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Schlagwortarchiv für: Vereinsverbot

Dr. Maike Flink

BVerfG: „Kuttenverbot“ für Rocker verfassungsgemäß

BVerfG Leitentscheidungen & Klassiker, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Verfassungsrecht

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 9.7.2020 (Az. 1 BvR 2067/17, 1 BvR 424/19, 1 BvR 4423/18) die Verfassungsbeschwerden mehrerer lokaler Teilgruppierungen sowie einzelner Mitglieder verschiedener Motorradclubs (MC Gremium, Hells Angels und Bandidos) gegen das aus § 9 Abs. 3 VereinsG folgende „Kuttenverbot“ und die damit verbundene Strafnorm in § 20 Abs. 1 S. 2 VereinsG abgewiesen (vgl. unseren Bericht zur Erhebung der Verfassungsbeschwerden: Vereinsrecht: Verschärfung des Kennzeichenverbotes).
 
I. Sachverhalt
Der Gesetzgeber hatte mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Vereinsgesetzes (VereinsG) vom 10.3.2017 den § 9 Abs. 3 VereinsG ins das Vereinsgesetz eingefügt und die damit verbundene Strafnorm in § 20 Abs. 1 S. 2 VereinsG verändert. § 9 Abs. 1 VereinsG regelte schon bislang ein Verbot öffentlich, in einer Versammlung oder medial die Kennzeichen eines verbotenen Vereins zu verwenden. Der neu gefasste § 9 Abs. 3 VereinsG erstreckt dieses in § 9 Abs. 1 VereinsG enthaltene Verbot nunmehr auch auf Kennzeichen, die in „im Wesentlichen gleicher Form“ von nicht verbotenen Teilorganisationen oder von selbstständigen Vereinen verwendet werden. Die Norm lautet:

„Absatz 1 gilt entsprechend für Kennzeichen eines verbotenen Vereins, die in im Wesentlichen gleicher Form von anderen nicht verbotenen Teilorganisationen oder von selbständigen Vereinen verwendet werden. Ein Kennzeichen eines verbotenen Vereins wird insbesondere dann in im Wesentlichen gleicher Form verwendet, wenn bei ähnlichem äußerem Gesamterscheinungsbild das Kennzeichen des verbotenen Vereins oder Teile desselben mit einer anderen Orts- oder Regionalbezeichnung versehen wird.“

Zuwiderhandlungen gegen dieses Verbot stellt § 20 Abs. 1 S. 2 VereinsG unter Strafe: Möglich sind eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe.
Die Beschwerdeführer richteten sich gegen die geänderten Normen: Ihre Mitglieder tragen typische Symbole wie den „Death Head“ der Hells Angels oder den „Fat Mexican“ der Bandidos als einheitlich genutztes Vereinslogo auf ihren „Kutten“ und haben dieses Logo nicht selten auch auf dem Körper tätowiert. Allerdings seien die Teilorganisationen, denen sie angehören – was insbesondere einzelne Ortsverbände betrifft –, nicht verboten, sodass das Kennzeichenverbot sich für sie als nachträglich ausgesprochene „Sippenhaft“ darstelle. Durch die Neuregelung sei das Kennzeichenverbot eben nicht mehr – wie bislang – streng akzessorisch zum Vereinsverbot, sondern erstrecke sich auch auf von dem Verbot nicht Betroffene. Dadurch sehen sich die Beschwerdeführer unter anderem in ihrem Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG), in ihrer Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 1 GG) und ihrer Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG) verletzt.
 
II. Die Entscheidung des Gerichts
Das Bundesverfassungsgericht hat eine Grundrechtsverletzung der Beschwerdeführer jedoch abgelehnt. Dabei hat das Gericht bewusst offen gelassen, ob die vereinsrechtlichen Kennzeichenverbote vorrangig an der Versammlungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 GG oder an der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 1 GG zu messen sind, da die Eingriffe in diese Grundrechte ohnehin gerechtfertigt seien. Dennoch ließ das Gericht eine Tendenz erkennen, vorrangig Art. 9 Abs. 1 GG heranzuziehen, wozu es ausführt:

„Es spricht viel dafür, die Kennzeichenverbote in erster Linie an Art. 9 GG zu messen (vgl. BVerfGE 28, 295 <310>; 149, 160 <192 Rn. 98; 200 f. Rn. 113 f.>). Das gilt jedenfalls für die Rechte von Vereinigungen selbst und von deren Mitgliedern. Daneben kann die Verwendung von Kennzeichen durch nicht organisierte Einzelpersonen – wie bei § 86a StGB – auch als Ausdruck einer Meinung an Art. 5 Abs. 1 GG zu messen sein (vgl. BVerfGE 93, 266 <289>), doch knüpft die Verbotsnorm weiter an das Verbot einer Vereinigung an, deren Symbole aus der Öffentlichkeit verbannt werden sollen (vgl. BTDrucks 14/7386 [neu], S. 49; BTDrucks 18/9758, S. 7).“

 
1.Verletzung von Art. 9 Abs. 1 GG
 Auf dieser Grundlage hat sich das Gericht zunächst mit einer möglichen Verletzung der Vereinigungsfreiheit auseinander gesetzt.
 
a) Eingriff in den Schutzbereich
Art. 9 Abs. 1 GG gewährleistet allen Deutschen das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. Eine Vereinigung ist dabei ein freiwilliger Zusammenschluss mehrerer Personen, der auf eine gewisse Dauer angelegt ist und über eine gewisse organisatorische Festigkeit sowie eine gemeinsame Willensbildung verfügt und zu einem gemeinsamen Zweck erfolgt. Geschützt ist sowohl für die Mitglieder als auch für die Vereinigung selbst das Recht auf Entstehen und Bestehen in der gemeinsamen Form, aber auch die Mitgliederwerbung und die Selbstdarstellung sowie das Namensrecht. Die öffentliche Verwendung der Vereinskennzeichen stellt in diesem Zusammenhang einen Beitrag zur Erhaltung der Vereinigung dar, dient aber auch der Mitgliederwerbung und der Selbstdarstellung.

