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Schlagwortarchiv für: Vertragsstrafe

Dr. Maximilian Schmidt

OLG Hamm: Rechtsmangel, Wissenszurechnung, Unwirksamkeit eines Rücktritts, Vertragsstrafe

Rechtsprechung, Schon gelesen?, Schuldrecht, Zivilrecht

Das OLG Hamm hat mit Urteil vom 14.01.2016 –  I-22 U 136/11 einen Sachverhalt entschieden, der 1:1 in einer schriftlichen Examensklausur abgefragt werden könnte – von der Abgrenzung eines Rechts- vom Sachmangel, über die Unwirksamkeit eines Rücktritts wegen Verjährung der zugrunde liegenden Ansprüche bis hin zur Wissenszurechnung bei Behörden. Wer die Problemkreise dieses Falls beherrscht, darf sich als gut vorbereitet bezeichnen. Empfohlen wird daher die Lektüre des gesamten Urteils.
I. Sachverhalt (beruhend auf beck-online)

Im Januar 2009 verkaufte die beklagte Stadt ihr rund 20.000 Quadratmeter großes ehemaliges Schlachthofgelände an einen privaten Investor. Teil des verkauften Grundstücks ist eine als „Schlachthofstraße“ bezeichnete Wegfläche, eine nach circa 20 bis 30 Metern mit einem Tor versehene Sackgasse. Nach dem Kaufvertrag hatte der Käufer ab dem 01.01.2010 30 Arbeitsplätze nachzuweisen und schuldete der Stadt eine Vertragsstrafe von 5.000 Euro pro nicht geschaffenem Arbeitsplatz.
Das Kaufobjekt wurde zum 01.02.2009 übergeben. Als ein Anlieger eines benachbarten Gewerbebetriebes die Schlachthofstraße weiterhin als Zuwegung zu seinem Betrieb und als Abstellfläche nutzen wollte, wurde bekannt, dass die Schlachthofstraße als öffentliche Straße gewidmet war. Als solche war sie auch in einer im Bauamt der Beklagten geführten Widmungskartei eingetragen. Die Widmung bestätigte das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in einem vom Anlieger gegen die Stadt geführten verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Jahr 2014.
Bereits im Mai 2011 hatte die Käuferin gegenüber der Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt, weil sie den als öffentliche Straße gewidmeten Grundstücksteil nicht nach ihren Vorstellungen nutzen und bebauen könne. In seinem ebenfalls im Mai 2011 erlassenen erstinstanzlichen Urteil sah das Landgericht Hagen die Vertragsstrafe in Höhe von 130.000 Euro für 26 nicht geschaffene Arbeitsplätze als verwirkt an. Im Mai 2013 erhielt die Beklagte von einer Bürgin 75.000 Euro als Teilzahlung auf die Vertragsstrafe.

Die Klägerin begehrte nun (vereinfacht) Rückzahlung von 75.000 Euro sowie die Feststellung das keine weitere Vertragsstrafe verwirkt werden kann.
II. Lösung: Rückzahlungsanspruch
Das OLG Hamm prüft einen Rückzahlungsanspruch aus § 346 Absatz 1 BGB i.V.m §§ 437 Nr. 2, 323 BGB wegen des erklärten Rücktritts. Dieser ist jedoch vorliegend nach § 218 BGB unwirksam, da der zugrunde liegende Gewährleistungsanspruch verjährt ist. Wichtig: Rücktritt = unwirksam; Forderung = verjährt
a) Verwirkung der Vertragsstrafe, § 339 BGB: (+) durch fehlende Schaffung der Arbeitsplätze
b) Grundsätzlich bestehendes RücktrittsR: Wegen Widmung als öffentliche Straße liegt Rechtsmangel, § 435 BGB
Für das Examen ist es wichtig, an dieser Stelle eine Abgrenzung zum Sachmangel vorzunehmen:

