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Schlagwortarchiv für: versuchter Betrug

Dr. Melanie Jänsch

BGH: Versuchsbeginn bei der mittelbaren Täterschaft

Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT

Im Rahmen des unmittelbaren Ansetzens i.S.v. § 22 StGB findet die Abgrenzung zwischen – grundsätzlich straflosen – Vorbereitungshandlungen und dem Eintritt ins Versuchsstadium statt, die insbesondere im Fall der mittelbaren Täterschaft, in dem der Täter den Geschehensablauf zwar aktiv anstößt, aber die unmittelbare Ausführung einem nicht volldeliktisch handelnden Werkzeug überlässt, auf besondere Schwierigkeiten stößt. Mit Urteil vom 23.10.2019 (Az.: 2 StR 139/19) hat sich der BGH unter anderem nun wieder einmal mit dem Versuchsbeginn bei der mittelbaren Täterschaft auseinandergesetzt und auf die Feinheiten seiner Rechtsprechung hingewiesen. Eine sichere Beherrschung der Versuchsvoraussetzungen ist nicht nur für Strafrecht AT-Klausuren unentbehrlich, wobei neben dem Vorliegen des Tatentschlusses oder einer Rücktrittsproblematik auch immer wieder das unmittelbare Ansetzen als beliebter Schwerpunkt einer Versuchsprüfung Einzug findet. Zur Erhöhung des Schwierigkeitsgrades eignet sich die Kombination mit der mittelbaren Täterschaft hervorragend. Die Entscheidung soll daher zum Anlass genommen werden, um sich mit der Problematik und den zum Versuchsbeginn bei der mittelbaren Täterschaft vertretenen verschiedenen Auffassungen eingehender auseinanderzusetzen und die Thematik gutachterlich aufzuschlüsseln.
 
A) Sachverhalt (vereinfacht und leicht abgewandelt)
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: Der T erwarb den gestohlenen Pkw des Halters H. Das Fahrzeug wurde auf den T zugelassen. Dabei hatte er schon von Beginn an den Eindruck, dass mit dem Kilometerstand des Fahrzeugs und – nach den landgerichtlichen Feststellungen und Wertungen – „auch darüber hinaus“ etwas „nicht stimmte“. Dennoch entschloss sich der T dazu, das Fahrzeug zeitnah zu veräußern. Nach einem erfolglosen Verkaufsangebot im Internet nahm er Kontakt zu dem gutgläubigen W auf, der einen Autohandel betrieb. T beauftragte W damit, das Fahrzeug „im Kundenauftrag“ für etwa 75.000 Euro zu verkaufen und versprach ihm dafür eine Provision von 2000 Euro. Der T legte dem Zeugen S eine Kopie des Fahrzeugbriefs, einen Untersuchungsbericht der Firma Bentley und einen TÜV-Bericht über das Fahrzeug vor. Dabei war ihm bewusst, dass es sich bei dem Fahrzeug um eine „Doublette“ handelte, deren Fahrzeugidentifikationsnummer auch bei einem Fahrzeug vorhanden war, das in den USA existierte. Der W bot das Fahrzeug über eine Internet-Plattform an und nannte – unbewusst wahrheitswidrig – eine Erstzulassung im Jahre 2008 sowie einen Kilometerstand von 17.000 km. Daraufhin meldete sich der Interessent I, der aber letztlich keinen Kaufvertrag abschloss.
Strafbarkeit des T nach §§ 263 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB?  
 
B) Rechtsausführungen
Die Vorinstanz, das LG Wiesbaden, hat eine Strafbarkeit des T unter anderem wegen versuchten Eingehungsbetrugs in mittelbarer Täterschaft nach §§ 263 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB durch Einschaltung des W angenommen. Der BGH kritisierte  die Feststellungen zu der auch als versuchter Betrug gewerteten Tat als lückenhaft; diese könnten den Schuldspruch nicht tragen. Denn den Urteilsgründen sei nicht zu entnehmen, dass der Betrug bereits das Versuchsstadium i.S.v. § 22 StGB erreicht hatte. Im Folgenden ist daher die Versuchsprüfung en détail nachzuzeichnen.
 
I. Vorprüfung
Unstreitig lag mangels Erfolgseintritts keine vollendete Tat vor. Die Strafbarkeit des Betrugs ergibt sich aus § 263 Abs. 2 StGB.
 
II. Tatentschluss
Dass der T Tatentschluss, mithin Vorsatz hinsichtlich der Merkmale des objektiven Tatbestandes des § 263 Abs. 1 StGB sowie Bereicherungsabsicht als subjektives Merkmal, aufwies, war ebenfalls nicht zu bezweifeln. Die Tat sollte auch im Wege mittelbarer Täterschaft i.S.v. § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB durch Einschaltung des W ausgeführt werden. Von mittelbarer Täterschaft wird gesprochen, wenn der Täter „die Straftat (…) durch einen anderen begeht“. Dies ist grundsätzlich dann der Fall, wenn der Tatmittler ein Strafbarkeitsdefizit aufweist, aufgrund dessen er nicht volldeliktisch handelt, und das der Täter planvoll lenkend für seine Zwecke ausnutzt, sodass der tatbestandliche Erfolg letztlich als sein Werk anzusehen ist (BeckOK StGB/Kudlich, 45. Ed. 2020, § 25 Rn. 20). Vorliegend sollte der W, der unbewusst wahrheitswidrige Informationen über den Pkw auf der Internetplattform veröffentlichen sollte, nach der Vorstellung des T als vorsatzlos handelnder Tatmittler agieren. Dies wollte der T für seine Zwecke ausnutzen, sodass auch Vorsatz bezüglich der Tatbegehung im Wege mittelbarer Täterschaft bestand.
 
III. Unmittelbares Ansetzen
Hinsichtlich der Strafbarkeit des T wegen versuchten Betrugs in mittelbarer Täterschaft gemäß §§ 263 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB ist also allein problematisch, ob er bereits ins Versuchsstadium eingetreten ist. Gemäß § 22 StGB liegt der Versuch einer Straftat vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Dies ist zwar jedenfalls dann der Fall, wenn der Täter bereits mit der tatbestandlichen Ausführungshandlung dergestalt begonnen hat, dass bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht wurde. Allerdings kann nach ständiger Rechtsprechung des BGH auch eine „frühere, vorgelagerte Handlung […] die Strafbarkeit wegen Versuchs begründen. Das ist der Fall, wenn sie nach der Vorstellung des Täters bei ungestörtem Fortgang ohne Zwischenakte zur Tatbestandsverwirklichung führt oder im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang in sie einmündet“ (BGH, Urt. v. 16.9.1975 – 1 StR 264/75, BGHSt 26, 201, 203). Dies bedeutet, dass der Täter nach der Formel der herrschenden gemischt subjektiv-objektiven Theorie „subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschreiten und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzen [muss], sodass sein Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht“ (vgl. bereits BGH, Urt. v. 16.9.1975 – 1 StR 264/75, BGHSt 26, 201, 202 f.).
 
