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Nicolas Hohn-Hein

BGH: „Playboy am Sonntag“

Bereicherungsrecht, Deliktsrecht, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Startseite, Verfassungsrecht, Zivilrecht, Zivilrecht

In einer kürzlich im Volltext veröffentlichten Entscheidung des BGH (Az. I ZR 234/10 – Urteil v. 31.05.2012) ging es um die Frage, ob eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (APR) nach Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG gegeben ist, wenn eine Zeitung (hier: BILD am Sonntag) ein Foto eines Prominenten (hier: Gunter Sachs) abbildet, das die Person beim Lesen eben dieser Zeitung in der Freizeit zeigt. Nach den gängigen Grundsätzen ist – im Falle der Verletzung des APR – der Verletzer zur Zahlung eines angemessenen Lizenzbetrags verpflichtet.
Sachverhalt (vereinfacht)
Kläger G ist ein bekannter Schauspieler, Entertainer und Lebemann, der in der Vergangenheit große öffentliche Aufmerksamkeit genossen hat. Trotz seines fortgeschrittenen Alters und seinem Rückzug ins Private besteht immer noch ein erhebliches Medieninteresse. Ein großes deutsches Boulevardblatt (B) lässt es sich daher nicht nehmen, G bis in den Urlaub auf seiner Yacht in St. Tropez zu folgen. B gelingt es, ohne Wissen des G, ein Foto davon zu machen wie G gerade die Sonntagsausgabe der B liest.
In der Folge veröffentlich B das Foto:

Das Foto ist großformatig übertitelt mit:

„Psst, nicht stören!
Playboy (75) am Sonntag
Auf einer Jacht in St.-Tropez schaukelt G“

Im daneben stehenden Artikel heißt es u.a.: „Genüsslich blättert er durch die Seiten der B„. G ist entsetzt. Er sei niemals mit der Veröffentlichung solcher Fotos einverstanden gewesen. Er habe sich völlig unbeobachtet gefühlt. Darüber hinaus lese er zwar tatsächlich ab und an die B. Bei dem konkreten Artikel handele es sich aber um eine gezielte Werbemaßnahme der B, die nicht dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit diene, sondern allein kommerziellen Zwecken.
Kann G von B eine fiktive Lizenzgebühr in Höhe von 50.000 Euro verlangen?
Abgestuftes Schutzkonzept des BGH bei §§ 22, 23 KUG
Der Einstieg in die Prüfung der Rechtslage erfolgt über die Feststellung, dass im vorliegenden Fall eine mögliche Rechtsverletzung durch die Veröffentlichung des Bildnisses des G an den Voraussetzungen der §§ 22, 23 Kunsturhebergesetz (KUG) zu messen ist. Nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG ist eine Einwilligung des Betroffenen (§ 22 KUG) nicht erforderlich, wenn es sich um eine Person der Zeitgeschichte handelt. Eine Ausnahme bildet § 23 Abs. 2 KUG, wonach das Zustimmungserfordernis wieder auflebt, wenn der Verbreitung des Bildnisses ein berechtigtes Interesse des Betroffenen entgegensteht (zur Rechtsprechung des BGH vgl. insbes. GRUR 2011, 259, Rn. 13 = NJW 2011, 746 – „Rosenball in Monaco“ mwN).
Zustimmung aufgrund des werbenden Charakters der Berichterstattung erforderlich
Das Gericht hält § 23 Abs. 2 KUG im vorliegenden Fall für anwendbar, da es, nach Ansicht der Richter, der B nicht um das reine Informationsinteresse der Öffentlichkeit ging, sondern zu Werbezwecken für das eigene Blatt geschah. Ein Bildnis, das zu Werbezwecken zur Verfügung gestellt wird, ist grundsätzlich vermögensrechtlicher Bestandteil des APR. Dabei muss die Werbung keine Werbung „im klassischen“ Sinne sein (z.B. Printanzeige, Werbespot o.ä.). Ein werbender Charakter sei insoweit ausreichend, denn

[…] die für die Beurteilung der Verwendung von Bildnissen im Rahmen von Werbeanzeigen entwickelten Grundsätze gelten gleichermaßen für eine redaktionelle Bildberichterstattung, die (auch) der Eigenwerbung dient (zum Titelbild von Zeitschriften vgl. BGH, Urteil vom 14. März 1995 – VI ZR 52/94, NJW-RR 1995, 789 f. – Chris-Revue; BGH, GRUR 2009, 1085, Rn. 24 ff. – Wer wird Millionär?; GRUR 2011, 647 Rn. 12 ff. – Markt & Leute). Ein Eingriff in das Recht am eigenen Bild kommt insoweit insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwendung des Bildnisses den Werbe- und Imagewert des Abgebildeten ausnutzt, indem die Person des Abgebildeten als Vorspann für die Anpreisung des Presseerzeugnisses vermarktet wird (BGH, GRUR 2009, 1085 Rn. 29 f. – Wer wird Millionär?).

