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Schlagwortarchiv für: Verjährung

Tom Stiebert

BGH: Neues zur Verjährung von Mängelansprüchen

Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Werkvertragsrecht, Zivilrecht, Zivilrecht

In beiden Examina ist die fehlende Durchsetzbarkeit von Ansprüchen aufgrund einer eingetretenen Verjährung ein Problem mit hoher Relevanz. Aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zu diesem Komplex sollte daher stets auf dem Radar von Examenskandidaten sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die Gerichte punktuell von ihrer bisherigen Rechtsprechung abgrenzen.
So verhält es sich in einem aktuellen Urteil des BGH v. 2.6.2016 (VII ZR 348/13). Schwerpunktmäßig behandelte der Fall rechtliche Probleme aus dem Mängelgewährleistungsrecht bei Errichtung einer Photovoltaikanlage auf dem Dach eines Wohnhauses.
I. Sachverhalt
Folgender Sachverhalt lag zugrunde:
Die Klägerin beauftragte im März 2004 die Beklagte mit der Errichtung einer Photovoltaikanlage auf dem Dach eine von ihr betriebenen Tennishalle. Die Photovoltaikanlage besteht unter anderem aus 335 gerahmten Modulen. Jedes Modul ist 1.237 mm lang, 1.082 mm breit, 38 mm hoch und hat ein Gewicht von 18 kg. Um die Module auf dem Dach anzubringen, errichtete die Beklagte eine Unterkonstruktion, die mit dem Dach fest verbunden wurde. Unterkonstruktion und Module waren so anzubringen, dass die Statik des Dachs durch das Eigengewicht der Anlage nicht beeinträchtigt wird und die Anlage sturmsicher ist. Zudem mussten die Montageelemente dauerhaft regendicht in die bestehende Dachdeckung eingefügt sein. Die Beklagte verkabelte die Module mit insgesamt ca. 500 m Kabeln. Hierfür legte die Beklagte Kabelkanäle in das Innere der Halle. Die dafür notwendige Durchdringung des Dachs bzw. der Gebäudeaußenhaut musste dauerhaft witterungsbeständig und dicht sein. Zur Verlegung von Stromleitungen waren Grabungsarbeiten in erheblichem Umfang notwendig. Ebenfalls im Innern der Halle errichtete die Beklagte eine Kontroll- und Steuerungsanlage, die sie mit den Wechselrichtern und den Modulen verkabelte und programmierte. Die Anlage wurde im Oktober 2004 abgenommen und in Betrieb genommen.
Die Klägerin rügte am 4.4.2005 eine zu geringe Leistung der Anlage. Diese weicht von der vereinbarten Leistung ab. Der Beklagte wies daraufhin, dass man die Entwicklung innerhalb der nächsten zwei Jahre beobachten müsse. Im Oktober 2007 – nachdem die Leistung weiterhin zu gering war – wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte bzgl. einer Mängelrüge und forderte Nachbesserung. Im Juli 2011 erhob der Kläger – nach vorheriger Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens – Klage zum LG mit dem Antrag die Beklagte zur Zahlung eines Betrags der dem Minderwert der Anlage entspricht, zu verurteilen.
 
II. Lösung des BGH
Der BGH billigte im Ergebnis einen Minderungs- und Rückzahlungsanspruch aus §§ 634 Nr. 3, 638 Abs. 3, Abs. 4 S. 1 BGB zu.
Hier stellten sich aber einige Schwierigkeiten, die auch in einer Klausur abgeprüft werden können.
1. Zu klären ist dabei zunächst, welchen Rechtscharakter die Errichtung der Photovoltaikanlage hat. Abzugrenzen sind hier Kauf-, Werklieferungs- und Werkvertrag. Jedenfalls in der konkreten Konstellation handelt es sich um einen Werkvertrag.

Die Beklagte sollte nicht nur einzelne Teile liefern, sondern diese zu einer individuell dimensionierten Anlage zusammenfügen und funktionsfähig auf und in der Tennishalle der Klägerin einbauen. Ähnlich den Leistungen bei der Elektro- oder Sanitärinstallation steht nicht die mit dem Warenumsatz verbundene Übertragung von Eigentum und Besitz im Vordergrund, sondern die Fachkunde erfordernde Beratung und Montage (vgl. BGH BauR 2004, 995 zur Abgrenzung zwischen Kaufvertrag und Werkvertrag; zur Anwendung von Werkvertragsrecht bei Windkraftanlagen OLG München BauR 2012, 1256).
(OLG München, Urteil vom 10. Dezember 2013 – 9 U 543/12 Bau –, Rn. 20, juris)

Beratung und Planung stehen hier im Vordergrund; der Wert der zu liefernden einzelnen Gegenstände – im Vergleich zum Wert des Gesamtwerks – ist dabei unerheblich. Denn ohne die vorherige Beratung und Planung (Größe und Geeignetheit des Dachs der Tennishalle, Produktauswahl etc.), ohne die fachkundige Montage und ohne die fachkundige Inbetriebnahme hätten die gelieferten Waren keinen funktionierenden Nutzen für die Klägerin.
Hinweis: Eine vertiefte Auseindersetzung mit dem Rechtscharakter ist nur dort notwendig, wo dies wie hier praktisch relevante Unterschiede mit sich bringt. Eine bloße Wiedergabe von Irrelevantem ist in Studium und Praxis nicht zielführend.
2. Ferner muss ein Mangel iSd § 633 BGB vorliegen. Hier wäre zu prüfen, in wie fern die konkrete Leistung tatsächlich vertraglich vereinbart wurde. In der Klausur können hier eine Vielzahl von Problemen liegen. Im konkreten Fall war dies unproblematisch.
3. Folge des Mangels ist damit gemäß §§ 634 Nr. 3, 638 BGB ein Minderungsrecht. Hierzu bedarf es einer vorherigen Fristsetzung. Eine solche ist hier 2007 erfolgt und fristlos verstrichen.
4. Eine Anspruch auf Minderung und Rückzahlung des zu viel Gezahlten ist damit gemäß § 638 Abs. 4 S. 1 BGB gegeben.
5. Fraglich ist aber, ob der Anspruch überhaupt noch durchgesetzt werden kann. Dies wäre nicht der Fall, wenn er verjährt wäre. Das BGB enthält für Werkverträge – spätestens hier wird also der Charakter des Vertrags relevant – in § 634a BGB besondere Vorschriften. Für das Minderungsrecht, das nicht explizit hiervon erfasst ist, finden die Vorschriften vermittelt über § 218 BGB und § 634 Abs.5 BGB Anwendung.  Die Verjährungsfrist betrüge damit 5 Jahre, wenn es sich bei der Photovoltaikanlage um ein Bauwerk nach § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB handelt.
a) Maßstab der Verjährung – Bauwerk?
Fraglich ist aber, ob diese Regelung hier Anwendung finden kann. Der BGH bejaht hier, dass es sich bei der Anlage um ein Bauwerk handelt.

Bauwerk ist eine unbewegliche, durch Verwendung von Arbeit und Material in Verbindung mit dem Erdboden hergestellte Sache; unbeweglich ist die Sache, wenn sie, und sei es auch nur wegen Größe und Gewicht, nur mit größerem Aufwand vom Grundstück getrennt werden kann (Palandt/Sprau, BGB, 73. Aufl. 2014, § 634 a Rdnr. 10).

Vorliegend besteht die den Leistungsgegenstand bildende Anlage nicht nur aus den fabrikmäßig hergestellten Solarmodulen. Vielmehr gehören unstreitig weitere Elemente zur Anlage: [das Gericht wiederholt hier nochmals die Darlegungen des Tatbestandes]
Ausgehend von diesen Gegebenheiten der streitgegenständlichen Photovoltaikanlage ist die Bauwerksqualität anzunehmen. Denn die Anlage kann nicht ohne größere Schwierigkeiten wieder demontiert werden. Die Dimensionierung der Einzelteile war individuell auf die vorliegende Anlage zugeschnitten, die verbaute Verkabelung im Haus und außerhalb des Hauses auf dem Dach und im Erdboden ist nur schwierig zu demontieren und kann nicht mehr anderweitig verwendet werden. Die großflächige Montage der 335 Solarmodule auf dem Dach war für die Statik des Daches von Belang (Eigengewicht und Winddruck, keine Schwächung tragender Teile des Dachs) und musste – um Gebäudeschäden und Personenschäden zu vermeiden – beispielsweise sturmsicher sein. Die Montageelemente mussten dauerhaft regendicht in die bestehende Dachdeckung eingefügt sein. Ebenso musste die Durchdringung des Dachs bzw. der Gebäudeaußenhaut durch die ins Innere führende Verkabelung dauerhaft witterungsbeständig und dicht sein. Darüber hinaus wird das Gebäude als Technikraum für die Anlage verwendet, weil dort die Wechselrichter sowie die Steuerungs- und Kontrollanlage mit EDV eingebaut sind. Im Brandfalle ist es löschtechnisch ein erheblicher Unterschied, ob die Dacheindeckung von außen zugänglich ist, oder ob diese durch fest montierte Solarmodule verdeckt ist.

Die feste Verbindung der Anlage mit einem Bauwerk, die Innenraumnutzung wesentlicher Teile der Anlage und die bauliche Bedeutung der Anlage für den Gebäudebestand und seine Nutzung als Tennishalle machen die Anlage selbst zu einem Bauwerk.