„Für die Identität der hier beteiligten Motorrad-Vereinigungen ist das öffentliche Verwenden der Kennzeichen auf ihren „Kutten“ sogar von grundlegender Bedeutung. Die für die jeweilige Dachorganisation stehenden „Top-Rocker“ und „Central Patches“ sind aus ihrer Sicht wie der Name der Vereinigung (vgl. BVerfGE 30, 227 <241 f.>) Ausdruck des Zusammenhalts und der gemeinsamen Identität; sie werden seit Jahrzehnten weitgehend unverändert genutzt, haben einen hohen Wiedererkennungseffekt und dienen auch der Anwerbung neuer sowie der Anbindung aktueller Mitglieder (dazu u.a. Bock, JZ 2016, S. 158 ff.).“

Durch die Neuregelung des § 9 Abs. 3 VereinsG sowie des § 20 Abs. 1 S. 2 VereinsG wird die Verwendung des Vereinskennzeichens verboten bzw. die Zuwiderhandlung gegen dieses Verbot unter Strafe gestellt, sodass sie als zwangsläufige Folge eines Vereinsverbots zu einer gezielten Verkürzung der Vereinigungsfreiheit führt. Sie stellt mithin einen Eingriff dar.
 
b) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Dieser Eingriff ist nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts allerdings gerechtfertigt, da er insgesamt keine unverhältnismäßige Einschränkung der Vereinigungsfreiheit bedeutet:
Zunächst verfolgt der Gesetzgeber mit dem Kennzeichnungsverbot ein legitimes Ziel: Er möchte abstrakte Gefahren abwehren, die mit dem Kennzeichen verbunden sind und das Vereinsverbot tatsächlich durchsetzen. Daher ist auch nur die Verwendung solcher Kennzeichen verboten, die „in im Wesentlichen gleicher Form“ verwendet werden, bei denen also erkennbar ist, dass sich die Träger des Kennzeichens eindeutig mit der verbotenen Vereinigung identifizieren, die dieses Kennzeichen in ähnlicher Form ebenfalls verwendet. Entscheidend ist ein ähnliches äußeres Gesamterscheinungsbild. Davon ist – wie § 9 Abs. 3 S. 2 VereinsG klarstellt ­– beispielsweise auszugehen, wenn die nicht verbotene Vereinigung das Kennzeichen der verbotenen Vereinigung lediglich mit einer abweichenden Ortsbezeichnung weiter verwendet.
Darüber hinaus ist das Kennzeichenverbot zur Erreichung dieser Ziele auch geeignet, wie das Gericht ausführt:

„Wären die Kennzeichen der im Einklang mit Art. 9 Abs. 2 GG verbotenen Vereinigung mit einer abweichenden Ortsbezeichnung weiter präsent, liefe der Versuch, organisierte Aktivitäten zu unterbinden, die der Rechtsordnung fundamental zuwiderlaufen, weitgehend leer. Der Gesetzgeber darf insoweit davon ausgehen, dass eine Schwestervereinigung, die sich wie der verbotene Verein nach außen präsentiert, gleichermaßen für die strafbaren Aktivitäten oder verfassungswidrigen Bestrebungen des verbotenen Vereins steht (BTDrucks 18/9758, S. 8). Die hier angegriffenen Regelungen fördern jedenfalls den Zweck, die Kennzeichen verbotener Vereine effektiv aus der Öffentlichkeit zu verbannen.“

Das Kennzeichenverbot ist auch erforderlich, um die verfolgten Ziele zu erreichen. Insofern steht dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative zu, wobei nicht erkennbar ist, dass er diese mit seiner Einschätzung, dass weniger einschneidende, ebenso effektive Mittel nicht ersichtlich sind, überschritten hat. 
Das Kennzeichenverbot ist auch angemessen, die eintretenden Nachteile stehen nicht außer Verhältnis zu den erstrebten Vorteilen. Zwar stellt das Verbot für die Beschwerdeführer einen schweren Eingriff in ihre Vereinigungsfreiheit dar. Denn gerade das öffentliche Tragen der Vereinskennzeichen als Teil ihrer Selbstdarstellung ist für sie besonders wichtig, um ihre Zugehörigkeit zur Vereinigung zu verdeutlichen. Die besondere Bedeutung des Vereinskennzeichens zeigt sich bereits dadurch, dass die betroffenen Vereinigungen regelmäßig detailliert regeln, wer unter welchen Voraussetzungen ihre Kennzeichen in der Öffentlichkeit verwenden darf. Verschärft wird die Schwere des Verbots zudem dadurch, dass die Verwendung der Kennzeichen in der Öffentlichkeit, in einer Versammlung sowie ihre mediale Verbreitung nunmehr nach § 20 Abs. 1 S. 2 VereinsG strafbewehrt ist. Demgegenüber muss jedoch ebenfalls berücksichtigt werden, dass eben nicht jedwede Verwendung des Kennzeichens untersagt ist, sondern die private Verwendung weiterhin zulässig bleibt. Außerdem wird nur die Verwendung „in wesentlich gleicher Form“ verboten, sodass das Kennzeichenverbot nur dann eingreift, wenn das äußere Gesamterscheinungsbild dem Kennzeichen der verbotenen Vereinigung insgesamt erkennbar ähnelt. Zwar wirkt die Strafbewehrung des Verbots eingriffserhöhend, allerdings handelt es sich allein um ein Vergehen, das mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe belegt wird, wobei das Gericht nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 VereinsG unter Umständen sogar ganz von einer Bestrafung absehen kann. Demgegenüber verfolgt der Gesetzgeber gewichtige Interessen:

„Insbesondere ist das Kennzeichenverbot untrennbar mit einem Vereinsverbot verknüpft, das als Instrument präventiven Verfassungsschutzes auf den Schutz von Rechtsgütern hervorgehobener Bedeutung zielt (vgl. BVerfGE 149, 160 <196 Rn. 104>). Nur in Art. 9 Abs. 2 GG ausdrücklich genannte Gründe – der eine Vereinigung prägende, also organisierte Verstoß gegen Strafgesetze (a.a.O., Rn. 106), die kämpferisch-aggressive Ausrichtung gegen die verfassungsmäßige Ordnung (a.a.O., Rn. 108) und die Ausrichtung auf Gewalt in den internationalen Beziehungen oder vergleichbare völkerrechtswidrige Handlungen und damit gegen den Gedanken der Völkerverständigung (a.a.O., Rn. 112) – rechtfertigen ein Verbot. Nur unter dieser Voraussetzung kann die Verwendung von Kennzeichen verboten werden, da dieses Verbot dem Vereinsverbot materiell folgt. Damit tragen die Rechtsgüter, zu deren Schutz eine Vereinigung nach Art. 9 Abs. 2 GG ausdrücklich verboten werden kann, auch das Verbot ihre Kennzeichen, öffentlich, in einer Versammlung oder medial verbreitet zu verwenden.“

Vor diesem Hintergrund ist der Eingriff in Art. 9 Abs. 1 GG gerechtfertigt.
 