B könne sich ferner auch nicht darauf berufen, es handele sich lediglich um eine Berichterstattung über wahre Tatsachen. Maßgeblich sei der Kontext, in dem die Wort-Bildberichterstattung erfolge, und der Empfängerhorizont eines durchschnittlichen Lesers. Der BGH schließt sich diesbezüglich den Ausführungen des Berufungsgerichts an.

Das Berufungsgericht ist vielmehr davon ausgegangen, dass der Leser durch den Kontext der begleitenden Wortberichterstattung, die bei der Beurteilung zu berücksichtigen ist, die Berichterstattung vor allem als Eigenwerbung für das Blatt der Beklagten verstehen musste, die über eine reine Tatsachenberichterstattung hinaus geht. So hat es angenommen, der Eingriff in den vermögensrechtlichen Bestandteil des Persönlichkeitsrechts des Klägers wiege deshalb so besonders schwer, weil die werbliche Vereinnahmung des Klägers im Mittelpunkt der Berichterstattung stehe. Die einzig aktuelle Information erschöpfe sich in der Lektüre des Blatts der Beklagten. Diese Information habe aber keinen Nachrichtenwert und biete insofern keine Orientierung im Hinblick auf eine die Allgemeinheit interessierende Sachdebatte. Die übrige Wortberichterstattung verfolge allein den Zweck, den Werbewert des Klägers zu vergrößern. Damit habe der Beitrag inhaltlich ganz überwiegend den Charakter einer Werbeanzeige.

Ein Eingriff in das APR des G war – mangels erforderlicher Einwilligung gemäß § 23 Abs. 2 KUG – damit grundsätzlich gegeben.
APR des G überwiegt das Informationsinteresse der Öffentlichkeit
Üblicherweise schließt sich an die Bejahung des Eingriffs in das APR die Frage an, ob dieser rechtswidrig erfolgte. Hierzu trifft das Gericht eine Abwägungsentscheidung zwischen dem Interesse des Betroffenen an dem Schutz seiner Person (Art. 1 Abs. 1 GG iVm. Art. 2 Abs. 1 GG) und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit (Informations- und Pressefreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG). Die Abwägung erfolgt unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls.
Der BGH stellt in diesem Zusammenhang zunächst die berechtigten Interessen der Beteiligten gegenüber. Zum einen finde ein gewisser Imagetransfer zugunsten der B und zulasten des G statt, sodass eine Beeinträchtigung des G anzunehmen sei. Dagegen genieße jedoch auch Eigenwerbung für ein Presseerzeugnis Schutz gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG wie das Presseerzeugnis selbst.
Im Ergebnis stellt der BGH auf den mangelnden Nachrichtenwert der Meldung und die besondere Hervorhebung der Werbewirksamkeit der Abbildung ab. Dies wirkt insbesondere dann um so schwerer, wenn es sich um einen Eingriff in die Privatsphäre des Betroffenen handelt und dieser in der konkreten Situation davon ausgehen konnte „für sich“ zu sein.

Es hat insoweit angenommen, der Kläger werde durch das große Foto, welches ihn lesend auf seiner Jacht im Hafen von Saint-Tropez zeige sowie die begleitende Wortberichterstattung in seiner Privatsphäre sowie seinem Recht am eigenen Bild verletzt, weil ihn das Bild und der Begleittext in einer offensichtlich privaten Situation der Öffentlichkeit präsentierten, in der er habe davon ausgehen können, unbeobachtet zu sein. Demgegenüber bestehe nur ein geringes schutzwürdiges Informationsinteresse. […]