Der Einordnung als Rechtsmangel steht nicht entgegen, dass nach ganz überwiegender, auch vom Senat geteilter Auffassung und ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Baulasten als Sachmangel eines Grundstücks bewertet werden. Eine solche öffentlich-rechtliche Baubeschränkung (vgl. § 83 BauO NW) stelle – so die Begründung – kein Recht eines Dritten im Sinne des Rechtsmangelbegriffs dar: Nach § 435 BGB ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer den verkauften Gegenstand frei von Rechten zu verschaffen, die von Dritten gegen den Käufer geltend gemacht werden können. Hierunter fallen aber grundsätzlich nur diejenigen Baubeschränkungen, die ihre Grundlage in Privatrechten Dritter haben, nicht aber auch die, welche auf öffentlichem Recht beruhen.

Grundsätzlich sind Baulasten somit Sach- und keine Rechtsmängel! Anders aber hier:

Auch wenn es sich bei der Widmung als öffentliche Straße ebenfalls um eine auf dem öffentlichen Recht beruhende Beschränkung handelt, unterliegt sie einer anderen rechtlichen Bewertung als eine Baulast: Zu berücksichtigen ist nämlich, dass dem Eigentümer in der ersten Fallkonstellation kraft der bestehenden öffentlichrechtlichen Bindung in deren Umfang das Grundstückseigentum selbst entzogen werden kann: § 11 Abs. 1 StrWG NW sieht vor, dass der Träger der Straßenbaulast „das Eigentum an den der Straße dienenden Grundstücken erwerben soll“. Für den Fall, dass kein freihändiger Erwerb eines bereits für die Straße in Anspruch genommenen Grundstücks möglich ist, sehen §§  11 Abs.  3 S. 1 StrWG NW, 2 Abs. 1 Nr. 1 EEG NW bzw. § 42 StrWG NW die Möglichkeit der Enteignung vor. Diese „Belastung“ eines Grundstücks mit einer Enteignungsmöglichkeit stellt insofern einen Rechtmangel dar, als der Verkäufer dem Käufer nur Eigentum ohne rechtlichen Bestand verschaffen konnte.

c) Nachträgliche Unwirksamkeit des Rücktritts nach §§ 218, 438 Abs. 4 BGB
Ein Rücktrittsrecht stand der Klägerin wegen des Rechtsmangels mithin zunächst zu. Allerdings ist der erklärte Rücktritt nachträglich unwirksam geworden durch die berechtigte Erhebung der Einrede der Verjährung durch die beklagte Stadt.
Zunächst ist die Verjährungsfrist zu bestimmen. Grundsätzlich gilt im Kaufrecht eine zweijährige Verjährungsfrist. Allerdings könnte hier eine längere Verjährungsfrist gelten, § 438 BGB. Zunächst klärt das OLG Hamm, ob eine Ausnahmevorschrift gegeben ist, etwa die dreizigjährige Verjährungsfrist nach § 438 Abs. 1 Nr. 1 BGB greift. Eine unmittelbare Anwendung scheitert am Wort, eine analoge Anwendung ist wegen der notwendigen Rechtsklarheit bei Verjährungsvorschriften und der fehlenden vergleichbaren Interessenlage abzulehnen.
Spannend sind die Ausführungen des OLG Hamm zur Anwendbarkeit der dreijährigen Verjährungsfrist des § 438 Abs. 3 S. 1 BGB wegen arglistigen Verschweigens des Mangels. Hier geht es um die Frage, ob eine Wissenszurechnung nach § 166 BGB stattfindet, schließlich war die Widmung der im Streit befindlichen Straße als öffentliche Straße bereits 1976 festgestellt, auf einer Karteikarte im damaligen Fachbereich 66/55 (Planen und Bauen) geführten Widmungskartei vermerkt und als gewidmete Straße in den Stadtplan aufgenommen. Zu den Voraussetzungen einer Wissenszurechnung für das OLG Hamm aus:

Der Bürger, der mit der Gemeinde einen wirtschaftlich bedeutsamen Vertrag schließe und ihr dabei im Zweifel sogar erhöhtes Vertrauen entgegenbringe, dürfe im Prinzip nicht schlechter gestellt werden, als wenn er es nur mit einer einzigen natürlichen Person zu tun hätte. In diesem Sinne sei als „Wissensvertreter“ zunächst jeder anzusehen, der nach der Arbeitsorganisation des Geschäftsherrn dazu berufen sei, im Rechtsverkehr als dessen Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei angefallenen Informationen zur Kenntnis zu nehmen sowie gegebenenfalls weiterzuleiten; er brauche weder zum rechtsgeschäftlichen Vertreter noch zum „Wissensvertreter“ ausdrücklich bestellt zu sein. Der Geschäftsherr müsse sich seiner aber im rechtsgeschäftlichen Verkehr wie eines Vertreters bedient haben; habe der Wissensträger den Geschäftsherrn nur intern beraten, scheidet eine sinngemäße Anwendung von § 166 Absatz 1 BGB aus.

Allerdings ist eine formale Betrachtung nicht angezeigt, sondern es muss eine wertende Gesamtschau vorgenommen werden. Die Wissenszurechnung beruht demnach weniger auf der Organstellung oder vergleichbaren Position des Wissensvermittlers, sondern auf dem Gedanken des Verkehrsschutzes und der daran geknüpften Pflicht zu ordnungsgemäßer Organisation der gesellschaftsinternen Kommunikation. Allerdings besteht keine Pflicht zum Austausch zwischen den verschiedenen Ämtern – so das OLG Hamm. Andernfalls entstünde eine Besserstellung bei Kontrahierung mit einer großen Behörde als mit einer einzelnen natürlichen Person. Daher nimmt das OLG Hamm eine Einzelfallbetrachtung vor:

So dürfe das als Wissen Zuzurechnende nicht zu einer Fiktion entarten, die juristische Personen oder andere am Rechtsverkehr teilnehmende Organisationen weit über jede menschliche Fähigkeit hinaus belasteten. Vielmehr müsse für denjenigen Menschen, für den die Zurechnung gelten soll, wenigstens eine reale Möglichkeit, aber auch ein Anlass bestanden haben, sich das Wissen aus dem eigenen Gedächtnis, aus Speichern oder von anderen Menschen zu beschaffen.

Eine Wissenszurechnung ist demnach lediglich anlassbezogen. Insoweit kann man 3 Fallgruppen entwickeln: die grundsätzliche Pflicht, wichtige Informationen zu speichern, in die Pflicht, Informationen weiterzuleiten an die Stellen, die es angeht, und in die Pflicht derjenigen Stellen, die es angeht, Informationen abzufragen.
Eine Darstellung in dieser Tiefe ist im Examen eher nicht notwendig, wird aber sicherlich honoriert. Letztlich ist eine Abwägung zwischen Verkehrsschutzgesichtspunkten und der Möglichkeit der internen Organisation vorzunehmen. Im vorliegenden Fall nimmt das OLG Hamm keine Wissenszurechnung an – was man sicherlich auch anders sehen kann.
Mangels Wissenszurechnung gilt die 2-jährige Verjährungsfrist, die bereits abgelaufen war. Der von der Klägerin erklärte Rücktritt ist mithin unwirksam geworden und der Anspruch auf Rückzahlung des geltend gemachten Betragesaus § BGB § 346 Abs. 1 BGB weggefallen.

Beruft sich der Schuldner auf die Verjährung des Hauptanspruchs, wird der zunächst wirksame Rücktritt bzw. die Minderung unwirksam und das ursprüngliche Vertragsverhältnis lebt wieder auf. Ansprüche aus dem Rücktritt gemäß §§ 346 f. fallen ersatzlos weg 

III. Der Trick: Keinen Anspruch auf weitere Vertragsstrafenzahlung
Der wirklich Trick folgt in der Prüfung des nächsten Antrags. Die Klägerin wollte feststellen lassen, dass der Gemeinde kein weitergehender Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe besteht (vereinfacht/abgeändert zu didaktischen Zwecken). Nun könnte man auf den ersten Blick annehmen, dass ein solcher Anspruch besteht, schließlich ist der Rücktritt vom Vertrag wegen der Verjährung der Hauptforderung unwirksam. Allerdings gilt insoweit § 438 Abs. 4 S. 2 BGB analog:

Der Käufer kann trotz einer Unwirksamkeit des Rücktritts nach § 218 Abs. 1 die Zahlung des Kaufpreises insoweit verweigern, als er auf Grund des Rücktritts dazu berechtigt sein würde.

