Mit Urteil vom 7.12.2017 – VII ZR 204/14 hat der BGH eine besonders prüfungsrelevante Entscheidung zum Anwendungsbereich der Grundsätze des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (VSD) erlassen. Im Vordergrund steht das Verhältnis des VSD zu § 278 BGB. Da sich der VSD leicht in Zivilrechtsklausuren einbauen lässt und in verschiedensten Facetten in Erscheinung treten kann, müssen die rechtssystematischen Grundlagen sowie die von der Rechtsprechung entwickelten Anspruchsvoraussetzungen beherrscht werden. Die Entscheidung des BGH bietet Anlass zur Wissensvertiefung in einem Bereich, der von der Anfängerklausur bis hin zur zivilrechtlichen Examensklausur einen beliebten Prüfungsgegenstand darstellt:
I. Sachverhalt (vereinfacht)
Das Gericht hatte über Schadensersatzansprüche zu befinden, die sich letztlich aus einem Vierpersonenverhältnis ergaben. Anders als bei dem klassischen Dreipersonenverhältnis des VSD trat in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt eine weitere Person hinzu, weil der Schuldner sich zur Erfüllung seiner Pflichten eines Dritten bediente. Folgende (zwecks Übersichtlichkeit vereinfachte) Geschehnisse führten zur Rechtsstreitigkeit:
Die F. & R. GmbH führte aufgrund eines am 18. Juni 2003 mit einem Brauereibetreiber geschlossenen Vertrags Abbrucharbeiten auf einem Gelände in der Stadt S durch, auf dem der Brauereibetreiber bis zum Jahr 2003 seine Brauerei betrieben hatte. Nach dem Vertrag sollten die auf dem Gelände befindlichen Versorgungsleitungen sowie Entsorgungsleitungen vor Beginn der Abbrucharbeiten vom Brauereibetreiber stillgelegt werden. Da mit Umweltgefährdungen gerechnet werden musste, beauftrage der Brauereibetreiber einen Gutachter mit der Untersuchung der auf dem Gelände stehenden Gebäude auf eventuelle Gefahrenquellen. Bei einem vom Gutachter durchgeführten Ortstermin wurde unter anderem das Gebäude Nr. 15 nicht von innen besichtigt. In seinem Gutachten (sog. Rückbau- und Entsorgungskonzept) gab der Gutachter unter Bezugnahme auf diesen Ortstermin an, dass die technischen Anlagen ausgebaut und verkauft worden und Rückstände von Maschinen, Behältern und Rohren nicht vorhanden seien. Einen Hinweis auf ggf. noch unter Druck stehende Leitungen oder mit Gasen gefüllte Behältnisse im Gebäude Nr. 15 erteilte er nicht. Die nur eingeschränkte Begutachtung des Innenraums wurde auch sonst nicht vermerkt.
Die Arbeitnehmer A und B der F. & R. GmbH führten am 15. Dezember 2003 mittels zweier Bagger Abbrucharbeiten auf dem Gelände durch. In dem Gebäude Nr. 15 befand sich eine noch mit Ammoniak gefüllte Kälteanlage, bestehend aus zwei Tanks und Rohrleitungen. Infolge der Abrissarbeiten kam es zu einem Austritt einer gischtartigen Ammoniakwolke, welche ein Ausmaß von 10 x 15 Meter erreichte. Hierdurch wurden die Arbeitnehmer A und B verletzt.
Haben A und B Ansprüche gegen den Brauereibetreiber sowie den Gutachter auf Ersatz von Heilbehandlungs-, Arznei- und Transportkosten?
