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Schlagwortarchiv für: Vertrag

Dr. Lena Bleckmann

BGH zum Widerrufsrecht beim Werkvertrag sowie zur Abgrenzung von Kauf- und Werklieferungsverträgen

Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Verbraucherschutzrecht, Werkvertragsrecht, Zivilrecht

Vergangene Woche hat der BGH in einer Entscheidung zu Treppenliften grundlegende Fragen im Bereich des Verbraucherwiderrufsrechts geklärt. Die Entscheidung liefert darüber hinaus wertvolle Erkenntnisse zur Abgrenzung von Kaufverträgen, Werkverträgen und Werklieferungsverträgen.  An Klausur- und Examensrelevanz dürfte eine solche Entscheidung kaum zu übertreffen sein.
I. Der Sachverhalt
Der Sachverhalt ist schnell erzählt. A vertreibt sog. Kurventreppenlifte – es handelt sich um Vorrichtungen, die an Treppenaufgängen befestigt werden, um insbesondere Personen, die in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkt sind, den Treppenauf- und –abstieg zu erleichtern bzw. überhaupt erst zu ermöglichen. Die Schienen werden hierbei individuell an im jeweiligen Treppenhaus zu befahrende Kurven angepasst. A weist Verbraucher in Bezug auf diese Kurventreppenlifte darauf hin, dass im Rahmen des jeweiligen Vertrags, abgesehen von einem bestimmten Modell, kein gesetzliches Widerrufsrecht bestehe. Hiergegen wendet sich die Verbraucherzentrale V. Sie ist der Ansicht, dass sehr wohl ein gesetzliches Widerrufsrecht besteht und nimmt die A  auf Unterlassung in Anspruch.

Anm.: Hierbei mag es sich um eine für eine Zivilrechtsklausur eher ungewöhnliche Konstellation handeln. Bearbeiter müssten sich mit der Anspruchsberechtigung der Verbraucherzentralen nach § 8 Abs. 3 Nr. 4 i.V.m. § 4 UKlaG auseinandersetzen. Dass dies gefordert wird, ist nicht ausgeschlossen, aber selten. Der Fall lässt sich jedoch ohne größere Probleme abwandeln, indem man eine tatsächliche Bestellung eines solchen Kurventreppenlifts durch einen Verbraucher mit anschließender Ausübung eines möglichen Widerrufsrechts konstruiert. Die eher unübliche Einkleidung sollte mithin nicht dazu verleiten, die Klausurrelevanz der Entscheidung zu verkennen.

II. Widerrufsrechte und Informationspflichten
Eine kurze Wiederholung der Fragen rund um das Widerrufsrecht im Verbraucherschutzrecht: Die verbraucherschützenden Vorschriften der §§ 312 ff. BGB sind nach § 312 Abs. 1 BGB auf Verbraucherverträge anwendbar, die eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand haben. Was Verbraucherverträge sind, definiert § 310 Abs. 3 BGB: Es handelt sich um Verträge zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer. Die übrigen Absätze des § 312 BGB enthalten sodann Einschränkungen des Anwendungsbereichs, die vorliegend aber keine weitere Beachtung finden sollen.
Möchte der Verbraucher nach Abschluss eines Vertrags i.S.d. § 312 Abs. 1 BGB von diesem Abstand nehmen, kann ihm dies aufgrund eines Widerrufsrechts möglich sein. § 312g Abs. 1 BGB sieht ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und Fernabsatzverträge vor. In der Klausur ist an dieser Stelle daher eine saubere Subsumtion unter die Begriffe des außerhalb des Geschäftsräume geschlossenen Vertrags nach § 312b BGB bzw. des Fernabsatzvertrags nach § 312c BGB erforderlich. Für den konkreten Fall würde der Sachverhalt dann nähere Angaben enthalten, welche die Zuordnung zu dem einen oder anderen Begriff ermöglichen. Liegt ein Fernabsatzvertrag oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag vor, greift grundsätzlich  § 312g Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 BGB: Wird der Widerruf fristgerecht unter Wahrung der Anforderungen des § 355 Abs. 1 BGB erklärt, sind die Parteien an ihre auf Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden. Der Unternehmer ist nach § 312d Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 246a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB verpflichtet, den Verbraucher über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts zu informieren. Das alles gilt jedoch nicht, wenn das Bestehen eines Widerrufsrechts nach § 312g Abs. 2, 3 BGB ausgeschlossen ist.
III. Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB
Zurück zum Fall: Die Verbraucherzentrale V stützt sich für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch (§ 8 Abs. 1 UWG, § 3 Abs. 1 UWG, § 3a UWG) auf die Informationspflicht des Unternehmers bei bestehenden Widerrufsrechten nach § 312d Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 246a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB. Sofern im Falle der Bestellung eines Kurventreppenlifts ein Widerrufsrecht bestünde, würde der Hinweis von Seiten der A, dass ein solches gerade nicht besteht, wettbewerbswidriges Verhalten darstellen (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 13.5.2020 – 6 U 300/19, MMR 2021, 350). Zentrale Frage ist mithin, ob denn ein solches Widerrufsrecht bestünde, wenn es mit einem Verbraucher zum Abschluss eines Vertrags über Anfertigung und Einbau eines Kurventreppenlifts durch die A käme.
Die Vorinstanz hat das noch abgelehnt: Das OLG Köln sah die Voraussetzungen des Ausschlusses nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB als erfüllt an (OLG Köln, Beschl. v. 13.5.2020 – 6 U 300/19, MMR 2021, 350, 351 f). Nach dieser Norm besteht ein Widerrufsrecht nicht bei Verträgen zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind. Dass die Laufschienen für Kurventreppenlifte individuell angefertigt werden und an die konkreten Gegebenheiten vor Ort angepasst werden, wird nicht bezweifelt. Der Problempunkt ist ein anderer: Bei dem Vertrag, der bei Bestellung eines Kurventreppenlifts abgeschlossen wird, müsste es sich um einen Vertrag zur Lieferung von Waren i.S.d. § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB handeln. Der Begriff geht auf Art. 16 lit. c Richtlinie 2011/83/EU zurück, der den Ausschluss des Widerrufsrecht vorsieht, wenn „Waren geliefert werden“.  Nun existieren im deutschen Zivilrecht mehrere Vertragstypen, die eine Lieferung von Waren umfassen: Sowohl ein Kaufvertrag nach § 433 BGB, als auch ein Werklieferungsvertrag nach § 650 BGB und ein Werkvertrag nach § 631 BGB kann Waren (es handelt sich hierbei ausschließlich um bewegliche Gegenstände, siehe § 241a Abs. 1 BGB) zum Gegenstand haben. Nicht alle dieser Vertragstypen fallen jedoch nach Ansicht des BGH unter den Begriff des Vertrags zur Lieferung von Waren, den § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB verwendet. In einer Entscheidung aus dem Jahre 2018 hinsichtlich des Einbaus eines Senkrechtslifts äußerte sich der BGH dahingehend, dass § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB Kaufverträge und Werklieferungsverträge, in aller Regel aber nicht Werkverträge umfasse.

 „Dem Wortlaut nach umfasst § 312 g II 1 Nr. 1 BGB Verträge, die auf die Lieferung von Waren gerichtet sind. Damit werden nach dem allgemeinen Sprachgebrach Kaufverträge (§ 433 BGB) und Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen (Werklieferungsverträge, § 651 BGB) erfasst.

 Dies entspricht der Verbraucherrechte-RL, deren Umsetzung unter anderem § 312g BGB dient. Nach Art. 2 Nr. 5 Verbraucherrechte-RL ist ein „Kaufvertrag“ jeder Vertrag, durch den der Unternehmer das Eigentum an Waren an den Verbraucher überträgt oder deren Übertragung zusagt und der Verbraucher hierfür den Preis zahlt oder dessen Zahlung zusagt, einschließlich von Verträgen, die sowohl Waren als auch Dienstleistungen zum Gegenstand haben. Damit werden von dieser Definition Kauf- und Werklieferungsverträge umfasst, und zwar auch dann, wenn sich der Unternehmer gegenüber dem Verbraucher zur Montage der zu liefernden Waren verpflichtet hat. Eine entsprechende Regelung enthalten §§ 474 I 2, 434 II 1, 433, 651 S. 1 BGB.

 In Abgrenzung zum „Kaufvertrag“ ist dagegen ein „Dienstleistungsvertrag“ jeder Vertrag, der kein Kaufvertrag ist und nach dem der Unternehmer eine Dienstleistung für den Verbraucher erbringt oder deren Erbringung zusagt und der Verbraucher hierfür den Preis zahlt oder dessen Zahlung zusagt, Art. 2 Nr. 6 Verbraucherrechte-RL. Nach dieser Definition sind Werkverträge (§ 631 BGB) jedenfalls regelmäßig nicht als auf die Lieferung von Waren gerichtete Verträge einzustufen. Ob Werkverträge im Sinne des deutschen Rechts in Ausnahmefällen als Verträge über die Lieferung von Waren iSd § 312g II 1 Nr. 1 BGB einzustufen sind, braucht nicht entschieden zu werden.

 (BGH, Urt. v. 30.8.2018 – VII ZR 243/17, NJW 2018, 3380, 3381)

Zur Begründung führte der BGH auch ein systematisches Argument an: Zum Schutz der Unternehmer, die Werkverträge erbringen, sei ein Ausschluss des Widerrufsrechts nicht in § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB geregelt, sondern vielmehr in § 357 Abs. 3 S. 1 BGB.
Somit ist eine Abgrenzung der drei Vertragstypen notwendig. Grundsätzlich gilt: Der Verkäufer schuldet nach § 433 Abs. 1 S. 1 BGB allein Übergabe und Übereignung einer Sache, während ein Werklieferungsvertrag nach § 650 S. 1 BGB auf die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Sachen gerichtet ist. Der Unternehmer des Werkvertrags ist nach § 631 BGB zur Herstellung des versprochenen Werks verpflichtet. Für eine Zuordnung zu einem dieser Vertragstypen muss der Vertragsschwerpunkt betrachtet werden: „Liegt der Schwerpunkt des Vertrags auf der mit dem Warenumsatz verbundenen Übertragung von Eigentum und Besitz, liegt ein Kauf- oder Werklieferungsvertrag vor. Liegt der Schwerpunkt des Vertrags dagegen nicht auf dem Warenumsatz, sondern schuldet der Unternehmer die Herstellung eines funktionstauglichen Werks, ist ein Werkvertrag anzunehmen“ (BGH, Urt. v. 30.8.2018 – VII ZR 243/17, NJW 2018, 3380, 3381).
Die Vorinstanz ist auf Basis dieser Rechtsprechung zu dem Ergebnis gelangt, es handle sich um einen Werklieferungsvertrag. Die Lieferung des Treppenlifts stehe im Vordergrund, die Montage könne durch jede Fachfirma mit geringem Aufwand erfolgen (OLG Köln, Beschl. v. 13.5.2020 – 6 U 300/19, MMR 2021, 350, 352). Der BGH ist anderer Ansicht. In der Pressemitteilung heißt es:

„Im Streitfall liegt der Schwerpunkt des angestrebten Vertrags nicht auf der mit dem Warenumsatz verbundenen Übertragung von Eigentum und Besitz am zu liefernden Treppenlift, sondern auf der Herstellung eines funktionstauglichen Werks, das zu einem wesentlichen Teil in der Anfertigung einer passenden Laufschiene und ihrer Einpassung in das Treppenhaus des Kunden besteht. Auch der hierfür, an den individuellen Anforderungen des Bestellers ausgerichtete, erforderliche Aufwand spricht daher für das Vorliegen eines Werkvertrags. Bei der Bestellung eines Kurventreppenlifts, der durch eine individuell erstellte Laufschiene auf die Wohnverhältnisse des Kunden zugeschnitten wird, steht für den Kunden nicht die Übereignung, sondern der Einbau eines Treppenlifts als funktionsfähige Einheit im Vordergrund, für dessen Verwirklichung die Lieferung der Einzelteile einen zwar notwendigen, aber untergeordneten Zwischenschritt darstellt.“

(BGH, Pressemitteilung Nr. 191/2021 v. 20.10.2021)

Demnach handelt es sich bei der Bestellung eines Kurventreppenlifts regelmäßig um einen Werkvertrag, auf den der Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht anwendbar ist. Der Hinweis der A, ein gesetzliches Widerrufsrecht bestehe nicht, ist daher unrichtig und wettbewerbswidrig. Der von V  geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit § 312d Abs. 1 S. 1, § 312g Abs. 1 BGB und Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB besteht.
IV. Ausblick
Der BGH knüpft mit dieser Entscheidung an seine viel diskutierte Rechtsprechung aus dem Jahr 2018 an und bleibt dabei, dass sich der Ausschluss des Widerrufsrechts in § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB i.d.R. nicht auf Werkverträge bezieht. Das macht im konkreten Fall jeweils eine Zuordnung zum Vertragstyp des Kauf-, Werklieferungs- oder Werkvertrags erforderlich. Von Studenten und Examenskandidaten ist in vergleichbaren Fällen eine genau Auswertung des Sachverhalts zu fordern. Die Ausführung der Vorinstanz zeigen hier, dass auch abweichende Ergebnisse durchaus vertretbar hergeleitet werden können. Entscheidend ist – wie so oft – eine fundierte Argumentation.