Die Vorinstanz OLG München scheint daher die Photovoltaikanlage selbst als Bauwerk ansehen zu wollen.
Aus der Pressemitteilung des BGH lässt sich erahnen, dass sich lediglich das Gesamtgebäude durch die Photovoltaikanlage zu einem neuen Bauwerk wandelt:

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH gelte die lange Verjährungsfrist „bei Bauwerken“, wenn das Werk in der Errichtung oder grundlegenden Erneuerung eines Gebäudes besteht, das Werk in das Gebäude fest eingefügt wird und dem Zweck des Gebäudes dient. Diese Voraussetzungen lägen vor. Die Photovoltaikanlage sei durch die Vielzahl der verbauten Komponenten so mit der Tennishalle verbunden, dass eine Trennung von dem Gebäude nur mit einem erheblichen Aufwand möglich sei. Darin liege zugleich eine grundlegende Erneuerung der Tennishalle, die einer Neuerrichtung gleich zu achten sei. Schließlich diene die Photovoltaikanlage dem weiteren Zweck der Tennishalle, Trägerobjekt einer solchen Anlage zu sein.

Am Ergebnis ändert dies nichts, ist aber eine entscheidende Nuancierung.
Zwingend ist dies nicht. So entschied der BGH noch 2013 (VIII ZR 318/12) im Fall einer Photovoltaikanlage auf dem Dach einer Scheune:

Die auf dem Scheunendach errichtete Photovoltaikanlage, zu deren Erstellung die Module dienten, ist mangels Verbindung mit dem Erdboden selbst kein Bauwerk im Sinne des Gesetzes. Bauwerk ist allein die Scheune, auf deren Dach die Solaranlage montiert wurde. Für die Scheune sind die Solarmodule jedoch nicht verwendet worden. Sie waren weder Gegenstand von Erneuerungs- oder Umbauarbeiten an der Scheune, noch sind sie für deren Konstruktion, Bestand, Erhaltung oder Benutzbarkeit von (wesentlicher) Bedeutung. Vielmehr dient die Solaranlage eigenen Zwecken, denn sie soll Strom erzeugen und dem Landwirt S.   dadurch eine zusätzliche Einnahmequelle (Einspeisevergütung) verschaffen; um diesen Zweck zu erfüllen, hätte die Anlage auch auf jedem anderen Gebäude angebracht werden können. Die Photovoltaikanlage hat mithin keine Funktion für das Gebäude (Scheune) selbst, sondern sie ist, weil es dem Bauherrn zweckdienlich erschien, lediglich ebendort angebracht worden. Allein dies führt nicht dazu, dass die für die Montage von der Klägerin gelieferten Einzelteile „für ein Bauwerk“ verwendet worden wären (vgl. auch BGH, Urteil vom 15. Mai 1997 – VII ZR 287/95, NJW-RR 1998, 89 unter II 2 b). Aus dem Umstand, dass der Einbau der Solarmodule weder für die Konstruktion, den Bestand, die Erhaltung oder die Benutzbarkeit der Scheune von (wesentlicher) Bedeutung ist, folgt entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung überdies, dass die Mangelhaftigkeit der Solarmodule nicht auch die Mangelhaftigkeit der Scheune verursacht hat.

Entscheidend für die Differenzierung scheint zu sein, wie stark die Anlage das Gepräge und den Charakter des Gebäudes ändert und ob sie schlussendlich einen wesentlichen Bestandteil des Gebäudes darstellt. Je stärker die Veränderung des Gebäudes, desto eher handelt es sich bei der Photovoltaikanlage jedenfalls verbunden mit dem Gebäude um ein Bauwerk. Dies erkennt auch das OLG München:

Das Urteil des BGH vom 09.10.2013 (Az. VIII ZR 318/12, zitiert nach der Mitteilung der Pressestelle des BGH Nr. 168/2013) steht dem nicht entgegen. Zwar hat der BGH dort nicht die Bauwerkseigenschaft angenommen. Verfahrensgegenständlich war jedoch lediglich die Lieferung mangelhafter Teile einer Photovoltaikanlage; diese wurden auf dem Dach einer Scheune montiert und waren nach den Feststellungen des BGH nicht „für deren Konstruktion, Bestand, Erhaltung oder Benutzbarkeit von Bedeutung.“ Die Anwendung der zuletzt genannten Kriterien auf den hier zu entscheidenden Fall führt – wie dargelegt – zur Annahme der Bauwerkseigenschaft.

b) Verjährung im konkreten Fall
Die Verjährungsfrist beträgt damit so der BGH fünf Jahre. Verjährungsbeginn ist nach § 634a Abs. 2 BGB der Zeitpunkt der Abnahme (§ 640 BGB). Verjährungsbeginn wäre daher der Oktober 2004. Allerdings trat zwischen dem Schreiben vom 04.04.2005 und der anschließenden einvernehmlichen Beobachtungsphase eine Verjährungshemmung bis Dezember 2007 (oder jedenfalls bis April 2007) ein. Hierin ist eine Verhandlung iSd § 203 BGB zu erkennen, die die Verjährung hemmt. Dass es während dieses Zeitraums keine konkreten Gespräche und Verhandlungen gab, ist insofern unerheblich; es gebietet sich eine weite Auslegung.
Die Erhebung der vorliegenden Klage im Juli 2011 hemmte die bis dahin noch nicht abgelaufene fünfjährige Verjährungsfrist erneut nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB und hemmt sie bis heute. Aus diesem Grund ist eine Verjährung noch nicht eingetreten.
Die Wirkung der Hemmung ergibt sich aus § 209 BGB. Zeiträume der Hemmung sind daher für die Verjährungsfrist unerheblich. Damit zählen im Rahmen der Verjährung lediglich die Zeiträume von Oktober 2004 bis April 2005 (ca. 6 Monate) und April 2007 bis Juli 2011 (ca 52 Monate). Ob die Hemmung aufgrund der Verhandlungen daher im April oder Dezember 2007 endete ist mithin unerheblich, weil jedenfalls eine Verjährung noch nicht eingetreten ist.
Der Anspruch bleibt durchsetzbar.
III. Stellungnahme
Die Lösung des BGH sollte jedenfalls in Grundzügen bekannt sein. Man muss hier kein Prophet sein, ob eine immens hohe Klausurrelevanz zu attestieren.
Inhaltlich überzeugt die Lösung des BGH nur bedingt. Insbesondere die dogmatische Verortung, wobei es sich denn nun um ein Bauwerk handelt, scheint vage zu bleiben. In der Klausur ist daher – auch im Vergleich zu vorherigen Rechtsprechung des BGH ein abweichendes Ergebnis sehr gut vertretbar. Lediglich der Problemkreis sollte beherrscht und die Unterschiede der Judikate erkannt werden.

06.06.2016/11 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2016-06-06 09:00:042016-06-06 09:00:04BGH: Neues zur Verjährung von Mängelansprüchen
Dr. Maximilian Schmidt

OLG Hamm: Rechtsmangel, Wissenszurechnung, Unwirksamkeit eines Rücktritts, Vertragsstrafe

Rechtsprechung, Schon gelesen?, Schuldrecht, Zivilrecht

Das OLG Hamm hat mit Urteil vom 14.01.2016 –  I-22 U 136/11 einen Sachverhalt entschieden, der 1:1 in einer schriftlichen Examensklausur abgefragt werden könnte – von der Abgrenzung eines Rechts- vom Sachmangel, über die Unwirksamkeit eines Rücktritts wegen Verjährung der zugrunde liegenden Ansprüche bis hin zur Wissenszurechnung bei Behörden. Wer die Problemkreise dieses Falls beherrscht, darf sich als gut vorbereitet bezeichnen. Empfohlen wird daher die Lektüre des gesamten Urteils.
I. Sachverhalt (beruhend auf beck-online)

Im Januar 2009 verkaufte die beklagte Stadt ihr rund 20.000 Quadratmeter großes ehemaliges Schlachthofgelände an einen privaten Investor. Teil des verkauften Grundstücks ist eine als „Schlachthofstraße“ bezeichnete Wegfläche, eine nach circa 20 bis 30 Metern mit einem Tor versehene Sackgasse. Nach dem Kaufvertrag hatte der Käufer ab dem 01.01.2010 30 Arbeitsplätze nachzuweisen und schuldete der Stadt eine Vertragsstrafe von 5.000 Euro pro nicht geschaffenem Arbeitsplatz.
Das Kaufobjekt wurde zum 01.02.2009 übergeben. Als ein Anlieger eines benachbarten Gewerbebetriebes die Schlachthofstraße weiterhin als Zuwegung zu seinem Betrieb und als Abstellfläche nutzen wollte, wurde bekannt, dass die Schlachthofstraße als öffentliche Straße gewidmet war. Als solche war sie auch in einer im Bauamt der Beklagten geführten Widmungskartei eingetragen. Die Widmung bestätigte das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in einem vom Anlieger gegen die Stadt geführten verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Jahr 2014.
Bereits im Mai 2011 hatte die Käuferin gegenüber der Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt, weil sie den als öffentliche Straße gewidmeten Grundstücksteil nicht nach ihren Vorstellungen nutzen und bebauen könne. In seinem ebenfalls im Mai 2011 erlassenen erstinstanzlichen Urteil sah das Landgericht Hagen die Vertragsstrafe in Höhe von 130.000 Euro für 26 nicht geschaffene Arbeitsplätze als verwirkt an. Im Mai 2013 erhielt die Beklagte von einer Bürgin 75.000 Euro als Teilzahlung auf die Vertragsstrafe.