2. Verletzung von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 1 GG
 Diese Erwägungen überträgt das Gericht auch auf die Prüfung des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var 1 GG: Auch ein Eingriff in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit ist gerechtfertigt: Die angegriffenen Normen sind allgemeine Gesetze i.S.v. Art. 5 Abs. 2 S. 1 GG, da sie die in Art. 9 Abs. 2 GG benannten Rechtsgüter schützen und nicht an den konkreten Inhalt des Kennzeichens, sondern allein an das formale Verbot der Vereinigung anknüpfen. Zudem kann dem Bedeutungsgehalt des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 1 GG bei der Auslegung und Anwendung von § 9 Abs. 3 VereinsG sowie § 20 Abs. 1 Nr. 5 VereinsG ohne Weiteres Rechnung getragen werden, sodass auch kein Verstoß gegen die Wechselwirkungslehre vorliegt.
 
3. Verletzung von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG
Letztlich lehnt das Gericht auch eine Verletzung der Eigentumsfreiheit des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ab. Zwar erkennt das Bundesverfassungsgericht an, dass die Kennzeichen, die auf den „Kutten“ der Vereinsmitglieder angebracht sind, ebenso wir die „Kutten“ selbst in den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG fallen und sie damit durch das Verbot, diese in der Öffentlichkeit zu verwenden, in der Nutzung ihrer Eigentumsposition eingeschränkt werden. Diese Beeinträchtigungen seien jedoch gerechtfertigt, wie das Gericht knapp ausführt:

„Die angegriffenen Normen bewirken keine Enteignung (vgl. BVerfGE 20, 351 <359>), sondern eine Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Verwendungsverbote sind insofern Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums und aus den für die Einschränkungen der Art. 9 Abs. 1 GG und Art. 5 Abs. 1 GG geltenden Gründen verhältnismäßig.“

Damit scheidet auch eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG aus.
 
III. Ausblick
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gibt nicht nur Anlass, sich erneut mit der in Klausuren immer wieder beliebten Meinungsfreiheit sowie der Eigentumsfreiheit auseinanderzusetzen, sondern sollte auch als Anknüpfungspunkt genutzt werden, um sich vertieft mit dem in der Prüfungsvorbereitung häufig stiefmütterlich behandelten Art. 9 Abs. 1 GG zu beschäftigen. Denn wie die Entscheidung zeigt, kann das Grundrecht nicht allein im Hinblick auf ein vollständiges Vereinsverbot, sondern auch für damit zusammenhängende Maßnahmen erhebliche Bedeutung gewinnen. Die dargestellte Entscheidung hat der Thematik erneut Aktualität verliehen, wodurch auch in Prüfungen jederzeit erwartet werden muss, dass sie aufgegriffen wird.
 
 

24.08.2020/1 Kommentar/von Dr. Maike Flink
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maike Flink https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maike Flink2020-08-24 08:40:122020-08-24 08:40:12BVerfG: „Kuttenverbot“ für Rocker verfassungsgemäß
Dr. Maike Flink

Rechtsprechungsüberblick Öffentliches Recht (Quartal 2 und 3/2019) – Teil 1: Verfassungsrecht

Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Verfassungsrecht

Bei der Vorbereitung auf die schriftliche und vor allem mündliche Examensprüfung, aber auch auf Klausuren des Studiums, ist die Kenntnis aktueller Rechtsprechung von entscheidender Bedeutung. Der folgende Überblick ersetzt zwar keinesfalls die vertiefte Auseinandersetzung mit den einzelnen Entscheidungen, soll hierfür aber Stütze und Ausgangspunkt sein. Dargestellt wird daher eine Auswahl der examensrelevanten Entscheidungen der vergangenen Monate anhand der betreffenden Leitsätze, Pressemitteilungen und ergänzender kurzer Ausführungen aus den Gründen, um einen knappen Überblick aktueller Rechtsprechung auf dem Gebiet des Öffentlichen Rechts zu bieten.
 
BVerfG (Beschl. v. 23.7.2019 – 1 BvR 2433/17): Fälschliche Einordnung prozessualer Äußerung als Schmähkritik verletzt Meinungsfreiheit
Das BVerfG hat kürzlich die Anforderungen an das Vorliegen von Schmähkritik erneut konkretisiert. Dabei hat das Gericht herausgestellt, dass bei der Qualifizierung einer Aussage als Schmähkritik strenge Maßstäbe anzulegen sind. Erforderlich ist, dass die Äußerung tatsächlich auf die bloße Herabsetzung und Diffamierung einer anderen Person gerichtet ist, ohne sich inhaltlich mit der Sache auseinander zu setzen. Besonders hervorgehoben hat das BVerfG, dass auch Anlass und Kontext der Äußerung Berücksichtigung finden müssen um zu ermitteln, ob sie tatsächlich jedes sachlichen Bezugs entbehrt und auf eine persönliche Diffamierung gerichtet ist oder vielmehr ein Anlass für die jeweilige Aussage ausgemacht werden kann. So kann der Vergleich der Verhandlungsführung einer Richterin mit „einschlägigen Gerichtsverfahren vor ehemaligen nationalsozialistischen deutschen Sondergerichten“ oder einem „mittelalterlichen Hexenprozess“ nicht von vornherein als Schmähkritik eingeordnet werden. Das BVerfG formuliert dazu:

„Die Äußerungen entbehren […] nicht eines sachlichen Bezugs. Sie lassen sich wegen der auf die Verhandlungsführung und nicht auf die Richterin als Person gerichteten Formulierungen nicht sinnerhaltend aus diesem Kontext lösen und erscheinen auch nicht als bloße Herabsetzung der Betroffenen. Die Äußerungen lassen nicht ohne weiteres den Schluss zu, der Beschwerdeführer habe der Richterin eine nationalsozialistische oder „mittelalterliche“ Gesinnung unterstellen wollen. Historische Vergleiche mit nationalsozialistischer Praxis begründen für sich besehen nicht die Annahme des Vorliegens von Schmähkritik.“

Vgl. ausführlich unsere Entscheidungsbesprechung.
 