25.10.2021/1 Kommentar/von Dr. Lena Bleckmann
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Lena Bleckmann https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Lena Bleckmann2021-10-25 08:00:182021-10-25 08:00:18BGH zum Widerrufsrecht beim Werkvertrag sowie zur Abgrenzung von Kauf- und Werklieferungsverträgen
Dr. Melanie Jänsch

BGB AT Basics: Der Tatbestand einer Willenserklärung

BGB AT, Für die ersten Semester, Lerntipps, Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Startseite, Verschiedenes

Zentrales Element der Rechtsgeschäftslehre und regelmäßig Dreh- und Angelpunkt einer BGB AT-Klausur ist der Begriff der Willenserklärung. Aber nicht nur in den unteren Semestern ist eine sichere Beherrschung sämtlicher Problemkonstellationen rund um die Willenserklärung schon für das Bestehen der Klausur unentbehrlich. Als Grundbaustein des Zivilrechts bedarf es eines vertieften Verständnisses, um auch anspruchsvollere Klausuren in höheren Semestern lösen zu können. Im Rahmen des folgenden Grundlagenbeitrags soll daher der Tatbestand der Willenserklärung erläutert und auf klassische Probleme, die bei den jeweiligen Merkmalen auftreten können, eingegangen werden.
 
Eine Willenserklärung ist eine private Willensäußerung, die unmittelbar auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet ist. Sie ist notwendiger Bestandteil eines jeden Rechtsgeschäfts und in einen objektiven (äußeren) Tatbestand – die Erklärung – und einen subjektiven (inneren) Tatbestand – den Willen – aufzuteilen. Genauer: Im Rahmen des objektiven Tatbestands der Willenserklärung ist erforderlich, dass eine Erklärungshandlung vorliegt und sich ein objektiv erkennbarer Rechtsbindungswille offenbart sowie dass die Erklärung objektiv auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet sein soll. Auch der subjektive Tatbestand wird in drei Bestandteile gegliedert: den Handlungswillen, das Erklärungsbewusstsein und den Geschäftswillen, wobei der Geschäftswille unumstritten nicht zu den zwingendenMerkmalen einer wirksamen Willenserklärung zählt. Verbildlichen lässt sich der Tatbestand der Willenserklärung wie folgt:

 
Anmerkung: Die Begrifflichkeiten variieren in vielen Lehrbüchern. Letztlich ist die konkrete Bezeichnung der Elemente insbesondere im äußeren Tatbestand aber unerheblich; wichtig ist, dass sich im Wege objektiver Betrachtungsweise ergibt, dass der Erklärende ein bestimmtes Rechtsgeschäft abschließen will.
 
I. Äußerer / objektiver Tatbestand der Willenserklärung
Im Rahmen des äußeren Tatbestands ist erforderlich, dass sich aus objektiver Betrachtung ergibt, dass der Erklärende ein konkretes Rechtsgeschäft abschließen möchte. Dies bedingt, dass eine Erklärungshandlung vorliegt, objektive Kriterien auf das Vorliegen eines Rechtsbindungswillens schließen lassen und das Verhalten objektiv auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet ist. Die Voraussetzungen sind allesamt zwingende Wirksamkeitserfordernisse. Mit anderen Worten: Ist eines dieser Elemente nicht gegeben, liegt keine Willenserklärung vor. Im Einzelnen:
 
1. Erklärungshandlung
Zunächst muss es sich bei dem Handeln des Erklärenden um potentiell willensgesteuertes Tun handeln. Anders formuliert ist notwendig, dass nach objektiver Betrachtung das Vorliegen eines Handlungswillens anzunehmen ist. Hieran wird die Annahme einer Willenserklärung in den wenigsten Fällen scheitern, da nahezu jedes Verhalten hierunter subsumiert werden kann.
 
2. Rechtsbindungswille
Weiterhin ist – und das ist in der Klausur meistens weitaus problembehafteter – zwingend erforderlich, dass ein objektiv erkennbarer Rechtsbindungswille gegeben ist. Ob ein Rechtsbindungswille vorliegt, beurteilt sich danach, ob der andere Teil unter den gegebenen Umständen nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auf einen solchen Willen schließen musste. Es ist also maßgebend, ob anhand objektiver Kriterien aufgrund der Erklärungen und des sonstigen Verhaltens der Parteien der Wille, eine rechtsgeschäftliche Bindung einzugehen, festgestellt werden kann. Der Begriff „Wille“ ist insofern irreführend, da gerade nicht auf subjektive Komponenten abzustellen, sondern eine objektive Betrachtung gemäß §§ 133, 157 BGB zugrunde zu legen ist.  
 
a) Abgrenzung invitatio ad offerendum und offerta ad incertas personas
Die Abgrenzung der invitatio ad offerendum von der offerta ad incertas personas erfolgt anhand des Rechtsbindungswillens.
Eine invitatio ad offerendum stellt keine Willenserklärung, sondern – so sagt es schon der Name – eine bloße Aufforderung zur Abgabe eines Angebots dar. Klassische Klausurkonstellationen sind hierbei die Auslage von Waren im Schaufenster oder Laden, Katalog- oder Zeitungsinserate oder das Hochstellen von Waren auf eine Verkaufshomepage (Achtung: Bei eBay gelten andere Grundsätze!). In einem solchen Verhalten kann nicht der Wille gesehen werden, einen Vertrag herbeiführen zu wollen, denn der konkrete Gegenstand kann nur einmal übereignet werden bzw. weitere Gegenstände der gleichen Art und Güte stehen möglicherweise nicht in entsprechender Menge zur Verfügung. Somit würde der Erklärende vertragsbrüchig und sich schadensersatzpflichtig machen. Zudem will er sich – etwa, um die Bonität seines Vertragspartners prüfen zu können – regelmäßig offenhalten, über die Person seines Vertragspartners zu entscheiden. Daher fehlt es in solchen Konstellationen am objektiv erkennbaren Rechtsbindungswillen.
Ein weiterer Klassiker, bei dem das Vorliegen eines Rechtsbindungswillens zu verneinen ist, ist der Aufruf des Auktionators bei einer Versteigerung zur Abgabe eines Gebotes. Dies ergibt sich schon aus dem Sinn und Zweck einer Versteigerung: Der Versteigerer will sich vorbehalten, mit dem Höchstbietenden einen Vertrag zu schließen. Das schließt es aus, dass er ein verbindliches Angebot in einer bestimmten Höhe macht. Genau das bestimmt auch das Gesetz in § 156 S. 1 BGB: Danach kommt der Vertrag bei einer Versteigerung erst mit dem Zuschlag zustande. Die Gebote stellen also Angebote und der Zuschlag die Annahme dar. Ein Angebot ist in dem Aufruf des Auktionators somit nicht zu sehen. Er möchte lediglich zur Abgabe von Geboten einladen (invitatio ad offerendum). Daher ist die Erklärung objektiv (§§ 133, 157 BGB) nicht dahin gehend zu verstehen, dass der Auktionator bereits ein verbindliches Angebot abgeben will, das mit dem Handheben eines Teilnehmers unmittelbar angenommen werden kann und zum Vertragsschluss führt. Es fehlt auch hier der Rechtsbindungswille.
Dagegen handelt es sich bei einer offerta ad incertas personas um ein Angebot an einen unbestimmten Personenkreis. Hierbei verfügt der Erklärende über einen Rechtsbindungswillen, lediglich die Bestimmung des konkreten Vertragspartners fehlt. Offertas ad incertas personas werden beispielsweise angenommen beim Aufstellen eines Warenautomaten oder der Bereitstellung einer Beförderungsmöglichkeit im ÖPNV.
 
b) Abgrenzung Vertrag und Gefälligkeitsverhältnis
Der Rechtsbindungswille stellt des Weiteren das Abgrenzungskriterium dar, um einen Vertrag von einem reinen Gefälligkeitsverhältnis zu unterscheiden. Ob ein Rechtsbindungswille vorliegt, bestimmt sich wiederum anhand eines Bündels objektiver Kriterien. So formuliert der BGH: „Eine vertragliche Bindung wird insbesondere dann zu bejahen sein, wenn erkennbar ist, dass für den Leistungsempfänger wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art auf dem Spiel stehen und er sich auf die Zusage des Leistenden verlässt oder wenn der Leistende an der Angelegenheit ein rechtliches oder wirtschaftliches Interesse hat. Ist dies hingegen nicht der Fall, kann dem Handeln der Beteiligten nur unter besonderen Umständen ein rechtlicher Bindungswille zugrunde gelegt werden. Ein Bindungswille wird deshalb in der Regel bei dem sogenannten Gefälligkeitshandeln des täglichen Lebens, bei Zusagen im rein gesellschaftlichen Verkehr oder bei Vorgängen, die diesen ähnlich sind, zu verneinen sein.“ (Urt. v. 21.06.2012 – III ZR 290/11, BeckRS 2012, 14989, Rn. 14)
 
3. Auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtet
Ferner ist die Bezeichnung bestimmter Rechtsfolgen für eine Willenserklärung notwendig. Das heißt, vom objektiven Empfängerhorizont muss auf einen Geschäftswillen des Erklärenden zu schließen sein. Hieran fehlt es beispielsweise, wenn sich die Erklärung als widersprüchlich oder unvollständig erweist.
 
II. Innerer / subjektiver Tatbestand der Willenserklärung
Der innere Tatbestand der Willenserklärung lässt sich aufgliedern in den Handlungswillen, das Erklärungsbewusstsein und den Geschäftswillen.
 
1. Handlungswille
Der Handlungswille bezeichnet den Willen, überhaupt eine Handlung vorzunehmen. Er liegt dann vor, wenn das Verhalten bewusst gesteuert wird und nicht aus einem bloßen Reflex resultiert. Kein Handlungswille liegt dementsprechend bei vis absoluta oder Bewegungen im Schlaf vor. Als einziger Bestandteil im Rahmen des inneren Tatbestands ist der Handlungswille unumstritten zwingend erforderlich für eine wirksame Willenserklärung.
 
2. Erklärungsbewusstsein
Unter Erklärungsbewusstsein ist das Bewusstsein zu verstehen, eine rechtserhebliche Erklärung abzugeben. Will der Erklärende zwar eine Handlung vornehmen, ist sich aber ihrer Rechtserheblichkeit nicht bewusst, fehlt es am Erklärungsbewusstsein.

Ein absoluter Klassiker zum fehlenden Erklärungsbewusstsein ist der Fall der Trierer Weinversteigerung: Hier besucht der ortsunkundige O eine Weinversteigerung in Trier. Nach Aufruf eines Gebotes durch den Auktionator erkennt der O unter den anderen Besuchern einen Freund, dem er zuwinkt. Daraufhin wird ihm der Zuschlag für den aktuellen Posten Wein erteilt und der Auktionator verlangt von O Zahlung.

Umstritten sind – und das gehört zu den absoluten Klassikern des BGB AT – die Folgen eines fehlenden Erklärungsbewusstseins. Ob trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins eine Willenserklärung vorliegen kann, wird uneinheitlich beurteilt.
 
a) Subjektive Willenstheorie
Nach einer Ansicht muss der Erklärende den Erklärungstatbestand mit aktuellem Erklärungsbewusstsein gesetzt haben: Der Erklärende muss also das Bewusstsein gehabt haben, eine Willenserklärung – wenn auch mit anderem Inhalt – abzugeben. Fehlt das Erklärungsbewusstsein, will er also überhaupt keine Willenserklärung abgeben, so fehlt der innere Erklärungstatbestand; es liegt nach dieser Ansicht dann überhaupt keine Willenserklärung vor.
Für die subjektive Willenstheorie werden die folgenden Argumente vorgebracht:

  • Bewerte man eine ohne Erklärungsbewusstsein abgegebene Erklärung als Willenserklärung, so verletze dies die Privatautonomie. Wenn jemand überhaupt nicht rechtsgeschäftlich tätig werden wolle, dürfe sein Verhalten nicht als Willenserklärung gewertet werden.
  • § 118 BGB ordnet für den einzigen gesetzlich geregelten Fall fehlenden Erklärungsbewusstseins die Nichtigkeit an. Aus dieser Regelung ergebe sich, dass sogar derjenige, der bewusst den äußeren Tatbestand einer Willenserklärung setzt, eine von vornherein unwirksame Erklärung abgebe. Erst rechtmüsse eine ohne Erklärungsbewusstsein abgegebene Erklärung unwirksam sein, wenn der äußere Erklärungstatbestand unbewusst gesetzt werde.

 
b) Objektive Erklärungstheorie
Nach einer weiteren Ansicht kommt es alleine auf das objektiv Erklärte an. Demnach wäre bei fehlendem Erklärungsbewusstsein die Willenserklärung wirksam, aber analog § 119 Abs. 1 BGB anfechtbar.
 
