fortbestehenden „dienstlichen“ Verwahrung der Akten bei § 133 Abs. 1 StGB: Solange der Referatsleiter als „Herr“ der unter ihm gesammelten Akten und unter Hinweis auf die abgelaufene Aufbewahrungszeit die Vernichtung derselben anordnete, wird man ein Handeln im Rahmen seiner Befugnisse unterstellen können, dem rechtfertigende Wirkung zukommt. Darauf, ob die Vernichtung in jeder Hinsicht gesetzmäßig war bzw. ob der Referatsleiter ein ihm vom Gesetz eingeräumtes Ermessen sachgemäß ausgeübt hat, dürfte es dann wie bei der Frage nach einem Verwahrungsbruch der Akten nicht ankommen.

09.07.2012/2 Kommentare/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2012-07-09 12:00:142012-07-09 12:00:14Aus aktuellem Anlass: Strafbarkeit des „Schredderns“ amtlicher Akten
Christian Muders

OLG Hamburg: Zur Strafbarkeit der Entnahme von Zahngold nach Einäscherung eines Verstorbenen

Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht, Strafrecht BT

Anm. zu OLG Hamburg, Beschluss v. 19.12.2011 – 2 Ws 123/11 = NJW 2012, 1601 ff.
1. Um was geht es?
Der B war dringend verdächtigt, in der Zeit vom 1.1.2006 bis zum 29.7.2010 als Mitarbeiter eines Krematoriums in Hamburg die nach Verbrennung der Leichen verbliebene Asche gezielt nach Edelmetallen, insbesondere Zahngold, durchsucht und diese Gegenstände in unbeobachteten Momenten eingesteckt zu haben, um sie später zu veräußern. Insgesamt soll er aus dieser Veräußerung 178.377,89 Euro erlöst haben. In einer Verfügung der Geschäftsführung des Krematoriums vom 9.2.2005 wurde festgestellt, dass das mit der Übernahme eines Verstorbenen begründete Gewahrsamsverhältnis auch nach der Einäscherung fortbestehe. Dies gelte insbesondere auch im Bezug auf  das von den Verschiedenen getrennte Zahngold, Schmuckreste und Körperersatzstücke, die nach dieser Verfügung in das Eigentum des Betreibers der Einrichtung übergehen sollten. Der Betreiber waren bis zum 31.12.2009  die Hamburger Friedhöfe – Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR). Ab dem 1.1.2010 wurde das Krematorium dann durch eine GmbH geführt, deren alleinige Anteilsinhaberin aber die Hamburger Friedhöfe AöR blieb. Das AG Hamburg hat auf Antrag der StA den dinglichen Arrest (§§ 111b Abs. 2 und 5, 111d Abs. 1 S. 1, 111e Abs. 1 S. 1 StPO) in Höhe des durch den B höchstwahrscheinlich aufgrund der Veräußerungen erlangten Betrages angeordnet. Es hat dabei angenommen, dass der B dringend verdächtigt sei, wegen der genannten Handlungen eine Vielzahl selbständiger Diebstähle in einem besonders schweren Fall in Tateinheit mit Verwahrungsbruch begangen zu haben. Die hiergegen von B eingelegte Beschwerde hat das LG Hamburg verworfen. Das OLG Hamburg hatte nun über die weitere Beschwerde zu entscheiden.
2. Was sagt das OLG?
Das Gericht hat den dinglichen Arrest des AG Hamburg im Wesentlichen bestätigt. Materiellrechtlich hat es dabei drei Tatbestände untersucht:
a) Zunächst hat das OLG Hamburg einen vollendeten Diebstahl nach § 242 Abs. 1 StGB geprüft, aber bereits deswegen abgelehnt, da es an einem tauglichen Tatobjekt fehle.
aa) Dabei hat es dem Zahngold, welches in den Überresten der Verstorbenen zu finden war, allerdings durchaus Sachqualität zuerkannt:

Dem menschlichen Leichnam und den mit ihm fest verbundenen Teilen wird nach heute herrschender Meinung Sachqualität zuerkannt. (…) Die mit dem Leichnam fest verbundenen künstlichen Körperteile des Zahngolds, die in Form und Funktion defekte Körperteile ersetzen, so genannte Substitutiv-Implantate, (…) gehören zur Leiche und teilen während der Verbindung deren Schicksal. (…)

bb) Sodann aber verneint das Gericht die Fremdheit des Zahngoldes: Fremd i.S.d. Diebstahls ist eine Sache bekanntlich dann, wenn sie nicht im Alleineigentum des Täters steht und nicht herrenlos ist. Das OLG nimmt vorliegend eine Herrenlosigkeit des Zahngoldes an. Es prüft dabei die Frage der Eigentumsverhältnisse an dem Zahngold schulmäßig chronologisch nach der zeitlichen Abfolge der Geschehnisse und fragt zunächst, ob nicht die Erben der Verstorbenen mit dem Erbfall Eigentum am Zahngold gem. § 1922 BGB erlangt haben, was es aber i.E. verneint:

 Die Erben des Verstorbenen werden nicht im Wege der Universalsukzession nach § 1922 BGB Eigentümer, denn die Leiche ist nicht Bestandteil des Vermögens (RGSt 64, 315). Die Gegenansicht (…) vermag nicht zu überzeugen, da der menschliche Körper erst durch den Tod zur Sache wird, vor dem Tod mithin noch kein Eigentum bestanden hat, das im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 BGB auf den Erben hätte übergehen können. (…)

Sodann prüft das Gericht weiter, ob aufgrund der Geschäftsführungsverfügung der Hamburger Friedhöfe AöR vom 9.2.2005, wonach insbesondere Zahngold und Schmuckreste der Verstorbenen Eigentum des Betreibers werden, eine Aneignung der herrenlosen Sachen durch den jeweiligen Betreiber des Krematoriums nach § 958 Abs. 1 BGB erfolgt ist. Es verwirft jedoch diese Möglichkeit und zwar unter Hinweis auf § 958 Abs. 2 BGB, wonach Eigentum dann nicht durch Aneignung erworben wird, wenn die Aneignung gesetzlich verboten ist oder wenn durch die Besitzergreifung das Aneignungsrecht eines anderen verletzt wird. Das OLG nimmt hierbei das Vorliegen der zweiten Alternative an, da es den Erben des Verstorbenen bzw. den nahen Angehörigen ein solch vorrangiges Aneignungsrecht zubilligt, auf welches diese auch nicht durch Ablieferung der Leiche bei dem Hamburger Krematorium verzichtet hätten:

Ein konkludenter Verzicht dahingehend, dass die Hamburger Friedhöfe (…) das Verhalten der Hinterbliebenen nach den besonderen Umständen des Falls und unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung dahingehend verstehen konnten, diese hätten mit der Überlassung der Leiche (…) auf ihr Aneignungsrecht verzichtet, kann nicht angenommen werden. Die totensorgeberechtigten Angehörigen bzw. Erben haben durch die Übergabe des Leichnams an das Hamburger Krematorium zum Ausdruck gebracht, dass sie eine Bestattung des Leichnams wünschten. Daraus kann nicht geschlossen werden, dass sie (…) mit einer Ansichnahme durch Dritte stillschweigend einverstanden waren. Auf Nachfrage hätten die Hinterbliebenen vielmehr mit größter Wahrscheinlichkeit eine vollständige Bestattung gewünscht. (…)

b) Nach der Ablehnung eines vollendeten Diebstahls nimmt das OLG jedoch sodann einen versuchten Diebstahl des B an: Es begründet dies mit der veröffentlichten Verfügung der Geschäftsführung der Hamburger Friedhöfe, die dem Täter bekannt war, so dass er von einem Eigentumserwerb der AöR (später der GmbH) und damit einem tauglichen, nämlich fremden Tatobjekt ausgehen musste, das er mit Entfernung aus dem Krematorium auch in Zueignungsabsicht weggenommen hat. Die versuchten Diebstähle versieht das OLG dabei mit dem verschärften Strafrahmen des § 243 Abs. 1 S. 1 StGB (Diebstahl in einem besonders schweren Fall), da es aufgrund der fortdauernden Taten und des erlösten hohen Betrages das Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StGB (Gewerbsmäßigkeit) als höchstwahrscheinlich erfüllt ansieht.
c) Sodann prüft das OLG Hamburg den Tatbestand eines (vollendeten) Verwahrungsbruchs gem. § 133 StGB. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift macht sich u.a. derjenige strafbar, der bewegliche Sachen, die sich in dienstlicher Verwahrung befinden oder ihm oder einem anderen dienstlich in Verwahrung gegeben worden sind, der dienstlichen Verfügung entzieht.
aa) Hierbei stellt das Gericht zunächst fest, dass während des gesamten Tatzeitraums vom 1.1.2006 bis zum 29.7.2010 das Krematorium von einer Dienststelle i.S.d. § 133 Abs. 1 StGB betrieben wurde: Dies gelte zunächst für die Hamburger Friedhöfe AöR, welche die öffentliche Aufgabe der Feuerbestattung bis zum 31.12.2009 übernommen habe, aber auch für den nach diesem Zeitpunkt erfolgten Betrieb über die Hamburger Krematorium-GmbH; diese sei nämlich als Beliehene einzustufen:

Eine durch den Staat verliehene hoheitliche Kompetenz zur dienstlichen Ingewahrsamnahme kommt (…) auch den Beliehenen zu. Beliehene sind privatrechtlich organisierte Verwaltungsträger, die auf Grund eines Gesetzes öffentliche Aufgaben in eigenem Namen wahrnehmen. § 2 Abs. 5 S. 1 HbgFriedhofsG bestimmt, dass die Hambürger Friedhöfe – Anstalt des öffentlichen Rechts – zur Erfüllung ihrer Aufgaben unter anderem weitere Unternehmen gründen kann. Die Anstalt hat damit aufgrund Gesetzes die öffentliche Aufgabe der Feuerbestattung auf die Hamburger Krematorium-GmbH als Beliehene übertragen.

bb) Im Anschluss stellt das OLG dann fest, dass sich das kremierte Gold auch noch z.Zt. der Entziehung des Zahngoldes, nämlich durch die Mitnahme des B nach erfolgter Verbrennung der Leichen, in dienstlicher Verwahrung befunden habe: Diese dauere nämlich so lange fort, bis der Zweck der Verwahrung erfüllt sei. Der vorliegende Bestattungsauftrag sei aber erst mit der Beförderung der in der Urne befindlichen Asche zur Beisetzung auf einen Friedhof sowie der verfügungsgemäßen Aussonderung der sonstigen Verbrennungsrückstände in die dafür vorgesehenen Sammelbehältnisse erledigt. Hierzu verweist das Gericht nochmals auf die Geschäftsführungs-Verfügung vom 9.2.2005, wonach ausdrücklich das entstandene (dienstliche) Gewahrsamsverhältnis an den Verstorbenen nach der Einäscherung fortbesteht.
d) Zuletzt prüft das Gericht noch, ob der Tatbestand der Störung der Totenruhe (§ 168 StGB) erfüllt ist. Danach macht sich u.a. strafbar, wer unbefugt aus dem Gewahrsam des Berechtigten den Körper oder Teile des Körpers eines verstorbenen Menschen, eine tote Leibesfrucht, Teile einer solchen oder die Asche eines verstorbenen Menschen wegnimmt. Das Gericht sieht dabei die letzte Variante (Asche eines Verstorbenen) als erfüllt an und setzt sich intensiv mit der Frage auseinander, ob das kremierte Zahngold unter den Begriff der „Asche“ fällt, was eine Gegenmeinung in Rspr. und Schrifttum verneint (OLG Nürnberg, NJW 2010, 2071 [2073]; MK-StGB/Hörnle, 2. Aufl. 2012, § 168 Rn. 11). Diese beruft sich dabei v.a. auf den Wortsinn des Begriffes der „Asche“, da hierunter allein ein „pulveriger staubartiger Verbrennungsrückstand“ zu verstehen sei. Gegenstände, die ein Feuer unbeschadet überstanden hätten, könnten danach nicht unter diesem Begriff subsumiert werden.
Das OLG weist demgegenüber darauf hin, dass letztgenannter Wortsinn zwar ein möglicher, aber nicht die einzig vorhandene Definition dieses Begriffes sei:

Nach einer Reihe von Wörterbüchern [wird mit Nachw. ausgeführt] sowie nach der Etymologie des Begriffs „einäschern“, der „in Asche legen, verbrennen“ bedeutet (…) und damit nach einem zumindest nicht unerheblichen Teil des allgemeinen sprachlichen Verständnisses umfasst der Begriff der Asche generell die bei einer Verbrennung verbleibenden Rückstände und damit alles, was von verbranntem Material übrig bleibt, so dass mit der Auslegung, dass auch kremiertes Gold unter den Aschebegriff des § 168 StGB zu fassen ist, nicht die äußerste Grenze des Wortsinns überschritten ist. Im Fall mehrerer gängiger Verständnisse eines Begriffs zieht der Bestimmtheitsgrundsatz dem Wortsinn nicht eine Grenze unter Ausschluss anderer auch im allgemeinen Sprachgebrauch vertretener Verständnisse.

Zusätzlich weist das OLG darauf hin, dass das Tatobjekt „Asche eines verstorbenen Menschen“ dem Tatobjekt „Körper eines verstorbenen Menschen“ gleichgestellt werden sollte – bei letzterem sei aber das in dem leblosen Körper enthaltene Zahngold unzweifelhaft von dem Tatbestand geschützt:

Nichts anderes ergibt die systematische Erwägung, dass bei einer Erdbestattung, bei der sich der Schutz des § 168 StGB hinsichtlich der Tatobjekte des Körpers oder seiner Teile ohne Weiteres auf die in den Körper eingefügten fremden Teile erstreckt (…), Zahngold nicht anders geschützt sein kann als bei einer Feuerbestattung.