BVerfG (Beschl. v. 18.7.2019 – 1 BvL 1/18, 1 BvR 1595/18, 1 BvL 4/18) zur Verfassungskonformität der Mietpreisbremse
Ein großes mediales Echo hat auch die Entscheidung des BVerfG zur Verfassungskonformität der Mietpreisbremse hervorgerufen. So stellte das Gericht fest:

„Die Regulierung der Miethöhe bei Mietbeginn durch § 556d Abs. 1 BGB verstößt in dem Verfassungsbeschwerdeverfahren weder gegen die Garantie des Eigentums aus Art. 14 Abs. 1 GG noch gegen die Vertragsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG noch den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG.“

Schwerpunktmäßig hat das BVerfG sich in seinem Beschluss mit der Vereinbarkeit des § 556d Abs. 1 BGB mit Art. 14 Abs. 1 GG beschäftigt: Ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ist jedoch abzulehnen, da die Regelung eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG darstellt. Sie verfolgt das legitime Ziel, „durch die Begrenzung der Miethöhe bei Wiedervermietung der direkten oder indirekten Verdrängung wirtschaftlich weniger leistungsfähiger Bevölkerungsgruppen aus stark nachgefragten Wohnquartieren entgegenzuwirken“. Indem sie Preisspitzen auf angespannten Wohnungsmärkten abschwächt, kann sie den Zugang einkommensschwacher Mieter zu Wohnraum schaffen und ist damit geeignet, den verfolgten Zweck zu erreichen, ohne dass vergleichbar wirksame, mildere Mittel zur Verfügung stehen. Letztlich ist die Regelung nach Ansicht des Gerichts auch angemessen, denn der Gesetzgeber hat die Belange von Mietern und Vermietern in einen sachgerechten Ausgleich gebracht. Den Interessen der Mieter kommt dabei besonderes Gewicht zu:

„Die Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung geht auf der anderen Seite umso weiter, je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und in einer sozialen Funktion steht […]. Das trifft auf die Miethöhenregulierung in besonderem Maße zu. Eine Wohnung hat für den Einzelnen und dessen Familie eine hohe Bedeutung […].“

Demgegenüber entsteht keine unverhältnismäßige Beeinträchtigung seitens der Betroffenen Vermieter, denn auch eine nachträgliche Verschlechterung der Nutzungsmöglichkeiten bestehender Eigentumspositionen kann zulässig sein. So führt das Gericht aus:

„Auf dem sozialpolitisch umstrittenen Gebiet des Mietrechts müssen Vermieterinnen und Vermieter […] mit häufigen Gesetzesänderungen rechnen und können nicht auf den Fortbestand einer ihnen günstigen Rechtslage vertrauen […]. Ihr Vertrauen, mit der Wohnung höchstmögliche Mieteinkünfte erzielen zu können, wird durch die Eigentumsgarantie nicht geschützt, weil ein solches Interesse seinerseits vom grundrechtlich geschützten Eigentum nicht umfasst ist.“

Eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der Interessen der betroffenen Vermieter ist zudem abzulehnen, da die ortsübliche Vergleichsmiete dem Vermieter einen am örtlichen Markt orientierten Mietzins sichert und damit die Wirtschaftlichkeit der Vermietung erhalten bleibt.
 
BVerfG (Beschl. v. 9.7.2019 – 1 BvR 1257/19) zur Strafbarkeit des faktischen Leiters einer nicht angemeldeten Versammlung
Das BVerfG hatte die Vereinbarkeit der Strafnorm des § 26 Nr. 2 VersG mit Art. 8 Abs. 1 GG zu beurteilen. § 26 Nr. 2 VersG bestimmt: „Wer als Veranstalter oder Leiter eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug ohne Anmeldung (§ 14) durchführt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“ An der Verfassungskonformität der Norm bestehen dabei grundsätzlich keine Zweifel. Dies gilt nach der Ansicht des Gerichts auch, sofern sie dahingehend ausgelegt wird, dass auch der bloß faktische Versammlungsleiter einer nicht angemeldeten Veranstaltung als tauglicher Täter eingeordnet wird:

 „Denn eine solche Auslegung ist geeignet, einer Umgehung des Erfordernisses einer Anmeldung unter Benennung eines Versammlungsleiters entgegenzuwirken, die ansonsten nur gegenüber dem Veranstalter – der gerade bei nicht angemeldeten Versammlungen oftmals nicht ohne weiteres festgestellt werden kann – sanktioniert werden könnte. Sie verwirklicht somit die legitimen Ziele des gesetzlichen Anmeldeerfordernisses, ohne die Versammlungsfreiheit in übermäßiger Weise einzuschränken.“

Es bestehen auch keine Bedenken, dass dies zu einer Sanktionierung der bloßen Teilnahme an einer nicht angemeldeten Veranstaltung führen könnte, denn es ist nur derjenige als Versammlungsleiter einzuordnen, der den Ablauf der Versammlung, ihre Unterbrechungen und ihre Schließung bestimmt. 
Vgl. ausführlich unsere Entscheidungsbesprechung.
 
BVerfG (Beschl. v. 2.7.2019 – 1 BvR 385/16) zur Verfassungskonformität eines Vereinsverbots
Das BVerfG hat sich mit der Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit eines Vereinsverbots am Maßstab von Art. 9 Abs. 2 GG beschäftigt. Gem. Art. 9 Abs. 2 GG ist ein Vereinsverbot dabei gerechtfertigt, wenn sich die jeweilige Vereinigung gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, also insbesondere, wenn sie schwerwiegende völkerrechtswidrige Handlungen aktiv propagiert und fördert. Dabei gilt:

„Der Verbotstatbestand kann auch dann erfüllt sein, wenn die Vereinigung sich durch die Förderung Dritter gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet; Dazu gehört die finanzielle Unterstützung terroristischer Handlungen und Organisationen, wenn diese objektiv geeignet ist, den Gedanken der Völkerverständigung schwerwiegend, ernst und nachhaltig zu beeinträchtigen, und die Vereinigung dies weiß und zumindest billigt.“

30.09.2019/0 Kommentare/von Dr. Maike Flink
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maike Flink https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maike Flink2019-09-30 10:08:312019-09-30 10:08:31Rechtsprechungsüberblick Öffentliches Recht (Quartal 2 und 3/2019) – Teil 1: Verfassungsrecht
Dr. Stephan Pötters

Notiz: OVG Bremen bestätigt Vereinsverbot gegen „Mongols MC Bremen“

Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Polizei- und Ordnungsrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechungsübersicht, Startseite, Tagesgeschehen, Verwaltungsrecht

