Nach der Rom-I- und der Rom-II-Verordnung tritt am heutigen 21.06.2012 auch die neue Rom-III-Verordnung (Verordnung Nr. 1259/2010/EU abrufbar hier) in Kraft. Neben vertraglichen Schuldverhältnissen, ungerechtfertigter Bereicherung und Deliktsrecht besteht damit nun auch eine EU-Verordnung bei Trennung von Ehen bzw. Ehescheidung.
Zur Ergänzung unseres Beitrags zu den ersten beiden Rom-Verordnungen sollen nachfolgend die wichtigsten Punkte dieser neuen Verordnung dargestellt werden. Dass die Norm aktuell geprüft wird, ist zwar noch nicht wahrscheinlich, schließlich ist sie (noch) nicht im Schönfelder Ergänzungsband abgedruckt, dennoch sollte zumindest für die mündliche Prüfung diese Änderung bekannt sein. Gut möglich wäre hier auch eine Überleitung zu allgemeinen IPR-Prinzipien. Hierzu weisen wir auf unseren einführenden Beitrag hin.
Die neue Verordnung dient dazu zu bestimmen, welches nationale Recht bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt anzuwenden ist (vgl. auch Art. 1 Abs. 1 der Verordnung). Bisher galt hier das autonome deutsche IPR, also die Regelungen des deutschen EGBGB. Diese werden nun für den Bereich der Ehescheidung von der Rom-III-Verordnung abgelöst.
Bisherige Regelung
Bisher war Art. 17 EGBGB anwendbar, um zu bestimmen, welchem nationalen Recht die Scheidung unterliegt.
Die Scheidung unterliegt dem Recht, das im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebend ist.
Die Norm verweist damit auf Art. 14 EGBGB. Dieser bestimmt in Art. 14 Abs. 1 EGBGB:
(1) Die allgemeinen Wirkungen der Ehe unterliegen
- dem Recht des Staates, dem beide Ehegatten angehören oder während der Ehe zuletzt angehörten, wenn einer von ihnen diesem Staat noch angehört, sonst
- dem Recht des Staates, in dem beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder während der Ehe zuletzt hatten, wenn einer von ihnen dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, hilfsweise
- dem Recht des Staates, mit dem die Ehegatten auf andere Weise gemeinsam am engsten verbunden sind.
Primär maßgeblich ist damit die Staatsangehörigkeit beider Ehegatten. Nur nachrangig wird auf das Recht des Aufenthaltsstaates abgestellt.
Neue Regelung
An die Stelle dieser Regelung tritt nun Art. 8 der Rom-III-Verordnung
Artikel 8
In Ermangelung einer Rechtswahl anzuwendendes Recht
Mangels einer Rechtswahl gemäß Artikel 5 unterliegen die Ehescheidung und die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes:
a) dem Recht des Staates, in dem die Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, oder anderenfalls
b) dem Recht des Staates, in dem die Ehegatten zuletzt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern dieser nicht vor mehr als einem Jahr vor Anrufung des Gerichts endete und einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder anderenfalls
c) dem Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts besitzen, oder anderenfalls
d) dem Recht des Staates des angerufenen Gerichts.
Nicht mehr die Staatsangehörigkeit ist also entscheidend, sondern der gewöhnliche Aufenthalt der Beteiligten.
Die Verordnung gilt auch unabhängig davon, ob es auf die Rechtsordnung eines Mitgliedsstaates der EU oder auf einen anderen Staat verweist. Es handelt sich um autonomes Kollisionsrecht der EU – hier gilt Gleiches wie bei der Rom-I- und Rom-II-Verordnung.
Möglichkeit Rechtswahl
Neben diesen zwingenden gesetzlichen Regelungen ist es auch möglich, das anzuwendende Recht frei zu wählen, es gilt insofern Art. 5 der Verordnung. Eine solche Rechtswahl ist grundsätzlich vorrangig vor der Regelung des Art. 8.
Ausnahme: ordre public (Art. 12) und Einschränkung von Rechten (Art. 10)
Die Verweisung ist aber nur dann erfolgreich, wenn das Recht auf das verwiesen wird, tatsächlich eine Scheidung ermöglicht und beide Ehepartner hierbei gleichberechtigt sind (Art. 10). Insofern ist die Norm als spezieller Fall der allgemeinen ordre-public-Vorschrift in Art. 12 aufzufassen.
Besonderheit Malta
Eine Besonderheit ist noch in Art. 13 der Verordnung enthalten. Diese ist wie folgt formuliert:
Unterschiede beim nationalen Recht
Nach dieser Verordnung sind die Gerichte eines teilnehmenden Mitgliedstaats, nach dessen Recht die Ehescheidung nicht vorgesehen ist oder die betreffende Ehe für die Zwecke des Scheidungsverfahrens nicht als gültig angesehen wird, nicht verpflichtet, eine Ehescheidung in Anwendung dieser Verordnung auszusprechen.
In Malta ist eine Ehescheidung nicht vorgesehen. Die Gerichte sollen aber auch nicht gezwungen werden, aufgrund ausländischen Rechts eine solche durchzuführen. Aus diesem Grund wurde die Klausel aufgenommen, die den Gerichten die Möglichkeit zubilligt, eine Scheidung nicht durchzuführen.
Hinweis: Am 29.05.2011 wurde in Malta ein Referendum durchgeführt, bei dem sich die Bevölkerung für ein Scheidungsrecht aussprach. Dieses war zwar nicht bindend, wurde von der Regierung aber respektiert, sodass jetzt auch das maltesische Recht die Möglichkeit der Schiedung kennt. Die Verordnung war zu diesem Zeitpunkt allerdings schon fertiggestellt. Die Malta-Klausel läuft damit jetzt leer.
Fazit:
Eine grobe Kenntnis des IPR sowie der konkreten Verordnungen, die dem EGBGB vorgehen, sollte für die Klausur und auch für die mündliche Prüfung ausreichen. Als Zusatzinformation ist vielleicht interessant, dass in der Zukunft auch eine eine Rom-IV-Verordnung (Ehegüterrecht), eine Rom-V-Verordnung (Erbrecht) sowie eine Rom-VI-Verordnung (Unterhaltsverordnung) geplant sind.