II. Vorüberlegung: Grundlage und Anspruchsvoraussetzungen des VSD
A und B könnten gegen den Gutachter Ansprüche auf Schadensersatz nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter haben. Für die Fallbearbeitung muss insofern allerdings von vornherein im Hinterkopf behalten werden, dass auch zwischen der F. & R. GmbH und dem Brauereibetreiber ein Vertrag besteht, sodass auch vertragliche Schadensersatzansprüche von A und B gegen den Brauereibetreiber in Betracht zu ziehen sind. Für die gutachterliche Prüfung kommt es dann auf einen sauberen Aufbau und eine stringente Prüfung des VSD an:
1. Rechtsgrundlage
Die rechtliche Grundlage des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wird uneinheitlich beurteilt. Der BGH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der VSD auf einer ergänzenden Vertragsauslegung beruht und an den hypothetischen Willen der Vertragsparteien anknüpft, §§ 133, 157 BGB (vgl. BGH Urteil v. 17.11.2016 – III ZR 139/14, NJW RR-2017, 888). Anderer Auffassung zufolge handelt es sich um eine auf § 242 BGB gestützte richterliche Rechtsfortbildung (s. Assmann, JuS 1986, 885 (887). Teilweise wird der VSD auch als Gewohnheitsrecht eingeordnet (so bereits Gernhuber, in: FS Nikisch, 1958, S. 269). Auch eine Verortung bei § 311 Abs. 3 S. 1 BGB wurde diskutiert (Kilian, NZV 2004, 489 (494)). Der BGH hat die Frage in manchen Entscheidungen sogar explizit offengelassen. Für die Klausur dürfte es ausreichen, die in Betracht kommenden Anknüpfungspunkte kurz zu benennen.
2. Anspruchsvoraussetzungen
Nach der Rechtsprechung des BGH setzt der Anspruch nach den Grundsätzen des VSD folgende Merkmale voraus:
(1) Bestimmungsgemäße Leistungsnähe des Dritten
Der Dritte muss bestimmungsgemäß mit der (Haupt-)Leistung in Berührung kommen und den Gefahren von Schutzpflichtverletzungen ebenso ausgesetzt sein wie der Gläubiger
(2) Gläubigernähe des Dritten
Der Gläubiger muss ein Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrags haben
(3) Erkennbarkeit der Leistungs- und Gläubigernähe
Für den Schuldner müssen Leistungs- und Gläubigernähe des Dritten erkennbar und zumutbar sein.
(4) Schutzbedürfnis des Dritten
Für die Ausdehnung des Vertragsschutzes muss ein Bedürfnis bestehen. Dieses entfällt insbesondere, wenn dem Dritten eigene vertragliche Ansprüche zustehen, die den identischen oder zumindest gleichwertigen Inhalt haben.
III. Rechtliche Würdigung des BGH
Der BGH stellt in seiner Entscheidung zunächst fest, dass bei einem VSD die geschuldete Hauptleistung allein dem Gläubiger zusteht, der Dritte jedoch in der Weise in die vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflichten einbezogen wird, dass er bei deren Verletzung vertragliche Schadensersatzansprüche geltend machen kann. Um die Haftung für den Schuldner jedoch nicht unkalkulierbar auszudehnen, sind an die Einbeziehung von Dritten in den vertraglichen Schutz strenge Anforderungen zu stellen (hierzu bereits BGH Urteil v. 17.11.2016 – III ZR 139/14, NJW RR-2017, 888).