Anmerkung: Die Bestimmung des Versuchsbeginns ist auch bezogen auf den Alleintäter mitunter noch umstritten. Eine ausführliche Darstellung verschiedener Ansätze findet sich in LK-StGB/Hillenkamp, § 22 Rn. 63 ff.
 
Fällt die Subsumtion unter diese abstrakte Formel schwer, so hat der BGH mitunter Konkretisierungen vorgenommen, indem er Kriterien, die zur Beurteilung des Versuchsbeginns herangezogen werden können, in verschiedenen Entscheidungen ausdrücklich benannt hat. Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium sollen unter anderem „die Dichte des Tatplans oder der Grad der Rechtsgutsgefährdung, der aus Sicht des Täters durch die zu beurteilende Handlung bewirkt wird“ (BGH, Beschl. v. 29.5.2018 – 1 StR 28/18, BeckRS 2018, 16394, Rn. 9), sein. Gelten diese Grundsätze für den Alleintäter, so kommen besondere Schwierigkeiten hinzu, wenn ein Fall mittelbarer Täterschaft vorliegt, in dem sich der Täter wie in der vorliegenden Konstellation zur Tatausführung eines nicht volldeliktisch handelnden Werkzeugs bedient. Wann der mittelbare Täter ins Versuchsstadium eintritt, ist wiederum umstritten.
 
1. Einwirkungstheorie
Eine Mindermeinung in der Literatur (s. etwa Bockelmann, JZ 1954, 468, 473; Meyer, ZStW 87 (1975), 598, 609; Puppe, GA 2013, 514, 530) nimmt den Versuchsbeginn für den mittelbaren Täter bereits mit der Einwirkung auf das Werkzeug an. Der Ausgangspunkt dieser Ansicht ist eine isolierte Betrachtung von Täter und Tatmittler, die in der Konsequenz ausschließlich auf das maßgebliche eigene Tun des Täters abstellt. Argumentiert wird damit, dass der Tatbeitrag des mittelbaren Täters ja gerade in seinem Einwirken auf den Tatmittler besteht und angesichts dessen die versuchte Tatbegehung schon dann angenommen werden muss, wenn er diese Einwirkung vornimmt oder vorzunehmen versucht.
Nach diesen Maßstäben müsste ein Eintritt ins Versuchsstadium schon in dem Zeitpunkt angenommen werden, in dem der T den W mit der Veräußerung des Fahrzeugs beauftragt und ihm hierzu eine Kopie des Fahrzeugbriefs, einen Untersuchungsbericht der Firma Bentley und einen TÜV-Bericht über das Fahrzeug vorgelegt hat, obwohl ihm bewusst war, dass es sich bei dem Fahrzeug um eine „Doublette“ handelte. Folgt man der Einwirkungstheorie, ist mithin ein unmittelbares Ansetzen zu bejahen.
Gegen die Einwirkungstheorie ist indes einzuwenden, dass sie das Versuchsstadium bedenklich weit nach vorn verlagert, sodass die Gefahr besteht, den Grundsatz der grundsätzlichen Straflosigkeit von Vorbereitungshandlungen auszuhöhlen. Dies ist unvereinbar mit dem gesetzgeberischen Willen, der sich in dem Erfordernis der Unmittelbarkeit ausdrückt. Diesem liegt der Gedanke zugrunde, dass nur derjenige wegen Versuchs strafbar sein soll, der sich vorstellt, die Tatbestandsverwirklichung stehe als Folge seines Handelns unmittelbar bevor (hierzu MüKoStGB/Hoffmann-Holland, 3. Aufl. 2017, § 22 Rn. 135).
 
2. Gesamtlösung
Das andere Extrem, die Gesamtlösung, betrachtet dagegen mittelbaren Täter und Tatmittler als Einheit, die nur ganzheitlich unmittelbar ansetzen kann. Ein Versuchsbeginn ist nach dieser Ansicht auch für den mittelbaren Täter erst dann gegeben, wenn unmittelbar (durch das Werkzeug) zur eigentlichen Tatausführung angesetzt wird (hierzu Erb, NStZ 1995, 424, 426; Krack, ZStW 110 (1998), 611, 625 ff.; Kühl, JuS 1983, 180, 181 f.; Küper, JZ 1983, 361, 369). Es muss also im konkreten Fall die Frage beantwortet werden, ob der W seinerseits durch das Einstellen des Fahrzeugs auf der Verkaufsplattform  sowie die Interessenbekundung des I unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung insofern angesetzt hat, als keine wesentlichen Zwischenschritte mehr erforderlich gewesen wären. Dies ist wohl dann zu verneinen, wenn der I letztlich nur sein Interesse bekundet, der W ihm aber noch kein konkretes Angebot unterbreitet hat. Da die Feststellungen keine klare Einschätzung zulassen, ist ein unmittelbares Ansetzen durch den W und damit bei Zugrundelegung der Gesamtlösung auch ein unmittelbares Ansetzen des T zu verneinen.
Auch die Gesamtlösung stößt aber auf berechtigte Kritik: Eine einheitliche Betrachtung von mittelbarem Täter und Tatmittler erscheint insofern sachwidrig, als der mittelbare Täter oftmals bereits vorher alles seinerseits zur Tatbestandsverwirklichung Erforderliche getan hat. Damit wird der Versuchsbeginn von Zufälligkeiten abhängig gemacht und das Versuchsstadium zu weit nach hinten verschoben.
 
3. Entlassungstheorie (h.M.)
Sachgerecht erscheint vor diesem Hintergrund die sog. Entlassungstheorie: Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Lehre geht zu Recht davon aus, dass der mittelbare Täter dann unmittelbar ansetzt, wenn er nach seiner Vorstellung von der Tat die erforderliche Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat, sodass dieser dem Tatplan nach im unmittelbaren Anschluss die Tat ausführen soll und das geschützte Rechtsgut bereits in diesem Zeitpunkt konkret gefährdet ist (s. etwa BeckOK StGB/Cornelius, 45. Ed. 2020, § 22 Rn. 65; MüKoStGB/Hoffmann-Holland, 3. Aufl. 2017, § 22 Rn. 129 m.w.N.). „Denn wer die Tat durch einen anderen begehen will (§ 25 I StGB), setzt zur Verwirklichung des Tatbestandes der geplanten Straftat unmittelbar an (§ 22 StGB), wenn er den Tatmittler zur Tatausführung bestimmt hat und ihn aus seinem Einwirkungsbereich in der Vorstellung entläßt, daß er die tatbestandsmäßige Handlung nunmehr vornehmen werde.“ (BGH, Urt. v. 26.01.1982 – 4 StR 631/81, NJW 1982, 1164). Diese Maßstäbe legt der BGH auch in der hier zu besprechenden Entscheidung an, betont aber die Wichtigkeit der zeitlichen Nähe zwischen Entlassung des Tatmittlers und Tatbestandsverwirklichung sowie der hiermit einhergehenden konkreten Gefährdung des Tatobjekts für den Versuchsbeginn:

„Bezieht der Täter notwendige Beiträge eines Tatmittlers in seinen Plan ein, so liegt ein Ansetzen des Täters zur Begehung der Tat (hier: eines Eingehungsbetrugs) im Allgemeinen zwar schon dann vor, wenn er seine Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat. Jedoch fehlt es an einem unmittelbaren Ansetzen durch abgeschlossene Einwirkung auf den Tatmittler, wenn dies erst nach längerer Zeit zur Tatbegehung führen soll oder wenn ungewiss bleibt, ob und wann es die gewünschte Folge hat, also wann eine konkrete Gefährdung des angegriffenen Rechtsguts eintritt; in diesen Fällen der Verzögerung oder Ungewissheit der Tatausführung durch den Tatmittler beginnt der Versuch erst, wenn der Tatmittler seinerseits unmittelbar zur Erfüllung des Tatbestands ansetzt.“ (Rn. 22)

Der Eintritt ins Versuchsstadium erfordert also nach der h.M. als notwendige Bedingung, dass der mittelbare Täter nach seiner Vorstellung von der Tat die erforderliche Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat, ihn also aus seinem Machtbereich entlassen hat. Als hinreichende Bedingung – und dies wird bei der Darstellung der Entlassungstheorie in der Klausur oft vergessen – muss aber hinzukommen, dass der Tatmittler dem Tatplan nach im unmittelbaren Anschluss (also in zeitlicher Nähe) die Tat ausführen soll und das Tatobjekt zu diesem Zeitpunkt bereits konkret gefährdet ist. Ist dies bei Entlassung des Tatmittlers noch nicht der Fall, beginnt der Versuch auch für den mittelbaren Täter erst, wenn der Tatmittler seinerseits unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung ansetzt.  An dieser Stelle führte der BGH aus, den Urteilsgründen der Vorinstanz könne nicht entnommen werden, ob nach diesen Maßstäben ein Eintritt ins Versuchsstadium erfolgt sei, sodass die Revision insoweit begründet sei:

„Die Voraussetzungen des Versuchsbeginns hat das LG nicht geprüft. Es hat zum Vorstellungsbild des Angekl. vom weiteren Geschehensablauf keine Feststellungen getroffen. Auch bleibt unklar, ob mit der Bekundung des Kaufinteressenten […] als eigentliches Tatgeschehen eine konkrete Rechtsgutsgefährdung vorlag. Das Urteil teilt nicht mit, ob nur eine Sondierung der Lage durch den Kaufinteressenten stattgefunden oder ob der [W] ihm bereits ein konkretes Kaufangebot unterbreitet hatte und wie danach aus der Sicht des Angekl. ein Vertragsschluss […] hätte zustande kommen sollen.“ (Rn. 21)

 
Anmerkung: Scheitert eine Versuchsstrafbarkeit am unmittelbaren Ansetzen, ist bei Verbrechen auch stets an § 30 Abs. 2 StGB zu denken – dieser wird oft übersehen.
 
C) Fazit
Mit seiner Entscheidung folgt der BGH konsequent seiner bisherigen Rechtsprechungslinie, hebt aber die Erforderlichkeit einer präzisen Prüfung der einzelnen Voraussetzungen besonders hervor: Der Eintritt ins Versuchsstadium bei der Einschaltung eines nicht volldeliktisch handelnden Werkzeugs erfolgt, wenn der Täter seine Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat. Dies gilt aber nur dann, wenn der Tatmittler der Vorstellung des Täters entsprechend auch im unmittelbaren Anschluss die Tat ausführen soll und das geschützte Rechtsgut bereits in diesem Zeitpunkt konkret gefährdet ist. Fehlt es hieran, beginnt auch für den mittelbaren Täter der Versuch erst in dem Zeitpunkt, in dem das Werkzeug seinerseits unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung ansetzt. In einer Klausur bedarf es also einer genauen Betrachtung der konkreten Umstände; vorschnell den Versuchsbeginn nach abgeschlossener Einwirkung auf den Tatmittler anzunehmen, wäre verfehlt.

09.03.2020/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2020-03-09 09:00:452020-03-09 09:00:45BGH: Versuchsbeginn bei der mittelbaren Täterschaft
Carlo Pöschke

