Auch das letzte Quartal des Jahres 2014 hat nunmehr ein Ende gefunden und so wünschen wir euch an dieser Stelle schon einmal ein frohes neues Jahr. Das vergangene Jahr hielt zuletzt noch einige bedeutsame Entscheidungen und nicht nur ein verändertes Design der Webpräsenz des Bundesverfassungsgerichtes bereit. Somit stellen wir euch mit diesem Rechtsprechungsüberblick wieder eine Reihe dieser Entscheidungen vor, die das Bundesverfassungsgericht in den letzten drei Monaten getroffen hat und die Anlass zum aufmerksamen Studieren geben sollten. Insbesondere im Hinblick auf die Vorbereitung zur Mündlichen Prüfung ist ein aktueller Kenntnisstand der Rechtsprechung – nicht nur der des Verfassungsgerichtes – unerlässlich. Daneben fließen Entscheidungen dieses hohen Gerichtes regelmäßig in Anfangssemester- oder Examensklausuren ein.
Dargestellt wird in diesem Beitrag insofern anhand der betreffenden Leitsätze, Pressemitteilungen oder kurzen Ausführungen aus den Gründen eine überblicksartige Auswahl aktueller Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, welche ihr nachschlagen solltet.
Beschluss vom 03. September 2014 – 1 BvR 3353/13 (siehe auch die Pressemitteilung)
Der Beschwerdeführer, welcher an der Universität Konstanz zum Doktor der Naturwissenschaft promovierte, hat sich mit dieser von ihm erhobenen Verfassungsbeschwerde gegen die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen, welche den Entzug seines Doktorgrades wegen Unwürdigkeit aufgrund späteren Verhaltens bestätigt hatten, und mittelbar gegen § 35 Abs. 7 des baden-württembergischen Landeshochschulgesetzes (inzwischen unverändert übernommen in § 36 Abs. 7)gewendet. Aberkannt wurde dem Physiker der Doktortitel wegen manipulierter Forschungsergebnisse.
Zwar hat das BVerfG die Sache nicht zur Entscheidung angenommen, womit die Verfassungsbeschwerde ohne Erfolg blieb, doch eignet sich dieser Sachverhalt wohlmöglich zumindest für eine Anfängerklausur. Das BVerfG führte bedeutsam aus, dass der Entzug des Doktorgrades wegen „Unwürdigkeit“ nur bei wissenschaftsbezogenen Verfehlungen in Betracht komme. Eine Auslegung des Tatbestandsmerkmals der „Unwürdigkeit“, welche sich auf die Besonderheiten der Wissenschaft und die Bedeutung akademischer Titel beziehe, sei mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Bestimmtheitsgebots vereinbar. Im Übrigen seien die Eingriffe in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) und die Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) des Beschwerdeführers verhältnismäßig.
Beschluss vom 24. September 2014 – 2 BvR 2782/10 (siehe auch die Pressemitteilung)
Mit diesem Beschluss hat das BVerfG eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg aufgehoben und im Wesentlichen dazu ausgeführt, dass das Gebot des effektiven Rechtsschutzes eine Ausschöpfung sämtlicher erfolgversprechender Erkenntnisquellen im Rehabilitierungsverfahren verlange.
Der Beschwerdeführer beantragte im Dezember 2006 seine Rehabilitierung wegen der Unterbringung in Kinderheimen der ehemaligen DDR in den Jahren 1961 bis 1966 sowie 1967 bis 1970. Das LG Magdeburg wies diesen Antrag mit Beschluss vom 21. Dezember 2007 jedoch zurück, denn es sei nicht ersichtlich, dass die Einweisung des Beschwerdeführers in ein Kinderheim unter Zugrundelegung des Standes der pädagogischen Wissenschaften im Jahr 1961 mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar gewesen sei. Die darauf folgende und bestätigende Entscheidung des OLG Naumburg hob das BVerfG schließlich auf. Das OLG sei seiner Amtsermittlungspflicht nicht ausreichend nachgekommen und habe somit das Recht des Beschwerdeführers auf effektiven Rechtsschutz verletzt. Außerdem habe das OLG seiner Entscheidung eine willkürliche Auslegung des strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes zugrunde gelegt, die eine Anwendung des Gesetzes auf die Heimunterbringung von Kindern im Ergebnis ausschließe. Der Beschluss des OLG verstoße daher gegen Art. 3 I GG sowie gegen Art. 2 I i.V.m. Art. 20 III GG.