Die Klägerin begehrte nun (vereinfacht) Rückzahlung von 75.000 Euro sowie die Feststellung das keine weitere Vertragsstrafe verwirkt werden kann.
II. Lösung: Rückzahlungsanspruch
Das OLG Hamm prüft einen Rückzahlungsanspruch aus § 346 Absatz 1 BGB i.V.m §§ 437 Nr. 2, 323 BGB wegen des erklärten Rücktritts. Dieser ist jedoch vorliegend nach § 218 BGB unwirksam, da der zugrunde liegende Gewährleistungsanspruch verjährt ist. Wichtig: Rücktritt = unwirksam; Forderung = verjährt
a) Verwirkung der Vertragsstrafe, § 339 BGB: (+) durch fehlende Schaffung der Arbeitsplätze
b) Grundsätzlich bestehendes RücktrittsR: Wegen Widmung als öffentliche Straße liegt Rechtsmangel, § 435 BGB
Für das Examen ist es wichtig, an dieser Stelle eine Abgrenzung zum Sachmangel vorzunehmen:

Der Einordnung als Rechtsmangel steht nicht entgegen, dass nach ganz überwiegender, auch vom Senat geteilter Auffassung und ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Baulasten als Sachmangel eines Grundstücks bewertet werden. Eine solche öffentlich-rechtliche Baubeschränkung (vgl. § 83 BauO NW) stelle – so die Begründung – kein Recht eines Dritten im Sinne des Rechtsmangelbegriffs dar: Nach § 435 BGB ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer den verkauften Gegenstand frei von Rechten zu verschaffen, die von Dritten gegen den Käufer geltend gemacht werden können. Hierunter fallen aber grundsätzlich nur diejenigen Baubeschränkungen, die ihre Grundlage in Privatrechten Dritter haben, nicht aber auch die, welche auf öffentlichem Recht beruhen.

Grundsätzlich sind Baulasten somit Sach- und keine Rechtsmängel! Anders aber hier:

Auch wenn es sich bei der Widmung als öffentliche Straße ebenfalls um eine auf dem öffentlichen Recht beruhende Beschränkung handelt, unterliegt sie einer anderen rechtlichen Bewertung als eine Baulast: Zu berücksichtigen ist nämlich, dass dem Eigentümer in der ersten Fallkonstellation kraft der bestehenden öffentlichrechtlichen Bindung in deren Umfang das Grundstückseigentum selbst entzogen werden kann: § 11 Abs. 1 StrWG NW sieht vor, dass der Träger der Straßenbaulast „das Eigentum an den der Straße dienenden Grundstücken erwerben soll“. Für den Fall, dass kein freihändiger Erwerb eines bereits für die Straße in Anspruch genommenen Grundstücks möglich ist, sehen §§  11 Abs.  3 S. 1 StrWG NW, 2 Abs. 1 Nr. 1 EEG NW bzw. § 42 StrWG NW die Möglichkeit der Enteignung vor. Diese „Belastung“ eines Grundstücks mit einer Enteignungsmöglichkeit stellt insofern einen Rechtmangel dar, als der Verkäufer dem Käufer nur Eigentum ohne rechtlichen Bestand verschaffen konnte.

c) Nachträgliche Unwirksamkeit des Rücktritts nach §§ 218, 438 Abs. 4 BGB
Ein Rücktrittsrecht stand der Klägerin wegen des Rechtsmangels mithin zunächst zu. Allerdings ist der erklärte Rücktritt nachträglich unwirksam geworden durch die berechtigte Erhebung der Einrede der Verjährung durch die beklagte Stadt.
Zunächst ist die Verjährungsfrist zu bestimmen. Grundsätzlich gilt im Kaufrecht eine zweijährige Verjährungsfrist. Allerdings könnte hier eine längere Verjährungsfrist gelten, § 438 BGB. Zunächst klärt das OLG Hamm, ob eine Ausnahmevorschrift gegeben ist, etwa die dreizigjährige Verjährungsfrist nach § 438 Abs. 1 Nr. 1 BGB greift. Eine unmittelbare Anwendung scheitert am Wort, eine analoge Anwendung ist wegen der notwendigen Rechtsklarheit bei Verjährungsvorschriften und der fehlenden vergleichbaren Interessenlage abzulehnen.
Spannend sind die Ausführungen des OLG Hamm zur Anwendbarkeit der dreijährigen Verjährungsfrist des § 438 Abs. 3 S. 1 BGB wegen arglistigen Verschweigens des Mangels. Hier geht es um die Frage, ob eine Wissenszurechnung nach § 166 BGB stattfindet, schließlich war die Widmung der im Streit befindlichen Straße als öffentliche Straße bereits 1976 festgestellt, auf einer Karteikarte im damaligen Fachbereich 66/55 (Planen und Bauen) geführten Widmungskartei vermerkt und als gewidmete Straße in den Stadtplan aufgenommen. Zu den Voraussetzungen einer Wissenszurechnung für das OLG Hamm aus:

Der Bürger, der mit der Gemeinde einen wirtschaftlich bedeutsamen Vertrag schließe und ihr dabei im Zweifel sogar erhöhtes Vertrauen entgegenbringe, dürfe im Prinzip nicht schlechter gestellt werden, als wenn er es nur mit einer einzigen natürlichen Person zu tun hätte. In diesem Sinne sei als „Wissensvertreter“ zunächst jeder anzusehen, der nach der Arbeitsorganisation des Geschäftsherrn dazu berufen sei, im Rechtsverkehr als dessen Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei angefallenen Informationen zur Kenntnis zu nehmen sowie gegebenenfalls weiterzuleiten; er brauche weder zum rechtsgeschäftlichen Vertreter noch zum „Wissensvertreter“ ausdrücklich bestellt zu sein. Der Geschäftsherr müsse sich seiner aber im rechtsgeschäftlichen Verkehr wie eines Vertreters bedient haben; habe der Wissensträger den Geschäftsherrn nur intern beraten, scheidet eine sinngemäße Anwendung von § 166 Absatz 1 BGB aus.

Allerdings ist eine formale Betrachtung nicht angezeigt, sondern es muss eine wertende Gesamtschau vorgenommen werden. Die Wissenszurechnung beruht demnach weniger auf der Organstellung oder vergleichbaren Position des Wissensvermittlers, sondern auf dem Gedanken des Verkehrsschutzes und der daran geknüpften Pflicht zu ordnungsgemäßer Organisation der gesellschaftsinternen Kommunikation. Allerdings besteht keine Pflicht zum Austausch zwischen den verschiedenen Ämtern – so das OLG Hamm. Andernfalls entstünde eine Besserstellung bei Kontrahierung mit einer großen Behörde als mit einer einzelnen natürlichen Person. Daher nimmt das OLG Hamm eine Einzelfallbetrachtung vor:

So dürfe das als Wissen Zuzurechnende nicht zu einer Fiktion entarten, die juristische Personen oder andere am Rechtsverkehr teilnehmende Organisationen weit über jede menschliche Fähigkeit hinaus belasteten. Vielmehr müsse für denjenigen Menschen, für den die Zurechnung gelten soll, wenigstens eine reale Möglichkeit, aber auch ein Anlass bestanden haben, sich das Wissen aus dem eigenen Gedächtnis, aus Speichern oder von anderen Menschen zu beschaffen.

Eine Wissenszurechnung ist demnach lediglich anlassbezogen. Insoweit kann man 3 Fallgruppen entwickeln: die grundsätzliche Pflicht, wichtige Informationen zu speichern, in die Pflicht, Informationen weiterzuleiten an die Stellen, die es angeht, und in die Pflicht derjenigen Stellen, die es angeht, Informationen abzufragen.
Eine Darstellung in dieser Tiefe ist im Examen eher nicht notwendig, wird aber sicherlich honoriert. Letztlich ist eine Abwägung zwischen Verkehrsschutzgesichtspunkten und der Möglichkeit der internen Organisation vorzunehmen. Im vorliegenden Fall nimmt das OLG Hamm keine Wissenszurechnung an – was man sicherlich auch anders sehen kann.
Mangels Wissenszurechnung gilt die 2-jährige Verjährungsfrist, die bereits abgelaufen war. Der von der Klägerin erklärte Rücktritt ist mithin unwirksam geworden und der Anspruch auf Rückzahlung des geltend gemachten Betragesaus § BGB § 346 Abs. 1 BGB weggefallen.