Nach der Rechtsprechung des BGH trifft den Besteller bei einer Werkleistung die vertragliche Pflicht, alles ihm Zumutbare zu tun, um seinen Vertragspartner bei der Ausführung von Arbeiten vor Schaden zu bewahren. Stellt der Besteller das Grundstück oder Arbeitsgerät zur Verfügung, erstreckt sich seine vertragliche Pflicht auch darauf, im Rahmen des ihm Zumutbaren hiervon ausgehende Gefahren für den Vertragspartner zu vermeiden. Bei schuldhafter Verletzung dieser Schutzpflicht haftet der Besteller nach § 280 Abs. 1 BGB (so bereits BGH Urteil v. 24.01.2013 – VII ZR 98/12, NJW-RR 2013, 534). Gleiches gilt dem BGH zufolge, wenn infolge der Schutzpflichtverletzung Arbeitnehmer des Vertragspartners bei Ausführung von Arbeiten geschädigt werden. Das Gericht schlussfolgert: Bei Werkverträgen gehört es regelmäßig zum Vertragsinhalt, dass sich die vertraglichen Schutzpflichten des Bestellers auch auf die Arbeitnehmer des Vertragspartners erstrecken sollen. Der Vertrag zwischen Unternehmer und Besteller entfaltet mithin Schutzwirkung zugunsten dieses abgrenzbaren und bestimmbaren Personenkreises (vgl. BGH Urteil v. 15.06.1971 – VI ZR 262/69, NJW 1971, 1931). Sodann stellt der BGH fest, dass in dem Vertragsverhältnis zwischen Unternehmer und Besteller letzterer auch für ein Verschulden seines Erfüllungsgehilfen gem. § 278 BGB haftet, soweit er diesen bei der Erfüllung seiner gegenüber dem Unternehmer und dessen Arbeitnehmer bestehenden Schutzpflichten eingebunden hat. A und B haben deshalb gegen den Brauereibetreiber Ansprüche auf Schadensersatz aus einem VSD (Werkvertrag zwischen der F. & R. GmbH und dem Brauereibetreiber).
Das Gericht stellt im Anschluss Erwägungen zu Ansprüchen von A und B gegenüber dem Gutachter aus einem VSD an. Entscheidend ist insofern nach Auffassung des Gerichts, dass die beiden Arbeitnehmer bereits von den vertraglichen Schutzpflichten des Bestellers umfasst werden. Deshalb kommt der BGH zu dem Ergebnis:
„Steht den Arbeitnehmern eines Unternehmers nach den Grundsätzen eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ein Schadensersatzanspruch gegen den Besteller einer Werkleistung zu, weil sie bei Ausführung der Arbeiten aufgrund einer schuldhaften Verletzung auch ihnen gegenüber bestehender vertraglicher Schutzpflichten durch den Besteller einen Schaden erleiden, scheidet ein weiterer Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gegen einen vom Besteller beauftragten Dritten, der für die Schädigung mitverantwortlich ist und dessen Verschulden sich der Besteller nach BGB § 278 BGB zurechnen lassen muss, grundsätzlich aus.“
Maßgeblich für diese Wertung ist, dass die Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer es regelmäßig nicht erfordert, neben dem Besteller einen weiteren Vertragsschuldner zur Verfügung zu stellen, mithin den Kreis der Haftenden zu erweitern. Der BGH argumentiert darüber hinaus damit, dass der Unternehmer – hätte er selbst den Schaden erlitten – aufgrund von § 278 BGB auch nur einen unmittelbaren Anspruch gegen den Besteller hätte. Einen vertraglichen Anspruch gegen den vom Besteller beauftragten Dritter (hier der Gutachter) wäre nach den Grundsätzen des VSD ausgeschieden. Gleiches muss deshalb gelten, wenn Arbeitnehmer geschädigt werden, da diese insoweit an die Stelle des Unternehmers treten. Andernfalls wären sie bessergestellt als der Unternehmer, da ihnen dann gegen zwei Schuldner inhaltsgleiche Ansprüche zustünden. Anders als die Vorinstanz noch annahm, bestand deshalb keine gesamtschuldnerische Haftung des Brauereibetreibers und Gutachters. Vielmehr war aufgrund von § 278 BGB und den o.g. Wertungen allein der Brauereibetreiber Anspruchsgegner der Arbeitnehmer A und B.
IV. Schlussfolgerung
Aus dem vermeintlichen Vierpersonenverhältnis wird mit der Entscheidung des BGH doch noch das klassische Dreipersonenverhältnis des VSD. Für die Klausur ist entscheidend, dass die unterschiedlichen Vertragsverhältnisse klar differenziert und die jeweilige Schutzbedürftigkeit der Geschädigten herausgearbeitet werden. Der Zugriff auf § 278 BGB liegt nahe, das Argument der hypothetischen Substitution des Unternehmers durch seine Arbeitnehmer dürfte jedoch nicht von jedem Prüfling erkannt werden. Insgesamt handelt es sich um eine äußerst prüfungsrelevante Entscheidung des BGH, die den Anwendungsbereich des VSD erneut konkretisiert.