Urteil vom 07. Oktober 2014 – 2 BvR 1641/11
Leitsätze des BVerfG:
Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat mit Art. 91e GG für das Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine umfassende Sonderregelung geschaffen. In seinem Anwendungsbereich verdrängt Art. 91e GG sowohl die Art. 83 ff. GG als auch Art. 104a GG.
1. Art. 91e GG begründet eine unmittelbare Finanzbeziehung zwischen dem Bund und den Optionskommunen und ermöglicht eine Finanzkontrolle, die sich von der staatlichen Aufsicht wie auch von der Finanzkontrolle durch den Bundesrechnungshof unterscheidet.
2. Art. 91e Abs. 2 GG räumt den Gemeinden und Gemeindeverbänden eine Chance ein, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende als kommunale Träger alleinverantwortlich wahrzunehmen. Die gesetzliche Ausgestaltung dieser Chance muss willkürfrei erfolgen. Ihre Wahrnehmung fällt in den Schutzbereich der Garantie kommunaler Selbstverwaltung.
3. Art. 91e Abs. 3 GG enthält einen umfassenden und weit zu verstehenden Gesetzgebungsauftrag zugunsten des Bundes. Der Bund verfügt insoweit über die Gesetzgebungskompetenz, die mit der Zulassung als kommunaler Träger zusammenhängenden Rechtsverhältnisse zu regeln. Auf die Art und Weise der internen Willensbildung der Kommunen erstreckt sich seine Regelungskompetenz jedoch nicht.
Beschluss vom 10. Oktober 2014 – 1 BvR 856/13
Der Beschwerdeführer ist sehbehindert und hat sich mit der eingelegten Verfassungsbeschwerde gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Zugänglichmachung von Prozessunterlagen gewendet, da er in einem zivilgerichtlichen Berufungsverfahren beantragt hatte, die Prozessunterlagen auch in Blindenschrift zu erhalten. Das Landgericht wies diesen Antrag allerdings zurück. Auch die zugelassene Rechtsbeschwerde vor dem BGH blieb mit folgender Begründung ohne Erfolg: Eine blinde oder sehbehinderte Person habe keinen wie vorgetragenen Anspruch auf Zugänglichmachung der Dokumente des gerichtlichen Verfahrens in einer für sie wahrnehmbaren Form aus § 191a GVG in der bis zum 30. Juni 2014 gültigen Fassung in Verbindung mit § 4 Abs. 1 der Verordnung zur barrierefreien Zugänglichmachung von Dokumenten für blinde und sehbehinderte Personen im gerichtlichen Verfahren (ZMV), wenn sie in dem Verfahren – wie hier der Beschwerdeführer – durch einen Rechtsanwalt vertreten werde und der Streitstoff so übersichtlich sei, dass er ihr durch den Rechtsanwalt gut vermittelt werden könne. Mit der hiergegen gerichteten Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 2 I i.V.m. Art. 20 III sowie von Art. 3 III 2, Art. 19 IV und Art. 103 I GG.
Die Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen. Das BVerfG führte dazu jedoch aus, und dies sollte man sich merken, dass Prozessunterlagen nur dann nicht in Blindenschrift zugänglich gemacht werden müssten, wenn die Vermittlung durch den Rechtsanwalt gleichwertig ist.