Bei der Bildberichterstattung sind für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes auch der Anlass und die Umstände zu berücksichtigen, unter denen die Aufnahme entstanden ist, etwa unter Ausnutzung von Heimlichkeit oder beharrlicher Nachstellung. Auch ist bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird. Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts wiegt schwerer, wenn die visuelle Darstellung durch Ausbreitung von üblicherweise öffentlicher Erörterung entzogenen Einzelheiten des privaten Lebens thematisch die Privatsphäre berührt oder wenn der Betroffene nach den Umständen typischerweise die berechtigte Erwartung haben durfte, nicht in den Medien abgebildet zu werden. Das kann nicht nur bei einer durch räumliche Privatheit geprägten Situation, sondern außerhalb örtlicher Abgeschiedenheit auch in Momenten der Entspannung oder des Sich-Gehen-Lassens außerhalb der Einbindung in die Pflichten des Berufs und des Alltags der Fall sein (BGH, Urteil vom 1. Juli 2008 – VI ZR 243/06, GRUR 2008, 1024 Rn. 24 = NJW 2008, 3138 – Shopping mit Putzfrau auf Mallorca). […]

Art. 5 Abs. 1 GG gebietet es nicht generell anzunehmen, dass mit jeder visuellen Darstellung aus dem Privat- und Alltagsleben prominenter Personen ein Beitrag zur Meinungsbildung verbunden ist, der es aufgrund ihrer positiven oder negativen Leitbildfunktionen für sich allein rechtfertigt, die Belange des Persönlichkeitsschutzes zurückzustellen. Zwar gilt die Pressefreiheit auch für unterhaltende Beiträge über das Privat- oder Alltagsleben von Prominenten und über ihr soziales Umfeld einschließlich der ihnen nahe stehenden Personen. Denn der Unterhaltung dienende Beiträge stellen einen wesentlichen Bestandteil der Medienbetätigung dar. Allerdings bedarf es gerade bei unterhaltenden Inhalten in besonderem Maß der abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen der Betroffenen (BGH, GRUR 2008, 1024, Rn.20 – Shopping mit Putzfrau auf Mallorca). Auch nach Art. 10 EMRK ist das Recht auf Meinungsäußerung der Presse bei der Berichterstattung über Personen des öffentlichen Lebens oder allgemein bekannte Personen eng auszulegen, wenn sich die veröffentlichten Fotos und die Berichte dazu auf Einzelheiten des Privatlebens beziehen und nur die öffentliche Neugier befriedigen sollen (EGMR, NJW 2012, 1056 Rn. 110 – von Hannover/Deutschland Nr. 2). Die Grenze der zulässigen Berichterstattung über das Alltagsleben prominenter Personen wird daher – wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat – ebenfalls maßgeblich vom Informationswert der Berichterstattung bestimmt. […]

Die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG musste daher im vorliegenden Fall zurückstehen.
Anmerkung: Anspruchsgrundlage war hier eine Eingriffskondiktion aus § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 2 BGB jedenfalls wegen des Eingriffs in den Zuweisungsgehalt des Rechts am eigenen Bild durch die kommerzielle Nutzung des Fotos. Darüber, ob auch § 823 Abs. 1 BGB herangezogen werden konnte, musste der BGH daher nicht mehr entscheiden, sodass es auf die Frage eines Verschuldens der B nicht ankam.
Fazit
G konnte hier die Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr in Höhe von 50.000 Euro verlangen. Eine interessante Entscheidung, die Anlass geben wird, die Grundsätze rund um das APR und die Bezüge zum KUG abzuprüfen. Zu diesem aktuellen Thema ergehen regelmäßig Entscheidungen (vgl. z.B. hier und hier, etwas älter hier). Dass die deutsche Rechtsprechung sich mittlerweile seit der Caroline-Entscheidung des EGMR im Jahr 2004 von den Begriffen der „relativen“ und der „absoluten“ Personen der Zeitgeschichte verabschiedet hat, sollte dem Kandidaten bekannt sein.

03.01.2013/0 Kommentare/von Nicolas Hohn-Hein
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Nicolas Hohn-Hein https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Nicolas Hohn-Hein2013-01-03 09:00:112013-01-03 09:00:11BGH: „Playboy am Sonntag“
Dr. Simon Kohm

BVerfG: Uneingeschränktes Publikationsverbot bzgl. „rechtsextremistischen oder nationalsozialistischen Gedankenguts“

Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Verfassungsrecht

Wir bedanken uns recht herzlich für einen Gastbeitrag von Nicolas zu einem aktuellen und examensrelevanten Fall, der dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegen hat.
In einer aktuellen Entscheidung des BVerfG (BVerfG, 1 BvR 1106/08 vom 8.12.2010 – ) wurde die Frage aufgeworfen, ob ein Publikationsverbot, das sich – ohne nähere Angaben – auf „rechtsextremistisches oder nationalsozialistisches Gedankengut“ bezieht, verfassungsmäßigen Anforderungen gerecht wird. Ein schöner Fall, der gut als Teilaspekt in einer Examensklausur auftauchen kann.
Sachverhalt:
Der wegen zahlreicher rechtsextremistischer Taten (Volksverhetzung gem. § 130 StGB, unerlaubten Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gem. § 86a StGB) vorbestrafte A war im Jahr 2005 u.a. wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und dem unerlaubten Führen einer Schusswaffe verurteilt worden. 2008 wurde im Rahmen der Führungsaufsicht durch das OLG aufgrund § 68b I Nr. 4 StGB angeordnet, dass es A für die Dauer von 5 Jahren uneingeschränkt verboten sei (vgl. § 145a StGB), „rechtsextremistisches oder nationalsozialistisches Gedankengut publizistisch zu verbreiten“. Begründet wurde dies damit, dass für diese Zeit weitere Taten gemäß §§ 130, 86a StGB durch A zu erwarten seien, da dieser schon während seiner Haftzeit „extremistische, antijüdische und antiamerikanische Parolen“ in diversen rechten Zeitungen veröffentlich habe. Aus den im Jahre 2005 und in der früheren Vergangenheit begangenen Delikte ließe sich eine gewisse Kontinuität erkennen, sodass A auch in Zukunft wegen politisch motivierter Taten straffällig werden würde.
A sieht sich durch das Publikationsverbot in seinem Recht auf Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt.
Entscheidung des BVerfG:
A. Persönlicher und sachlicher Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG
A als natürliche Person wird von der Meinungsfreiheit nach Art. 1 Satz 1 GG erfasst, sodass der persönliche Schutzbereich eröffnet ist. Fraglich könnte sein, ob dies auch in sachlicher Hinsicht zutrifft. Dafür müssten auch rechtsextremistische Anschauungen unter „Meinung“ fallen. „Meinung“ erfasst grundsätzlich jedes Werturteil, jede Ansicht oder Anschauung, unabhängig davon, ob sie private oder öffentliche Angelegenheiten betrifft.  Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG gilt dies für jegliche Form der Meinung, also auch für rechtsextreme Meinungen. Der Schutzbereich ist demnach in sachlicher Hinsicht eröffnet. (Hier lohnt in der Klausur allerdings ein Blick in den Sachverhalt. Denn bei bewusst unwahren Behauptungen endet beispielsweise der Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG). Jedenfalls darf man in der Klausur nicht reflexartig dazu tendieren, rechtsextremen Äußerungen den Schutz von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zu verwehren.
B. Eingriff
Ein Eingriff ist vorliegend problemlos zu bejahen. Das BVerfG dazu:
„Das staatlich auferlegte Publikationsverbot greift folglich auch in die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers ein.“
 
C. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
I. Schranken
Eine Beschränkung der Meinungsfreiheit kann gemäß Art. 5 Abs. 2 GG nur durch allgemeine Gesetze erfolgen. Demzufolge müsste es sich bei der Weisungsbefugnis im Rahmen der Führungsaufsicht gemäß  § 68b I Nr. 4 StGB um ein allgemeines Gesetz handeln. Ein allgemeines Gesetz verbietet (grundsätzlich) keine bestimmte Meinung. (Vgl. dazu aber die Rechtsprechung des BVerfG zu § 130 StGB)
Das BVerfG bejaht dies vorliegend  unproblematisch:
„[Unter  die allgemeinen Gesetze] fällt auch die Weisungsbefugnis im Rahmen der Führungsaufsicht gemäß § 68b Abs. 1 Nr. 4 StGB, da dieser keine inhaltsbezogene Meinungsbeschränkung zum Gegenstand hat, die sich von vornherein nur gegen bestimmte Überzeugungen, Haltungen oder Ideologien richtet (vgl. BVerfGE 124, 300 <323>).“
 