Anmerkung: Die analoge Anwendung ist deshalb notwendig, weil keiner der in § 119 Abs. 1 BGB genannten Anfechtungsgründe vorliegt, jedoch kann man sagen, dass wenn schon bei einem Verschreiben/Versprechen die Anfechtung möglich ist, dies erst Recht möglich sein muss, wenn der Erklärende schon gar nichts rechtlich Erhebliches erklären wollte.
 
Für eine rein objektive Betrachtungsweise werden die folgenden Argumente angeführt:

  • Eine objektive Betrachtungsweise dient dem Schutz des Erklärungsempfängers bzw. dem Schutz des Rechtsverkehrs. Dieser kann den wahren Willen nicht erkennen und muss deshalb darauf vertrauen können, dass das objektiv Erklärte gilt. Die Verantwortung dafür, wie sein Verhalten aufgefasst werden kann, liege danach alleine bei dem Erklärenden.
  • § 116 BGB ordnet an, dass eine Willenserklärung nicht deshalb nichtig ist, weil sich der Erklärende insgeheim vorbehält, das Erklärte nicht zu wollen (geheimer Vorbehalt). Dann muss dies auch für das Erklärungsbewusstsein gelten.

 
c) Modifizierte Erklärungstheorie als vermittelnde Ansicht (h.M.)
Nach vermittelnder Ansicht ist bei fehlendem Erklärungsbewusstsein eine Willenserklärung auch dann abgegeben, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass seine Erklärung als Willenserklärung aufgefasst wird. Da dieses Erkennenkönnen als potentielles Erklärungsbewusstsein kein aktuell vorhandener innerer Erklärungstatbestand ist, spricht man davon, dass die Erklärung dem Erklärenden unter der genannten Voraussetzung als Willenserklärung zugerechnet wird. Diese Willenserklärung ist dann prinzipiell wirksam, aber wie die mit fehlendem oder abweichendem Geschäftswillen geäußerte Erklärung anfechtbar analog § 119 Abs. 1 BGB.
Nach dieser Auffassung hängt das Ergebnis davon ab, ob der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass sein Verhalten als Willenserklärung gewertet wird. An dieser Stelle ist eine ausführliche Argumentation unter Ausschöpfung aller im Sachverhalt genannten Aspekte zu führen.
Für die modifizierte Erklärungstheorie spricht Folgendes:

  • Da der Erklärungsempfänger schutzwürdig ist, muss das in § 119 Abs. 1 BGB enthaltene Prinzip der Verantwortung für die zurechenbare Bedeutung des Erklärten grundsätzlich auch bei fehlendem Erklärungsbewusstsein gelten.
  • Die Privatautonomie des Erklärenden ist nicht beeinträchtigt; der Erklärende hat vielmehr die Wahlfreiheit zwischen der Anfechtung des Vertrages, § 119 Abs. 1 BGB, und der Erfüllung, § 362 BGB. Zudem schützt das Recht der Willenserklärung nicht nur die Selbstbestimmung des Erklärenden, sondern auch das Vertrauen des Erklärungsempfängers und die Verkehrssicherheit.
  • Die in § 118 BGB geregelte Situation ist mit der des fehlenden Erklärungsbewusstseins nicht vergleichbar. Im Fall des § 118 BGB hat der Erklärende im Unterschied zum fehlenden Erklärungsbewusstsein bewusst die Nichtgeltung seiner Erklärung gewollt.

Die vermittelnde Ansicht wird daher der Risikoverteilung zwischen Erklärendem und Erklärungsempfänger am ehesten gerecht. Sie bietet auch einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den Parteien. Der Erklärungsempfänger hat ein schutzwürdiges Vertrauen in die Gültigkeit der Erklärung, was er auch haben darf, wenn er das Verhalten des Erklärenden objektiv als Willenserklärung verstehen durfte. Seinem Interesse entsprechend ist die Erklärung also grundsätzlich wirksam, wenn der Erklärende hätte erkennen können und müssen, dass der andere Teil sein Verhalten als Willenserklärung auffasst. Dem Interesse des Erklärenden an einer privatautonomen Gestaltung seiner Angelegenheiten wird dadurch Rechnung getragen, dass er ein Wahlrecht erhält: Er hat es in der Hand, es bei der Gültigkeit des Erklärten zu belassen oder es durch Anfechtung analog § 119 Abs. 1 BGB rückwirkend (§ 142 Abs. 1 BGB) zu vernichten. In Fall der Anfechtung muss er dem Erklärungsempfänger den Schaden ersetzen, der diesem dadurch entsteht, dass er auf die Wirksamkeit vertraut hat gemäß § 122 Abs. 1 BGB.
 
3. Geschäftswille
Schließlich beinhaltet der innere Tatbestand der Willenserklärung das Element des Geschäftswillens. Der Geschäftswille bezeichnet den Willen, bestimmte Rechtsfolgen zu bewirken. Er fehlt also, wenn der Erklärende sich zwar rechtlich binden, aber eine inhaltlich andere Willenserklärung abgeben will.
 
Beispiel: Der O hebt in der Weinversteigerung die Hand, um Wein A zu ersteigern. Er verkennt dabei, dass gerade zur Abgabe eines Gebotes für Wein B aufgerufen wurde. Er erhält den Zuschlag für Wein B. Seine Willenserklärung ist wirksam, kann aber nach § 119 Abs. 1 BGB angefochten werden.
 
Der Geschäftswille ist nach allgemeiner Meinung kein zwingendes Wirksamkeitserfordernis der Willenserklärung, was sich schon aus der Existenz der Anfechtungsvoraussetzungen nach §§ 119 ff. BGB ergibt (argumentum e contrario). Der fehlende Geschäftswille hindert die Willenserklärung also zunächst nicht an ihrer Wirksamkeit, kann aber zur Anfechtung berechtigen und damit letztlich zur ex-tunc-Beseitigung des Rechtsgeschäfts nach § 142 Abs. 1 BGB führen.
 
III. Zusammenfassung für den eiligen Leser
Zusammenfassend ist festzuhalten: Eine Willenserklärung besteht aus äußerem und innerem Tatbestand, wobei die Elemente des äußeren Tatbestandes sowie der Handlungswille im inneren Tatbestand zwingende Wirksamkeitsvoraussetzungen sind. Im äußeren Tatbestand ist regelmäßig nur der Rechtsbindungswille zu problematisieren, anhand dessen die Abgrenzung zwischen invitatio ad offerendum und offerta ad incertas personas sowie zwischen Vertrag und Gefälligkeitsverhältnis erfolgt. Umstritten ist, ob fehlendes Erklärungsbewusstsein die Wirksamkeit der Willenserklärung hindert. Nach herrschender Meinung genügt sog. potentielles Erklärungsbewusstsein, also dass der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass sein Verhalten als Willenserklärung gewertet wird. Der fehlende Geschäftswille hindert nach allgemeiner Meinung die Wirksamkeit der Willenserklärung nicht, kann aber zur Anfechtung berechtigen. Werden die einzelnen Bestandteile der Willenserklärung sauber auseinandergehalten und lediglich an problematischen Stellen ausführlich behandelt, legt dies den Grundstein für ein gutes Abschneiden in der BGB AT-Klausur.
 
 

09.01.2020/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2020-01-09 09:19:242020-01-09 09:19:24BGB AT Basics: Der Tatbestand einer Willenserklärung
Tom Stiebert

BGH: Keine außerordentliche Kündigung von Fitnessstudio bei Umzug

AGB-Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Verbraucherschutzrecht, Zivilrecht, Zivilrecht

Entscheidungen, die gleichermaßen juristisch wie gesellschaftlich relevant sind, sind selten. Häufig wird eine examensrelevante Rechtsprechung bei nichtjuristischen Adressaten auf ein müdes Gähnen stoßen. Anders bei dem Fall, den der Bundesgerichtshof heute am 4.5.2016 entscheiden hat (Az. XII ZR 62/15): Es ging dabei um die Frage, wann ein Fitnessstudiovertrag außerordentlich gekündigt werden könne. Dabei werden auch noch weitere Probleme rund um das Fitnessstudio relevant.
I. Sachverhalt
Dem lag folgende Fallgestaltung zugrunde:

Die Parteien schlossen im Jahr 2010 einen Vertrag über die Nutzung des Fitnessstudios in Hannover für einen Zeitraum von 24 Monaten ab dem 1. August 2010. Sie vereinbarten ein monatliches Nutzungsentgelt von 65 Euro zuzüglich einer – zweimal im Jahr fälligen – Pauschale von 69,90 Euro für ein „Trainingspaket“. Ferner enthält der Vertrag eine Verlängerungsklausel um jeweils zwölf Monate für den Fall, dass er nicht bis zu drei Monate vor Ablauf gekündigt wird.

Im Oktober 2013 wurde der bis dahin in Hannover lebende Beklagte zum Soldaten auf Zeit ernannt. Ab diesem Zeitpunkt zahlte er keine Mitgliedsbeiträge mehr. Am 5. November 2013 kündigte er den Fitnessstudiovertrag. Als Soldat wurde er für die Zeit von Oktober bis Dezember 2013 nach Köln und für die Zeit von Januar bis Mai 2014 nach Kiel abkommandiert; seit Juni 2014 ist er in Rostock stationiert.

Das Fitnessstudio verlangte nun die Mitgliedsbeiträge für den Zeitraum Oktober 2013 bis Juli 2014.

II. Rechtliche Würdigung

Der Anspruch ist davon abhängig, ob in dem streitigen Zeitraum der Vertrag weiter bestanden hat.
a) Vertrag
An sich besteht ein solcher Anspruch durch die automatische Verlängerung des Vertrags. Beim Fitnessvertrag handelt es sich im Grundsatz um einen typengemischten Vertrag mit maßgeblichen Elementen des Mietvertrags (Palandt/Weidenkaff, vor § 535, Rn. 36) und des Dienstvertrags, wobei die mietvertraglichen Elemente im Regelfall überwiegen. Aus diesem Grund sieht auch die Rechtsprechung diesen Vertrag als einen Mietvertrag an (BGH NJW 2012, 1431):

Der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag über die Nutzung des von der Klägerin betriebenen Fitnessstudios ist als ein Gebrauchsüberlassungsvertrag zu qualifizieren […]. Zwar wird teilweise die Auffassung vertreten, der Vertrag über die Nutzung eines Fitnessstudios sei als typengemischter Vertrag zu qualifizieren, der neben mietvertraglichen auch dienstvertragliche Elemente enthalte, weil der Betreiber des Studios nicht nur die Nutzung der Räumlichkeiten und der bereitgestellten Sportgeräte schulde, sondern sich auch zur Erbringung weiterer Leistungen wie etwa die Einweisung des Kunden in den Gebrauch der Geräte, ihn zu beraten und zu beaufsichtigen, verpflichte (vgl. Graf von Westphalen Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke [Stand: 2011], Fitness- und Sportstudiovertrag, Rn. 1; Christensen in Ulmer/Brandner/Hensen AGB-Recht, 11. Aufl., Teil 2 [Sportstudioverträge], Rn. 1; Damman in Wolf/Lindacher/Pfeiffer AGB-Recht, 5. Aufl., Klauseln [Fitnessstudiovertrag], F 21; OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 55; OLG Celle NJW-RR 1995, 370, 371; OLG Hamm NJW-RR 1992, 242)
Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht jedoch besondere Verpflichtungen der Klägerin mit dienstvertraglichem Charakter nicht festgestellt. Nach dem Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages ist der Beklagte lediglich zur Nutzung der Geräte und der Räumlichkeiten der Klägerin berechtigt. Weitere Verpflichtungen der Klägerin, etwa zu Unterrichts- oder anderen Dienstleistungen, sieht der Vertrag nicht vor. Soweit für die Nutzung der Geräte im Einzelfall eine Einweisung durch die Klägerin oder ihre Mitarbeiter erforderlich sein sollte, schuldet sie diese als bloße vertragliche Nebenleistungen (vgl. OLG Frankfurt OLGR 1995, 38, 39 mwN; aA OLG Hamm NJW-RR 1992, 242, 243). Wesentlicher Inhalt des Vertrages ist daher das Zurverfügungstellen der Fitnessgeräte und die Nutzung der Räumlichkeiten des Fitness-Studios, sodass jedenfalls im hier zu entscheidenden Fall der Vertrag über die Nutzung des Fitness-Studios der Klägerin als reiner Mietvertrag einzustufen ist.