Gleiches muss dann vorliegend für die Vertragsstrafe gelten, die letztlich dem Primäranspruch zuzuordnen sind. Wenn also der Kläger die Kaufpreiszahlung verweigern könnte (trotz Unwirksamkeit des Rücktritts!), dann jedenfalls auch die hiermit verknüpfte Vertragsstrafe:

Die Verpflichtung zur Schaffung von Arbeitsplätzen auf dem verkauften Grundstück wurde nämlich im Gegenzug zu einer Reduzierung des Kaufpreises für die Immobilie vereinbart, ist also letztlich Teil der vertraglich geschuldeten (Gegen-)Leistung der Klägerin. (…) Die Situation ist insoweit wertungsmäßig keine andere, als wenn die Parteien bei Vertragsschluss statt der Vertragsstrafe für den Fall der unzureichenden Schaffung von Arbeitsplätzen einen aufschiebend bedingten (§ BGB § 158 Abs. BGB § 158 Absatz 1 BGB) weiteren Kaufpreisanspruch vereinbart hätten.

IV. Fazit: Ein ganz heißer Examensfall
Der Titel sagt es schon: Ein ganz heißer Examensfall wurde vom OLG Hamm entschieden. Schwerpunkte, die nachgearbeitet werden sollten, sind:

  • Vertragsstrafe
  • Baulasten als Sach-/Rechtsmangel
  • Unwirksamkeit eines Rücktritts, § 438 Abs. 4 BGB i.V.m. § 218 BGB
  • Verjährung von Mängelgewährleistungsansprüchen
  • Wissenszurechnung § 166 BGB (analog) bei Gesellschaften/Gemeinden etc.
  • § 438 Abs. 4 S. 2 BGB als Ausnahmeregelung

 
 
 
 

08.03.2016/4 Kommentare/von Dr. Maximilian Schmidt
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maximilian Schmidt https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maximilian Schmidt2016-03-08 14:49:372016-03-08 14:49:37OLG Hamm: Rechtsmangel, Wissenszurechnung, Unwirksamkeit eines Rücktritts, Vertragsstrafe
Dr. Maximilian Schmidt

Prüfungsgespräch Zivilrecht – Tuchel und die Arbeitsverweigerung

AGB-Recht, Arbeitsrecht, Bereicherungsrecht, Lerntipps, Mündliche Prüfung, Schon gelesen?, Verschiedenes