Das OVG Bremen hat in einer aktuellen Entscheidung ein Vereinsverbot gegen die „Mongols MC“ aus Bremen bestätigt (Urteil v. 10.06.2014 – 1 D 126/11).
Verbot gem. Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 S. 1 VereinsG
Der Senator für Inneres und Sport hatte mit Verfügung vom 19. Mai 2011 festgestellt, dass der Zweck und die Tätigkeit des Vereins „Mongols MC Bremen“ den Strafgesetzen zuwiderlaufen und der Verein deshalb verboten sei. Der Senator ist Verbotsbehörde i.S.v. § 3 Abs. 2 Nr. 1 VereinsG.
Der 1. Senat des OVG Bremen hat nun die dagegen gerichtete Klage des Vereins  abgewiesen. Zweck und Tätigkeit des Vereins liefen in der Tat den Strafgesetzen zuwider. Hierfür spreche die Gesamtwürdigung mehrerer Indizien. Der Verein rechne sich zur Dachorganisation der Mongols MC, die zu den „Outlaw Motorcycle Gangs“ zähle. Zu würdigen seien weiterhin die Vorstrafen der beiden Protagonisten des Vereins. Die Freude am Motorradfahren an sich könne jedenfalls kaum der Zweck des Vereins gewesen sein, da zum Verbotszeitpunkt nur ein Mitglied im Besitz einer Fahrerlaubnis für ein Motorrad gewesen sei. Besonderes Gewicht hätten schließlich zwei Vorgänge im Mai 2011 gehabt. Mitglieder des Vereins hätten sich am 07.05.2011 zum Vereinslokal der Hells Angels begeben. Dort sei es zu Tätlichkeiten gekommen. Auch wenn diese nach den Feststellungen des Landgerichts in einem Strafverfahren gegen den Präsidenten der Mongols eher von den Hells Angels ausgegangen seien, belege dieser Vorfall die Bereitschaft des „Mongols MC Bremen“, in einen Konkurrenzkampf mit den Hells Angels einzutreten. Am 13.05.2011 hätten Mitglieder des Vereins Mitglieder der Hells Angels überfallen. Es habe Körperverletzungen gegeben. Auch Unbeteiligte seien zu Schaden gekommen. Der Überfall sei von den Mongols ausgegangen. Das Verbot des Vereins sei nach Allem ein geeignetes Mittel gewesen, um einer weiteren Eskalation entgegenzuwirken.
Weiterführende Hinweise
Zum Kontext Vereinsverbot haben wir in letzter Zeit bereits mehrfach über aktuelle examensrelevante Probleme berichtet. Insofern sei noch einmal auf folgende Beiträge hingewiesen:

  • Hells Angels MC Charter Westend: https://red.ab7.dev/vgh-kassel-hells-angels-vereinsverbot-rechtmasig-ms-charter-westend/
  • Hells Angels Köln: https://red.ab7.dev/hells-angels-in-koln-verboten-rechtliche-implikationen/
  • Salafisten, Hells Angels und Co. – Übersicht: https://red.ab7.dev/vereinsverbot-von-hells-angels-und-salafistenvereinen-der-rechtsstaat-zeigt-zahne/
  • Nationaler Widerstand Dortmund – Implikationen für das Versammlungsrecht: https://red.ab7.dev/bverfg-bestatigt-versammlungsverbot-fur-neonazi-gruppe-nationaler-widerstand-dortmund/

 

12.06.2014/0 Kommentare/von Dr. Stephan Pötters
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Stephan Pötters https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Stephan Pötters2014-06-12 08:00:422014-06-12 08:00:42Notiz: OVG Bremen bestätigt Vereinsverbot gegen „Mongols MC Bremen“
Redaktion

Notiz: Vereinsverbot der Hells Angels Kiel bestätigt

Polizei- und Ordnungsrecht, Rechtsprechung, Verfassungsrecht

Das im Januar 2012 vom schleswig-holsteinischen Innenminister ausgesprochene Verbot des Vereins „Hells Angels MC Charter Kiel“ war rechtmäßig. Das hat das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holsteinisch am 26.2.2014 entschieden (Az.: 4 KS 1/12). Das Thema „Vereinsverbot“ wird dadurch wieder aktuell für Klausuren und mündliche Prüfungen. Aus diesem Grunde sei die Lektüre unseres umfassenden klausurmäßig aufbereiteten Beitrags zu dieser Thematik dringend empfohlen (siehe dazu hier).
Weiterhin empfiehlt sich die Lektüre dieses Beitrags, der ganz grundsätzlich die rechtlichen Implikationen des Vereinsverbots aufzeigt.
Für anstehende mündliche Prüfungen sind zudem umfassendere Details zu dem oben genannten vom OVG Schleswig entschiedenen Sachverhalt interessant (siehe dazu hier).

05.03.2014/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2014-03-05 18:00:262014-03-05 18:00:26Notiz: Vereinsverbot der Hells Angels Kiel bestätigt
Dr. Jan Winzen

VGH Kassel: Hells Angels Vereinsverbot rechtmäßig (MC Charter Westend)

Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Startseite, Verwaltungsrecht