Auch hier lässt zumindest der Sachverhalt eine entsprechende Klassifizierung nicht zu. Sowohl die Erstlaufzeit von 24 Monaten als auch die Verlängerung ist hier aus Sicht der Rechtsprechung zulässig. Fraglich ist dabei, ob die Grenze des § 309 Nr. 9 BGB hier greift. Die Norm gilt an sich nicht für Miet- sondern allein für Dienstleistungsverträge. Die Rechtsprechung geht hier aber gerade von einem Mietvertrag aus. Dennoch wendet sie die Wertung dieser Regelung jedenfalls mittelbar bei einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB an. Ein Verstoß liegt im konkreten Fall aber nicht vor (BGH NJW 2012, 1431):

Diese in § 309 Nr. 9 lit. a BGB zum Ausdruck gekommene Regelungsabsicht des Gesetzgebers ist auch bei der nach § 307 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Abwägung zu berücksichtigen, ob durch eine vorformulierte Laufzeitklausel eine unangemessene Benachteiligung des Kunden gegeben ist. Das schließt zwar nicht aus, dass eine Klausel, die nach ihrem Regelungsgehalt in den Anwendungsbereich der Klauselverbote fällt, mit den in Betracht kommenden Einzelverboten aber nicht kollidiert, nach der Generalklausel des § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sein kann (vgl. Senatsurteil vom 4. Dezember 1996 – XII ZR 193/95 – NJW 1997, 739, 740). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass sich die unangemessene Benachteiligung des Kunden nicht allein aus den Nachteilen einer langfristigen Vertragsbindung ergibt, die der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 309 Ziff. 9 BGB im Blick hatte. Da es unzulässig ist, aufgrund allgemeiner Überlegungen, die sich nicht aus den Besonderheiten gerade des zu beurteilenden Vertrages ergeben, über die Generalklausel die gesetzgeberische Regelungsabsicht geradezu „auf den Kopf zu stellen“ (Senatsurteil vom 4. Dezember 1996 – XII ZR 193/95 – NJW 1997, 739, 740), muss sich die Unangemessenheit einer Laufzeitklausel aus besonderen, von der Verbotsnorm nicht erfassten Gründen ergeben.

Damit lag ein wirksamer Vertrag vor.
Achtung: Bei der Prüfung des § 309 Nr. 9a BGB sollte eine Besonderheit bekannt sein. Das Gesetzt fordert eine maximale Bindung von 24 Monaten. Die Frist beginnt dabei mit dem Abschluss des Vertrages, da hier schon eine Bindung vorliegen soll, nicht also erst mit der erstmaligen Leistungserbringung (BGHZ 122, 63 = NJW 1993, 1651). Nicht mitgezählt wird dagegen eine Probezeit, da hier keine Bindung vorliegt (BGHZ 120, 108 = NJW 1993, 326 (327 f.).
 
b) Kündigung des Vertrags
Fraglich bleibt daher allein, ob eine Kündigung des Vertrags vorgelegen hat. Grundsätzlich kann ein Dauerschuldverhältnis außerordentlich aus wichtigen Gründen gekündigt werden. Diese Wertung bestätigen die speziellen Normen der §§ 543 Abs. 1 BGB und 626 Abs. 1 BGB sowie die allgemeine Regelung in § 314 Abs. 1 BGB. Stets wird auf einen wichtigen Grund zur Kündigung abgestellt. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
Dies verneinte der BGH nun. Das Gericht begründete dies damit, dass die Änderungen der Umstände hier in der Risikosphäre des Kunden lägen und dies entscheidend zu beachten ist:

Allerdings trägt der Kunde grundsätzlich das Risiko, die vereinbarte Leistung des Vertragspartners aufgrund einer Veränderung seiner persönlichen Verhältnisse nicht mehr nutzen zu können. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ihm aus Gründen, die er nicht beeinflussen kann, eine weitere Nutzung der Leistungen des anderen Vertragspartners nicht mehr zumutbar ist.

Der BGH tätigt daher die Aussage, dass eine Veränderung der persönlichen Verhältnisse im Regelfall keinen wichtigen Grund darstellt, eben weil man dies beeinflussen könne. Das Gericht zählt hiernach Gründe auf, bei denen abweichendes gelten sollte. Ein Wohnsitzwechsel genügt aber nie:

Bei einem Vertrag über die Nutzung eines Fitnessstudios kann ein solcher – nicht in seinen Verantwortungsbereich fallender – Umstand etwa in einer die Nutzung ausschließenden Erkrankung gesehen werden. Ebenso kann eine Schwangerschaft die weitere Nutzung der Leistungen des Studiobetreibers bis zum Ende der vereinbarten Vertragslaufzeit unzumutbar machen. Ein Wohnsitzwechsel stellt dagegen grundsätzlich keinen wichtigen Grund i.S.v. §§ 314 Abs. 1 BGB, 543 Abs. 1 BGB, 626 Abs. 1 BGB BGB für eine außerordentliche Kündigung eines Fitnessstudiovertrags dar. Die Gründe für einen Wohnsitzwechsel – sei er auch berufs- oder familienbedingt – liegen in aller Regel allein in der Sphäre des Kunden und sind von ihm beeinflussbar.

Zuletzt prüft das Gericht eine analoge Anwendung des § 46 Abs. 8 Satz 3 TKG, die dem Nutzer einer Telekommunikations-Leistung (etwa DSL) ein Sonderkündigungsrecht unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten einräumt, wenn die Leistung am neuen Wohnsitz nicht angeboten wird. Deren Anwendung wird aber hier abgelehnt.

III. Bewertung

Die Entscheidung mag im ersten Moment überraschen und zu hart erscheinen, juristisch überzeugt sie aber. Die Tatsache, dass ein Wohnsitzwechsel grundsätzlich bewusst herbeigeführt wird, vermag im Regelfall einen wichtigen Grund entfallen zu lassen. Allenfalls in atypischen Konstellationen scheint ein anderes Ergebnis denkbar. Auch hier wäre die wohl zu erwägen gewesen, da der besonderen Situation des Soldaten Rechnung getragen werden könnte. Insgesamt aber ein Urteil, das überzeugt.

Für eine Klausur ist es gerade auch durch seine Verknüpfung mit der AGB-Kontrolle perfekt geeignet und bietet Prüfungskandidaten eine Vielzahl von Möglichkeiten sich juristisch auszuzeichnen.

Für den nächsten Besuch im Fitnessstudio seid ihr damit auf jeden Fall gerüstet.

04.05.2016/17 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2016-05-04 15:35:142016-05-04 15:35:14BGH: Keine außerordentliche Kündigung von Fitnessstudio bei Umzug
Gastautor

LG Stuttgart: Kein Schadensersatz für Stefan Mappus wegen EnBW-Deal

Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Wir freuen uns, heute einen Gastbeitrag von Jonas Hensinger veröffentlichen zu können. Der Autor des Beitrags hat in Heidelberg Jura studiert und absolviert aktuell sein Referendariat am LG Stuttgart.
Das Landgericht Stuttgart (Urt.v. 24.02.2015, Az. 9 O 108/14) hat entschieden, dass dem ehemaligen Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg Stefan Mappus keine Schadensersatzansprüche gegen die Anwaltskanzlei Gleiss Lutz wegen Falschberatung beim Kauf von EnBW-Anteilen vom französischen Energiekonzern EDF zustehen. Das Urteil hat nicht nur medial ein hohes Interesse hervorgerufen. Seine Bezüge zum „beliebten“ Examensthema des „Vertrags mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter“ machen den Fall auch für künftige Examenskandidaten interessant.
I. Sachverhalt
In der EnBW-Affäre geht es um den Rückkauf eines EnBW-Aktienpaketes von der französischen Électricité de France (EDF), den die baden-württembergische Landesregierung Ende 2010 auf Betreiben des damaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus unter Verweis auf ein angebliches Notbewilligungsrecht ohne Einbeziehung des Landtags abwickelte. Dabei agierte die Investmentbank Morgan Stanley als Berater der Landesregierung. Für die rechtlichen Aspekte des Geschäftes beauftragte Morgan Stanley die Kanzlei Gleiss Lutz.
Juristisch ist der Fall auf mehreren Themengebieten spannend. In öffentlich-rechtlicher Hinsicht wirft die Umgehung des Landtags beim Rückkauf der EnBW-Anteile zunächst die Frage der Verfassungswidrigkeit des Vorgehens auf, welche vom Staatsgerichtshof Baden-Württemberg (Urt. 06.10.2011, Az. GR 2/11) wegen Verstoß gegen Art. 81 LV BW bejaht wurde. Auch zog der Fall strafrechtliche Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart wegen des Verdachts der Untreue nach sich, weil Mappus mit 4,7 Milliarden Euro möglicherweise zu viel für die EnBW-Anteile bezahlt und damit dem Vermögen des Landes Baden-Württemberg Schaden zugefügt hatte. Die Ermittlungen wurden jedoch am 28.10.2014 eingestellt.
Schließlich hatte sich das Landgericht Stuttgart mit zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen des Stefan Mappus gegen die Kanzlei Gleiss Lutz und deren Anwalt Martin Schockenhoff wegen einer anwaltlichen Fehlberatung zu befassen. Mit dieser Frage soll sich dieser Beitrag befassen.
II. Rechtslage
Das LG Stuttgart hat das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs verneint.
1. Schuldverhältnis unmittelbar?
Da das BGB für Beratungsverträge keine speziellen Vorschriften eines Gewährleistungsrechts kennt, kommt allein ein Anspruch direkt aus § 280 I BGB in Betracht. Dieser setzt zunächst ein Schuldverhältnis voraus. Der Anwaltsvertrag wird von der ständigen Rechtsprechung als Geschäftsbesorgungsvertrag gem. §§ 611, 675 BGB aufgefasst. Einen solchen Vertrag hat aber nicht Stefan Mappus selbst, sondern das Land Baden-Württemberg mit der Kanzlei abgeschlossen.
2. Schuldverhältnis von Dritten?
Eigene Schadensersatzansprüche des Stefan Mappus kommen daher allenfalls aus § 280 I BGB in Verbindung mit den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (VSzD)in Betracht. Dabei setzt die Einbeziehung des Dritten in die Schutzwirkung eines Vertrags die Leistungsnähe des Dritten, ein Einbeziehungsinteresse des Gläubigers, die Erkennbarkeit für den Schuldner sowie die Schutzbedürftigkeit des Dritten voraus. Für nähere Details ist der Beitrag auf https://red.ab7.dev/ubersicht-vertrag-mit-schutzwirkung-zugunsten-dritter/ zu empfehlen.
Das LG Stuttgart hat im vorliegenden Fall bereits das Merkmal der Leistungsnähe verneint. Dieses setzt voraus, dass der Dritte bestimmungsgemäß mit der vertraglichen Hauptleistung in Berührung kommt und nach der Anlage des Vertrags den Leistungsgefahren in ähnlicher Weise ausgesetzt ist wie der Gläubiger selbst. Es muss sich daher um ein Leistungsverhältnis handeln, das inhaltlich drittbezogen ist. Ein bloß zufälliger Leistungskontakt genügt nicht.
Anwaltsverträge tauchen recht häufig in Verbindung mit Fällen des VSzD auf. Dabei besteht die Leistungsnähe grundsätzlich aber nur gegenüber solchen Dritten, deren Vermögensinteressen durch die Rechtsberatung oder Geschäftsbesorgung gewahrt werden sollen. So hat der BGH beispielsweise den Anwaltsvertrag eines Mieterschutzvereins zugunsten des eigentlich zu beratenden Mitglieds als drittschützend angesehen. Auch eine Schutzwirkung zugunsten der vorgesehen Erben bei der Erarbeitung eines Testamentsentwurfs hat der BGH bereits bejaht.
Im Gegensatz hierzu sind in der vorliegenden Konstellation die Vermögensinteressen des Stefan Mappus nicht unmittelbar betroffen. Eine persönliche Haftung des Ministerpräsidenten für Verfassungsverstöße ist ausgeschlossen. Auch der zweifellos erlittene Imageschaden des Stefan Mappus weist keinen unmittelbar vermögensrelevanten Bezug auf. Allenfalls könnte man darauf abstellen, Mappus habe aufgrund der Falschberatung hohe Anwaltskosten bei der politischen und strafrechtlichen Aufarbeitung des EnBW-Deals begleichen müssen bzw. Einkommensnachteile bei künftigen Tätigkeiten erlitten. Diese entspringen aber keiner bestimmungsgemäßen Berührung mit Beratungspflichten mehr. Bei der Beratung ging es vielmehr um Fragen eines verfassungsmäßigen Vorgehens der Landesregierung, welche privates Vermögen nicht einmal am Rande tangieren. Das Merkmal der Leistungsnähe bezweckt gerade die Vermeidung uferloser Haftungsrisiken des Schuldners. Auf eine rein kausale Verknüpfung entstandener Nachteile mit der Verletzung von Hauptleistungspflichten kann sich daher allenfalls der unmittelbare Vertragspartner, nicht jedoch ein beliebiger Dritter berufen.
Insbesondere für den Fall, dass eine Anwaltskanzlei eine öffentlich-rechtliche Körperschaft berät, erscheint eine klare Trennung der Vermögenssphären von Körperschaft und vertretungsberechtigter Privatperson sachgerecht. Anders als zwischen einem Verein und dessen Mitglied oder einem Erblasser und dessen Erben bestehen hier gerade keine wirtschaftlichen Verflechtungen.
Selbst wenn man aber das Merkmal der Leistungsnähe auf Seiten des Stefan Mappus noch bejahen würde, wäre spätestens beim Einbeziehungsinteresse des Landes Baden-Württemberg Schluss. Denn dieses würde zumindest voraussetzen, dass das Land an der Einbeziehung seines Ministerpräsidenten in den Schutzbereich des Anwaltsvertrages ein besonderes Interesse hat und der Vertrag dahin ausgelegt werden kann, dass der Vertragsschutz in Anerkennung dieses Interesses auf den Dritten ausgedehnt werden soll. Woraus ein solches besonderes Interesse des Landes Baden-Württemberg resultieren soll, leuchtet aber beim besten Willen nicht ein.
III. Fazit
Das Urteil des LG Stuttgart setzt der Einbeziehung eines Dritten in die Schutzwirkung eines Anwaltsvertrages eine klare Grenze. Dies ist zur Vermeidung unvorhersehbarer Haftungsrisiken des Anwalts zu begrüßen und wird auf Seiten von Anwälten, Kanzleien und deren Haftpflichtversicherern dankbar zur Kenntnis genommen werden.