Beruft sich der Schuldner auf die Verjährung des Hauptanspruchs, wird der zunächst wirksame Rücktritt bzw. die Minderung unwirksam und das ursprüngliche Vertragsverhältnis lebt wieder auf. Ansprüche aus dem Rücktritt gemäß §§ 346 f. fallen ersatzlos weg 

III. Der Trick: Keinen Anspruch auf weitere Vertragsstrafenzahlung
Der wirklich Trick folgt in der Prüfung des nächsten Antrags. Die Klägerin wollte feststellen lassen, dass der Gemeinde kein weitergehender Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe besteht (vereinfacht/abgeändert zu didaktischen Zwecken). Nun könnte man auf den ersten Blick annehmen, dass ein solcher Anspruch besteht, schließlich ist der Rücktritt vom Vertrag wegen der Verjährung der Hauptforderung unwirksam. Allerdings gilt insoweit § 438 Abs. 4 S. 2 BGB analog:

Der Käufer kann trotz einer Unwirksamkeit des Rücktritts nach § 218 Abs. 1 die Zahlung des Kaufpreises insoweit verweigern, als er auf Grund des Rücktritts dazu berechtigt sein würde.

Gleiches muss dann vorliegend für die Vertragsstrafe gelten, die letztlich dem Primäranspruch zuzuordnen sind. Wenn also der Kläger die Kaufpreiszahlung verweigern könnte (trotz Unwirksamkeit des Rücktritts!), dann jedenfalls auch die hiermit verknüpfte Vertragsstrafe:

Die Verpflichtung zur Schaffung von Arbeitsplätzen auf dem verkauften Grundstück wurde nämlich im Gegenzug zu einer Reduzierung des Kaufpreises für die Immobilie vereinbart, ist also letztlich Teil der vertraglich geschuldeten (Gegen-)Leistung der Klägerin. (…) Die Situation ist insoweit wertungsmäßig keine andere, als wenn die Parteien bei Vertragsschluss statt der Vertragsstrafe für den Fall der unzureichenden Schaffung von Arbeitsplätzen einen aufschiebend bedingten (§ BGB § 158 Abs. BGB § 158 Absatz 1 BGB) weiteren Kaufpreisanspruch vereinbart hätten.

IV. Fazit: Ein ganz heißer Examensfall
Der Titel sagt es schon: Ein ganz heißer Examensfall wurde vom OLG Hamm entschieden. Schwerpunkte, die nachgearbeitet werden sollten, sind:

  • Vertragsstrafe
  • Baulasten als Sach-/Rechtsmangel
  • Unwirksamkeit eines Rücktritts, § 438 Abs. 4 BGB i.V.m. § 218 BGB
  • Verjährung von Mängelgewährleistungsansprüchen
  • Wissenszurechnung § 166 BGB (analog) bei Gesellschaften/Gemeinden etc.
  • § 438 Abs. 4 S. 2 BGB als Ausnahmeregelung

 
 
 
 

08.03.2016/4 Kommentare/von Dr. Maximilian Schmidt
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maximilian Schmidt https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maximilian Schmidt2016-03-08 14:49:372016-03-08 14:49:37OLG Hamm: Rechtsmangel, Wissenszurechnung, Unwirksamkeit eines Rücktritts, Vertragsstrafe
Dr. Johannes Traut

Der Fall Gurlitt (Teil 1): Zivilrechtliche Fragen

Bereicherungsrecht, BGB AT, Deliktsrecht, Sachenrecht, Schon gelesen?, Startseite, Tagesgeschehen, Zivilrecht

I. Regelungen über die Wiedergutmachung des nationalsozialistischen Unrechts
Hier ausgeblendet werden die besonderen Regelungen über die Wiedergutmachung des nationalsozialistischen Unrechts. Diese sind in deutschen Spezialgesetzen und auch teilweise noch im Besatzungsrecht geregelt (vgl. dazu BGH v. 16.3.2012 – V ZR 279/10, Rn. 10ff.). Es handelt sich um eine so spezielle Rechtsmaterie, dass hierzu Fragen in schriftlichem oder mündlichem Examen entweder nicht kommen oder aber die entscheidenden Normen zur Verfügung gestellt werden.
Die zivilrechtlichen Ansprüche bleiben jedenfalls im Fall Gurlitt wohl daneben anwendbar. Nach älterer Rspr. des BGH können Ansprüche wegen nationalsozialistischem Unrecht zwar grundsätzlich nur nach Maßgabe der zur Wiedergutmachung erlassenen Rückerstattungs- und Entschädigungsgesetze und in den dort vorgesehenen Verfahren verfolgt werden. Hiervon weicht die jüngere Literatur ab, da das entsprechende Recht die Betroffenen nur bevorzugen, ihnen nicht aber Ansprüche abschneiden sollte. Der BGH hat offengelassen, ob er dieser Ansicht folgen wird, aber jedenfalls klargestellt (v. 16.3.2012 – V ZR 79/10, Rn. 16):

„Den alliierten Rückerstattungsvorschriften kommt jedenfalls dann kein Vorrang gegenüber einem Herausgabeanspruch nach § 985 BGB zu, wenn der verfolgungsbedingt entzogene Vermögensgegenstand wie hier und anders als in den bislang durch den Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen nach dem Krieg verschollen war und der Berechtigte erst nach Ablauf der für die Anmeldung eines Rückerstattungsanspruchs bestimmten Frist von seinem Verbleib Kenntnis erlangt hat.“

Dieser Gedanke dürfte auch für jedenfalls den Großteil der Bilder der Sammlung Gurlitt, deren Besitz der Rechtsvorgänger von Herrn Gurlitt noch in der NS-Zeit erworben hat, zutreffen.
II. Die Eigentumslage
Im Zivilrecht kann sich Herr Gurlitt zunächst auf die Vermutung des § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB berufen. Denn er hatte vor der Beschlagnahme unmittelbaren Eigenbesitz an den Bildern. Durch die Beschlagnahme (dazu 2. Teil) durch die Staatsanwaltschaft hat er den unmittelbaren Besitz verloren. Er dürfte aber weiterhin mittelbaren Besitz haben, weshalb die Vermutung gem. § 1006 Abs. 3 BGB weiter gilt. Jedenfalls aber kann er sich auf die Vermutung nach § 1006 Abs. 2 BGB berufen. Da die Beschlagnahme durch die StA nicht zu einem Eigentumsverlust geführt hat und dies Herr Gurlitt auch ohne weiteres darlegen und beweisen kann, muss das Gericht damit weiterhin von seinem Eigentum ausgehen.
Der mögliche Anspruchssteller muss diese Vermutung also widerlegen. Das kann auf zwei Arten geschehen:

  • Sie gilt nicht gegenüber einem früheren Besitzer, dem die Sache abhandenkam (§ 1006 Abs. 1 S. 2 BGB). In diesem Fall wird das Eigentum des früheren Besitzers für die Dauer seines Besitzes vermutet (§ 1006 Abs. 2 BGB).
  • Außerdem kann die Vermutung nach allgemeinen Grundsätzen widerlegt werden. Das ist möglich, wenn dargelegt und bewiesen werden kann, dass der Rechtsvorgänger Eigentümer des Bildes war die Unwirksamkeit des Erwerbsaktes des aktuellen (Eigen-)besitzers dargelegt und bewiesen wird oder dargelegt und bewiesen wird, dass damals nur Fremdbesitz erworben werden sollte. Gelingt dass, kann das Gericht nach § 286 Abs. 1 ZPO zur Überzeugung gelangen, dass ein Eigentumswechsel nicht stattgefunden hat und der Anspruchssteller weiterhin der Eigentümer ist. Hier zu verlangen, auch späteren Nichterwerb darzulegen und zu beweisen wäre dem Anspruchssteller nicht möglich und würde die Anspruchsverfolgung unmöglich machen (vgl. Palandt/Bassenge, § 1006 Rn. 7). Letztlich beruht das auf dem Gedanken, dass ein späterer Eigentumserwerb kaum mehr möglich ist.