Kürzlich ist die jüngste Entscheidung des VGH Kassel (8 C 2134/11.T) zum Vereinsverbot des Hells Angels MC Charter Westend (Frankfurt am Main) im Volltext veröffentlicht worden. Wir haben in der Vergangenheit bereits mehrmals zum Themenkomplex „Vereinsverbot“ berichtet (hier und hier). Die nun vorliegende Entscheidung des VGH gibt Anlass Grundkenntnisse zum Thema weiter zu vertiefen.
A. Sachverhalt
Der Sachverhalt ist in seinen Grundzügen schnell zusammengefasst. Der MC Charter Westend – ein nicht rechtsfähiger Verein – wendet sich gegen ein durch Verfügung des hessischen Innenministeriums im September 2011 ausgesprochenes Vereinsverbot. Gegenstand der Verfügung waren – neben dem Vereinsverbot – dessen Auflösung und, weitere Verbote betreffend, u.a. die Verbreitung und öffentliche Verwendung der Kennzeichen des Vereins sowie die Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens. Zur Begründung wurde festgestellt (und näher ausgeführt), Zweck und Tätigkeit des verbotenen Vereins liefen den Strafgesetzen zuwider (§ 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG). Eine Anhörung vor Erlass der Verfügung hatte nicht stattgefunden.
B. Rechtliche Würdigung
I. Zulässigkeit
Im Rahmen der Zulässigkeit spricht das Gericht folgende Gesichtspunkte an (da es sich bei der Klägerin um einen nicht rechtsfähigen Verein handelt, der zudem durch die Verfügung auch aufgelöst wurde, sollte man zu diesen Themen auch in einer Klausurkonstellation (kurz) etwas sagen können):
1. Statthafte Klageart
Statthafte Klageart gegen die als Verwaltungsakt (§ 35 VwVfG) einzuordnende Verbotsverfügung des Innenministeriums ist die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO).
2. Klagebefugnis
Die Klagebefugnis des Vereins wird durch seine Auflösung nicht beeinträchtigt. Nach der Rechtsprechung muss dem Verein, auch wenn er aufgelöst ist, eine auf die Rechtsverteidigung im Anfechtungsverfahren beschränkte Rechtsstellung – und damit korrespondierende Klagebefugnis – verbleiben (siehe dazu Rz. 29 der Entscheidungsgründe aber auch BVerfGE 13, 174, 175).
3. Beteiligten- und Prozessfähigkeit
Die Beteiligtenfähigkeit des MC Charter Westend folgt aus § 61 Nr. 2 VwGO. Danach sind Vereinigungen fähig am Verfahren beteiligt zu sein, soweit ihnen ein Recht zustehen kann. Da das BVerwG das Vorliegen einer Vereinigung in diesem Sinne bereits annimmt, wenn ein Mindestmaß an Organisation vorliegt (siehe etwa BVerwG, NVwZ 2004, 887), können nicht rechtsfähige Vereine, weil sie etwa über eine Satzung und ähnliche organisatorische Regelwerke verfügen, typischerweise Beteiligte eines Verwaltungsprozesses sein.
Die Prozessfähigkeit richtet sich nach § 62 VwGO. Für Vereinigungen handeln die gesetzlichen Vertreter (§ 62 Abs. 3 VwGO), im Fall des MS Charter Westend also dessen Vorstand.
II. Begründetheit
Die Klage ist begründet, soweit die Verbotsverfügung rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Ermächtigungsgrundlage: Art. 9 Abs. 2 GG iVm § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG
Ermächtigungsgrundlage für die Verfügung des Innenministeriums ist Art. 9 Abs. 2 GG iVm § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG.
[Anmerkung zum Hintergrund: An dieser Stelle ist es besonders wichtig, sich das Verhältnis von Art. 9 Abs. 2 GG und §§ 3 ff. VereinsG zu verdeutlichen. Aus dem Wortlaut des Art. 9 Abs. 2 GG, wonach Vereine, die einen der dort bezeichneten Verbotstatbestände verwirklichen, verboten „sind“ wurde in der Zeit nach Erlass des Grundgesetzes gefolgert, das Vereinsverbot trete kraft Gesetzes ein und jede Behörde könne die sich daraus ergebenden Folgerungen selbst ziehen. Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit (Art. 20 Abs. 3 GG) schloss sich das BVerwG aber schon bald einer Auffassung in der Literatur an, die eine konstitutive Entscheidung einer zuständigen Behörde zur Feststellung des Verbots im Einzelfall verlangte (BVerwGE 4, 188, 189 f.). Es entspricht deshalb der heute einhelligen Meinung, dass die §§ 3 ff. VereinsG das in Art. 9 Abs. 2 GG vorgesehene Vereinsverbot ausgestalten und die insoweit zuständige Behörde das Verbot durch Verfügung feststellen muss (siehe etwa Scholz, in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 67. Ergänzungslieferung 2013, Art. 9 GG, Rn. 132).]
2. Formelle Rechtmäßigkeit
a) Zuständigkeit
Es müsste – mit dem hessischen Innenministerium – die zuständige Behörde gehandelt haben.
Als Verbotsbehörden kommen in Betracht:

  • die oberste Landesbehörde (oder eine andere nach Landesrecht ausdrücklich zuständige Behörde), wenn sich die Tätigkeit des Vereins auf das Gebiet eines Bundeslandes beschränkt (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VereinsG);
  • der Bundesinnenminister, wenn sich die Tätigkeit des Vereins über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VereinsG).

Da sich die Tätigkeit des MC Charter Westend auf das Gebiet des Landes Hessen beschränkte, war das hessische Innenministerium als oberste Landesbehörde zuständig.
b) Verfahren
Auch im Rahmen des Verfahrens nach §§ 3 ff. VereinsG ist grundsätzlich vor Erlass der Verbotsverfügung eine Anhörung des Adressaten erforderlich (§ 28 Abs. 1 VwVfG).
Eine Anhörung hat im vorliegenden Fall unstreitig nicht stattgefunden. Möglicherweise konnte das Innenministerium davon aber nach Maßgabe des § 28 Abs. 2 VwVfG absehen. Danach ist die Anhörung ausnahmsweise entbehrlich, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG).
In Fällen, die ein Vereinsverbot betreffen, wird regelmäßig keine Anhörung erfolgen, wenn mit dem Vereinsverbot auch eine Beschlagnahme von Vereinsvermögen verbunden werden soll. Diese Beschlagnahme könnte nämlich durch den sog. Ankündigungseffekt einer Anhörung vereitelt werden. Man sollte deshalb die Rechtsprechung zu dieser Fallgestaltung kennen. Der VGH Kassel führt dazu (mwN) aus:

Der Beklagte hat sich in seiner Verfügung insoweit auf einen unerwünschten „Ankündigungseffekt“ einer behördlichen Anhörung bezogen, der es dem Kläger ermöglicht hätte „Vermögen und Beweismittel dem behördlichen Zugriff zu entziehen“, und damit ein wirksames Vorgehen gegen den Verein beeinträchtigt oder unmöglich gemacht hätte. Dieser Aspekt stellt einen nachvollziehbaren Gesichtspunkt dar, unter dem gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 HVwVfG im öffentlichen Interesse auf eine Anhörung verzichtet werden durfte, selbst wenn ein mögliches Verbot des klägerischen Vereins schon einige Zeit vorher in der öffentlichen Diskussion gefordert oder erwogen worden war.