25.02.2015/0 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2015-02-25 10:13:512015-02-25 10:13:51LG Stuttgart: Kein Schadensersatz für Stefan Mappus wegen EnBW-Deal
Tom Stiebert

Der Fall Sinan Kurt – Auflösung eines Vertrages mit Minderjährigen

Arbeitsrecht, Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Startseite, Tagesgeschehen, Zivilrecht

In den Medien machte in den letzten Tagen der Fall des Profifußballers Sinan Kurt die Runde: Dieser wollte (und wird nun gegen eine Ablösesumme) von Borussia Mönchengladbach zum FC Bayern München wechseln. Interessant in diesem Zusammenhang ist die vielfach geäußerte Aussage, dass Verträge mit Minderjährigen mit erreichen der Volljährigkeit kündbar seien. Dies wurde auch in zahlreichen Zeitschriften berichtet.
Doch was sind die Hintergründe dieses Falls und wo findet sich das ominöse Gesetz, wonach eine Vertragsauflösung möglich sein soll?
I. Kein allgemeiner Grundsatz
Vorab vielleicht das Wichtigste: Einen allgemeinen Rechtssatz, dass ein Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis (oder auch ein sonstiger Vertrag) mit dem Eintritt der Volljährigkeit gekündigt werden kann, existiert nicht. Vielmehr gilt auch hier der Grundsatz, dass Verträge bindend sind (pacta sunt servanda), mit der Folge, dass ein befristeter Vertrag (dies liegt im Fußball stets vor) nur außerordentlich gekündigt werden kann (§§ 620 Abs. 2 und 3 BGB; 15 Abs. 3 TzBfG). Möglich bleibt natürlich eine solche Kündigungsmöglichkeit anderweitig vertraglich zu regeln. Ist dies nicht der Fall, so kann der Arbeitsvertrag nur außerordentlich, nicht aber ordentlich gekündigt werden. Besondere Regelungen zum Schutz von Minderjährigen finden sich weder im Berufsbildungsgesetz noch in sonstigen arbeitsschutzrechtlichen Regelungen.
II. Schutzvorschriften für Minderjährige
Dennoch gibt es besondere (Schutz)Vorschriften für Minderjährige: Minderjährige zwischen 7 und 18 Jahren (sog. beschränkt Geschäftsfähige nach § 106 BGB) dürfen Verträge nur unter besonderen Voraussetzungen schließen. Notwendig ist hier insbes. die Einwilligung der Eltern als gesetzliche Vertreter (107 BGB) oder aber eine Fiktion für Arbeits- und Dienstverhältnisse (§ 113 BGB), wonach dann bei einer generellen Einwilligung der gesetzlichen Vertreter der Minderjährige diese Verträge schließen, beenden etc. darf. Hier wird auch die Volljährigkeit relevant. Liegen nämlich die Voraussetzungen einer Einwilligung etc. nicht vor, so ist der geschlossene Vertrag schwebend unwirksam (§ 108 Abs. 1 BGB). Mit Eintritt der Volljährigkeit kann der 18-jährige einen solchen schwebend unwirksamen Vertrag genehmigen oder aber auch seine Genehmigung verweigern (§ 108 Abs. 3 BGB). Aber zur Klarstellung: Dies gilt nur dann, wenn der Vertrag schwebend unwirksam war. Davon ist hier nicht auszugehen. Auch wenn man also spontan an Regelungen zum Minderjährigenschutz denken mag, so spielen diese im hiesigen Fall keine Rolle.
III. Sittenwidrigkeit
Zudem kann noch an die sog. Sittenwidrigkeit des Vertrages nach § 138 BGB gedacht werden. Diese könnte sich insbesondere aus einer zu langen Vertragsdauer, als auch aus einer zu geringen Bezahlung ergeben. Auch diese kann aber unabhängig vom Eintritt der Volljährigkeit gerichtlich geltend gemacht werden. Anhaltspunkte im konkreten Fall sind nicht ersichtlich.
IV. Besonderheiten für Fußballspieler – Verbandsstatuten
Die Besonderheiten des konkreten Falles liegen vielmehr in den speziellen Statuten des DFB, der DFL sowie der FIFA. Auch die DFB-Lizensspielerordnung und andere interne Regelungen sehen zwar keine automatische Beendigungsmöglichkeit mit dem Eintritt der Volljährigkeit vor. Allerdings darf hier die maximale Befristungsdauer bei Minderjährigen nur 3 Jahre betragen (§ 18 Nr. 2: Für Spieler unter 18 Jahren beträgt die maximale Laufzeit eines Vertrags drei Jahre. Klauseln mit längerer Laufzeit werden nicht anerkannt) siehe http://www.dfb.de/fileadmin/_dfbdam/2014124_17_FIFA_Reglement_Spielerstatus.pdf Hier liegt im konkreten Fall – wie auch die Presse berichtet – die Besonderheit. Formell wurde mit dem Spieler zwar allein ein (zulässiger) Dreijahresvertrag geschlossen, dieser sollte sich aber zusätzlich – mit Erreichen der Volljährigkeit – um ein weiteres Jahr verlängern. als galt damit die Formel 3+1. Eine solche – den Vorschriften der Verbände widersprechende – Regelung war bisher in der Bundesliga gebräuchlich und wurde nicht auf dem Klageweg torpediert. Hierin liegt aber – dies ist wohl eindeutig – eine Umgehung der Befristungshöchstdauer. Unabhängig ist dies aber mit dem Erreichen der Altersgrenze von 18. Auch früher – oder aber auch später, wobei dann hier die Frage der Verwirkung zu klären ist – kann ein solcher Verstoß gerichtlich geltend gemacht werden.
V. Fazit
Der Fall lässt deutlich werden, dass die mediale Darstellung nur teilweise der Realität entspricht. Einen allgemeinen Rechtssatz zur Beendigung gibt es nicht. Dennoch ist der Zusammenhang zum 18. Geburtstag zumindest insofern gegeben, als das für Volljährige unterschiedliche Befristungsregelungen als für Minderjährige verbandsrechtlich bestehen. In ihrer absolutheit bleibt die Aussage dennoch fehlerhaft.

05.09.2014/2 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2014-09-05 08:30:572014-09-05 08:30:57Der Fall Sinan Kurt – Auflösung eines Vertrages mit Minderjährigen
Redaktion

BGH: Stillschweigender Vertragsschluss durch Energieverbrauch

BGB AT, Rechtsprechung

Der BGH hat entschieden, dass ein Stromliefervertrag durch Entnahme von Energie auch bereits dann zustande kommen kann, wenn kein schriftlicher oder mündlicher Vertragsschluss erfolgte (Urteil vom 02.07.2014 – VIII ZR 316/13). Das Urteil kann insbesondere im Rahmen von mündlichen Prüfungsgesprächen zur Sprache kommen, wenn es darum geht die allgemeinen Grundsätze zum BGB AT, namentlich das Zustandekommen von Verträgen, abzuprüfen.

Der vom BGH entschiedene Fall
Im zu entscheidenden Fall nahm der BGH einen Vertragsschluss durch konkludentes Verhalten zwischen einem Grundstückspächter und einem Energieversorger an. Ein Vertragsschluss zwischen dem Eigentümer des Grundstücks und dem Energieversorger wurde hingegen vom BGH verneint, denn die Realofferte des Energieversorgungsunternehmens richte sich typischerweise an denjenigen, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss ausübe, hier also den Pächter, der das Grundstück und den Strom auch tatsächlich nutzt. Indem der Pächter Strom verbrauchte, nahm er – so der BGH – aus objektiver Sicht des Energieversorgungsunternehmens die an ihn gerichtete Realofferte konkludent an, so dass ein wirksamer Stromliefervertrag vorlag. Der Pächter konnte sich so nicht darauf berufen, dass es an einem schriftlichen Vertragsangebot oder einer mündlichen Einigung fehlte. Umgekehrt konnte sich der Energieversorger nicht an den Eigentümer als Schuldner wenden, sondern musste sich an den Pächter wenden.
Examensrelevanz
Das Zustandekommen von Verträgen ist ein gerne geprüftes Thema. Prüflingen sollten deshalb neben aktuellen Entscheidungen (siehe z.B. auch hier und hier) die absoluten Klassiker in diesem Bereich, wie etwa den Hamburger Parkplatzfall oder die Lehre des faktischen Vertrages, kennen.
 

08.07.2014/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2014-07-08 09:00:142014-07-08 09:00:14BGH: Stillschweigender Vertragsschluss durch Energieverbrauch
Tom Stiebert

Diego Benaglio und das fehlerhafte Arbeitsverhältnis

Arbeitsrecht, Schon gelesen?, Startseite, Tagesgeschehen, Zivilrecht

Eine kuriose Meldung macht heute die Runde: Der Arbeitsvertrag des Fußballtorhüters Diego Benaglio vom VfL Wolfsburg sei aufgrund eines Formfehlers unwirksam gewesen. Aus diesem Grund musste kurzfristig ein neuer Vertrag geschlossen werden, um nicht eine Situation der Unklarheit entstehen zu lassen.
Was war passiert?
Fakt ist, dass die Lizensspielerabteilung des VfL Wolfsburg im Gegensatz zum sonstigen Verein als GmbH organisiert ist. Der Arbeitsvertrag zwischen Spieler und Verein wird damit mit dieser Gesellschaft geschlossen.
Handeln müssen hierfür nach § 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG die Geschäftsführer:

Die Gesellschaft wird durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten.

Geschäftsführer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses waren der damalige Trainer und (sportliche) Geschäftsführer Felix Magath sowie der weitere Geschäftsführer Wolfgang Hotze. Bei mehreren Geschäftsführern legt das GmbHG folgende Vertretungsregelung fest:

Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, sind sie alle nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft befugt, es sei denn, dass der Gesellschaftsvertrag etwas anderes bestimmt.

Mangels anderweitiger Regelung mussten damit beide Geschäftsführer hier handeln. Hier wurde der Vertrag nur durch einen Geschäftsführer unterschrieben, sodass ein Mangel bei der Vertretung vorlag.
Folge der fehlenden Unterschrift
Fraglich ist, welche Rechtsfolge das Fehlen einer solchen Unterschrift hat. Der Vertrag wäre jedenfalls dann unwirksam, wenn Felix Magath völlig eigenständig gehandelt hätte, ohne dass der weitere Geschäftsführer beteiligt wäre. etwas anderes würde aber dann gelten, wenn der (schriftliche) Vertragsschluss nur einen Schlusspunkt unter einen bereits mündlich (oder per Handschlag) vereinbarten Vertrag setzt und damit faktisch deklaratorisch ist. Auch ein mündlich geschlossener Arbeitsvertrag ist wirksam; zwar fordert das Nachweisgesetz (NachwG) die schriftliche Angabe von entsprechenden Nachweisen; bei einer Nichteinhaltung soll aber nicht die Rechtsfolge der Unwirksamkeit eintreten.
Hier sind allerdings keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass beide Geschäftsführer im Vorfeld beteiligt waren und den Vertrag schon mündlich geschlossen hätten. Der (schriftliche) Vertrag bleibt damit der einzige Vertrag; dieser ist aber unwirksam.
Folge für Arbeitsentgelt etc.
Mangels Vertrag könnte damit erwogen werden, für die Vergangenheit einen Rückzahlungsanspruch des Vereins bzgl. des Arbeitsentgelts zu bejahen. Hier würden sich allerdings, da es sich um ein Dauerschuldverhältnis handelt, Probleme bei der Rückabwicklung ergeben. Aus diesem Grund ist die Rechtsfigur des fehlerhaften oder faktischen Arbeitsverhältnisses anerkannt. Das Arbeitsverhältnis wird damit für die Dauer seines Vollzugs als wirksam behandelt. Voraussetzung ist dabei dann aber, dass das Arbeitsverhältnis überhaupt in Vollzug gesetzt wurde. Ansonsten stellen sich die Probleme der Rückabwicklung erst gar nicht. Hier lag aber eine Invollzugsetzung vor. Entgegenstehende Wertungen, die eine Behandlung als wirksam ausschließen würden (Schulfall ist hier der Arzt ohne Approbation) sind hier auch nicht ersichtlich.
Damit läge hier ein solches fehlerhaftes Arbeitsverhältnis vor, das für die Vergangenheit als wirksam zu behandeln ist. Lediglich für die Zukunft war eine solche Konstruktion nicht möglich, sodass der neue Vertragsschluss hier Rechtssicherheit gebracht hätte. Aber selbst wenn ein solcher neuer Vertrag nicht geschlossen worden wäre, hätte für die Zukunft davon ausgegangen werden müssen, dass nunmehr ein wirksamer mündlicher Vertrag (geschlossen von dem jeweiligen Geschäftsführer und dem Torhüter) vorgelegen hat.