Ob die Widerlegung der Vermutung gelingt, hängt entscheidend davon ab, wie Herr Gurlitts Vater als sein Rechtsvorgänger (§ 1922 BGB) die Kunstwerke erworben hat.
1. Enteignung durch Hoheitsakt oder „Diebstahl“
Die besten Karten dürften diejenigen „Alteigentümer“ haben, denen die Kunst durch einen nationalsozialistischen Hoheitsakt wie das „Gesetz über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst vom 31. 5. 1938“ entzogen wurde. Diese Akte werden jedenfalls nach verbreiteter Meinung für unwirksam gehalten. Teilweise ergibt sich dies aus dem – hier ausgeblendeten – Rückerstattungsrecht. Zusätzlich oder im Sinne einer „jedenfalls“-Argumentation wird aber auch auf die Radbruch’sche Formel rekurriert. Danach ist einem Gesetz, dass sich in unerträglichem Widerspruch zur materiellen Gerechtigkeit setzt, die Wirksamkeit zu verweigern. Ergänzt wird das noch durch die Verleugnungsthese, wonach ein Gesetz überhaupt der Rechtsnatur entbehrt, wenn es einer allgemein rechtsverleugnenden Intention entspricht. Hierunter fällt jedenfalls ein Großteil der „Enteignungsgesetze“, wie etwa das Gesetz über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst vom 31. 5. 1938 (Reich, NJW 1993, 1417, 1419; Müller-Katzenburg, NJW 1999, 2551, 2552; zurückhaltender Heuer, NJW 1999, 2558, 2559 f.).
Danach fand kein Eigentumserwerb des Deutschen Reiches durch diese Gesetze statt. Entsprechend konnte das Reich auch nicht durch spätere Veräußerungen den Erwerbern Eigentum verschaffen. Möglich war vielmehr nur ein gutgläubiger Erwerb gem. §§ 932 ff. BGB. Dieser scheitert nach hM jedoch häufig schon an der Bösgläubigkeit der Erwerber. Das ist auf den ersten Blick nicht selbstverständlich, da sie vom Staat Eigentum zu erwerben glaubten, das dieser auf Grund eines Hoheitsaktes (und damit lastenfrei) erworben hatte. Da man regelmäßig auf die Wirksamkeit von Hoheitsakten vertrauen kann, liegt Bösgläubigkeit zunächst eher fern. Auch hier wird aber damit argumentiert, dass sich auch die Erwerber der schreienden Ungerechtigkeit des Enteignungsvorgangs nicht verschließen konnten (Reich, NJW 1993, 1417, 1420). Jedenfalls aber geht die allgM davon aus, dass der Verlust des Besitzes in den Fällen des Entzuges durch unwirksamen staatlichen Hoheitsakt ein Abhandenkommen iSd § 935 Abs. 1 BGB darstellt und daher zumindest danach gutgläubiger Erwerb ausscheidet (Reich, NJW 1993, 1417, 1419; Müller-Katzenburg, NJW 1999, 2551, 2552; Heuer, NJW 1999, 2558, 2559 f.). Der Besitzverlust geschah ohne oder gegen den Willen des Berechtigten, der Hoheitsakt, der diesen gestattet hätte, ist unwirksam.
Diesen Fällen gleich zu behandeln sind solche, in denen es zu einer einfachen Wegnahme von Kunstgegenständen – etwa im Rahmen der sog. Reichskristallnacht – kam.
Dies dürfte auch prozessual relativ unproblematisch darzulegen und zu beweisen sein. Die Vermutung des § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB ist schon nach dessen S. 2 widerlegt, da die Sache dem früheren Besitzer abhandengekommen ist. Dessen früheres Eigentum wird gemäß § 1006 Abs. 2 BGB vermutetet. Ein Verlust dieses Eigentums ist wegen § 935 Abs. 1 BGB nicht anzunehmen. Das Gericht dürfte vielmehr nach § 286 Abs. 1 ZPO vom grundsätzlichen Fortbestehen des Eigentums des Voreigentümers ausgehen.
Herr Gurlitt könnt allerdings seinerseits die Vermutung wieder erschüttern, indem er seinerseits den Erwerbstatbestand der Ersitzung (§ 937 BGB) darlegt und beweist. Er müsste dafür darlegen und beweisen, dass er die Sache 10 Jahre im Eigenbesitz gehabt hat. Das ist unproblematisch der Fall. Allerdings kommt eine Hemmung der Ersitzung nach § 939 Abs. 2 iVm § 206 BGB in Betracht. Es wird vertreten, dass die Voreigentümer bzw. ihre Rechtsnachfolger im Einzelfall durch höhere Gewalt an der Verfolgung ihres Anspruchs auf Erstattung gehindert gewesen sein können. Das soll in Betracht kommen, wenn sie– etwa in Folge der Beschlagnahme durch das Dritte Reich – den Besitz ohne jedes Verschulden verloren haben und ihnen die (weitere) Existenz des Kunstwerkes dem Voreigentümer oder seinen Rechtsnachfolgern unbekannt (Reich, NJW 1993, 1417, 1420; a.A. Heuer, NJW 1999, 2558, 2563 f.).
Entscheidet man anders, ist ferner zu fragen, ob Herr Gurlitt während des Ersitzungszeitraums gutgläubig war (§ 937 Abs. 2 BGB). Hierfür trägt wiederum derjenige, der die Ersitzung bestreitet, die Darlegungs- und Beweislast (Palandt/Bassenge, BGB, § 937 Rn. 1). Hier die Bösgläubigkeit Gurlitts darzulegen und zu beweisen dürfte schwer fallen. Die Kenntnis des Rechtsvorgängers wird nämlich nicht zugerechnet (Palandt/Bassenge, BGB, § 943 Rn. 1). Es kommt also darauf an, ob Herr Gurlitt junior – der ja den Ersitzungszeitraum auch spielend selbst „abgesessen“ hat – von der Herkunft der Werke wusste oder hätte wissen müssen. Das kann man nicht ohne weiteres annehmen. Man kann in beide Richtungen argumentieren: Es ist einerseits durchaus plausibel, dass er die große Zahl der Werke auch mit legalen Kunsthandelstätigkeiten seines Vaters erklärt haben mag. Das wird natürlich zunehmend unwahrscheinlich je mehr Fachkenntnisse er hatte (und man ihm nachweisen kann). Angesichts der sehr großen Zahl „verdächtiger“ Werke, kann man außerdem auch erwägen, dass er eine Nachforschungspflicht zur Klärung der Herkunft und des rechtmäßigen Erwerbes gehabt hätte (vgl. dazu Müller-Katzenburg, (NJW 1999, 2551, 2556). Das Ergebnis ist also offen.
2. Erwerb durch Rechtsgeschäft
Sehr viel schwieriger ist die Lage, soweit der Erwerb durch ein Rechtsgeschäft geschah. Hier kommt es sehr auf die einzelnen Umstände an. Insbesondere kann nicht pauschal davon ausgegangen werden, dass jeder Erwerb etwa von Personen, die wegen nationalsozialistischer Verfolgungen ausreisen wollten und deshalb ihre Kunstgegenstände, die sich nicht mitnehmen konnten, veräußern wollten, per se unwirksam war. Soweit das hier nicht betrachtete Rückerstattungsrecht keine Anwendung findet, kommt eine Nichtigkeit nach § 138 BGB in Betracht. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass es auf die Sittenwidrigkeit grundsätzlich zum Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts ankommt. Die Diskriminierung von Juden und anderen verfolgten Gruppen war freilich in der Nazi-Zeit gerade „erwünscht“. Hierüber mag man allenfalls hinwegkommen, indem man die Radbruch’schen Formel evtl. „analog“ anwendet. Ansonsten verbleiben für die Anwendung von § 138 BGB Fälle der Äquivalenzstörung. Ein solcher kann gegeben sein, wenn weit unter Wert verkauft wurde. Soweit nachgewiesen werden kann, dass der Rechtsvorgänger von Herrn Gurlitt insofern die Zwangslage eines Veräußerers bewusst ausnutzte, kann der Tatbestand des Wuchers gem. § 138 Abs. 2 BGB gegeben sein. Ansonsten kommt das wucherähnliche Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB in Betracht. Dann stellt sich das weitere Problem, ob der Mangel des Verpflichtungsgeschäfts das regelmäßig sittlich neutrale Verfügungsgeschäft erfasst. Das ist in den Fällen des § 138 Abs. 2 BGB grds. im Hinblick auf das Verfügungsgeschäft des Bewucherten zu bejahen (vgl. Wortlaut „gewähren lässt“). Auch bei den Fallgruppen des § 138 Abs. 1 BGB kann man die Nichtigkeit des Verfügungsgeschäftes bejahen, da gerade durch die Verfügung die rechtswidrige Vermögensverschiebung bewirkt wurde. Die abweichende Wertung ist natürlich auch vertretbar.
In Betracht ziehen kann man auch eine Anfechtung der Übereignung wegen widerrechtlicher Drohung gem. § 123 Abs. 1 Var. 2 BGB. Voraussetzung ist hier das Vorliegen einer solchen Drohung, die namentlich vom NS-Staat ausgegangen sein kann. Dem Erwerber ist sie zuzurechnen, da man davon ausgehen kann, dass er sie kannte (§ 123 Abs. 2 S. 1 BGB). Hier wäre auch Fehleridentität zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft anzunehmen. Die Anfechtungsfrist dürfte aber bereits abgelaufen ist sein Gemäß § 124 Abs. 1 S. 1 BGB beginnt sie in dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Das ist hier wohl das Ende des Dritten Reiches. Sie beträgt ein Jahr (§ 124 Abs. 1 BGB). Selbst wenn man gemäß §§ 124 Abs. 1 S. 2, 206 BGB von einer Hemmung wegen höherer Gewalt ausgeht, wäre sie doch nach § 124 Abs. 3 BGB ausgeschlossen, da sei Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre vergangen sind.
In den Fällen der (auch erzwungenen) Veräußerung durch den Voreigentümer dürfte aber kein Abhandenkommen der Werke nach § 935 Abs. 1 BGB vorliegen. Daher kommt auch eine Widerlegung der Vermutung nach § 1006 Abs. 1 S. 2 BGB nicht in Betracht. Sie kann jedoch auch nach allgemeinen Grundsätzen widerlegt werden.
Auch hier hat aber Herr Gurlitt junior die Werke wohl selbst ersessen (§ 937 Abs. 1 BGB). Es gelten dieselben Grundsätze wie oben. Insbesondere wird man zumindest ihm (wenn vielleicht auch seinem Vater) Bösgläubigkeit nur schwer vorwerfen können.
3. Fälle der „Kommission“ zum Verkauf sog. „entarteter Kunst“
Kein Eigentumserwerb fand statt, soweit Herr Gurlitt senior Bilder von staatlichen Stellen erhielt, um sie weiter zu verkaufen. Es dürfte sich insofern um ein Auftragsverhältnis (§ 662 BGB), einen entgeltlichen Geschäftsbesorgungs(dienst-)vertrag (§ 675 Abs. 1 iVm § 611), möglicherweise auch ein Kommissionsvertrag (§ 383 HGB) handeln. All diese Verhältnisse stellen gesetzliche Besitzmittlungsverhältnisse dar (§ 868 BGB).
Soweit nachgewiesen werden kann, dass der Rechtsvorgänger von Herrn Gurlitt die Werke zum Verkauf bekam, dürfte er daher nur Fremdbesitz erworben haben. Die Vermutung des § 1006 BGB wäre dann für ihn widerlegt. Sie gälte vielmehr für das Dt. Reich bzw. Deutschland (§ 1006 Abs. 2 BGB) sowie für mögliche Voreigentümer, denen die Werke durch Hoheitsakt entzogen wurden.
Auch hier kommt eine Ersitzung (§ 937 Abs. 1 BGB) durch Herrn Gurlitt junior in Betracht. Soweit er davon ausging, dass die Werke Erbstücke seines Vaters sind, dürfte er, wenn schon nicht sein Vater, Eigenbesitz gehabt haben. Zur Bösgläubigkeit und höheren Gewalt s.oben.
II. Mögliche Ansprüche und ihre Durchsetzbarkeit
Vorbemerkung: Die Durchsetzbarkeit der Ansprüche wird nach heutigem Verjährungsrecht untersucht.
1. Ansprüche der Voreigentümer
Ansprüche der Voreigentümer aus § 985 BGB scheiden aus, soweit Herr Gurlitt Eigentum erworben hat. Das ist wohl jedenfalls durch Ersitzung der Fall. Selbst wenn man aber anders entscheiden sollte, ist der Anspruch inzwischen nicht mehr durchsetzbar, soweit Herr Gurlitt die Einrede der Verjährung erhebt (§ 214 Abs. 1 BGB). Die Ansprüche aus dem Eigentum (§ 985 BGB) sind – soweit man nicht von einer Hemmung nach § 206 BGB ausgeht – gemäß §§ 200 S. 1, 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB verjährt.
Auch ein Anspruch aus § 1007 Abs. 2 BGB dürfte nicht bestehen, da Herr Gurlitt junior vermutlich Eigentümer ist. Ein Anspruch nach § 1007 Abs. 1 BGB scheidet zumindest dann aus, wenn er Eigentum an den Werken erworben hat. Außerdem wären auch diese Ansprüche inzwischen verjährt (§§ 195, 199 Abs. 5 BGB), soweit man der Lösung mit der Hemmung (§ 206 BGB) nicht folgt. Auch der Anspruch aus § 861 BGB ist ausgeschlossen, § 864 BGB.
Je nachdem, wie sich die genauen Umstände des Erwerbes darstellten, kommen auch deliktische Ansprüche gegen Herrn Gurlitt in Betracht. Soweit man einen Eigentumserwerb zunächst verneint, bestand ein EBV. Damit ergibt sich eine mögliche Haftung auf Schadensersatz nach §§ 989, 990 BGB. Nach § 992 BGB bleibt bei verbotener Eigenmacht oder Erwerb durch eine Straftat (z.B. §§ 253, 259 StGB) die allgemeine deliktische Haftung nach § 823 Abs. 1 und Abs. 2 (z.B. iVm mit vorgenannten Strafnormen) unberührt. Auch all diese Ansprüche sind jedoch verjährt (§§ 199 Abs. 3 BGB). Selbst die Norm des § 852 BGB, die eine Abschöpfung des Gewinns aus einer unerlaubten Handlung auch nach Ablauf der Verjährungsfrist erlaubt, hilft nicht weiter. Auch dieser Anspruch verjährt jedenfalls nach 30 Jahren (§ 852 S. 2 BGB).
Bereicherungsrechtliche Ansprüche sind als Fortwirkungsansprüche zu § 985 nicht durch das EBV gesperrt, scheiden aber aus verschiedenen Gründen aus. Ein Anspruch aus Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB) kommt nur in Betracht, wenn das ursprüngliche Kausalgeschäft unwirksam war. Das kommt insbesondere beim Kauf direkt vom Voreigentümer in Betracht, eher nicht beim Kauf aus staatlichen Quellen. Auch dieser Anspruch ist aber längst verjährt (§§ 195, 199 Abs. 5 BGB). Gleiches gilt für die Kondiktion nach § 817 S. 1 BGB. Soweit der Eigentumserwerb auf Ersitzung beruht, bildet diese nach hM den Rechtsgrund für das Behaltendürfen (Palandt/Bassenge, BGB, 937 Rn. 1). Eine Eingriffskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB) scheidet damit aus.
2. Ansprüche des Staates
Gegen den Vater von Herrn Gurlitt bestand ein Anspruch des Deutschen Reiches und damit auch der (identischen) Bundesrepublik Deutschland aus § 667 BGB (ggf. iVm § 675 Abs. 1 BGB) auf Herausgabe der Werke, die im Rahmen des „Verkaufsauftrages“ an ihn übergeben wurden. Dieser Anspruch ist nach § 1922 BGB nunmehr gegen Herrn Gurlitt junior als Rechtsnachfolger seines Vaters gerichtet.
Er ist jedoch verjährt. Er war jedenfalls fällig, als der Auftragszweck endgültig verfehlt war (Palandt/Sprau, BGB, § 667 Rn. 8). Das ist wohl mit dem Ende des Dritten Reiches der Fall. Damit tritt – unabhängig von der Kenntnis des Auftraggebers – gemäß § 199 Abs. 5 BGB Verjährung zehn Jahre nach Entstehung (und Fälligkeit) des Anspruchs ein.
Außerdem hat auch diese Werke Herr Gurlitt vermutlich inzwischen ersessen (§ 937 BGB). Deshalb scheidet auch insofern eine Herausgabe aus, da rechtliche Unmöglichkeit eingetreten ist (§ 275 Abs. 1 BGB).
III. Ergebnis
Zivilrechtlich ist damit gegen Herrn Gurlitt voraussichtlich kein Kraut gewachsen. Ein Ergebnis, das sicherlich nicht jeden zufrieden stellt. Es zeigt, dass das allgemeine Zivilrecht strukturell einfach nicht für die Rückabwicklung von Vermögensverschiebungen, wie sie im Rahmen von Umwälzungen wie dem 2. Weltkrieg entstanden sind. Das Bestreben nach Rechtssicherheit durch Verjährungshöchstfristen und die Möglichkeit der Ersitzung passt dort nicht, wo durch die Ausrottung ganzer Familien schon das Wissen um Vermögenswerte und damit auch die Möglichkeit ihrer Geltendmachung verloren gegangen sind. Deshalb gibt es auch das spezielle Rückerstattungsrecht, das hier außen vor geblieben ist.