Mündliche Prüfung im Zivilrecht (Arbeitsrecht)
Weiter geht es mit einem Prüfungsgespräch angelehnt an einen aktuellen Fall aus der Bundesliga im Zivilrecht (Arbeitsrecht). Die Daten stimmen nicht vollständig mit der Realität überein, inbes. ist wohl keine Vertragsstrafe vereinbart worden. Daher könnte ein Prüfer in der mündlichen Prüfung diesen aktuellen Fall zum Anlass zur Prüfung des Arbeitsrechts nehmen.
Sehr geehrter Herr X, ich begrüße Sie zur Prüfung im Zivilrecht. Folgenden kleinen Fall möchte ich der Prüfung zugrunde legen. Falls Sie Fragen zum Sachverhalt haben oder mich nicht richtig verstanden haben, unterbrechen Sie mich bitte lautstark.
Thomas T ist Trainer des kleinen, aber in letzter Zeit maßgeblich durch seine Tätigkeit erfolgreichen Bundesligavereins M. Daher hat er im Jahr 2012 einen Vertrag als Trainer bis zum 30.06.2015 ohne Ausstiegsklausel unterschrieben. Für die Unterschrift zahlte der Verein 900.000 € an T als sog. „signing fee“. Der Vertrag zwischen T und dem Verein M enthält in § 4 des Vertragswerks folgende Klausel:
„Es wird eine Vertragsstrafe von bis zu 3 Monatsgehältern bei vorsätzlichen Verstößen gegen die Arbeitspflicht, insbes. durch Nichterscheinen oder Arbeitsverweigerung, vereinbart. Die genaue Höhe wird nach Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls durch den AG festgelegt.“
T fühlt sich nun schon im Frühjahr 2014 den Anforderungen des nervenzehrenden Trainerjobs nicht mehr gewachsen und teilt der Vereinsführung mit, ab dem 30.06.2014 nicht mehr als Trainer des M arbeiten zu wollen.
Herr X, der Fall kommt Ihnen evtl. in abgewandelter Form aus den Medien bekannt vor. Zunächst – als Einstieg – wo finden wir denn etwas zur Vertragsstrafe? Und kann diese der Höhe nach ggfls. noch nach Verwirkung abgeändert werden?*
Die Vertragsstrafe ist in §§ 336 ff. BGB geregelt. Grundsätzlich kann die Höhe der Vertragsstrafe auch später noch angepasst werden, was § 343 BGB regelt. Erforderlich ist hierfür eine unverhältnismäßige Höhe, die im Einzelfall festzustellen ist.
Gibt es von diesem Grundsatz auch Ausnahmen?*
Ja, eine Ausnahme findet sich im Handelsrecht, § 348 HGB. Hiernach kann gerade nicht nach § 343 BGB angepasst werden. In Betracht kommt nur eine Herabsetzung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben, § 242 BGB.
Kommen wir nun zu unserem Fall. Kann die M nun die Zahlung der Vertragsstrafe verlangen?
Dafür müsste diese wirksam vereinbart und durch den T im Folgenden auch verwirkt worden sein. Hinsichtlich der Wirksamkeit könnte es sich um eine AGB handeln, für die die speziellen Vorschriften der §§ 305 ff. BGB gelten.
Ist denn der Anwendungsbereich der AGB-Kontrolle überhaupt eröffnet?**
Der Anwendungsbereich der AGB-Kontrolle ergibt sich aus § 310 BGB. Aufgrund der wohl nur einmaligen Verwendung des Vertragswerkes – ein Bundesligaverein hat nur einen Cheftrainer und wird jedes Mal einen neuen Vertrag ausarbeiten – scheidet die AGB-Kontrolle grundsätzlich mangels Absicht zur mehrmaligen, d.h. mindestens dreimaligen Verwendung aus. Etwas anderes kann sich aber aus § 310 Abs. 2 Nr. 3 BGB ergeben, wonach bei einem Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer auch bei bloß einmaliger Verwendung eine AGB-Kontrolle stattfindet. Problematisch ist insoweit, ob T Verbraucher ist und ob er nicht aufgrund seiner herausgehobenen Stellung auf den Inhalt des Vertrages Einfluss nehmen konnte.
Gut erkannt. Unterstellt T konnte keinen maßgeblichen Einfluss nehmen, müsste man nun auch § 310 Abs. 4 S. 2 BGB in die Prüfung einbeziehen und fragen, ob die Besonderheiten des Arbeitsrechts zu berücksichtigen sind. Dafür müsste T Arbeitnehmer sein – ist er das?*
Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages unselbständige Dienste in persönlicher Abhängigkeit, d.h. weisungsgebunden, für einen anderen idR gegen Entgelt erbringt. Bei einem Profitrainer in der Bundesliga stellt sich die Frage, ob dieser aufgrund seiner eigenen Marktmacht persönlich abhängig ist.
Was sagen Sie zu dem Ansatz der wirtschaftlichen Freiheit? Schließt das den Arbeitnehmerstatus aus?**
Nein, es kommt gerade nicht auf die wirtschaftliche, sondern auf die persönliche Abhängigkeit an. Auch der Einkommensmillionär kann somit Arbeitnehmer sein. Problematisch ist vielmehr, ob T nicht als Trainer selbst Weisungen an seine Spieler gibt und daher selbst nicht Arbeitnehmer ist. Schließlich sagt der Verein dem Trainer nicht, wie und wann er zu trainieren hat. Dennoch tendiere ich auch bei einem Bundesligatrainer zur Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft: Der Verein kann dem Trainer Weisungen hinsichtlich Zeit und Ort seiner Tätigkeit machen (§ 106 GewO). Dieser ist in seinen Entscheidungen wann und wie er arbeitet, nicht völlig frei. Daher ist der T Arbeitnehmer.
Gut, kommen wir nun also zur Inhaltskontrolle. Kann ich eine Vertragsstrafe im Arbeitsrecht wirksam vereinbaren?*
Eine Vertragsstrafenregelung könnte gegen § 309 Nr. 6 BGB verstoßen und damit unwirksam sein. Dieser regelt, dass Vertragsstrafen gegenüber dem Verwendungsgegner grundsätzlich unzulässig sind.
Soweit so gut. Aber warum könnte im Arbeitsrecht etwas anderes gelten?**
Nach § 310 Abs. 4 S. 2 BGB sind die Besonderheiten des Arbeitsrechts zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber hat das Problem, dass er seine Primär- und Sekundäransprüche auf die Arbeitsleistung aus § 611 BGB nur sehr schwer oder gar nicht durchsetzen kann. Zwar kann er auf Arbeitsleistung klagen, doch ist ein solches Urteil mangels Vollstreckbarkeit für ihn wertlos (§ 888 Abs. 3 ZPO). Sekundäransprüche werden zwar tatbestandsmäßig vorliegen (§ 280 BGB), doch wird es dem Arbeitgeber in aller Regel unmöglich sein einen konkreten Schaden in bestimmter Höhe anzugeben. Dies führt zu der besonderen Situation im Arbeitsrecht, dass dem AG die einzige Möglichkeit zur Sicherstellung der Arbeitsleistung eine Vertragsstrafe ist. Daher überlagern die Besonderheiten des Arbeitsrechts, § 310 Abs. 4 S. 2 BGB, die Regelung des § 309 Nr. 6 BGB.
Schön. Nun müssen wir also nach § 307 BGB prüfen. Ist die konkrete Vertragsstrafe demnach unwirksam?*
Die Unwirksamkeit einer Vertragsstrafe kann sich insbesondere aus ihrer Höhe und der Unbestimmtheit ihrer Verwirkung ergeben. Der Arbeitnehmer muss demnach wissen, was auf ihn zukommt. Hier ist der Grund der Verwirkung, die Arbeitsverweigerung, bestimmt genug. Zugleich ist auch die Höhe gerade noch im Rahmen des Zulässigen (1-3 Monatsgehälter). Daher sehe ich die Klausel als wirksam vereinbart an.
Das kann man so vertreten. Kann der Verein denn nun auch (teilweise) Rückzahlung der „signing-fee“ verlangen?***
Als Anspruchsgrundlagen kommt ein Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB, ein bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 2 (condictio ob causam finitam) und ein Rückzahlungsanspruch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach §§ 313, 346 BGB in Betracht.
Auf jeden Fall wäre eine außerordentliche Kündigung seitens des Vereins M notwendig, da andernfalls schon gar keine Differenz zwischen den Erwartungen bei Vertragsschluss (3 Jahre) und tatsächlicher Erfüllung (2 Jahre) liegen kann. Eine einfache Beurlaubung kann nicht genügen.