23.01.2013/0 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2013-01-23 16:56:412013-01-23 16:56:41Diego Benaglio und das fehlerhafte Arbeitsverhältnis
Dr. Christoph Werkmeister

BVerfG billigt ESM unter Auflagen

Rechtsprechung, Verfassungsrecht

Das BVerfG entschied heute im Rahmen eines Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Urteil vom 12. September 2012 – 2 BvR 1390/12) eine politisch äußerst brisante Fragestellung. In der Sache ging es darum, dem Bundespräsidenten bis zur Entscheidung über die jeweilige Hauptsache die Ratifikation zweier völkerrechtlichen Verträge zu untersagen. Es ging dabei zum einen um den Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM-Vertrag) und zum anderen um den Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (sog. Fiskalvertrag).
Das BVerfG stellte insoweit fest, dass der Abschluss derartiger völkerrechtlicher Verträge weitestgehend verfassungsrechtlich zulässig sei.
Examensrelevanz?
Für anstehende mündliche Prüfungen sind Kentnisse – zumindest im Hinblick auf die Grundzüge der Entscheidung – unabdingbar. Aus diesem Grund sei die Lektüre der umfassenden Pressemitteilung des BVerfG den künftigen Kandidaten wärmstens ans Herz gelegt. Die vom BVerfG diskutierte Fragestellung, die sich letztlich um eine erweiternde Auslegung des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG sowie des aus Art. 20 GG ausfließenden Demokratieprinzips dreht, kann zudem in vereinfachter Form in Klausuren für das erste Staatsexamen als staatsorganisationsrechtliche Aufgabe gestellt werden. Die Lektüre der o.g. Pressemitteilung kann mithin auch in diesem Kontext zumindest nicht schaden.
Informationspflichten beim Abschluss derartiger Verträge?
In diesem Kontext relevant war im Übrigen auch eine vorangegangene Entscheidung des BVerfG zum ESM, wobei es hier um die Informationspflichten der Bundesregierung gegenüber dem Bundestag im Hinblick auf die Vertragsverhandlungen zu diesem völkerrechtlichen Vertrag ging (siehe dazu bereits unseren breiter angelegten Bericht hier). Angesichts der Tatsache, dass es bei dieser Entscheidung letztlich nur um die Auslegung der Vorgaben des Art. 23 Abs. 2 S. 2 GG ging, ist diese ebenso als examensrelevant einzustufen.

12.09.2012/2 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-09-12 11:14:272012-09-12 11:14:27BVerfG billigt ESM unter Auflagen
Dr. Christoph Werkmeister

OLG Hamm: Rügepflicht bei offensichtlichen Mängeln im Verbrauchsgüterkauf

AGB-Recht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Zivilrecht, Zivilrecht

Das OLG Hamm entschied vor Kurzem mit Urteil vom 24.05.2012 (Az. I-4 U 48/12) über die Wirksamkeit einer Klausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). In der Sache ging es um die vertraglich auferlegte Pflicht zur schriftlichen Rüge von offensichtlichen Mängeln innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach der Übergabe des Kaufgegenstandes – und dies obwohl es sich bei den infrage stehenden Kaufverträgen um Verbrauchsgüterkäufe i.S.d. § 475 BGB handelte.
Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit
Das OLG räumte zunächst ein, dass eine derartige Klausel nicht unter § 309 Nr. 8 b) ee) BGB falle. Klauseln sind nach dieser Vorschrift im Grundsatz immer nur dann unwirksam, sofern der Verwender dem Vertragspartner wegen nicht offensichtlicher Mängel eine Ausschlussfrist setze.
Hier ging es allerdings streng genommen gar nicht um eine Ausschlussfrist, denn die Pflicht zur Mitteilung des offensichtlichen Mangels stand im vorliegenden Fall einfach als vertragliche Nebenpflicht im Raume, wobei die Verletzung dieser Pflicht nicht per se zum Ausschluss von Gewährleistungsrechten führte. Auch wenn die Klausel bei Nichteinhalten der Anzeigepflicht den Ausschluss der Gewährleistungsrechte vorsähe, ging es in der Sache auch nicht um eine Anzeigepflicht bei nicht offensichtlichen Mängeln, sondern gerade um das Gegenteil, nämlich eine Anzeigepflicht bei offensichtlichen Mängeln.
Unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 BGB
Angesichts der Tatsache, dass § 309 Nr. 8 b) ee) BGB bereits die Nichtigkeit bei Vorliegen einer Ausschlussfrist bei nicht offensichtlichen Mängeln vorsieht, könnte man im Umkehrschluss bei der nachfolgenden Prüfung von § 307 BGB anbringen, dass eine Klausel, die lediglich eine Prüfpflicht bei offensichtlichen Mängeln vorsieht, gerade keine unangemessene Beteiligung entgegen dem Grundsatz von Treu und Glauben darstellt. Dies sah das OLG Hamm auch so, so dass im Rahmen der allgemeinen Klauselkontrolle zu folgern sei, dass solche Ausschlussfristen bezogen auf offensichtliche Mängel im Allgemeinen nicht zu beanstanden seien.
Aus dem vorgenannten Umkehrschluss lasse sich laut dem OLG Hamm indes nicht schließen, dass auch beim Verbrauchsgüterkauf eine Rügepflicht bei offensichtlichen Mängeln zulässig sei. Angesichts der verbraucherschützenden Vorgaben der Bestimmungen der dem deutschen Kaufrecht zugrunde liegenden Verbrauchsgüterkaufrichtlinie müssten hier andere Maßstäbe gelten. Denn eine Rügepflicht, wie sie von der hier diskutierten Klausel vorgesehen ist, weiche zu Lasten des Verbrauchers vom Leitbild des Verbrauchsgüterkaufs ab und schränke die Mängelrechte damit zumindest faktisch unangemessen zum Nachteil des Verbrauchers ein. Durch die Klausel entstehe beim Verbraucher nämlich der Eindruck, dass er seine Gewährleistungsansprüche verliere, sofern er die Rügefrist versäume. Es wurde insofern die kundenfeindlichste Auslegung der Prüfpflichtklausel zugrunde gelegt.
Im Fall des Verbrauchsgüterkaufes dürfen nämlich weder unmittelbar noch durch Umgehungen im Sinne von § 475 Abs. 1 S.2 BGB von den gesetzlichen Regelungen abweichende Vereinbarungen getroffen werden, die die Verbraucherrechte zur Gewährleistung oder zur Verjährung in Ansehung des § 437 BGB betreffen. Auch wenn aus einer Versäumung der Rügepflicht für offensichtliche Mängel mangels entsprechender Regelung nicht zwingend folgen möge, dass sich der Verbraucher nicht mehr auf das Bestehen von Gewährleistungsansprüchen wegen offensichtlicher Mängel berufen könnte, werden seine Verbraucherrechte jedenfalls mittelbar betroffen. Der Verwender spekuliere erkennbar darauf, dass der Käufer die Rügeobliegenheit möglicherweise nicht kennt und deshalb verspätet rügt.
Bereits der Fakt, dass die Ausübung der Mängelrechte des Käufers potentiell und ohne sachlichen Grund behindert wird, führt insofern bereits zur Nichtigkeit der Klausel nach § 307 BGB. Im Rahmen einer sehr guten Klausurbearbeitung sollten überdies noch weitere Argumentationsstränge aufgegriffen werden, um das Ergebnis noch weiter abzusichern. Gerade bei der wertenden Abwägung im Rahmen von § 307 BGB wird in Klausuren nämlich stets eine umfassende Auslegung und Diskussion erwartet, da diese Prüfung meist den Schwerpunkt und auch die maßgebliche Weichenstellung in einer Klausur darstellt.
Argumentation mit den Vorgaben zum Handelskauf
Ferner könnte man im Rahmen dieser Diskussion nämlich noch Parallelen zu der Obliegenheit der Mängelrüge nach § 377 HGB anbringen. Bei Handelskäufen muss der Käufer gemäß § 377 Abs. 1 HGB die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsmäßigem Geschäftsgang tunlich ist, untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich eine Anzeige des Mangels tätigen.
Wenn man sich nun vor Augen führt, dass die vorgenannte Klausel zum einen eine schriftliche Mängelanzeige vorsieht, wobei § 377 HGB, der nur für Kaufleute gilt, auch eine mündliche Anzeige erlaubt, wird die unangemessene Benachteiligung des Verbrauchsgüterkäufers noch klarer. Zudem sieht die infrage stehende Klausel eine Prüfpflicht von zwei Wochen vor, während die Formulierung des § 377 HGB offen formuliert ist und in Sonderfällen je nach Fallgestaltung durchaus eine längere Frist als zwei Wochen genügen lässt.
Angesichts der Tatsache, dass die Klausel keinen Ausschluss der Mängelrechte, sondern lediglich eine Prüfpflicht vorsieht, ließe sich zwar argumentieren, dass ausdrücklich keine dem § 377 HGB vergleichbare Sanktion vereinbart wurde. Ein solcher Eindruck könne nach Auffassung des OLG Hamm im Sinne der vorangegangenen Argumentation aber zumindest beim Verbraucher erweckt werden, weil ihm der Sinn einer sanktionslosen Rügefrist nicht einleuchten mag und weil sich der Verwender auf die fehlende Rüge berufen könnte.
Die hier diskutierte Klausel, die im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs eingesetzt wurde, sieht insofern sogar teilweise strengere Vorgaben als § 377 HGB vor. Es erscheint indes unbillig, dem Verbrauchsgüterkäufer strengere Vorgaben als einem Kaufmann aufzuerlegen, so dass sich auch aus diesem Aspekt ein Verstoß gegen § 307 BGB ergibt.
Zum Aufbau
Anstelle einer Prüfung von § 307 BGB könnte auch direkt ein Verstoß gegen das Umgehungsverbot nach § 475 Abs. 1 S. 2 BGB oder sogar ein Verstoß gegen § 475 Abs. 1 S. 1 BGB geprüft werden. Zu beachten ist, dass das das Verbot nach § 475 Abs. 1 BGB auch dann gilt, wenn keine AGB vorliegen, sprich bei Individualvereinbarungen.
Vorliegend bietet sich allerdings eine Prüfung anhand der Maßgaben des AGB-Rechts eher an, da so zuerst § 309 BGB geprüft und verneint werden und sodann umfassend im Rahmen von § 307 BGB mit allen zur Verfügung stehenden Argumentationssträngen diskutiert werden kann. Ein derartiger Aufbau mag vielleicht übersehen, dass die Vorgaben in § 475 BGB als speziellere Regelungen der allgemeinen Klauselkontrolle nach §§ 307 ff. BGB vorgehen könnten, dass also eine AGB-Kontrolle bei einem Verstoß gegen § 475 Abs. 1 BGB bereits überflüssig ist (so etwa Lorenz, in MüKo-BGB, 6. Aufl. 2012, § 475, Rn. 25). Andererseits erscheint es im gutachterlichen Aufbau nicht schädlich, zunächst die Nichtigkeit nach § 307 BGB festzustellen und sodann in einem „Überdies-Satz“ zu postulieren, dass sich entsprechend der zuvor geführten Diskussion im Übrigen ebenfalls die Nichtigkeit aus § 475 Abs. 1 S. 2 BGB ergibt, wobei diese sogar bei Vorliegen einer Individualvereinbarung gelten würde.

22.07.2012/3 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
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Dr. Christoph Werkmeister

OLG Koblenz: Widerrufsrecht im Fernabsatzrecht auch bei wesentlicher Vertragsänderung

Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Verbraucherschutzrecht, Zivilrecht, Zivilrecht

Das OLG Koblenz entschied mit Urteil vom 28.03.2012 – 9 U 1166/11 einen äußerst examensrelevanten Sachverhalt, der sicherlich auch Gegenstand von Klausuren werden wird.
Sachverhalt

Eine Verbraucherin hatte ihren Vertrag mit 1&1 über Telefon- und Internet-Dienste (Service-Flat 6.000 DSL-Paket) mit einer Mindestvertragslaufzeit von 24 Monaten fristgerecht gekündigt. Daraufhin wurde sie vor Ablauf des Vertrages von einem Mitarbeiter des Unternehmens angerufen. Dieser bot ihr einen neuen Vertrag (Doppel Flatrate 16.000 DSL-Paket) zum neuen Preis mit neuer 24-monatiger Laufzeit an. Die Verbraucherin willigte zunächst ein, bereute ihre Entscheidung jedoch später und erklärte per E-Mail, dass sie den neuen Vertrag nicht mehr wolle. Das Unternehmen teilte ihr daraufhin mit, dass ein Widerrufsrecht nur bei Neuabschlüssen bestehe. Dies sei hier nicht der Fall, weil es sich nur um eine Inhaltsänderung im Rahmen eines bestehenden Vertrages handele. (Quelle: Beck-aktuell).