Eine Anhörung war demnach im vorliegenden Fall entbehrlich.
c) Form
Besondere Formvorschriften enthält § 3 Abs. 4 VereinsG (insb. Schriftform, Begründung, Zustellung).
3. Materielle Rechtmäßigkeit
Die Verbotsverfügung ist materiell rechtmäßig, wenn der Zweck und die Tätigkeit des Vereins den Strafgesetzen zuwider laufen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. VereinsG). Die Strafrechtswidrigkeit ist der traditionelle Vereinsverbotstatbestand (Groh, Vereinsgesetz, § 3 Rn. 7). Sie wird bejaht, wenn Mitglieder und Funktionsträger des verbotenen Vereins in einer dem Verein zurechenbaren und ihn prägenden Weise gegen Straftatbestände verstoßen haben (Rz. 41 der Entscheidungsgründe).
Im Folgenden sollen die wesentlichen Erwägungen des Gerichts soweit dargestellt werden, wie sie in einer Prüfungssituation bekannt sein sollten. Wer sich für die tatsächlichen Hintergründe im Detail interessiert, dem sei die Lektüre der Originalentscheidung dringend empfohlen.
[Anmerkung zum Hintergrund: Der VGH stellt in den Entscheidungsgründen immer wieder auf den prägenden Charakter von Straftaten der Vereinsmitglieder ab. Dies ist erforderlich, weil der Verein selbst nach allgemeinen Grundsätzen nicht straffähig ist, dies können nämlich wegen der insoweit erforderlichen Schuldzurechnungsfähigkeit nur natürliche Personen sein (die verbandsrechtliche Strafbarkeit wird rechtspolitisch in Deutschland regelmäßig unter dem Stichwort des „Unternehmensstrafrechts“ diskutiert, siehe dazu etwa kürzlich den Beitrag des nordrhein-westfälischen Justizministers Thomas Kutschaty in der Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP) 2013, Seite 74). Durch das Handeln seiner Mitglieder kann der Verein aber nach Ansicht der Rechtsprechung einen vom einzelnen Mitglied losgelösten Gruppenwillen mit eigener Zweckrichtung entwickeln, der, wenn er auf strafrechtliche Verstöße gerichtet ist, den Verbotstatbestand erfüllen kann (siehe dazu Rz. 42 der Entscheidungsgründe).]
Auf einer ersten Stufe bedarf es nun der Feststellung von Straftaten einzelner Vereinsmitglieder. Diese müssten dem Verein dann auf einer zweiten Stufe für Zwecke des Verbots nach § 3 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. VereinsG zuzurechnen sein.
a) Straftaten einzelner Vereinsmitglieder
Für die Beurteilung strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen gilt im Rahmen des Vereinsrechts ein besonderer Maßstab. Die Verbotsbehörden und das Verwaltungsgericht prüfen nämlich die Strafgesetzwidrigkeit in eigener Kompetenz. Insbesondere bedarf es keiner dem Verbot nach § 3 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. VereinsG vorausgehenden strafrichterlichen Verurteilung einzelner Mitglieder. Auf dieser Grundlage würdigt der VGH im Rahmen der Entscheidungsgründe verschiedene Straftaten von Vereinsmitgliedern, namentlich ein Tötungsdelikt, eine damit in Zusammenhang gebrachte Strafvereitelung, die Beteiligung an einem Drogendelikt (1,3 Kg Kokain) und mindestens ein weiteres versuchtes Tötungsdelikt.
b) Zurechnung
Die Zurechenbarkeit der genannten Verhaltensweisen stützt das Gericht im Wesentlichen auf folgende Erwägungen:

  • Die Außenwirkung des Verhaltens der Vereinsmitglieder:

Die Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist auch dann gegeben, wenn deren Mitglieder zwar spontan und aufgrund eines eigenen Entschlusses Straftaten begehen, dabei aber immer wieder geschlossen als Vereinigung auftreten, so dass sich die Straftaten nach außen als Vereinsaktivitäten darstellen und die Vereinigung diesen Umstand kennt und billigt oder jedenfalls widerspruchslos hinnimmt.

Hierzu führt das Gericht am Ende der Entscheidungsgründe noch Folgendes aus:

Auch die auf Seite 9 der Verbotsverfügung zutreffend beschriebenen Straftaten des Members M… haben einen Zurechnungszusammenhang zum Kläger, weil M… bei Begehung der Taten durch Tragen seiner „Kutte“ als Mitglied des Klägers erkennbar war. Verbotsrelevant ist insbesondere das mit Urteil des Amtsgerichts Bruchsal vom 21. April 2005 – 7 Ds 600 Js 30334/05 AK 10/06 – (a.a.O., Bl. 182 ff.) geahndete Vergehen nach dem Waffengesetz, weil der Kläger den bei ihm sichergestellten Revolver und die dazu gehörende Munition in Begleitung des Vizepräsidenten und dreier weiterer Mitglieder des Klägers anlässlich einer gemeinsam unternommenen Motorradfahrt verbotswidrig bei sich trug.

  • Die Billigung des Fehlverhaltens seiner Mitglieder durch den Verein:

Der Vereinigung zurechenbar sind ferner solche strafbaren Verhaltensweisen der Vereinsmitglieder, die die Vereinigung deckt, indem sie ihren Mitgliedern durch eigene Hilfestellung oder von ihr veranlasste Hilfe anderer Personen Rückhalt bietet und dadurch straffällig gewordenen Mitgliedern den Eindruck vermittelt, ihr Fehlverhalten sei von der Vereinigung und insbesondere von deren Führungspersonal gewünscht oder gebilligt. (…) Das Vorliegen einer derartigen, von der Vereinigung ihren Mitgliedern zugedachten Hilfestellung bestimmt sich nicht nach strafrechtlichen Deliktskategorien wie Teilnahme oder Begünstigung, die für eine Vereinigung mangels Straffähigkeit nicht relevant sein können. Es genügt vielmehr, dass vereinsintern den Mitgliedern oder nach außen der Öffentlichkeit, insbesondere den Opfern der Straftaten gegenüber, zum Ausdruck gebracht wird, die Vereinigung gewähre nach den Straftaten ihren straffällig gewordenen Mitgliedern jederzeit den erwarteten Schutz.

Im vorliegenden Fall kommt diesem Kriterium besondere Bedeutung zu:

Zahlreiche Indizien sprechen dafür, dass der Kläger im Hinblick auf die hohe Kriminalitätsrate seiner Mitglieder und in Erwartung weiterer aus ihren Reihen begangener Straftaten eine Infrastruktur aufgebaut hatte, um diese Mitglieder vor strafrechtlicher Verfolgung ihrer Taten zu schützen, im Fall einer Inhaftierung durch regelmäßige, systematische Besuche die Freiheitsentziehung erträglicher zu machen und dadurch nicht nur den Inhaftierten, sondern auch den übrigen Mitgliedern deutlich zu machen, dass sie ohne Rücksicht auf Art und Schwere ihrer Straftaten mit einer nahezu bedingungslosen Solidarität ihres Charters rechnen konnten, wie sich insbesondere am Beispiel des wegen vollendeten Totschlags bestraften Mitglieds I gezeigt hat.