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In einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung des OLG Hamm (Az.: I-12 U 52/12) musste das Gericht über die tödlichen Folgen eines Saunagangs urteilen. Der Entscheidung vom 29.08.2012 lag folgender tragischer Sachverhalt zu Grunde:
Die Erblasserin war seit über zehn Jahren Mitglied in einem Fitnessstudio. Seit einigen Jahren nutzte sie auch regelmäßig (ein bis zweimal die Woche) den dort vorhandenen Saunabereich. Der tragische Vorfall ereignete sich an einem Vormittag im Frühjahr 2011. Die Erblasserin wurde zur Mittagszeit in der 90 Grad heißen Sauna nicht ansprechbar und zusammengesackt aufgefunden. Sie hatte einen Schwächeanfall und Verbrennungen dritten Grades erlitten. Einige Monate später verstarb sie an den Folgen. Die regelmäßige Kontrolle der Sauna war allgemein für 10.00 Uhr, 14.30 Uhr, 17.30 Uhr und 21.00 Uhr vorgesehen.
Die Kläger (als Nachkommen) führten die ursprünglich von der Erblasserin erhobene Klage fort und nahmen die Betreiberin des Fitnessstudios auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 10.000,00 Euro in Anspruch. Zur Begründung verweisen die Kläger im Wesentlichen auf unzureichende Kontrollmaßnahmen durch das Studiopersonal.
Wie auch die Vorinstanz wies das OLG Hamm die Klage ab.
- Finden der richtigen Anspruchsgrundlage
Zu Beginn der Prüfung muss auf § 1922 Abs. 1 BGB hingewiesen werden. Danach geht ein möglicher Schmerzensgeldanspruch der Erblasserin im Wege der Erbfolge (Gesamtrechtsnachfolge) auf die Kläger (als Erben) über.
Anknüpfungspunkt für die Begründung eines Anspruchs der Kläger ist die Verletzung von Sorgfaltspflichten durch die Betreiberin des Fitnessstudios. Steht ein Unterlassen des Schädigers in Rede geht es häufig um deliktische Verkehrssicherungspflichten und folglich um die Prüfung des § 823 Abs. 1 BGB (siehe dazu etwa hier). Anders aber im vorliegenden Fall: Die Verstorbene war Mitglied in dem Fitnessstudio der Beklagten. Es bestand also eine vertragliche Verbindung zum Schädiger. Nach allgemeinen Grundsätzen ist zunächst eine Verletzung der aus dieser vertraglichen Verbindung resultierenden Schutzpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) zu prüfen, bevor man auf § 823 Abs. 1 BGB eingeht (im Ergebnis dürfte freilich meist kein Unterschied bestehen, der methodisch saubere Aufbau demonstriert aber zivilrechtliches Grundverständnis).
§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 253 Abs. 2 BGB
Grundlage für einen Schmerzensgeldanspruch der Kläger könnte demnach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 253 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Fitnessstudiovertrag sein.
- Schuldverhältnis – Fitnessstudiovertrag als Mietvertrag
Dazu müsste zunächst zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung ein Schuldverhältnis zwischen den Parteien bestanden haben.
Das OLG Hamm qualifiziert den zwischen der Verstorbenen und dem Fitnessstudio geschlossene Vertrag als Mietvertrag. Damit schließt sich das Gericht der Ansicht des BGH an, der einen Fitnessstudiovertrag nicht als typengemischten Vertrag (mit miet- und dienstvertraglichen Elementen) sondern als Mietvertrag ansieht, wenn das Mitglied nach dem Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages lediglich zur Nutzung der Geräte und der Räumlichkeiten berechtigt ist und weitere Verpflichtungen seitens des Studios, etwa zu Unterrichts- oder anderen Dienstleistungen, vertraglich nicht vorgesehen sind (vgl. BGH, Urteil v. 08.02.2012 – XII ZR 42/10 Rz. 17 f. juris; wir berichteten).