3. Warum ist die Entscheidung wichtig?
Der Beschluss des OLG Hamburg markiert den vorläufigen Schlusspunkt unter einen Problemkomplex, der im Laufe der letzten Jahre bereits zwei obergerichtliche Entscheidungen provoziert hat, plus zugehöriger Anmerkungen und Bspr. (vgl. OLG Bamberg, NJW 2008, 1543 ff m. Anm. Jahn, JuS 2008, 457 ff. und Bosch, JA 2008, 391 ff.; OLG Nürnberg, NJW 2010, 2071 ff. m. Anm. Kudlich, JA 2010, 226 ff.; zu beiden Entscheidungen außerdem Kudlich/Christensen, JR 2011, 146 ff.). Das erneute Aufgreifen der Thematik durch das OLG Hamburg führt dabei mit hoher Wahrscheinlichkeit auch wieder zu einer verstärkten Examensrelevanz einschlägiger Sachverhalte.
a) Etwas ungewohnt für den Studenten mag dabei vorliegend zunächst die prozessuale Einkleidung der materiellen Rechtsfragen in die (wiederholte) Überprüfung der Anordnung eines dinglichen Arrestes sein: Nach § 111b Abs. 2, 5 StPO kann ein dinglicher Arrest gem. § 111d StPO dann verhängt werden, wenn entweder Gründe für die Annahme vorhanden sind, daß die Voraussetzungen des Verfalls von Wertersatz bzw. der Einziehung von Wertersatz vorliegen, oder aber dem Verletzten ein Anspruch auf Rückgewähr oder Ersatz von aus der Tat erlangten Gegenständen entstanden ist (sog. Rückgewinnungshilfe). „Gründe“ meint hierbei zunächst einmal den einfachen Verdachtsgrad nach § 152 Abs. 2 StPO, solange nicht eine Frist von maximal zwölf Monaten ab Beginn der Maßnahme überschritten ist, was sich aus § 111b Abs. 3 StPO ergibt, wonach nach Ablauf dieser Frist in jedem Fall sogar „dringende Gründe“ vorliegen müssen (vgl. auch KK-StPO/Nack, 6. Aufl. 2008, § 111b Rn. 9). – Letzteres war vorliegend aber der Fall, da der ursprüngliche Arrestbeschluss des AG Hamburg bereits vom 3.11.2010 datierte. Für das Eingreifen des Verfalls bzw. den Verfall des Wertersatzes ist nach § 73 Abs. 1 StGB wiederum das Vorliegen einer rechtswidrigen Tat entscheidend, worin das Einfallstor für die Überprüfung der materiellen Rechtslage liegt.
b) Insofern ist der Fall aus Prüfersicht v.a. deswegen interessant, weil er neben strafrechtlichen Problemen an bekannteren und unbekannteren Tatbeständen auch Abzweigungen in das Öffentliche Recht (namentlich bei der „Beliehenen“-Eigenschaft der Krematoriums-GmbH) und insbesondere in das Zivilrecht bietet: Bzgl. des letzteren Rechtsgebiets wird dem Prüfling ein Grundverständnis über die Folgen eines Erbfalls sowie ein sicherer Umgang mit der sachenrechtlich etwas exotischeren Problematik der Aneignung einer herrenlosen Sache nach den §§ 958 ff. BGB abverlangt. Dabei überzeugt vorliegend die Ansicht des OLG, wonach – entgegen einer Mindermeinung im Schrifttum (SK-StGB/Hoyer, § 242, Rn. 16) – eine Eigentümerstellung der Erben bzgl. des Zahngoldes ausscheidet: Da nur dasjenige vererbt wird, was vor dem Tod dem Vermögen des Erblassers angehörte, der Leichnam des Verstorbenen (gemeinsam mit dem Zahngold) aber erst mit dem Tod seine Sachqualität erhält, fällt das Zahngold gewissermaßen zu spät seiner ursprünglichen juristischen Natur als Rechtsobjekt anheim, um dem Vermögen des Erblassers zugeordnet werden zu können. Umso konsequenter ist es dann aber, dem Erben (bzw. den nächsten Angehörigen) quasi als Ausgleich (wenigstens) ein primäres Aneignungsrecht bzgl. der nach Trennung vom Leichnam aneignungsfähigen Sachen zuzubilligen, welches vorsorglich begründeten Aneignungsrechten Dritter – wie vorliegend der Hambuger Friedhöfe AöR – vorgeht, die damit über die Aneignungssperre des § 958 Abs. 2 BGB stolpern.
c) Dass das OLG nach Ablehnung eines vollendeten Diebstahls sodann unter Hinweis auf die Kenntnis des B von der Aneignungsklausel in der Krematoriumsverfügung einen versuchten Diebstahl annimmt, entspricht der h.M., die den Versuch als „umgekehrten Tatbestandsirrtum“ deutet: All diejenigen Umstände, die bei einer Unkenntnis des Täters (als negativem Irrtum) zu einem Ausschluss des Vorsatzes über § 16 Abs. 1 S. 1 StGB führen würden, führen bei einer entsprechenden (positiven) Fehlvorstellung zur Versuchsstrafbarkeit und nicht etwa zum straflosen Wahndelikt (sog. Umkehrprinzip; vgl. nur Kindhäuser, AT, 5. Aufl. 2011, § 30/26 ff. m.w.N., auch zur Gegenauffassung).
d) Bzgl. der Einordnung des kremierten Zahngoldes als „Asche“ kann die Argumentation des OLG Hamburg ebenfalls überzeugen: Die Wortlautgrenze ist solange nicht erreicht, wie zumindest nach einem möglichen (und einigermaßen verbreiteten) Wortsinn die Goldreste als „Asche“ bezeichnet werden können. Die ergänzende Begründung des Gerichts, wonach es nicht einsichtig wäre, dass das Zahngold bei einer Feuerbestattung anders zu schützen sei als bei einer Erdbestattung, unterstützt dieses Wortlautergebnis noch unter systematischen und teleologischen Gesichtspunkten. Eine nicht ganz unbedenkliche Konsequenz ist freilich, dass der Täter, der – durchaus nachvollziehbar – den Begriff der Asche in dem engeren Sinne lediglich als „pulverigen staubartigen Verbrennungsrückstand“ versteht, keinem Tatbestandsirrtum gem. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB unterliegt, wenn er die Zahngoldrückstände mitnimmt, sondern sich nur in einem Subsumtionsirrtum befindet, der allein zur Anwendung des § 17 StGB führt.

21.06.2012/6 Kommentare/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2012-06-21 10:00:392012-06-21 10:00:39OLG Hamburg: Zur Strafbarkeit der Entnahme von Zahngold nach Einäscherung eines Verstorbenen

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Human Rights and Labour – Modern Slavery – Effektive Durchsetzung von Menschenrechten in globalen Lieferketten

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