Urteil vom 21. Oktober 2014 – 2 BvE 5/11 (siehe auch die Pressemitteilung)
Leitsätze des BVerfG:
1. Aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG folgt ein Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung, dem grundsätzlich eine Antwortpflicht der Bundesregierung korrespondiert. Die Rüstungsexportkontrolle ist nicht wegen der außenpolitischen Bedeutung dieses Teilbereichs des Regierungshandelns von vornherein jeglicher parlamentarischen Kontrolle entzogen. Auch die Zuständigkeitszuweisung des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG schafft für sich genommen keinen der parlamentarischen Verantwortung grundsätzlich entzogenen Raum gubernativen Entscheidens.
2. Der Informationsanspruch des Bundestages und der einzelnen Abgeordneten besteht gleichwohl nicht grenzenlos. Er wird begrenzt durch das Gewaltenteilungsprinzip, das Staatswohl und Grundrechte Dritter.
3. Die Beratung und Beschlussfassung im Bundessicherheitsrat unterfallen dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Die Bundesregierung ist daher nur verpflichtet, Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf entsprechende Anfragen hin mitzuteilen, dass der Bundessicherheitsrat ein bestimmtes, das heißt hinsichtlich des Rüstungsguts, des Auftragsvolumens und des Empfängerlandes konkretisiertes Kriegswaffenexportgeschäft genehmigt hat oder dass eine Genehmigung für ein wie in der Anfrage beschriebenes Geschäft nicht erteilt worden ist. Darüber hinaus gehende Angaben sind verfassungsrechtlich nicht geboten.
4. Die Antwort auf Fragen zu noch nicht beschiedenen Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung für die Ausfuhr von Kriegswaffen kann die Bundesregierung, ebenso wie die Auskunft über Voranfragen von Rüstungsunternehmen auch aus Gründen des Staatswohls verweigern. Entsprechendes gilt für die Tatsache, dass ein Genehmigungsantrag abgelehnt wurde. Auch bei durch den Bundessicherheitsrat bereits gebilligten Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung kann die Verweigerung der Antwort aus diesen Gründen gerechtfertigt sein.
5. Der mit einer Offenlegung von Informationen zu beabsichtigten Rüstungsexportgeschäften verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit der Unternehmen der deutschen Rüstungsindustrie ist generell insoweit gerechtfertigt, wie die Bundesregierung in ihrer Antwort Auskunft darüber gibt, dass der Bundessicherheitsrat die Genehmigung für ein konkretes Kriegswaffenausfuhrgeschäft erteilt hat und in diesem Rahmen Angaben über Art und Anzahl der Kriegswaffen, über das Empfängerland, über die beteiligten deutschen Unternehmen und über das Gesamtvolumen des Geschäfts macht. Darüber hinausgehende Angaben würden grundsätzlich in unverhältnismäßiger Weise in die Berufsfreiheit der Unternehmen eingreifen.
6. Eine Begründungspflicht besteht insoweit, wie die Bundesregierung die Auskunft über eine erteilte Genehmigung oder über die in diesem Rahmen mitzuteilenden Generalia des Exportgeschäfts verweigern will.
Beschluss vom 22. Oktober 2014 – 2 BvR 661/12 (siehe auch unseren Artikel vom 21. November 2014)
Leitsätze des BVerfG:
1. Soweit sich die Schutzbereiche der Glaubensfreiheit und der inkorporierten Artikel der Weimarer Reichsverfassung überlagern, geht Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV als speziellere Norm Art. 4 Abs. 1 und 2 GG insoweit vor, als er das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften der Schranke des für alle geltenden Gesetzes unterwirft (sog. Schrankenspezialität). Bei der Anwendung des für alle geltenden Gesetzes durch die staatlichen Gerichte ist bei Ausgleich gegenläufiger Interessen aber dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Art. 4 Abs. 1 und 2 GG die korporative Religionsfreiheit vorbehaltlos gewährleistet und insofern dem Selbstbestimmungsrecht und dem Selbstverständnis der Religionsgesellschaften besonderes Gewicht zuzumessen ist.
2. Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht umfasst alle Maßnahmen, die der Sicherstellung der religiösen Dimension des Wirkens im Sinne kirchlichen Selbstverständnisses und der Wahrung der unmittelbaren Beziehung der Tätigkeit zum kirchlichen Grundauftrag dienen. Die Formulierung des kirchlichen Proprium obliegt allein den Kirchen und ist als elementarer Bestandteil der korporativen Religionsfreiheit durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verfassungsrechtlich geschützt.
3. Die staatlichen Gerichte haben im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle auf der Grundlage des glaubensdefinierten Selbstverständnisses der verfassten Kirche zu überprüfen, ob eine Organisation oder Einrichtung an der Verwirklichung des kirchlichen Grundauftrags teilhat, ob eine bestimmte Loyalitätsobliegenheit Ausdruck eines kirchlichen Glaubenssatzes ist und welches Gewicht dieser Loyalitätsobliegenheit und einem Verstoß hiergegen nach dem kirchlichen Selbstverständnis zukommt. Sie haben sodann unter dem Gesichtspunkt der Schranken des „für alle geltenden Gesetzes“ eine Gesamtabwägung vorzunehmen, in der die – im Lichte des Selbstbestimmungsrechts der Kirchen verstandenen – kirchlichen Belange und die korporative Religionsfreiheit mit den Grundrechten der betroffenen Arbeitnehmer und deren in den allgemeinen arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen enthaltenen Interessen auszugleichen sind. Die widerstreitenden Rechtspositionen sind dabei jeweils in möglichst hohem Maße zu verwirklichen.
Urteil vom 05. November 2014 – 1 BvF 3/11 (siehe auch die Pressemitteilung)
Leitsätze des BVerfG:
1. Die Luftverkehrsteuer ist eine sonstige auf motorisierte Verkehrsmittel bezogene Verkehrsteuer nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG.
2. Bei der Auswahl des Steuergegenstandes wird der Gleichheitssatz bereits eingehalten, wenn der Gesetzgeber einen Sachgrund für seine Wahl des Steuergegenstandes vorbringen kann, die Berücksichtigung sachwidriger, willkürlicher Erwägungen ausgeschlossen ist und die konkrete Belastungsentscheidung nicht mit anderen Verfassungsnormen in Konflikt gerät.
Beschluss vom 19. November 2014 – 2 BvL 2/13
Leitsätze des BVerfG:
1. Die Trägerschaft für Grund- und Hauptschulen, die in der Vergangenheit regelmäßig als eigenständige „Volksschulen“ organisiert waren, ist als historisch gewachsene Gemeindeaufgabe eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft.
2. Zu den mit der Schulträgerschaft verbundenen Aufgaben gehört namentlich die – in der Regel unter Mitwirkung des Staates zu treffende – Entscheidung, ob eine Schule eingerichtet oder geschlossen werden soll.
3. Eine Schulnetzplanung auf Kreisebene für die Grund- und Hauptschulen erfordert nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG ein wirksames Mitentscheidungsrecht der kreisangehörigen Gemeinden.
Beschluss vom 04. Dezember 2014 – 2 BvE 3/14
Der Antrag im Organstreitverfahren betrifft die Pflicht zur Unterstützung eines Untersuchungsausschusses gemäß Art. 44 GG hinsichtlich der Vernehmung des Zeugen Edward Snowden in Berlin. Die Anträge wurden allerdings als unzulässig verworfen.
Urteil vom 16. Dezember 2014 – 2 BvE 2/14 (siehe auch die Pressemitteilung)
Leitsätze des BVerfG:
1. Die Maßstäbe, die für Äußerungen des Bundespräsidenten in Bezug auf politische Parteien und die Überprüfung dieser Äußerungen durch das Bundesverfassungsgericht gelten (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 10. Juni 2014 2 BvE 4/13 , juris), sind auf die Mitglieder der Bundesregierung nicht übertragbar.