Die Beschränkung durch § 68b I Nr. 4 StGB ist damit grundsätzlich möglich. (Bezüglich der Verfassungsmäßigkeit des Instituts der Führungsaufsicht im Strafrecht hegt das BVerfG im übrigen keine Zweifel.)
II. Sog. Schranken-Schranken
1. Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot
Die Begründung des Publikationsverbot unter Bezugnahme auf „rechtsextremistisches oder nationalsozialistisches Gedankengut“ könnte gegen das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG verstoßen. Hiernach müsste das Verbot inhaltlich so konkret umschrieben sein, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Strafnorm zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen.
„Das dem Beschwerdeführer auferlegte Publikationsverbot erstreckt sich allgemein auf die Verbreitung von nationalsozialistischem oder rechtsextremistischem Gedankengut. Mit dieser Umschreibung ist weder für den Rechtsanwender noch für den Rechtsunterworfenen das künftig verbotene von dem weiterhin erlaubten Verhalten abgrenzbar und damit im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch nicht hinreichend beschränkt. Schon bezüglich des Verbots der Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts lässt sich dem Beschluss des Oberlandesgerichts nichts dazu entnehmen, ob damit jedes Gedankengut, das unter dem nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürregime propagiert wurde, erfasst sein soll oder nur bestimmte Ausschnitte der nationalsozialistischen Ideologie, und falls letzteres der Fall sein sollte, nach welchen Kriterien diese Inhalte bestimmt werden können. Erst Recht fehlt es dem Verbot der Verbreitung rechtsextremistischen Gedankenguts an bestimmbaren Konturen. Ob eine Position als rechtsextremistisch – möglicherweise in Abgrenzung zu „rechtsradikal“ oder „rechtsreaktionär“ – einzustufen ist, ist eine Frage des politischen Meinungskampfes und der gesellschaftswissenschaftlichen Auseinandersetzung. Ihre Beantwortung steht in unausweichlicher Wechselwirkung mit sich wandelnden politischen und gesellschaftlichen Kontexten und subjektiven Einschätzungen, die Abgrenzungen mit strafrechtlicher Bedeutung (vgl. § 145a StGB), welche in rechtsstaatlicher Distanz aus sich heraus bestimmbar sind, nicht hinreichend erlauben.“
 
Damit ist ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot gegeben
 
2. Daneben: Abwägungsdefizit im Rahmen der Verhältnismäßigkeit
Die ansonsten geeignete und erforderliche Maßnahme könnte zudem nicht angemessen sein.
„[…] Bei Maßnahmen, die an den Inhalt einer Äußerung anknüpfen, bedarf es jedoch einer besonders sorgfältigen Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs einerseits und dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit und dem Grad der Wahrscheinlichkeit insoweit drohender Rechtsgutverletzungen andererseits. Für die Schwere des Eingriffs ist insbesondere die inhaltliche Reichweite und die zeitliche Dauer des Verbots, das Spektrum der verbotenen Medien sowie die strafrechtliche Bewehrung gemäß § 145a StGB maßgeblich. […] Je mehr sie hingegen im Ergebnis eine inhaltliche Unterdrückung bestimmter Meinungen selbst zur Folge hat, desto höher sind die Anforderungen an den Grad der drohenden Rechtsgutgefährdung (vgl.BVerfGE 124, 300 <333 f.> ). Unverhältnismäßig sind jedenfalls an Meinungsinhalte anknüpfende präventive Maßnahmen, die den Bürger für eine gewisse Zeit praktisch gänzlich aufgrund seiner gehegten politischen Überzeugungen von der – die freiheitlich demokratische Staatsordnung schlechthin konstituierenden – Teilhabe an dem Prozess der öffentlichen Meinungsbildung ausschließen; dies kommt einer Aberkennung der Meinungsfreiheit selbst nahe, die nur unter den Bedingungen des Art. 18 GG zulässig ist. […] Im Ergebnis macht sie [die Maßnahme] es damit dem Beschwerdeführer – abhängig von seinen Ansichten – in weitem Umfang unmöglich, überhaupt mit seinen politischen Überzeugungen am öffentlichen Willensbildungsprozess teilzunehmen. Dies ist mit der Meinungsfreiheit nicht vereinbar. Auch das staatliche Interesse der Resozialisierung des Beschwerdeführers rechtfertigt ein so weitgehendes Verbot nicht, da auch das Resozialisierungsinteresse nur in Anerkennung der Meinungsfreiheit des Betreffenden verwirklicht werden kann.“
Damit ist, neben dem Bestimmtheitsgebot, auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Rahmen der Angemessenheit verletzt. Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung besteht insgesamt nicht.
Ergebnis: A ist in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt.

06.01.2011/0 Kommentare/von Dr. Simon Kohm
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Simon Kohm https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Simon Kohm2011-01-06 15:19:172011-01-06 15:19:17BVerfG: Uneingeschränktes Publikationsverbot bzgl. „rechtsextremistischen oder nationalsozialistischen Gedankenguts“

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