Klassiker des Strafrechts: Tankstellenfälle

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Zu den Fallkonstellationen, die Jura-Studenten von den ersten Semestern bis zum Examen begleiten, gehören die sog. Tankstellenfälle. Hierbei betankt der Täter sein Fahrzeug an einer Selbstbedienungstankstelle, ohne den Kaufpreis an der Kasse zu entrichten. Die Komplexität dieser Fälle wird bereits deutlich, wenn man das Stichwort in die Google-Suche eingibt. So stellt eine Rechtsratgeber-Seite fest: „Inwieweit hier eine Strafbarkeit vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls und unter Juristen umstritten.“ Und genau deshalb erfreuen sich die Tankstellenfälle sowohl in universitären Klausuren als auch im Examen größter Beliebtheit: Zu prüfen sind Straftatbestände wie Diebstahl (§ 242 StGB), Betrug (§ 263 StGB) und Unterschlagung (§ 246 StGB), die bereits in frühen Semestern zum Standard-Repertoire eines jeden Prüflings gehören (sollten), Vieles ist juristisch umstritten und durch kleine Abwandlungen lassen sich leicht neue Fallkonstellationen erzeugen. Bei genauem Hinsehen stellt man jedoch fest, dass sich solche Prüfungsaufgaben häufig auf einige wenige Grundfälle zurückführen lassen. Wer diese typischen Fallgestaltungen im Hinterkopf behält, kann auch bei unbekannten Abwandlungen mit der entsprechenden Argumentation und einem guten systematischen Verständnis der Vermögensdelikte in der Klausur punkten.
A. Fallgestaltung 1: Von vornherein zahlungsunwilliger Täter wird nicht beobachtet oder geht irrig davon aus, nicht beobachtet zu werden
Beispielsfall: T, der ständig knapp bei Kasse ist, aber trotzdem mit seinem Sportwagen auf der Straße prahlen möchte, betankt an der Selbstbedienungstankstelle des S seinen fast leeren Tank mit Benzin im Wert von 70 Euro mit der zuvor gefassten Absicht, das Tankstellengelände ohne Entrichten des Kaufpreises wieder zu verlassen. T hat bewusst die Tankstelle des S ausgewählt, da diese noch nicht über moderne Überwachungssysteme verfügt und das Kassenpersonal insb. zu Stoßzeiten mit dem Abkassieren so beschäftigt ist, dass das Geschehen im Außenbereich unbeachtet bleibt. So geschieht es:  Tankstellenmitarbeiter M bekommt von dem Tankvorgang zunächst nichts mit und nimmt von dem Vorfall erst Kenntnis, als T bereits unbehelligt davongefahren ist und ein Kunde ihn über die Sperrung der betreffenden Zapfsäule informiert. Strafbarkeit des T?
I. § 242 Abs. 1 StGB
Indem T den Tank seines Sportwagens an der Selbstbedienungstankstelle des S befüllte, könnte er sich gem. § 242 Abs. 1 StGB wegen Diebstahls strafbar gemacht haben.
1. Objektiver Tatbestand
a) In objektiver Hinsicht verlangt der Tatbestand des § 242 Abs. 1 StGB zunächst, dass es sich bei dem Benzin um eine fremde bewegliche Sache handelt. Benzin stellt (unabhängig vom Aggregatzustand) einen körperlichen Gegenstand i.S.d. § 90 BGB dar, der auch tatsächlich fortgeschafft werden kann, mithin eine bewegliche Sache.
Fraglich ist, ob das Benzin für T auch fremd ist. Fremd ist eine Sache, wenn sie zumindest auch im Eigentum eines anderen steht. Insbesondere in der älteren Literatur und Rechtsprechung wurde die Fremdheit des Benzins jedoch abgelehnt: Der Tankstellenbetreiber unterbreite dem sich selbst bedienenden Kunden bereits mit Aufstellen der Tanksäule ein Angebot auf Übereignung des Benzins, das vom Kunden durch Einfüllen des Kraftstoffs in den Tank angenommen werde. Insofern vollziehe sich die Übereignung bereits an der Tanksäule gem. § 929 S. 1 BGB (OLG Düsseldorf NJW 1982, 249; Herzberg, NJW 1984, 896, 898). Nach der Gegenansicht sei die Fremdheit der Sache sehr wohl zu bejahen. Ganz überwiegend wird argumentiert, dass sich – sofern nicht ohnehin ein Eigentumsvorbehalt gem. § 449 BGB vereinbart wurde – die dingliche Einigung wie beim Kauf in Selbstbedienungsläden erst nach § 929 S. 2 BGB an der Kasse vollziehe (OLG Koblenz NStZ-RR 1998, 364; NK-StGB/Kindhäuser, 5. Aufl. 2017, § 242 Rn. 17). Denkbar wäre auch, einen gesetzlichen Eigentumserwerb des Tankenden gem.  § 948 Abs. 1 BGB i.V.m. § 947 Abs. 1 BGB anzunehmen. Da der Tankende über § 948 Abs. 1 BGB i.V.m. § 947 Abs. 1 BGB jedoch bloß Miteigentümer der Sache wird, wäre das Benzin für T immer noch fremd. Die Ansicht, die einen Eigentumsübergang bereits an der Tanksäule nach Maßgabe des § 929 S. 1 BGB annimmt, vermag nicht zu überzeugen, weil sie den Anschauungen des täglichen Lebens zuwiderläuft und mit einer Auslegung von Willenserklärungen nach den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB nicht zu vereinbaren ist. Denn es wird regelmäßig nicht dem Willen des Tankstelleninhabers entsprechen, an seine Kunden vorzuleisten. Vielmehr soll die Leistung Zug-um-Zug, d.h. Ware gegen Geld, erfolgen. Ob sich die Übereignung rechtsgeschäftlich nach § 929 S. 2 BGB an der Kasse oder gesetzlich nach § 948 Abs. 1 BGB i.V.m. § 947 Abs. 1 BGB vollzieht, ist nicht zu entscheiden, da beide Ansichten zu dem Ergebnis kommen, dass das Benzin eine für T fremde Sache ist.
Somit stellt das Benzin ein taugliches Tatobjekt dar.
b) Weiterhin müsste T dem S das Benzin weggenommen haben. Unter Wegnahme versteht man den Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht notwendig tätereigenen Gewahrsams. Dabei ist Gewahrsam die tatsächliche Herrschaft eines Menschen über eine Sache, die von einem natürlichen Herrschaftswillen getragen und in ihrer Reichweite von der Verkehrsanschauung begrenzt wird. Vor Beginn des Betankungsvorgangs lag der Gewahrsam am Benzin bei S. Durch Befüllung des Tanks wurde dem S der ungehinderte Zugriff auf das Benzin entzogen, während T fortan – auch unter Zugrundlegung der Verkehrsanschauung – über das Benzin verfügen konnte. Insoweit hat er neuen Gewahrsam am Benzin begründet. Fremder Gewahrsam wird jedoch nur dann gebrochen, wenn der Täter gegen oder ohne den Willen des bisherigen Gewahrsamsinhabers handelt. Dies wäre nicht der Fall, wenn die Begründung des neuen Gewahrsams am Benzin von einem tatbestandausschließenden Einverständnis des bisherigen Gewahrsamsinhabers (hier S) gedeckt wäre. Nach h.M. beinhaltet die Eröffnung einer Selbstbedienungstankstelle das generelle Einverständnis in die Entnahme von Kraftstoff. Wer die Zapfsäule ordnungsgemäß bediene, nehme selbst dann nicht weg, wenn er von vornherein nicht vorhat, das Benzin zu bezahlen (MüKo-StGB/Schmitz, 3. Aufl. 2017, § 242 Rn. 108 m.w.N.). Dies wird von einer Mindermeinung bestritten, die das Einverständnis nicht nur an die ordnungsgemäße Bedienung, sondern zusätzlich an die ordnungsgemäße Bezahlung geknüpft sieht und insofern auf einen rein innerlich gebliebenen Vorbehalt abstellt. Letztgenannte Ansicht führt jedoch dazu, dass die Abgrenzung zwischen Wegnahme i.S.v. § 242 Abs. 1 StGB und Täuschung i.S.v. § 263 Abs. 1 StGB verwischt und ist daher abzulehnen (so auch Schönke/Schröder/Bosch, StGB, 30. Aufl. 2019, § 242 Rn. 36a). Damit ist auch im vorliegenden Fall von einem unbedingten Einverständnis des S in den Gewahrsamsübergang auszugehen, das eine Wegnahme ausschließt.
2. Ergebnis
T hat sich nicht gem. § 242 Abs. 1 StGB wegen Diebstahls strafbar gemacht.
II. § 263 Abs. 1 StGB
Durch dieselbe Handlung könnte sich T gem. § 263 Abs. 1 StGB wegen Betrugs gegenüber M zu Lasten S strafbar gemacht. Der Betrugstatbestand erfordert im objektiven Tatbestand zunächst eine Täuschung über Tatsachen, worunter jedenfalls jedes Verhalten mit Erklärungswert fällt, das irreführend auf das Vorstellungsbild eines anderen einwirkt. Weil T jedoch bis Beendigung des Tankvorgangs vom Tankstellenpersonal unberücksichtigt blieb, konnte er bereits gar nicht auf das Vorstellungsbild eines anderen einwirken. T hat sich nicht gem. § 263 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