30.11.2013/4 Kommentare/von Dr. Johannes Traut
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Johannes Traut https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Johannes Traut2013-11-30 14:00:442013-11-30 14:00:44Der Fall Gurlitt (Teil 1): Zivilrechtliche Fragen
Nicolas Hohn-Hein

BGH: Keine Abkürzung der Verjährungsfrist im Gebrauchtwagenhandel

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Der BGH hat sich in einer ganz aktuellen Entscheidung (Urteil vom 29.05.2013 – VIII ZR 174/12) mit der Wirksamkeit einer AGB-Klausel zur Abkürzung der gesetzlichen Verjährungsfrist im Gebrauchtwagenhandel befasst. Das Kaufrecht und insbesondere die Überprüfung Allgemeiner Geschäftsbedingungen sind Kernthemen in allen Staatsexamina.
 
Sachverhalt (verkürzt)
Die Eheleute E wollen einen Geländewagen beim örtlichen Autohandel kaufen. Im Geschäft des Autohändlers A entscheiden sie sich für einen Gebrauchtwagen. E unterschreiben einen Vertrag, der folgende Klausel enthält:
In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten für den Verkauf gebrauchter Kraftfahrzeuge und Anhänger war Folgendes vorgesehen:
„VI. Sachmangel
Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln verjähren in einem Jahr ab Ablieferung des Kaufgegenstandes an den Kunden.
…
VII. Haftung
Hat der Verkäufer aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen nach Maßgabe dieser Bedingungen für einen Schaden aufzukommen, der leicht fahrlässig verursacht wurde, so haftet der Verkäufer beschränkt: Die Haftung besteht nur bei Verletzung vertragswesentlicher Pflichten und ist auf den bei Vertragsabschluss vorhersehbaren typischen Schaden begrenzt. Diese Beschränkung gilt nicht bei Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit. …“
Vor Übergabe des Fahrzeugs am 12.10.2006 wird dieses noch mit einer speziellen Anlage für den Betrieb mit Flüssiggas ausgerüstet. In der Folgezeit kommt es mehrfach zu Fehlern an dem Gastank. Der Wagen wird daraufhin mehrfach – erfolglos – von A repariert. Letztlich fordern E den A am 16.10.2008 schriftlich und unter Fristsetzung dazu auf, eine Erklärung zur Reparaturbereitschaft abzugeben. Andernfalls müsse man das Fahrzeug in einem anderen Autohaus reparieren lassen.
Die Eheleute verlangen Zahlung der zu erwartenden Mangelbeseitigungskosten in Höhe von 1.313,70 €, Schadensersatz in Höhe von 800 € sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Die A beruft sich auf die Verjährung der Gewährleistungsansprüche.
Ansprüche E gegen A?
 