Der im vorliegenden Fall als „activ-club Vereinbarung“ bezeichnete Vertrag war als reiner Gebrauchsüberlassungsvertrag im vorbezeichneten Sinne ausgestaltet und umfasste insbesondere auch den Gebrauch der Sauna.
Eine etwaige Einweisung in den Gebrauch der Geräte sowie Beratung und Beaufsichtigung sind dann als bloße vertragliche Nebenleistungen geschuldet.
Ob hier eine genaue Einstufung als Mietvertrag überhaupt erforderlich war, erscheint fraglich, zumal die daran anschließende Prüfung einer Schutzpflichtverletzung davon unabhängig sein dürfte.
Da der Vertrag vor dem 01.01.2002 geschlossen wurde, bedarf es für die Anwendung des neuen Schuldrechts auch noch eines Umweges über Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB. Danach gilt für vor dem 01.01.2002 geschlossene Dauerschuldverhältnisse ab dem 01.01.2003 nur noch das neue Schuldrecht.
- Pflichtverletzung
Die Betreiberin des Fitnessstudios müsste eine Pflicht aus dem Fitnessstudiovertrag verletzt haben. Eine solche Pflichtverletzung könnte in einer unzureichenden Kontrolle des Saunabereichs durch das Personal des Fitnessstudios zu sehen sein.
Vertragliche Schutzpflichten im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB umfassen als schuldrechtliche Nebenpflicht das Gebot, sich bei Abwicklung des Schuldverhältnisses so zu verhalten, dass Körper, Leben, Eigentum und sonstige Rechtsgüter des anderen Teils nicht verletzt werden. Die (deliktische) Verkehrssicherungspflicht ist innerhalb eines Vertragsverhältnisses zugleich eine solche vertragliche Schutzpflicht.
Es folgen allgemeine Ausführungen zur Verletzung von Verkehrssicherungspflichten, die das Gericht abschließend stichpunktartig (!) wie folgt zusammenfasst:
- Es muss eine Gefahrenlage geschaffen worden sein,
- aus der sich die naheliegende Möglichkeit einer Schädigung anderer ergibt.
- Die erforderlichen Maßnahmen bestimmen sich sodann
- nach der herrschenden Verkehrsauffassung
- und den Umständen des Einzelfalls
- in den Grenzen des Möglichen und Zumutbaren.
Sodann subsumiert das Gericht unter diese Voraussetzungen:
Eine Gefahrenlage, die mit der naheliegenden Möglichkeit einer Schädigung anderer verbunden ist, ist nach allgemeiner Ansicht bei dem Betrieb eines Fitnessstudios mit Saunabereich gegeben.
Im Hinblick auf die nach der Verkehrsauffassung zu bestimmenden erforderlichen Maßnahmen stellt der Senat zunächst allgemein auf die Erwartungshaltung eines durchschnittlichen Saunagasts ab. Zur Erinnerung: Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) ist nach st. Rspr. des BGH genügt, wenn im Ergebnis der Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Zu treffen sind die Sicherheitsvorkehrungen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind – deshalb muss man nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadeneintritts Vorsorgemaßnahmen treffen.
Regelmäßige Kontrollen in engeren Zeitabständen
etwa indem an die Saunakabine angeklopft wird oder die Saunagäste auf ihr Wohlbefinden persönlich angesprochen werden
stehen danach gerade nicht im Einklang mit der Erwartungshaltung eines Saunagasts. Diesem kommt es vielmehr darauf an
den Saunabesuch in Ruhe und ohne störende Einflüsse durchführen zu können.
Hinzu kommt, dass ein Saunagast seine gesundheitliche Belastbarkeit nach Ansicht des Gerichts im Grundsatz selbst einzuschätzen vermag. Ein schutzwürdiges Vertrauen auf regelmäßige Kontrollen ist deshalb nicht anzuerkennen:
Denn die körperlichen Belastungen im Zusammenhang mit der Benutzung einer Sauna sind dem Grunde nach allgemein bekannt. Insoweit muss es dem Einzelnen überlassen bleiben, ob er sich dieser Gefahr aussetzen und das gesundheitliche Risiko eingehen will.