Anmerkung: Gäbe es im Sachverhalt nicht den Hinweis darauf, dass die Tankstelle über keine Überwachungssysteme verfügt und die Mitarbeiter regelmäßig nicht das Außengelände überwachen, müsste geprüft werden, ob sich T gem. § 263 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB wegen versuchten Betrugs gegenüber M zu Lasten S strafbar gemacht hat. Hier könnte bspw. angeführt werden, dass bei realitätsnaher Betrachtung stets mit der Möglichkeit der unmittelbaren oder durch Überwachungsanlagen vermittelten Wahrnehmung zu rechnen ist und deshalb mit bedingtem Täuschungsvorsatz gehandelt wurde (OLG Köln NJW 2002, 1059, 1060).
III. § 246 Abs. 1 StGB durch Befüllen des Tanks
Durch dieselbe Handlung könnte sich T gem. § 246 Abs. 1 StGB wegen Unterschlagung strafbar gemacht haben.
1. Objektiver Tatbestand
a) Dass das Benzin eine fremde bewegliche Sache ist, wurde bereits zuvor ausgeführt.
b) Des Weiteren müsste sich T das Benzin zugeeignet haben. Erforderlich ist die objektive Manifestation eines Selbst- oder Drittzueignungswillens. T wollte das Benzin der Einwirkungssphäre des S dauerhaft entziehen, um es selbst zu behalten. Er handelte also mit Zueignungswillen. Problematisch erscheint hingegen, ob auch ein über den bloßen Zueignungswillen hinausgehender objektiver Zueignungsakt vorliegt.
Die sog. enge Manifestationstheorie der h.L. stellt darauf ab, ob ein nach außen erkennbares Verhalten des Täters verlässlich zum Ausdruck bringt, dass der Täter die Sache behalten will. Dies sei aus der Sicht eines objektiven Beobachters zu beurteilen, der abgesehen vom Zueignungswillen des Täters alle tatsächlichen Umstände des Falls kennt. Der Tankvorgang stellt sich dabei als ein „an sich neutrale[r] Vorgang“ (Borchert/Hellmann, NJW 1983, 2799, 2800) dar. Zu diesem Zeitpunkt kann ein objektiver Beobachter ohne Kenntnis des Täterwillens nämlich noch nicht sagen, ob der sich ansonsten unauffällig verhaltende Tankende die Tankstelle ohne Bezahlung des Kaufpreises verlassen wird oder ordnungsgemäß bezahlen wird und an der Kasse das Eigentum am Benzin erwerben wird. Nach dieser Ansicht wurde der Zueignungswille mithin nicht manifestiert.
Nach der sog. weiten Manifestationstheorie, die insb. von der Rspr. vertreten wird, kann hingegen jede beliebige Handlung als Ausdruck des Zueignungsinteresses verstanden werden, soweit ein objektiver Beobachter bei Kenntnis des Täterwillens das Verhalten als Bestätigung des Willens ansieht. Vorliegend würde ein objektiver Beobachter bei Kenntnis des Täterwillens das Betanken des Fahrzeugs bereits als Manifestation des Willens betrachten.
Die vorgestellten Ansichten kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen, sodass der Streit zu entscheiden ist. Würde man der Ansicht der Rspr. folgen, hätte dies zur Konsequenz, dass eine Abgrenzung zwischen Vorbereitung, Versuch und Vollendung nahezu unmöglich würde. Außerdem lässt sich aus § 22 StGB, wonach eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung unmittelbar zu ihr ansetzt, e contrario ableiten, dass die Vorstellungen des Täters im Rahmen des objektiven Tatbestands keine Berücksichtigung finden soll. Die weite Manifestationstheorie führt aber gerade dazu, dass der objektive Tatbestand vom subjektiven Tatbestand her interpretiert wird (vgl. MüKo-StGB/Hohmann, 3. Aufl. 2017, § 246 Rn. 18). Aus den genannten Gründen verdient die enge Manifestationstheorie den Vorzug. T hat durch das Befüllen des Tanks den Zueignungswillen nicht manifestiert hat.
2. Ergebnis
T hat sich durch das Befüllen des Tanks nicht gem. § 246 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
IV. § 246 Abs. 1 StGB durch Wegfahren
Dadurch, dass T unbehelligt davonfuhr, könnte er sich jedoch gem. § 246 Abs. 1 StGB wegen Unterschlagung strafbar gemacht haben.
Das Benzin ist ein taugliches Tatobjekt (s.o.).
Durch das Wegfahren wird vorliegend auch nach der engen Manifestationstheorie der Zueignungswille des T nach außen manifestiert.
T hatte keinen fälligen und einredefreien Anspruch auf das Benzin, sodass die Zueignung rechtswidrig war.
T handelte vorsätzlich.
Die Tat war auch rechtswidrig und schuldhaft.
T hat sich, indem er unbehelligt davonfuhr, gem. § 246 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
IV. Gesamtergebnis
T hat sich gem. § 246 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
B. Fallgestaltung 2: Anfänglich zahlungswilliger Täter fasst mit Abschluss des Tankvorgangs den Entschluss, die Tankstelle ohne Bezahlung des Kraftstoffs zu verlassen
Beispielsfall: T hat im vergangenen Monat mit seinem Geld gut gehaushaltet und hat sich 70 Euro beiseitegelegt, um seinen Sportwagen endlich wieder einmal vollzutanken. Er fährt zu der Selbstbedienungstankstelle des S in der Absicht, den Wagen vollzutanken und den Kaufpreis nach Beendigung des Tankvorgangs zu bezahlen. Er befüllt den Tank seines Sportwagens mit Benzin im Wert von 70 Euro. Auf dem Weg zur Kasse regt er sich jedoch über die Gewinnsucht der großen Ölkonzerne auf und sieht es gar nicht ein, die Reichen noch reicher zu machen. Um nicht aufzufliegen, entnimmt er deshalb aus dem Kühlregal des Tankstellenshops eine Dose Bier und bezahlt diese (aber nicht die Tankfüllung) an der Kasse. Wie von T erhofft geht die Tankstellenmitarbeiterin M irrig davon aus, dass T nur die Dose Bier bezahlen möchte und nicht getankt hat. Daraufhin fährt T unbehelligt davon. Strafbarkeit des T?
I. § 242 Abs. 1 StGB
Indem T den Tank seines Sportwagens an der Selbstbedienungstankstelle des S befüllte, könnte er sich gem. § 242 Abs. 1 StGB wegen Diebstahls strafbar gemacht haben.
Das Benzin ist eine für T fremde bewegliche Sache (s.o.).
T müsste den Kraftstoff auch weggenommen haben. Dass T eigenen Gewahrsam am Benzin begründet hat, steht außer Frage. Jedoch ist die Aufhebung des Gewahrsams des S von einem tatbestandsausschließenden Einverständnis gedeckt, da es Sinn und Zweck einer Selbstbedienungstankstelle ist, Benzin in den eigenen Tank zu füllen. Auch die bereits dargestellte Mindermeinung, die das Einverständnis zusätzlich an die ordnungsgemäße Bezahlung geknüpft sieht und insofern auf einen rein innerlich gebliebenen Vorbehalt abstellt, kommt zu keinem anderen Ergebnis. Denn hier hatte T anfänglich vor, den Kaufpreis an der Kasse zu bezahlen. K hat den Kraftstoff nicht weggenommen.
Er hat sich nicht gem. § 242 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
II. § 263 Abs. 1 StGB
T könnte sich gem. § 263 Abs. 1 StGB wegen Betrugs gegenüber M zu Lasten S strafbar gemacht haben, indem er nur die Bierdose an der Kasse vorlegte.
1. Objektiver Tatbestand
a) T müsste M getäuscht haben. Eine Täuschung ist jedes Verhalten mit Erklärungswert, das irreführend auf das Vorstellungsbild eines anderen einwirkt. Ausdrücklich hat T hier nicht getäuscht. Jedoch hat T dadurch, dass er nur die Bierdose vorlegte, zu erkennen gegeben, dass dies alles sei, was er bezahlen müsse. M wurde also konkludent von T getäuscht.
b) Aufgrund dieser Täuschung müsste bei M ein Irrtum hervorgerufen worden sein. Ein Irrtum liegt bei einem Widerspruch zwischen einer subjektiven Vorstellung und der Wirklichkeit vor. Hier liegt die Abweichung darin, dass M aufgrund des vorangegangenen Verhaltens des T glaubte, T müsse nur die Bierdose und nicht auch für getankten Kraftstoff bezahlen. Es liegt ein Irrtum vor.