Rechtliche Würdigung
Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob der Verbraucherin ein Fernabsatzwiderrufsrecht gemä § 312d BGB zusteht. Hierzu bedarf es naturgemäß eines Fernabsatzvertrages i.S.d. § 312b Abs. 1 BGB. Das OLG Koblenze hatte sodann zu klären, ob der Begriff „Vertrag“ in diesem Sinne auch Änderungen eines Vertrages erfasst.
Das OLG führte hierzu aus, dass das Widerrufsrecht auch dann gelte, wenn ein Verbraucher per Fernkommunikationsmittel wesentliche Inhalte eines bestehenden Vertrages wie den Leistungsgegenstand ändert. Das OLG argumentierte, der Verbraucher sei in diesem Fall in Bezug auf den Abänderungsvertrag genauso schutzwürdig wie bei einem Erstvertrag. Eine derartige Auffassung ist folgerichtig, denn es kann keinen Unterschied machen, ob ein gänzlich neuer Vertrag abgeschlossen wird oder ob ein Vertrag verändert wird. Darüber hinaus ist in dogmatischer Hinsicht anzuführen, dass eine Vertragsänderung streng genommen auch den Abschluss eine Vertrages, nämlich eine Einigung durch zwei korrespondierende Willenserklärungen, darstellt. Insofern bestehen auch im Hinblick auf den Wortlaut des § 312b BGB, der einen „Vertrag über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen“ voraussetzt, keine Bedenken.
Folgerichtig müsste das Unternehmen im hiesigen Sachverhalt auch entsprechend über das Widerrufsrecht informieren, vgl. §§ 312c, 355, 360 BGB. Das Widerrufsrecht entfalle nur dann, wenn sich der Verbraucher unmittelbar vor dem Telefonat im Rahmen eines persönlichen Kontaktes bei dem Unternehmen über die neuen Vertragsbedingungen informiert habe.  In diesem Fall müsse der Kunde nicht mehr vor Übereilung geschützt werden.
Examensrelevanz
Die hier besprochene Entscheidung ist im Kontext einer Vielzahl von Entscheidungen zum Fernabsatzrecht zu sehen. So hatten die Gerichte zunächst vielfältig über die Rechtsfolgen eines derartigen Widerrufs (s. dazu etwa hier) und über die Belehrungsvoraussetzungen (s. dazu etwa hier) zu entscheiden. Es rücken nunmehr vermehrt Fragestellungen in den Vordergrund, bei denen es um die Definition des Begriffs des Fernabsatzvertrages i.S.d. § 312b BGB geht (s. dazu auch hier). Mit dem Voranschreiten der judizierten Konstellationen steigt gleichsam auch die Examensrelevanz. Examenskandidaten sollten sich demnach über das Fernabsatzrecht auf dem Laufenden halten.

06.05.2012/2 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
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Nicolas Hohn-Hein

BGH: Zur Mindeslaufzeit eines Fitness-Studiovertrags und zur außerordentlichen Kündigung

AGB-Recht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Verbraucherschutzrecht, Zivilrecht, Zivilrecht

In einer kürzlich ergangenen Entscheidung hat der BGH (Urteil v. 08.02.2012 – Az. XII ZR 42/10) zu der Frage Stellung genommen, ob ein Fitnessstudio-Vertrag eine Mindestlaufzeit von 24 Monaten haben darf. Überdies hat sich das Gericht mit der Problematik beschäftigt, wann die Beschränkung des Rechts zur außerordentlichen Kündigung durch AGB unzulässig sein kann. Der Fall behandelt Standardprobleme, die ohne weiteres – in Verbindung mit weiteren Problemen – Gegenstand einer Fortgeschrittenen- oder Examensklausur sein können.
Sachverhalt (verkürzt)
A interessiert sich für Kraftsport und entschließt sich, bei seinem örtlichen Fitnessstudio F Mitglied zu werden. Am 17.04.2007 begibt sich A in die Räumlichkeiten des F und schließt dort einen Vertrag zur Nutzung aller Fitnessangebote gegen Zahlung eines monatlichen Entgelts in Höhe von 44 EUR. Vertragsbeginn soll der 01.05.2007 sein. Der Vordruck des Vertrags, den die F standardmäßig für alle ihre Neu-Kunden einsetzt, enthält eine Laufzeit von mindestens 24. Monaten ab Vertragsbeginn. Darüber hinaus verweist der Vertrag auf die – ansonsten ordnungsgemäß eingeführten –  allgemeinen Vertragsbedingungen (AGB).
Ziff. 7 der AGB lautet:

„Der Nutzer kann den Vertrag mit Wirkung des Eingangs bei dem B…-Center kündigen, wenn er krankheitsbedingt für die restliche Vertragslaufzeit die Einrichtung des Centers nicht nutzen kann. Zur Wirksamkeit der Kündigung ist erforderlich, dass sie unverzüglich, spätestens binnen zwei Wochen nach Kenntnis des die Kündigung rechtfertigenden Umstandes erfolgt und der Kündigungserklärung ein ärztliches Attest eingefügt wird, aus dem sich nachvollziehbar die Erkrankung/gesundheitliche Beeinträchtigung er-gibt, die einer Nutzung entgegenstehen soll.“

Mit Schreiben vom 24.07.2008 kündigt A den Vertrag fristlos. Grund seien  gesundheitliche Probleme, die ihm sportliche Aktivitäten – was zutrifft – unmöglich machen. Er legt der Kündigung auch ein Attest bei. F ist mit der Kündigung nicht einverstanden und verweist darauf, dass das Vertragsverhältnis auf jeden Fall bis zum 30.04.2009 laufe. A ist sich unsicher und zahlt bis einschließlich September 2008 das Nutzungsentgelt weiter. Als A die Zahlungen ab Oktober 2008 einstellt, verlangt F die restlichen Nutzungsentgelte bis April 2009. A weigert sich nun endgültig, irgendetwas zu zahlen, da der Vertrag ja wohl durch die Kündigung beendet sei. Überhaupt sei eine 24-monatige Erstlaufzeit „völlig überzogen“ und der Vertrag deswegen „null und nichtig“.
Hat F einen Anspruch gegen A auf Zahlung der Nutzungsentgelte bis einschließlich April 2009?
Erstlaufzeit von 24 Monaten per AGB bei Fitness-Studiovertrag wirksam
Der BGH  stellt sich – wie immer innerhalb der Prüfung von AGB bzw. einer formularvertraglichen Vertragsbedingung – die Frage, ob eine „unangemessene Benachteiligung“ des Kunden im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB vorliegt, wenn der Kunde durch eine 24-monatige Laufzeit langfristig an den Dienstleister, hier das Fitnessstudio gebunden wird. Formularvertraglich kann eine Erstlaufzeit nach allgemeiner Auffassung jedenfalls 6 Monate betragen. Eine längere Erstlaufzeit wurde bislang nur in bestimmten Einzelfällen als zulässig angesehen. Denn

Soweit in formularvertraglich vereinbarten Erstlaufzeiten von mehr als sechs Monaten in Fitness-Studioverträgen eine unangemessene Benachteiligung des Kunden iSv § 307 Abs. 1 BGB gesehen wird, wird zur Begründung im Wesentlichen darauf abgestellt, dass der Kunde durch die langfristige Vertragsbindung nicht nur in seiner wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit, sondern auch in seiner persönlichen Entscheidung über die Art seiner Freizeitgestaltung erheblich eingeschränkt werd. Ein durchschnittlicher Kunde könne regelmäßig nicht voraussehen, ob er auf Dauer genügend Freizeit aufbringe und körperlich in der Lage sei, die Leistungen des Studiobetreibers über einen Zeitraum von sechs Monaten hinaus in Anspruch nehmen zu können. Dem stehe zwar das Interesse des Studiobetreibers an einer verlässlichen Grundlage für seine Kalkulation gegenüber. Daraus lasse sich jedoch kein anerkennenswertes Interesse ableiten, Kunden übermäßig langfristig an sich zu binden, insbesondere da seine Investitionen nicht auf besondere Personen zugeschnitten seien.

Der BGH hegt aber an diesen Gesichtspunkten erhebliche Zweifel und begründet dies mit Verweis auf § 309 Nr. 9 lit. a BGB, der auch im Rahmen der Abwägung nach § 307 Abs. 1 BGB wertungsmäßig herangezogen werden darf. Aus der längerfristigen Bindung allein könne sich noch keine unangemessene Benachteiligung für den konkreten Vertrag ergeben.

Der Gesetzgeber hat in § 309 Nr. 9 lit. a BGB angeordnet, dass eine Klausel unwirksam ist, die bei einem Vertragsverhältnis über die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen eine den anderen Vertragsteil länger als zwei Jahre bindende Laufzeit des Vertrages vorsieht. Durch diese Regelung sollte die Entscheidungs- und wirtschaftliche Dispositionsfreiheit des Kunden geschützt werden, die bei einer langfristigen Bindung an einen Vertrag besonders beeinträchtigt sein kann, ohne dass die Notwendigkeit einer langen Vertragslaufzeit durch die Natur des Vertrages vorgegeben ist (BT-Drucks. 7/3919 S. 37; Christensen in Ulmer/Brandner/Hensen AGB-Recht 11. Aufl. § 309 Nr. 9 BGB Rn. 1). Obwohl die Dispositionsfreiheit eines Vertragspartners des Verwenders bei jeglicher Art von langfristiger Vertragsbindung eine erhebliche Einschränkung erfährt, hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des § 309 Nr. 9 BGB jedoch nicht auf alle Dauerschuldverhältnisse, sondern nur auf Vertragsverhältnisse über die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen erstreckt. […]
Diese in § 309 Nr. 9 lit. a BGB zum Ausdruck gekommene Regelungsabsicht des Gesetzgebers ist auch bei der nach § 307 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Abwägung zu berücksichtigen, ob durch eine vorformulierte Laufzeitklausel eine unangemessene Benachteiligung des Kunden gegeben ist. Das schließt zwar nicht aus, dass eine Klausel, die nach ihrem Regelungsgehalt in den Anwendungsbereich der Klauselverbote fällt, mit den in Betracht kommenden Einzelverboten aber nicht kollidiert, nach der Generalklausel des § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sein kann (vgl. Senatsurteil vom 4. Dezember 1996 – XII ZR 193/95 – NJW 1997, 739, 740). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass sich die unangemessene Benachteiligung des Kunden nicht allein aus den Nachteilen einer langfristigen Vertragsbindung ergibt, die der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 309 Ziff. 9 BGB im Blick hatte. Da es unzulässig ist, aufgrund allgemeiner Überlegungen, die sich nicht aus den Besonderheiten gerade des zu beurteilenden Vertrages ergeben, über die Generalklausel die gesetzgeberische Regelungsabsicht geradezu „auf den Kopf zu stellen“, muss sich die Unangemessenheit einer Laufzeitklausel aus besonderen, von der Verbotsnorm nicht erfassten Gründen ergeben. 

Ziffer 7 der AGB schränkt Recht zur außerordentlichen Kündigung unzulässig ein
Das Gericht stellt zunächst darauf ab, wann eine Beschränkung des Rechts zur außerordentlichen Kündigung  in AGB grundsätzlich unzulässig ist. Dann liegt auch hier eine „unangemessene Benachteiligung“ nach § 307 Abs. 1 BGB vor.

Schließt eine Regelung in allge-meinen Geschäftsbedingungen das Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses zwar nicht gänzlich aus, knüpft dieses aber an zusätzliche Voraussetzungen, die geeignet sein können, den Vertragspartner des Verwenders von der Ausübung des außerordentlichen Kündigungsrechts abzuhalten, führt dies ebenfalls zu einer unangemessenen Benachteiligung des Kunden und damit zur Unwirksamkeit einer solchen Klausel nach § 307 Abs. 1 BGB. Allgemeine Geschäftsbe- dingungen dürfen dem Vertragspartner nicht solche Rechte entziehen oder ein- schränken, die ihm der Vertrag nach seinem Inhalt und Zweck zu gewähren hat.

Auf den vorliegenden Fall handelt es sich um einen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB, denn

[…] die Klausel kann in der für die Inhaltskontrolle maßgeblichen kundenfeindlichsten Auslegung dahingehend verstanden werden, dass der Kunde nur bei Vorliegen einer Erkrankung, die ihm für die restliche Vertragslaufzeit die Nutzung der Einrichtungen des Centers nicht ermöglicht, zur außerordentlichen Kündigung berechtigt und im Übrigen ein Recht zur außerordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist.
Hinzu kommt, dass die Klägerin durch die Klausel die Kündigung von der Vorlage eines ärztlichen Attestes abhängig macht, aus dem sich Art und Umfang der Erkrankung ergeben soll. Zwar ist ein berechtigtes Interesse des Betreibers eines Fitness-Studios an der Vorlage eines ärztlichen Attestes bei einer mit einer Erkrankung begründeten Kündigung ihres Kunden grundsätzlich anzuerkennen, um einen Missbrauch des eingeräumten Kündigungsrechts zu verhindern. Die Revision weist jedoch zu Recht darauf hin, dass diesem Interesse der Klägerin bereits durch die Vorlage eines ärztlichen Attestes gedient ist, aus dem sich ergibt, dass eine sportliche Tätigkeit des Kunden nicht mehr möglich ist. Das Interesse der Klägerin, sich vor unberechtigten Kündigungen zu schützen, rechtfertigt es nicht, von ihren Kunden Angaben über die konkrete Art der Erkrankung zu verlangen. Denn grundsätzlich kann den Angaben eines Arztes in einem Attest Glauben geschenkt werden. Außerdem ist es der Klägerin unbenommen, bei Zweifeln die Berechtigung der außerordentlichen Kündigung in Frage zu stellen und in einem gerichtlichen Verfahren die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung prüfen zu lassen, in dem dann der Kunde die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines wichtigen Grundes trägt.