2. Soweit der Inhaber eines Regierungsamtes am politischen Meinungskampf teilnimmt, muss sichergestellt sein, dass ein Rückgriff auf die mit dem Regierungsamt verbundenen Mittel und Möglichkeiten unterbleibt. Nimmt das Regierungsmitglied für sein Handeln die Autorität des Amtes oder die damit verbundenen Ressourcen in spezifischer Weise in Anspruch, ist es dem Neutralitätsgebot unterworfen.
Urteil vom 17. Dezember 2014 – 1 BvL 21/12
Leitsätze des BVerfG:
1. Art. 3 Abs. 1 GG verleiht Steuerpflichtigen keinen Anspruch auf verfassungsrechtliche Kontrolle steuerrechtlicher Regelungen, die Dritte gleichheitswidrig begünstigen, das eigene Steuerrechtsverhältnis aber nicht betreffen. Anderes gilt jedoch, wenn Steuervergünstigungen die gleichheitsgerechte Belastung durch die Steuer insgesamt in Frage stellen.
2. Im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich im Sinne des Art. 72 Abs. 2 GG ist eine bundesgesetzliche Regelung nicht erst dann, wenn sie unerlässlich für die Rechts- oder Wirtschaftseinheit ist. Es genügt vielmehr, dass der Bundesgesetzgeber problematische Entwicklungen für die Rechts- und Wirtschaftseinheit erwarten darf. Ob die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG gegeben sind, prüft das Bundesverfassungsgericht, wobei dem Gesetzgeber im Hinblick auf die zulässigen Zwecke einer bundesgesetzlichen Regelung und deren Erforderlichkeit im gesamtstaatlichen Interesse eine Einschätzungsprärogative zusteht.
3. Der Gleichheitssatz belässt dem Gesetzgeber im Steuerrecht einen weitreichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstands als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes. Abweichungen von der einmal getroffenen Belastungsentscheidung müssen sich ihrerseits am Gleichheitssatz messen lassen (Gebot der folgerichtigen Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands). Sie bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes. Dabei steigen die Anforderungen an die Rechtfertigung mit Umfang und Ausmaß der Abweichung.
4. Die Verschonung von Erbschaftsteuer beim Übergang betrieblichen Vermögens in §§ 13a und 13b ErbStG ist angesichts ihres Ausmaßes und der eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.
a. Es liegt allerdings im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers kleine und mittelständische Unternehmen, die in personaler Verantwortung geführt werden, zur Sicherung ihres Bestands und damit auch zur Erhaltung der Arbeitsplätze von der Erbschaftsteuer weitgehend oder vollständig freizustellen. Für jedes Maß der Steuerverschonung benötigt der Gesetzgeber allerdings tragfähige Rechtfertigungsgründe.
b. Die Privilegierung des unentgeltlichen Erwerbs betrieblichen Vermögens ist jedoch unverhältnismäßig, soweit die Verschonung über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen hinausgreift, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen.
c. Die Lohnsummenregelung ist im Grundsatz verfassungsgemäß; die Freistellung von der Mindestlohnsumme privilegiert aber den Erwerb von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten unverhältnismäßig.
d. Die Regelung über das Verwaltungsvermögen ist nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, weil sie den Erwerb von begünstigtem Vermögen selbst dann uneingeschränkt verschont, wenn es bis zu 50 % aus Verwaltungsvermögen besteht, ohne dass hierfür ein tragfähiger Rechtfertigungsgrund vorliegt.
5. Ein Steuergesetz ist verfassungswidrig, wenn es Gestaltungen zulässt, mit denen Steuerentlastungen erzielt werden können, die es nicht bezweckt und die gleichheitsrechtlich nicht zu rechtfertigen sind.