Verstoß gegen § 309 Nr. 7 a) und b) BGB
Bei den im Sachverhalt genannten Klauseln handelt es sich unproblematisch um Allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß § 305 I 1 BGB, da sie einseitig vom Verwender A in das Vertragsverhältnis eingeführt wurden und nicht von E und A gemeinsam ausgehandelt wurden. Soweit zur Charakterisierung als AGB oder zur Frage der wirksamen Einbeziehung nach § 305 II BGB im Sachverhalt keine genaueren Angaben zu finden sind, sollte dies in der Klausur lediglich kurz festgestellt werden. Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträgen) ist zudem auf § 310 III BGB zu achten.
Im vorliegenden Fall erkennt der BGH einen Verstoß gegen § 309 Nr. 7 a) und b) BGB darin, dass in Ziff. VII der AGB zwar der Haftungsausschluss für Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit nicht gilt. In Ziff. VI erstreckt sich jedoch die kürzere Verjährung der Gewährleistungsrechte von 1 Jahr (§ 438 BGB: 2 Jahre) auf sämtliche Schäden. Der BGH

[…] hat seine Rechtsprechung bestätigt, wonach eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, mit der die gesetzliche Verjährungsfrist für die Ansprüche des Käufers wegen eines Mangels der verkauften Sache abgekürzt wird, wegen Verstoßes gegen die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB insgesamt unwirksam ist, wenn die in diesen Klauselverboten bezeichneten Schadensersatzansprüche nicht von der Abkürzung der Verjährungsfrist ausgenommen werden. Ziffer VI. 1. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ist daher unwirksam, weil es an einer Ausnahmeregelung für die Verjährung der in § 309 Nr. 7 BGB bezeichneten Schadensersatzansprüche fehlt. Ziffer VII.1. Satz 3 nimmt die Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit zwar von der gegenständlichen Haftungsbeschränkung in Ziffer VII., aber nicht von der zeitlichen Haftungsbegrenzung in Ziffer VI. aus.
(Amtliche Pressemitteilung)
 

Anwendbarkeit der gesetzlichen Gewährleistungsfristen
Nach Auffassung des BGH war die Vertragsklausel damit unwirksam. Aufgrund des Verbots einer geltungserhaltenden Reduktion und der offensichtlichen Unteilbarkeit der Bestimmung, bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam, § 306 I BGB. Es gelten stattdessen die gesetzlichen Vorschriften, § 306 II BGB. Das Gericht hat sich, wie aus der Pressemitteilung ohne nähere Angaben hervorgeht, in diesem Zusammenhang mit der Frage befasst, ob die gesetzlichen Gewährleistungsfristen des Kaufrechts gemäß § 438 BGB Anwendung finden und dies bejaht.
Voraussetzung hierfür ist, dass es sich bei der von A und E geschlossenen Vereinbarung um einen Kaufvertrag nach § 433 BGB handelt. Dafür müssten beim Sachkauf die gegenseitigen Hauptpflichten der Vertragspartner schwerpunktmäßig in der Verschaffung des Eigentums und Übergabe der Kaufsache gegen Zahlung des Kaufpreises liegen. Dies hat der BGH, anders als die Vorinstanz, bejaht, denn

[…] im Mittelpunkt steht die Übertragung von Eigentum und Besitz an dem – umgerüsteten – Fahrzeug auf die Kläger; der Verpflichtung zum Einbau der Flüssiggasanlage kommt im Vergleich dazu kein solches Gewicht zu, dass sie den Vertrag prägen würde.

Dies lässt sich mit einfachen Argumenten gut begründen: Im Mittelpunkt steht in erster Linie der Erwerb des Fahrzeugs. Die Ausrüstung des Wagens mit einer Flüssiggasanlage spielt hingegen eine untergeordnete Rolle und kann insoweit als „Sonderausstattung“ angesehen werden.
 
Verjährungshemmung nach § 203 BGB und -neubeginn nach § 438 II BGB
Nach dem Sachverhalt bestehen zudem starke Anhaltspunkte dafür, dass die Mängelrechte der E bereits verjährt sind (zu den Grundlagen instruktiv unser Beitrag). Der BGH hat unter diesem Aspekt den Fall an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Hier stellt sich dann auch in der Klausur die Frage, ob bereits eine Verjährungshemmung nach § 203 BGB eingetreten ist. Dann müsste hinsichtlich der (erfolglosen) Reparaturversuche durch A ein „Verhandeln“ im Sinne der vorgenannten Vorschrift anzunehmen sein.
Dies lässt sich wohl im konkreten Fall bejahen: Der Begriff des „Verhandelns“ wird von der Rechtsprechung weit ausgelegt. Voraussetzung ist, dass sich der Unternehmer mit dem geltend gemachten Mangel auseinandersetzt und die Mängelrüge überprüft. Dies ist bei Nachbesserungsarbeiten regelmäßig gegeben (vgl. Palandt/Ellenberger, 70. Aufl. § 203 Rz. 2).
Zugleich lässt sich diskutieren, ob durch die mangelhaften Nachbesserungsversuche die Verjährung gemäß § 438 II BGB jeweils neu begonnen hat. Dies ist bei der Nachbesserung stark umstritten, da sich so in bestimmten Fällen die Verjährungsfrist für den Verkäufer unzumutbar in die Länge ziehen kann. Handelt es sich bei jedem Nachbesserungsversuch um den gleichen Mangel oder um eine Folge der mangelhaften Nachbesserung, ist ein Verjährungsneubeginn zu bejahen (vgl. Palandt/Weidenkaff, 70. Aufl. § 438 Rz. 16a). In der Klausur wären hierzu genaue Angaben im Sachverhalt anzutreffen.
 
Fazit
Ein schöner Fall, nicht nur für das erste Examen, an dem sich die Grundsätze der Wirksamkeit von AGB und der Verjährung im Kaufrecht abprüfen lassen.
In der Klausur wäre insbesondere herauszuarbeiten, an welcher gesetzlichen Vorschrift die Wirksamkeit der benannten Klauseln scheitert. Hier ist zwischen der gegenständlichen (zulässigen) und zeitlichen (unzulässigen) Beschränkung zu differenzieren. Danach ist zu bestimmen, welche gesetzliche Verjährungsfrist gilt. Im Kaufrecht beträgt diese nach § 438 I Nr. 2 BGB 2 Jahre. Vertretbar wäre es wohl auch, in der Vereinbarung einen (gemischten) Werkvertrag zu erkennen – es wird die technische Umrüstung des PKW geschuldet – wobei die gesetzliche Verjährungsfrist hier auch 2 Jahre betragen dürfte, § 634a I Nr. 1 BGB („Veränderung einer Sache“).
Der Fall ist auch aus klausurtaktischen Gründen interessant: Wer vorschnell die Wirksamkeit der Klausel bejaht, schneidet sich die gesamte Problematik zur Verjährung ab. Um zur Problematik des Verjährungsneubeginns bei mangelhafter Nacherfüllung zu kommen, ist die Annahme eines Kaufvertrags ratsam. Eine hilfsgutachterliche Prüfung ist in aller Regel vom Klausurersteller nicht gewollt.

06.06.2013/5 Kommentare/von Nicolas Hohn-Hein
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Nicolas Hohn-Hein https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Nicolas Hohn-Hein2013-06-06 15:47:012013-06-06 15:47:01BGH: Keine Abkürzung der Verjährungsfrist im Gebrauchtwagenhandel
Redaktion

Die Verjährung im Strafrecht

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Der Verlag De Gruyter stellt jeden Monat einen Beitrag aus der Ausbildungszeitschrift JURA – Juristische Ausbildung zwecks freier Veröffentlichung auf Juraexamen.info zur Verfügung.
Der heutige Beitrag

“Die Verjährung im Strafrecht” von Prof. Dr. Helmut Satzger

behandelt ein Thema, das zwar nicht im Mittelpunkt der strafrechtlichen Ausbildung steht; Fragen strafrechtlicher Verjährung beschäftigen aber doch immer wieder die Öffentlichkeit. Geht es um die Aufdeckung von in der Vergangenheit liegenden Verbrechen, kann etwa ein Fall der Verfolgungsverjährung vorliegen. Setzen sich Straftäter nach einer Verurteilung ins Ausland ab, steht möglicherweise eine Vollstreckungsverjährung im Raum. Die Unterscheidung zwischen Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung etwa gehört zum Grundlagenwissen im Bereich des strafrechtlichen Verjährungsrechts und sollte jedem Examenskandidaten (nicht zuletzt für die mündliche Prüfung) geläufig sein. Dass Mord und Völkermord nicht verjähren, dürfte ebenfalls bekannt sein. Der heutige Beitrag gibt einen umfassenden Überblick über diese und weitere Grundlagen der Verjährung im Strafrecht.
Ihr findet ihn wie immer hier.