Im Grundsatz genügten die allgemein vorgesehenen regelmäßigen Kontrollen der Sauna um 10.00 Uhr, 14.30 Uhr, 17.30 Uhr und 21.00 Uhr den nach der Verkehrsauffassung zu erwartenden Sorgfaltsmaßnahmen.
Am Ende der Entscheidungsgründe betont das Gericht noch einmal, dass eine umfassende und alle Gefahren erfassende Beaufsichtigung des Saunabereichs weder möglich noch zumutbar ist und führt aus:
Der Gesundheitszustand der Saunanutzer ist dem Betreiber regelmäßig nicht bekannt. Insoweit ist es ihm nicht möglich, Gefahren etwa in Bezug auf Herz/Kreislauf der Saunanutzer verlässlich einzuschätzen. Es bliebe hiernach zur Vermeidung jeglicher Gefahr nur eine durchgehende Beaufsichtigung der Sauna. Selbst die von den Klägern vorgeschlagenen Kontrollintervalle von 30 Minuten wären jedenfalls bei Einzelnutzung der Sauna nicht stets ausreichend, um jeglicher abstrakter Gefahr mit letzter Sicherheit zu begegnen.
Die Betreiberin hat im Ergebnis ihre aus den Mitgliedschaftsverträgen erwachsenden Sorgfaltspflichten nicht verletzt.
- Deliktischer Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB
Der Vollständigkeit halber wird ganz am Ende auch noch in der gebotenen Kürze der deliktsrechtliche Anspruch abgehandelt:
Auch ein deliktischer Schmerzensgeldanspruch aus den §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB, 229 StGB in Verbindung mit § 253 Abs. 2 BGB ist hiernach nicht gegeben. Denn der Beklagten ist aus den vorgenannten Gründen eine Verletzung der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht nicht vorzuwerfen.
- Fazit
Erneut eine interessante Entscheidung aus dem Themenkreis der Verkehrssicherungspflichten (siehe jüngst hier und hier) – diesmal eingekleidet in die Prüfung eines vertraglichen Anspruchs. Es geht bei der Eröffnung von Gefahrenquellen also nicht immer nur um § 823 Abs. 1 BGB. Vielmehr kann sich die Haftung aus Vertrag (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB), dessen Anbahnung (§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB) sowie daneben (Anspruchskonkurrenz) aus Delikt nach §§ 823 ff BGB ergeben. Im deliktischen Bereich sind besonders § 31 BGB (Haftung der juristischen Person für das Handeln des Organs) und § 831 BGB (Haftung für Verrichtungsgehilfen – selbstständiger Anspruch gegen den Geschäftsherrn) zu beachten. Der Fall eignet sich also gut, um Fragen dieser Art anzuknüpfen.
Auch Kenntnisse zur Rechtsnatur eines Fitnessstudiovertrages (je nach Ausgestaltung typengemischter Vertrag oder reiner Mietvertrag) sind wegen der erheblichen praktischen Bedeutung sicherlich gerade für die mündliche Prüfung hilfreich.
Prozessual ließe sich auch noch § 239 ZPO problematisieren. Nach dessen Abs. 1 tritt im Falle des Todes einer Partei eine Unterbrechung des Verfahrens bis zu dessen Aufnahme durch die Rechtsnachfolger ein. Dies gilt allerdings nach § 246 Abs. 1 Hs. 1 ZPO nicht, wenn die verstorbene Partei durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten wurde. In diesem Fall ist die für das Verfahren notwendige Kontinuität durch die weiter bestehende Prozessvollmacht (§ 86 ZPO) gewährleistet. Zu einer Aussetzung kann es nach Maßgabe des § 246 Abs. 1 Hs. 2 ZPO aber auf Antrag des Prozessbevollmächtigten kommen.
Zur Bestimmtheit eines auf Schmerzensgeld gerichteten Klageantrags hatten wir etwa hier berichtet.