Im vorliegenden Fall muss der Kunde nach dem Wortlaut der Ziff. 7 Satz 2 des Vertrags der Kündigung ein ärztliches Attest beifügen, aus dem sich nachvollziehbar die Erkrankung/gesundheitliche Beeinträchtigung ergibt, die einer weiteren Nutzung des Fitness-Studios entgegensteht. Dieser Anforderung würde ein ärztliches Attest, das nur eine auf Dauer anhaltende Sportunfähigkeit des Kunden bescheinigt, nicht genügen. Um für die Klägerin nachvollziehbar darzulegen, warum er auf Dauer das Fitness-Studio nicht mehr nutzen kann, müsste der Kunde die Art seiner Erkrankung gegenüber der Klägerin offenbaren. Er steht daher vor dem Ausspruch einer Kündigung vor der Entscheidung, ob er bereit ist, gegenüber der Klägerin entsprechende Angaben zu machen oder auf die Ausübung seines Kündigungsrechts zu verzichten. Dadurch besteht die Gefahr, dass der Kunde davon abgehalten wird, von seinem Recht zur außerordentlichen Kündigung Gebrauch zu machen, zumal die Klägerin ihrerseits nicht gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet ist und der Kunde sich daher nicht darauf verlassen kann, dass seine Angaben vertraulich behandelt und nicht an andere weitergegeben werden. 

Außerdem führe laut BGH die Pflicht des Kunden, spätestens 2 Wochen nach Erlangung der Kenntnis von der Erkrankung dazu, dass dieser ggf. voreilig kündigt, um sein Kündigungsrecht nicht zu verlieren, anstatt den weiteren Verlauf der Krankheit abzuwarten. Auch dies stelle eine unangemessene Benachteiligung dar.
Fazit
Der „Kniff“ mit § 309 Nr. 9 lit. a BGB ist anspruchsvoll und in einer Klausur wohl nur von den besseren Bearbeitern (wenn überhaupt) zu erwarten. Wer die Grundzüge des AGB-Rechts aber verstanden hat, der wird auch ohne den § 309 Nr. 9 lit. a BGB eine sehr solide Leistung hinlegen können, zumal die Literatur und Rechtsprechung bisher gute Argumente angeführt hat, die gegen eine längere Laufzeit von Fitness-Studioverträgen sprechen. Im Mittelpunkt stände bei der Bearbeitung in jedem Fall die Auslegung von Ziff. 7 des Vertrags und die Frage, ob eine „unangemessene Benachteiligung“ hinsichtlich des Kündigungsrechts gegeben ist.
 

25.03.2012/5 Kommentare/von Nicolas Hohn-Hein
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Nicolas Hohn-Hein https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Nicolas Hohn-Hein2012-03-25 12:24:442012-03-25 12:24:44BGH: Zur Mindeslaufzeit eines Fitness-Studiovertrags und zur außerordentlichen Kündigung
Dr. Christoph Werkmeister

EuGH zur Gesamtnichtigkeit eines Vertrages bei AGB-Verstoß

AGB-Recht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Der EuGH hat gestern einen examensrelevanten Fall zum AGB-Recht entschieden (Az. C-453/10). Der EuGH konnte zu dieser allgemeinen zivilrechtlichen Frage urteilen, da die Richtlinie 93/13 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95, 29) die europarechtliche Vorgabe für das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen darstellt. Die Richtlinie sieht vor, dass missbräuchliche Klauseln in einem Vertrag, der zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden nach dessen Vorgaben geschlossen wurde, für den Verbraucher unverbindlich sind.
Sachverhalt

Frau P. und Herr P. nahmen bei der SOS financ, die kein Kreditinstitut ist, aber Verbraucherkreditverträge auf der Grundlage von Standardformularverträgen gewährt, einen Kredit in Höhe von 150.000 SKK (4.979 Euro) auf. Nach dem Kreditvertrag ist der Kredit in 32 Monatsraten von je 6.000 SKK (199 Euro) zuzüglich einer 33. Monatsrate in Höhe des bewilligten Kredits zurückzuzahlen. Die Kreditnehmer sind somit verpflichtet, einen Betrag von 342.000 SKK (11.352 Euro) zurückzuzahlen. Der effektive Jahreszins des Kredits, d.h. die Summe der mit ihm verbundenen und vom Verbraucher zu tragenden Kosten, wurde in diesem Vertrag mit 48,63% angesetzt, während er nach Berechnung des slowakischen Gerichts, das den EuGH befragt, in Wirklichkeit 58,76% beträgt.
Frau P. und Herr P. haben beim Okresný súd Prešov (Bezirksgericht Prešov, Slowakei) Klage auf Feststellung erhoben, dass ihr Kreditvertrag mehrere missbräuchliche Klauseln wie die ungenaue Angabe des effektiven Jahreszinses enthält; ferner beantragen sie, die Unwirksamkeit des gesamten Vertrags festzustellen. Das slowakische Gericht möchte vom EuGH wissen, ob die Richtlinie es ihm erlaubt, die Unwirksamkeit eines Verbrauchervertrags, der missbräuchliche Klauseln enthält, festzustellen, wenn eine solche Lösung für den Verbraucher günstiger wäre. Nach seinen Ausführungen müssten die betroffenen Verbraucher im Fall der Feststellung der Unwirksamkeit nämlich nur die Verzugszinsen in Höhe von 9% und nicht die gesamten Kosten des bewilligten Kredits zahlen, die viel höher seien als diese Zinsen.

Entscheidung des EuGH
Der EuGH entschied, dass die nationalen Rechtsvorschriften durchaus über die Richtlinie hinaus gehende Vorgaben vorsehen können, wenn dadurch ein besserer Schutz des Verbrauchers gewährleistet wird. Auch wenn die Richtlinie (insbesondere dessen Art. 6) grundsätzlich nur auf die Beseitigung missbräuchlicher Klauseln abziele, sei es den Mitgliedstaaten gestattet, ein höheres Verbraucherschutzniveau vorzusehen.
Eine solche Entscheidung ist in meinen Augen dogmatisch Folgerichtig. Bei der Klauselrichtlinie handelt es sich um einen europäischen Rechtsakt zum Zwecke einer sog. minimum harmonization. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Regelungen, sowie den Hinweisen in den Erwägungsgründen der Richtlinie. Das bedeutet, dass die Richtlinie nur einen Minimalstandard an Schutz oktroyiert. Die Mitgliedsstaaten sind gehalten, diesen Schutzstandard zu gewährleisten. Sie dürfen aber darüber hinaus auch überschießend umsetzen, also einen höheren Schutzstandard gewähren. Anderes gilt nur bei europäischen Rechtsakten, die zum Zwecke einer sog. exhaustive harmonization erlassen wurden. So soll etwa die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (RL 2005/29/EG) einen umfassend harmonisierten Standard und gerade kein Minimum normieren.
In seinem Urteil weist der EuGH zunächst deshalb darauf hin, dass das Ziel der Richtlinie darin besteht, missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen zu beseitigen, und dabei – wenn möglich – die Wirksamkeit des Vertrags in seiner Gesamtheit aufrechtzuerhalten, nicht aber darin, sämtliche Verträge, die solche Klauseln enthalten, für nichtig zu erklären. Im deutschen Recht findet sich die hierzu korrelierende Vorschrift in § 306 Abs. 1 BGB. Hiernach wird die Vermutung des Rechtsgedankens des § 139 BGB umgekehrt. Sofern eine Klausel in AGB nichtig ist, ist grundsätzlich von der Wirksamkeit des übrigen Vertrages auszugehen.Wie bei den Slowaken bietet allerdings auch das deutsche Recht Abweichungen von diesem Grundsatz:

  1. Zum einen ist anerkannt, dass die Regel des § 306 Abs. 1 BGB dann nicht gilt, wenn ohne die entsprechenden vorformulierten Klauseln gar kein Vertragsrest mehr übrig bliebe. In solch einem Fall ist bei Nichtigkeit nach AGB-Recht (§§ 305 ff. BGB) somit auch von der Gesamtnichtigkeit des Vertrages auszugehen. Dieses Ergebnis wird im Übrigen durch den Wortlaut von Art. 6 der Klauselrichtlinie gestützt, wo es heißt: „[…] die Mitgliedstaaten sehen vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann. […]“.
  2. Darüber hinaus bietet § 306 Abs. 3 BGB eine zusätzliche Ausnahme vom Grundsatz des Abs. 1. Dieser gilt nämlich für die Fälle, wenn das Festhalten an den Vertrag eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde.

Die Entscheidung bestätigt insofern also auch die Europarechtskonformität unserer nationalrechtlichen Regelungen. Die Examensrelevanz darf deshalb nicht unterschätzt werden. Auch in Klausuren kann die Problematik ohne weiteres eingebaut werden, sofern der einschlägige Richtlinientext den Prüflingen vorgelegt würde.

16.03.2012/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-03-16 09:37:552012-03-16 09:37:55EuGH zur Gesamtnichtigkeit eines Vertrages bei AGB-Verstoß
Dr. Christoph Werkmeister

BGH: Vorzeitiger Abbruch einer eBay-Auktion durch den Verkäufer

BGB AT, Schuldrecht, Zivilrecht, Zivilrecht

Der BGH hat heute über das Recht des Verkäufers zur vorzeitigen Beendigung einer eBay-Auktion entschieden.
Sachverhalt
Ein Verkäufer stellte eine Digitalkamera bei eBay zur Auktion ein. Am folgenden Tag beendete er das Angebot vorzeitig. Zu diesem Zeitpunkt hatte allerdings bereits ein potentieller Käufer für die Kamera geboten. Der Käufer fordert wegen dem Abbruch der Auktion Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen seinem Gebot und dem Verkehrswert der Kamera. Der Verkäufer bringt vor, die Kamera sei ihm nach dem Einstellen bei eBay gestohlen worden.
In den AGB von eBay heißt es u.a.:

„Bei Ablauf der Auktion oder bei vorzeitiger Beendigung des Angebots durch den Anbieter kommt zwischen Anbieter und Höchstbietendem ein Vertrag über den Erwerb des Artikels zustande, es sei denn der Anbieter war gesetzlich dazu berechtigt, das Angebot zurückzunehmen und die vorliegenden Gebote zu streichen.“

Ergänzend wird in den auf der Website von eBay zugänglichen Hinweisen zum Auktionsablauf als Grund für eine vorzeitige Angebotsbeendigung u.a. der Verlust des angebotenen Artikels genannt.
Lösung des BGH
Der BGH wandte die o.g. Bestimmungen konsequent an. Die Bezugnahme auf eine „gesetzliche“ Berechtigung zur Angebotsbeendigung sei nicht im Sinne einer Verweisung nur auf die gesetzlichen Bestimmungen über die Anfechtung von Willenserklärungen zu verstehen. Auch der Verlust des Verkaufsgegenstandes sei ein rechtfertigender Grund für eine vorzeitige Angebotsbeendigung.
Mittelbare Wirkung von eBays AGB?
Die Lösung des BGH klingt zunächst schlüssig. Was jedoch zu beachten ist, ist der Fakt, dass die AGB von eBay nur im Verhältnis zwischen eBay und eBay-User gelten. Die AGB können in diesem Sinne nicht das Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer dominieren.
Andererseits gilt es aber zu beachten, dass das jeweilige Angebot des Verkäufers und die Annahme des Käufers im Rahmen des eBay-Frameworks abgegeben werden. Deshalb wird m.E. eine Auslegung nach §§ 133, 157 BGB ergeben, dass das Angebot des Verkäufers konkludent auch unter der Bedingung abgegeben wird, dass die jeweiligen Geschäftsbedingungen von eBay Anwendung finden.
Das soll heißen, dass die Grundsätze zum Vertragsschluss entsprechend den AGB von eBay (zumindest in diesem Fall; zu einem anderen Fall siehe hier) letzten Endes doch zwischen Verkäufer und Käufer gelten. Ob der BGH eine ähnliche Konstruktion zur Begründung seines Urteils gewählt hat, bleibt abzuwarten (der Volltext ist derzeit noch nicht verfügbar; dieser Beitrag beruht lediglich auf der korrespondierenden  Pressemitteilung des BGH).
Es zeigt sich jedoch, dass die Probleme zum allgemeinen Teil des BGB – und insbesondere zum Vertragsschluss – im Zeitalter des Internets noch lange nicht vollumfänglich gelöst sind. Es bleibt daher – jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt – viel Raum für Argumentation und Improvisation.

08.06.2011/11 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2011-06-08 19:56:582011-06-08 19:56:58BGH: Vorzeitiger Abbruch einer eBay-Auktion durch den Verkäufer

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