c) Dieser Irrtum müsste zu einer Vermögensverfügung geführt haben. Eine Vermögensverfügung wird definiert als jedes rechtliche oder tatsächliche Handeln, Dulden oder Unterlassen, das unmittelbar zu einer Vermögensminderung im wirtschaftlichen Sinn führt. Vorliegend hat es M unterlassen, die Kaufpreisforderung des S i.H.v. 70 Euro gegen T geltend zu machen. Dass Verfügender (M) und Geschädigter (S) nicht übereinstimmen, stellt grds. kein Problem dar, da im Rahmen des § 263 StGB der Dreiecksbetrug allgemein anerkannt ist. Damit M und S eine Zurechnungseinheit bilden, müssten sich die beiden Personen aber in einem besonderen Näheverhältnis befinden. Streitig ist in diesem Zusammenhang, welche Anforderungen an die Qualität der Nähebeziehung zu stellen sind. Die strengste Ansicht, die sog. objektive Ermächtigungstheorie, fordert, dass der Getäuschte zur Vornahme der Verfügung ermächtigt ist. Für gewöhnlich werden Mitarbeiter zu solchen Verfügungen ausdrücklich oder zumindest konkludent bevollmächtigt. Jedenfalls kann aber auf die Vermutung für das Bestehen von Vertretungsmacht aus § 56 HGB („Ladenvollmacht“) abgestellt werden, die sich anhand der Sachverhaltsangaben nicht widerlegen lässt. Da M und S bereits nach der strengsten Ansicht eine hinreichende Nähebeziehung aufweisen, ist nach allen Ansichten eine Vermögensverfügung anzunehmen.
d) Die Vermögensverfügung müsste auch zu einem Vermögensschaden auf Seiten des S geführt haben. Ob ein Vermögensschaden vorliegt, ist durch Vermögensvergleich zu ermitteln und liegt demnach vor, wenn die Vermögensminderung nicht im Wege der Saldierung durch die Gegenleistung ausgeglichen wird. Hier fließt keine Gegenleistung, die die Vermögensleistung kompensieren könnte. Dass S zwar gegen T einen schuldrechtlichen Anspruch hat, ändert daran nichts, da eine Forderung wertlos ist, wenn der Schuldner unbekannt ist. Folglich hat S auch einen Vermögensschaden erlitten.
2. Subjektiver Tatbestand
a) T handelte vorsätzlich bzgl. aller objektiven Tatbestandsmerkmale.
b) T handelte in der Absicht, sich zu bereichern. Der Vorteil des T (ersparte 70 Euro) erweist sich auch als Kehrseite des Schadens (Nichtgeltendmachung der 70 Euro). T handelte in der eigennützigen Absicht stoffgleicher Bereicherung.
3. Objektive Rechtswidrigkeit der erstrebten Bereicherung und entsprechender Vorsatz
Die Bereicherung des T war zudem rechtswidrig, was er auch wusste. T handelte bzgl. der Rechtswidrigkeit der Bereicherung also ebenfalls vorsätzlich.
4. Rechtswidrigkeit und Schuld
Mangels Eingreifen von Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen war die Tat rechtswidrig und schuldhaft.
5. Ergebnis: Strafbarkeit nach § 263 Abs. 1 StGB
T hat sich gem. § 263 Abs. 1 StGB wegen Betrugs gegenüber M zu Lasten S strafbar gemacht.
III. § 246 Abs. 1 StGB durch das Vorlegen der Bierdose an der Kasse
Durch dieselbe Handlung könnte sich T gem. § 246 Abs. 1 StGB wegen Unterschlagung
Das Benzin ist ein taugliches Tatobjekt (s.o.).
Durch das Vorspiegeln an der Kasse, er müsse nur für die Bierdose bezahlen, hat T (auch nach der engen Manifestationstheorie) nach außen zum Ausdruck gebracht, dass er sich das Benzin zueignen will.
T hatte keinen fälligen und einredefreien Anspruch auf das Benzin, sodass die Zueignung rechtswidrig war.
T handelte vorsätzlich.
Die Tat war auch rechtswidrig und schuldhaft.
T hat sich durch das Vorlegen der Bierdose an der Kasse gem. § 246 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
 IV. § 246 Abs. 1 StGB durch das Wegfahren
Durch das Wegfahren von der Tankstelle könnte sich T gem. § 246 Abs. 1 StGB wegen Unterschlagung strafbar gemacht haben.
Das Benzin ist ein taugliches Tatobjekt (s.o.).
Im Davonfahren ist eine erneute Manifestation des Zueignungswillens zu sehen.
Fraglich ist, wie sich das Verhältnis zur bereits bejahten Strafbarkeit wegen Betrugs und der vorangegangenen Unterschlagung gestaltet. Nach der von Teilen der Literatur vertretenen Konkurrenzlösung (Schönke/Schröder/Bosch, StGB, 30. Aufl. 2019, § 246 Rn. 19) würden wiederholte Manifestationen des Zueignungswillens bezüglich derselben Sache jeweils eine weitere tatbestandsmäßige Zueignungshandlung darstellen, die im Konkurrenzfall als mitbestrafte Nachtat zurücktrete. Als Argument für diese Auffassung wird angeführt, dass auf diese Weise Verurteilungen bei nicht strafbarer Erstzueignungshandlung sowie wegen Teilnahme an späteren Zueignungshandlungen ermöglicht würden. Letztgenanntes Argument vermag jedoch nicht zu überzeugen, wenn man bedenkt, dass Anschlussstraftaten wie §§ 257, 259 StGB abschließende Regelungen für Verwertungshandlungen vorsehen. Diesem Einwand trägt die Tatbestandslösung (BGH NJW 1960, 684, 685; NK-StGB/Kindhäuser, 5. Aufl. 2017, § 246 Rn. 38; Rengier, BT I, 20. Aufl. 2018, § 5 Rn. 51 f.) Rechnung, nach der sich ein Täter nach erfolgter Erstzueignung die Sache schon tatbestandlich nicht noch einmal zueignen kann. Für diese Ansicht streitet schon der Wortsinn des § 246 Abs. 1 StGB: Wer sich eine Sache einmal zugeeignet hat, kann sich die gleiche Sache nicht erneut zueignen. Nicht zuletzt würden durch die Konkurrenzlösung die für die Vortaten geltenden Verjährungsfristen (§§ 78 ff. StGB) faktisch aufgehoben. Es hat sich gezeigt, dass die besseren Argumente für die Tatbestandlösung sprechen, sodass sich im vorliegenden Fall T mangels Erfüllung des Tatbestands nicht erneut gem. § 246 Abs. 1 StGB strafbar gemacht hat.
V. Gesamtergebnis und Konkurrenzen
T hat sich gem. § 263 Abs. 1 StGB wegen Betrugs gegenüber M zu Lasten S strafbar gemacht. Der durch Vorlegen der Bierdose an der Kasse verwirklichte § 246 Abs. 1 StGB tritt im Wege der ausdrücklich in der Vorschrift geregelten Subsidiarität gegenüber § 263 Abs. 1 StGB zurück.
C. Fallgestaltung 3: Von vornherein zahlungsunwilliger Täter wird vom Tankstellenperson beobachtet
Am einfachsten stellt sich der Fall dar, wenn ein von Anfang an zahlungsunwilliger Täter davon ausgeht, beobachtet zu werden und sich deshalb wie ein redlicher Kunde verhält. Hier wäre die Betrugsstrafbarkeit gem. § 263 Abs. 1 StGB lehrbuchmäßig zu prüfen, ohne dass sich neue Probleme ergäben. Durch das Auftreten wie ein redlicher Kunde täuscht der Täter konkludent über seine Zahlungsbereitschaft, wodurch er beim Tankstelleninhaber bzw. dessen Personal den Irrtum hervorruft, er werde den Kaufpreis für den Kraftstoff entrichten. Im Rahmen der Vermögensverfügung wäre dann kurz anzusprechen, dass die Vermögensverfügung nach einer Ansicht in der dinglichen Einigung nach § 929 S. 1 BGB liegt, nach der (überzeugenden) Gegenansicht in der Gestattung des Besitzwechsels, wobei dieser Streit nicht entscheidungserheblich ist. Für den Fall, dass die Täuschung gegenüber einem Angestellten verübt wurde, wäre kurz darauf einzugehen, ob getäuschter Verfügender und Geschädigter eine fiktive Zurechnungseinheit bilden, indem zwischen ihnen eine hinreichende Nähebeziehung besteht. Im Ergebnis ist nach einhelliger Ansicht eine Strafbarkeit wegen Betrugs nach § 263 Abs. 1 StGB oder im Falle fehlender Beobachtung wegen versuchten Betrugs nach §§ 263 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB zu bejahen (zu dieser Fallkonstellation s. auch Borchert/Hellmann, NJW 1983, 2799; NK-StGB/Kindhäuser, 5. Aufl. 2017, § 242 Rn. 46).
D. Fazit
Der eilige Leser wird die längeren Ausführungen wahrscheinlich nur rasch überflogen haben und im Fazit nach der Antwort auf die Frage suchen, wie sich ein Täter strafbar macht, der an einer Selbstbedienungstankstelle tankt ohne zu bezahlen. Die wenig erfreuliche Antwort lautet: Inwieweit hier eine Strafbarkeit vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls und unter Juristen umstritten. Die vorgestellten Fallgruppen können jedoch bei einer Ordnung der ersten Gedanken hilfreich sein und können verhindern, dass wichtige Probleme übersehen werden. Nichtdestotrotz sollte man nicht in ein allzu starres „Schubladendenken“ verfallen. Das kann dazu führen, dass eingebaute Probleme übersehen werden oder schlimmstenfalls ein Fall gelöst wird, der so gar nicht zur Bearbeitung steht. Insgesamt sollte der Bearbeiter bei Tankstellenfällen seinen Blick verstärkt auf die Straftatbestände der §§ 242, 263 sowie 246 StGB einschließlich Versuchsstrafbarkeiten richten.