Der Anspruch aus § 280 BGB liegt tatbestandlich durch die vorsätzliche Arbeitsverweigerung vor. Fraglich ist hingegen die Rechtsfolge der Naturalrestitution. Hier stellt sich die Frage, welcher Zustand ohne die Pflichtverletzung bestehen würde. Insoweit ist die „signing-fee“ auszulegen, wobei wegen der Anwendbarkeit des § 305c Abs 2 BGB die für den T günstigste Auslegung zu wählen ist. Die „signing-fee“ soll allein die Unterschrift unter den Vertrag vergüten, nicht aber als allgemeine Wohlverhaltensklausel vereinbart werden. Ziel war nicht sicherzustellen, dass T die drei Jahre beim Verein arbeitet, sondern, dass er einen solchen Vertrag überhaupt unterschreibt. Andernfalls läge eine konkludent vereinbarte Vertragsstrafenregelung vor, die zu der ausdrücklich vereinbarten in § 4 hinzuträte. Konkludent wird man eine Vertragsstrafe aber nicht in AGB mit einem Arbeitnehmer vereinbaren können. Zudem läge eine Kumulation von Vertragsstrafen vor, die ebenfalls zur Unwirksamkeit führte. Daher ist der Zustand mit und ohne Pflichtverletzung gleich, es besteht keine negative Differenz für den Verein M. Daher scheidet ein Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB aus.
Und was ist mit einem Anspruch aus § 812 BGB oder § 313 BGB?**
Auch bei diesen greift die gleiche Wertung ein: Der Rechtsgrund bei § 812 Abs. 1 S. 2 BGB bzw. die Geschäftsgrundlage bei § 313 BGB bleibt bestehen, da sich an der Unterschrift unter den Vertrag nichts geändert hat. Rechtsgrund für die Zahlung der signing-fee war gerade nicht die Erfüllung des Vertrages, sondern allein der Abschluss.
Das kann man gut vertreten. Können Sie sich denn auch Konstellationen vorstellen, in denen dennoch eine Rückzahlung in Betracht kommt?***
Eine Rückzahlung kommt auf jeden Fall bei Anfechtung des Arbeitsvertrages in Betracht, da diese ex-nunc wirkt, §§ 142, 119ff. BGB. Grenze muss zudem § 242 BGB, also rechtsmissbräuchliches Verhalten sein. Unterschreibt der Trainer in dem Wissen den Vertrag nur für eine kurze Dauer erfüllen zu wollen und in der Absicht die „signing-fee“ zu kassieren, liegt rechtsmissbräuchliches Verhalten vor (bspw. von Anfang nur Erfüllungsabsicht für 3 Monate statt 3 Jahren). In diesen Fällen hätte der Verein den Vertrag so nie abgeschlossen, so dass eine Rückzahlung in Betracht kommt.
Was hätte der Verein denn vorsorglich vereinbaren sollen?**
Der Verein hätte die signing-fee unter die auflösende Bedingung, § 158 Abs. 1 BGB, der Vertragserfüllung stellen können. In unserem Fall ist eine konkludent vereinbarte auflösende Bedingung wegen der Zweifelsregelung des § 305c Abs. 2 BGB aber nicht denkbar.
Gut, nun zum Abschluss: Welches Vorgehen empfehlen Sie dem Verein, um finanziell das Beste aus der Situation zu machen?***
Ich empfehle zweierlei. Zum einen sollte man abwarten, ob im nächsten Jahr ein Verein T verpflichten will. Dieser müsste dann den T aus dem Vertrag mit M „herauskaufen“, also eine Ablöse für die Vertragsauflösung zahlen. Zum anderen könnte M einen Schadensersatzanspruch bei der Neuverpflichtung eines Trainers haben. Hier stellt sich zwar das Problem der Kausalität, da der Verein ohnehin einen neuen Trainer verpflichten müsste  – jedoch nicht zu den jetzigen Konditionen. Das heisst, sollte M eine besonders hohe Ablöse oder „signing-fee“ für den neuen Trainer zahlen müssen, könnte dies ein kausaler Schaden der Arbeitsverweigerung des M sein. Gleiches gilt für ein höheres Gehalt für den neuen Trainer, da dieses bei Arbeitserfüllung durch T ebenfalls nicht angefallen wäre.
Vielen Dank. Wir ziehen uns nun zur Beratung zurück.

16.05.2014/1 Kommentar/von Dr. Maximilian Schmidt
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maximilian Schmidt https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maximilian Schmidt2014-05-16 09:00:522014-05-16 09:00:52Prüfungsgespräch Zivilrecht – Tuchel und die Arbeitsverweigerung

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