16.05.2013/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2013-05-16 13:00:512013-05-16 13:00:51Die Verjährung im Strafrecht
Dr. Christoph Werkmeister

Verjährung und Nacherfüllung im Kaufrecht

Fallbearbeitung und Methodik, Für die ersten Semester, Schon gelesen?, Schuldrecht, Verschiedenes, Zivilrecht

Das Kaufrecht ist das mit Abstand am häufigsten abgeprüfte Rechtsgebiet in juristischen Staatsexamina. Aus diesem Grund ist die Kenntnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung in diesem Bereich unabdingbar (s. dazu hier). Im gleichen Maße interessant für die Prüfer sind daneben diejenigen Konstellationen, die obschon ihrer Praxisrelevanz noch keine höchstrichterliche Klärung erfahren haben. Einen solchen umstrittenen Problemkreis stellt die Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs nach § 439 Abs. 1 BGB dar. Der folgende Beispielsfall soll dazu dienen, das Problem zu umschreiben.
Beispielsfall
Der A kauft am 04.03.2010 ein Navigationsgerät. Die Ortung der Satelliten funktioniert allerdings nach über einem Jahr nicht mehr richtig, was auf einen Mangel am Gerät zurückzuführen ist. Der A bringt das Gerät am 05.01.2012 in den Laden, bei dem er es erworben hat und verlangt unter Verweis auf seine Mängelrechte die Reparatur oder Nachlieferung des Geräts. Der Verkäufer nimmt das alte Gerät kommentarlos entgegen und tauscht es gegen ein neues aus. Nach gut einem Jahr, am 03.01.2013 funktioniert auch das ausgetauschte Gerät aufgrund desselben Fehlers nicht mehr. Der A geht erneut in den Laden und verlangt ein neues Gerät unter Verweis auf seine Mängelrechte. Der Ladeninhaber bestreitet nicht, dass das nachgelieferte Gerät auch mangelhaft ist. Er geht allerdings davon aus, dass mögliche Ansprüche des A längst verjährt sein müssen. Es könne doch nicht angehen, dass der A Mängelgewährleistungsrechte noch drei Jahre nach Erwerb der Sache gelten machen könnte.
Verjährung im Kaufrecht
Grundsätzlich steht dem A hier ein Anspruch auf Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 1 BGB zu, da die nachgelieferte Sache immer noch einen Mangel enthält. Fraglich ist jedoch, ob dieser Nacherfüllungsanspruch nicht bereits verjährt ist. Gemäß § 214 Abs. 1 BGB kann ein verjährter Anspruch nicht mehr durchgesetzt werden.
Beginn und Lauf der Verjährung sind im Kaufrecht spezialgesetzlich in § 438 BGB niedergelegt. Der Verjährungsbeginn fängt gemäß § 438 Abs. 2 BGB beim Kauf von beweglichen Sachen mit der Übergabe der Sache an den Käufer. Da der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorliegen muss, damit das Mängelgewährleistungsrecht greift, verjährt der Anspruch auf Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 1 BGB demnach ab dem Zeitpunkt der Lieferung bzw. der Übergabe.
Fraglich ist nun, ob im Falle einer fehlgeschlagenen Nacherfüllung ein neuer Nacherfüllungsanspruch mit erneuter Verjährung nach § 438 BGB entsteht oder ob bloß der alte Anspruch und damit der alte Lauf der Verjährungsfrist Bestand hat. Die Stimmen sind in dieser Hinsicht geteilt: Nach Palandt/Weidenkaff, § 438 BGB, Rz. 16a ist im Falle des Nachlieferns an sich grundsätzlich ein Neubeginn der Verjährung anzunehmen (ähnlich Graf v. Westphalen, ZGS 2002, 19, 21). Beim Nachbessern liege hingegen im Regelfall kein solcher Fall vor. Ebenso argumentiert Jauernig/Berger, § 438 BGB, Rz. 15. Für die pauschale Annahme des Verjährungsneubeginns spricht natürlich der Schutz des Käufers. Andererseits kann dies erhebliche Folgen für den Verkäufer haben (so insb. Auktor/Mönch, NJW 2005, 1687). Bei einem strikten Befolgen einer solchen Dogmatik könnte der Käufer im besten Fall eine erhebliche Verlängerung der Verjährungsfrist bewirken. Auch der Gesetzgeberwille spricht dafür, dass mit der verkürzten Verjährung im Kaufrecht möglichst schnell Rechtssicherheit hergestellt werden soll.
Eine vermittelnde Lösung, die auf die konkreten Anhaltspunkte im Einzelfall abstellt, erscheint zwar zunächst interessengerecht. Eine solche Betrachtung bringt allerdings den Nachteil mit sich, dass es schwer fällt, Kriterien für eine Einzelfallabgrenzung zu normieren  (zurückhaltend auch OLG Celle, NJW 2006, 2643). Aus diesen Gründen erscheint eine restriktive Auslegung des § 439 bzw. des § 438 BGB durchaus gut vertretbar. Selbst bei Annahme einer solchen Ansicht ist der Käufer allerdings nicht gänzlich schutzlos gestellt, da die im Folgenden zu diskutierenden verjährungsrechtlichen Mechanismen bestehen.
Hemmung der Verjährung
Der Lauf der Verjährung kann zum einen regelmäßig gemäß § 203 BGB durch „Verhandlungen“ gehemmt werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wen der Kaufgegenstand vom Händler auf Mängel überprüft wird. Sofern die Ware also eingeschickt werden muss, geht dies nicht zu Lasten der Verjährung des Käufers (vgl. Reinking, ZGS 2002, 140; Wagner, ZIP 2002, 789).
Neubeginn der Verjährungsfrist
Darüber hinaus beginnt die Verjährungsfrist sogar neu zu laufen, wenn § 212 Abs 1 Nr 1 BGB einschlägig ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Verkäufer den Anspruch auf Nacherfüllung anerkennt. Ein solches „Anerkennen“ i.S.d. § 212 BGB liegt dann vor, wenn der Verkäufer aus Sicht des Käufers nicht nur aus Kulanz oder zur gütlichen Beilegung eines Streits Maßnahmen zur Nacherfüllung ergreift (vgl. BGH NJW 1988, 254; BGH NJW 1999, 2961). Fraglich ist jedoch, wie der hier geschilderte Fall unter diese Definition zu subsumieren ist. Der Verkäufer kam bei der ersten Forderung nach Nacherfüllung ohne große Argumentation dem Begehren des A nach. Ob sich aus einer solchen Handlung bereits ein Anerkennen i.S.d. § 212 BGB ergibt ist fraglich.
Es lässt sich an dieser Stelle mit den obigen Argumenten zur restriktiven Auslegung des Verjährungsneubeginns argumentieren. Andererseits sprechen auch gute Gründe dafür, beim freiwilligen Nacherfüllen ein pauschales „Anerkennen“ des Mängelgewährleistungsanspruchs und damit den Neubeginn der Verjährung zu bejahen. Ansonsten läge nämlich beinahe nie ein „Anerkennen“ i.S.d. § 212 BGB vor, da sich der Verkäufer stets auf ein Handeln aus „Kulanz“ berufen könnte. Sofern man argumentiert, dass im anstandslosen Nacherfüllen ein solches Anerkennen liegt, steht der Verkäufer gleichwohl nicht völlig schutzlos da. Er kann sich bei einer solchen Auslegung nämlich trotzdem vor der Rechtsfolge des § 212 BGB schützen, indem er die Nacherfüllungshandlung explizit ohne Anerkennung einer Rechtspflicht durchführt. In der Praxis könnte dies beispielsweise auf einer entsprechenden Quittung vermerkt werden. Fehlt ein solcher Vermerk, so liefe die Verjährung erneut.
Auch, wenn man § 212 BGB in solchen Fällen restriktiv handhabt, ist daran zu denken, dass immer noch eine Hemmung durch Verhandeln i.S.d. § 203 BGB vorliegen kann. Für welche Ansicht man sich entscheidet, ist angesichts des Fehlens einer höchstrichterlichen Vorgabe nebensächlich. Wichtig ist lediglich, dass man den Grundkonflikt erkennt und möglichst auf allen Ebenen argumentiert.
Beweisprobleme
In Sachverhalten abseits der Klausuren gilt es allerdings gewichtige Beweisprobleme zu berücksichtigen. Im Regelfall wird es dem Käufer nach Ablauf einer so langen Zeit nämlich schwer fallen, zu beweisen, dass der Mangel auch bereits bei Gefahrübergang vorlag. Die Beweislastumkehr des § 476 BGB beim Verbrauchsgüterkauf hilft nach Ablauf von sechs Monaten auch nicht mehr weiter. In einer Klausur im ersten Examen stehen die Sachverhalte allerdings fest, so dass die Beweisprobleme unerheblich sind. Auch im zweiten Examen kann die Problematik Eingang in eine Klausur finden, sofern das Vorliegen des Mangels bei Gefahrübergang unstrittig ist.
Auswirkungen auf andere Forderungen
Zu beachten ist im Übrigen, dass Neubeginn und Hemmung der Verjährung nach den o.g. Normen jeweils nicht nur den Nacherfüllungsanspruch selbst betreffen. Über § 218 Abs. 1 S 1 BGB sind ebenso auch das Rücktritts- und Minderungsrecht betroffen. Über § 213 BGB gelten die gleichen Verjährungsverlängerungen auch für Ansprüche auf Schadensersatz statt der Leistung und den Aufwendungsersatz.

24.01.2012/1 Kommentar/von Dr. Christoph Werkmeister
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