25.09.2019/4 Kommentare/von Carlo Pöschke
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Carlo Pöschke https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Carlo Pöschke2019-09-25 09:30:312019-09-25 09:30:31Klassiker des Strafrechts: Tankstellenfälle
Gastautor

BGH: Zur Strafbarkeit von Abofallen im Internet

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Wir freuen uns heute einen Gastbeitrag von Rechtsanwältin Sandra Knaudt, LL. M. veröffentlichen zu können.
Ihr Beitrag bespricht eine kürzlich ergangene Entscheidung des BGH, in dieser nun erstmals bestätigt, dass bereits das Betreiben einer Abofalle im Internet als versuchter Betrug gemäß §§ 263 I, 22 StGB strafbar ist. Bei Abofallen handelt es sich um unseriöse Seiten im Internet, die durch ihre Gestaltung darauf angelegt sind, Verbraucher über eine kostenpflichtige Nutzung zu täuschen und diese dadurch zu unbewussten Zahlungen zu veranlassen.
I. Sachverhalt
Der Entscheidung des BGH vom 05.03.2014 – 2 StR 616/12 lag dabei das Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 18.06.2012 – 5-27 KLs 12/08 mit folgendem Sachverhalt zugrunde:
Der Angeklagte war Inhaber einer Firma, die mehrere Internetseiten, unter anderem einen Routenplaner, betrieb. Die Seiten waren dabei so gestaltet, dass sich eine Kostenpflichtigkeit für den Nutzer, insbesondere die Verpflichtung zum Abschluss eines drei- oder sechsmonatigen Abos für die Nutzung, nicht ohne Weiteres ergab. Der Anmeldebutton war mit einer Teilnahme an einem Gewinnspiel kombiniert. Bei der Anmeldemaske die mit einem kleinen Sternchen versehen war, wurde der Nutzer dazu aufgefordert seine Emailadresse, seine Wohnanschrift und sein Geburtsdatum anzugeben. Anschließend musste er noch zwei Häkchen zur Akzeptanz der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und zur Teilnahme am Gewinnspiel setzen. Unmittelbar darunter befand sich der eigentliche „Anmeldebutton“ mit dem die Webseite für den Nutzer bildlich endete. Erst mit einigem Abstand darunter und nur beim weiteren Scrollen zu entdecken befand sich ein klein gedruckter Text mit dem Sternchen, der die entsprechenden Preisangaben und Informationen über den Vertragsabschluss enthielt. Nach Anmeldung verschickte die Firma des Angeklagten an die Nutzer Zahlungsaufforderungen und Mahnschreiben.
II. Handhabung in der Klausur
In der Klausur ist bei der Lösung zu beachten, dass der BGH bereits das Erstellen und Betreiben einer Abofalle als strafbar eingestuft hat und hier nicht der Fall eines konkret geschädigten Verbrauchers geprüft wurde. Der BGH kam dabei zu dem Ergebnis, dass bereits das Betreiben einer entsprechenden Seite im Internet den Tatbestand des versuchten Betrugs gemäß §§ 263 I, 22 StGB erfüllt, weshalb bei dieser Fallkonstellation in der Klausur der Versuchs- und nicht der Vollendungsaufbau zu wählen ist.
Die Schwerpunkte sind dabei an folgenden Stellen zu setzen:
1. Vorliegen einer Täuschung
Der Betrug setzt tatbestandlich zunächst das Vorliegen einer Täuschung voraus. Täuschen ist das bewusst irreführende Einwirken auf das Vorstellungsbild des Gegenübers.
Bei den sogenannten Abofallen ist es bereits fraglich, ob ohne Weiteres von einer Täuschung ausgegangen werden kann. Üblicherweise enthalten die entsprechenden Internetseiten irgendwo einen Hinweis auf die Kostenpflichtigkeit des Angebots. Man könnte deswegen davon ausgehen, dass Verbraucher, die diesen aufgrund von Unaufmerksamkeit übersehen, selbst dafür verantwortlich sind und von einem täuschenden Einwirken des Betreibers der Internetseite nicht ausgegangen werden kann.
Der BGH sieht die Täuschungshandlung allerdings nicht in der Unterlassung der Aufklärung über die entstehenden Kosten, sondern in dem Verschleiern der entstehenden Kostenpflicht durch den bewusst gewählten Aufbau der Internetseite.
Noch deutlicher werden die Voraussetzungen für die Annahme einer Täuschung in dem Beschluss des OLG Frankfurts vom 17.12.2010 – 1 Ws 29/09 dargestellt, der in diesem Zusammenhang äußerst lesenswert ist. Das OLG stellt im Rahmen der Prüfung der Täuschung darauf ab, ob der Hinweis auf die Kostenpflicht für den Nutzer der Internetseite bereits bei Aufruf der Seite deutlich erkennbar ist. Ist dies nicht der Fall liegt nach der Auffassung des OLG ein konkludentes Miterklären der Unentgeltlichkeit und somit eine Täuschung im Sinne des § 263 StGB vor, die auch nicht durch die Erkennbarkeit des Irrtums bei sorgfältiger Lektüre ausgeschlossen wird.
In dem Beschluss heißt es wörtlich:

„Erkennbarkeit der Täuschung bei hinreichend sorgfältiger Prüfung oder Leichtgläubigkeit des potenziellen Opfers schließt eine Täuschung im Sinne von § 263 StGB nicht aus, wenn der Täter die Eignung der Erklärung, einen Irrtum hervorzurufen, planmäßig einsetzt und damit unter dem Anschein äußerlich verkehrsgerechten Verhaltens gezielt die Schädigung des Adressaten verfolgt, wenn also die Irrtumserregung nicht nur die bloße Folge, sondern der Zweck der Handlung ist.“

2. Aufgrund der Täuschung kausaler Irrtum
Kausal durch die Täuschung müssten die Nutzer der Internetseite einem Irrtum erlegen sein.  Ein Irrtum ist jede Fehlvorstellung des Gegenübers.
Der BGH ist in seiner Entscheidung der Auffassung, dass es vorliegend am Nachweis der Kausalität zwischen Täuschung und Irrtum fehlt, da nicht belegt werden konnte, dass die Verschleierung der Webseite ursächlich für das Übersehen der Zahlungspflicht war. Der BGH nimmt aufgrund des Fehlens dieses objektiven Tatbestandsmerkmals nur eine Strafbarkeit wegen versuchten und nicht wegen vollendeten Betrugs an.
In seiner Entscheidung heißt es:

„(…) im Hinblick darauf, dass die Ursächlichkeit der Handlung für einen konkreten Irrtum eines Kunden nicht nachgewiesen sei, (wird) nur wegen versuchten Betrugs verurteilt.“

3. Vorliegen eines Vermögensschadens
Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Prüfung des Vermögensschadens. Ein Vermögensschaden ist dann anzunehmen, wenn eine Wertminderung des Vermögens gegeben ist. Nach der Differenzhypothese ist ein Vergleichen der Vermögenslage mit und ohne Eintritt des schädigenden Ereignisses vorzunehmen, wobei der Vergleich von Leistung und Gegenleistung nach der objektiv-individuellen Theorie erfolgt.
Bei der Annahme eines Vermögensschadens kommt es nach der Entscheidung des BGH auf zwei wesentliche Punkte an. Zunächst einmal müssen durch Nutzung der Seite bestehende oder auch nur scheinbare Verbindlichkeiten gegen den Nutzer begründet werden, was bei Abofallen unproblematisch zu bejahen ist, jedenfalls dann, wenn der Betreiber der Webseite den Nutzer mit einer Zahlungsaufforderung anschreibt.
Daneben muss die Nutzungsmöglichkeit für den Nutzer wertlos sein, was der BGH in diesem Urteil nicht weiter ausführt. Näher konkretisiert wird das Vorliegen des Vermögensschadens in der obigen Fallkonstellation in dem Beschluss des OLG Frankfurts. Die Wertlosigkeit der erhaltenen Nutzungsmöglichkeit wird dabei dadurch begründet, dass es sich bei den angebotenen Leistungen um solche handelt, die der Nutzer lediglich einmalig, allenfalls gelegentlich nutzt und ein entsprechendes Abo nicht benötigt. Zudem unterstellt das OLG wären die entsprechenden Leistungen auch unentgeltlich im Netz zu erhalten oder der einmalige käufliche Erwerb einer entsprechenden Software für den Nutzer wirtschaftlich sinnvoller.
III. Fazit
Der Schwerpunkt der Prüfung ist somit eindeutig im objektiven Tatbestand zu setzen. Hier muss darauf eingegangen werden, dass trotz Angabe der Zahlungsverpflichtung der Aufbau der Seite entscheidend ist für die Prüfung des Vorliegens der Täuschung und ob sich das dem Nutzer der Website darstellende Bild dazu eignet die Kostenpflicht zu verschleiern.
Im Rahmen des Irrtums ist, wenn man der Ansicht des BGH folgt, die fehlende Kausalität zwischen Täuschung und Irrtum aufzuzeigen und eine Vollendung des Betrugs abzulehnen. Bei der Prüfung des Vermögensschadens muss darauf eingegangen werden, dass bereits die nur scheinbar bestehende Verbindlichkeit als Belastung ausreichend ist, dass die erhaltene Gegenleistung für den Nutzer wertlos ist und die Zahlungsverpflichtung wertmäßig nicht ausgleicht.
Da die Probleme hier schwerpunktmäßig im objektiven Tatbestand liegen, empfiehlt es sich in der Klausur mit der Prüfung der Strafbarkeit des vollendeten Betrugs gemäß § 263 I BGB zu beginnen und die Probleme dort umfangreich darzustellen mit dem Ergebnis, dass aufgrund des Fehlens der Kausalität zwischen Täuschung und Irrtum der objektive Tatbestand nicht erfüllt ist. In einem zweiten Schritt ist dann in die Versuchsprüfung gemäß § 263 I, 22 StGB zu wechseln und diese nach dem bekannten Schema durchzuführen.

26.03.2014/10 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2014-03-26 08:00:022014-03-26 08:00:02BGH: Zur Strafbarkeit von Abofallen im Internet

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