Den Einwand, es handele sich bei diesen Unterstützungsmaßnahmen um „Akte legitimer Solidarität zwischen Freunden“, erteilt das Gericht eine klare Absage. Auf mehreren Seiten wird dargelegt, wie nach Ansicht des Gerichts die Billigung des Verhaltens eines wegen Totschlags inhaftierten Mitglieds durch systematische Besuche in der JVA, die überproportionale Beteiligung des Vereinspräsidenten daran und die Fotomontage eines Gruppenfotos, zum Ausdruck gebracht wurde.

  • Die in dem Verhalten zum Ausdruck kommende Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Organisationen.

Zu einer insoweit grundsätzlich zu berücksichtigenden Auseinandersetzung mit einer potentiell konkurrierenden Gruppierung nimmt das Gericht aus verfahrenstechnischen Gründen allerdings keine Stellung (dazu Rz. 55 ff. der Entscheidungsgründe).
Im Ergebnis folgt aus der Zurechnung des strafrechtswidrigen Verhaltens seiner Mitglieder nach Ansicht des VGH Kassel die Strafgesetzwidrigkeit des MS Charter Westend.
c) Rechtsfolgenseite
Auf entsprechendeEinwände des Vereins hin stellt der VGH – unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerwG klar, dass § 3 Abs. 1 VereinsG der Verbotsbehörde auf der Rechtfolgenseite weder ein Ermessen einräumt noch Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte eine Rolle spielen:

Die Verbotsverfügung hat nicht die Funktion zu erfüllen, der Verbotsbehörde auf Rechtsfolgenseite der Norm die Ausübung von Ermessen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu ermöglichen. Sie dient vielmehr – jedenfalls in der Regel – allein dazu, aus Gründen der Rechtssicherheit klarzustellen, dass eine Vereinigung einen oder mehrere Verbotsgründe erfüllt, und durch die entsprechende Feststellung die gesetzlich vorgesehene Sperre für ein Vorgehen gegen den Verein aufzuheben. Den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist deshalb bereits auf der Tatbestandsseite der Norm bei der Prüfung Rechnung zu tragen, ob die Voraussetzungen des Verbotsgrundes vorliegen (Urteile vom 19. Dezember 2012 – BVerwG 6 A 6.11 – Rn. 56). Dass und warum hier eine Ausnahme von diesem Grundsatz in Betracht zu ziehen wäre, ist weder vom Kläger dargetan noch ersichtlich.

Das auf § 3 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. VereinsG gestützte Vereinsverbot ist damit rechtmäßig.
Die Anfechtungsklage ist folglich unbegründet.
Fazit
Vereinsverbote haben in der jüngeren Vergangenheit vermehrt Aufsehen erregt (wir hatten berichtet). Zumindest § 3 VereinsG sollte deshalb in seinen Grundzügen bekannt sein. Regelmäßig kommt es darauf an. Für den Verbotstatbestand der Strafgesetzwidrigkeit folgt die Prüfung einem Zweischritt. Zunächst bedarf es der Untersuchung strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen einzelner Vereinsmitglieder. Dabei muss eine strafrichterliche Verurteilung noch nicht zwingend vorliegen. In einem zweiten Schritt ist zu untersuchen, ob das gefundene Fehlverhalten dem Verein zugerechnet werden kann. Der VGH Kassel prüft dabei, ob das Verhalten der Mitglieder eine den Verein prägende Wirkung entfaltet. Dabei fällt besonders ins Gewicht, ob sich strafgesetzwidriges Verhalten nach außen als Verhalten des Vereins darstellt und wie sich der Verein, vor allem auch in Person seiner Mitglieder in Leitungsfunktionen, zu dem Fehlverhalten seiner Mitglieder positioniert, namentlich ob er dieses unterstützt und billigt oder sich – etwa durch Ausschluss der betreffenden Mitglieder – davon distanziert.
Nicht erforderlich – darauf sei noch hingewiesen – ist zudem, dass die Strafgesetzwidrigkeit den Hauptzweck des Vereins (und schon gar nicht seinen satzungsmäßigen Zweck) ausmacht.
Ein Katalog, der in einer Prüfungssituation zur Orientierung herangezogen werden kann, findet sich übrigens in § 3 Abs. 5 VereinsG. Eine Einschränkung oder Erweiterung der – auch vom VGH dargestellten – Kriterien der Rechtsprechung bewirkt dieser Katalog nicht. Ausweislich der Gesetzesbegründung handelt es sich nur um die Schließung einer Regelungslücke im Hinblick auf die Zurechnung des Verhaltens der Vereinsmitglieder, die ihrerseits aber wieder auslegungsbedürftig ist, siehe BT-Drucks. 12/6853, Seite 45.]
Die gerichtliche Zuständigkeit des VGH Kassel in erster Instanz ergibt sich im Übrigen aus § 48 Abs. 2 VwGO.
 
 

27.04.2013/0 Kommentare/von Dr. Jan Winzen
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Jan Winzen https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Jan Winzen2013-04-27 10:00:462013-04-27 10:00:46VGH Kassel: Hells Angels Vereinsverbot rechtmäßig (MC Charter Westend)
Tom Stiebert

Vereinsverbot: Hells Angels und Salafistenvereine – Der Rechtsstaat zeigt Zähne

Öffentliches Recht, Schon gelesen?, Startseite, Tagesgeschehen, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht

In der letzten Woche wurde bekannt, dass einige bedeutende Salafistenvereine von den zuständigen Behörden verboten wurden (siehe bspw. hier).
Bereits kurz zuvor wurden einige Gruppierungen („Chapter“) der Hells Angels in Deutschland verboten.
Aber wie funktioniert ein solches Vereinsverbot eigentlich und wann kann es erlassen werden?
Die rechtlichen Grundlagen finden sich in Art. 9 Abs. 1 und 2 GG. Grundsätzlich ist die Vereinigungsfreiheit damit nach Art. 9 Abs. 1 GG geschützt. Dieser Schutz besteht nach Art. 9 Abs. 2 GG aber nicht für „Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten“. Diese können nicht nur verboten werden, sondern sind es per Grundgesetz bereits. Aus diesem Grund könnte man annehmen, dass Art. 9 Abs. 2 GG bereits den Schutzbereich der Vereinigungsfreiheit einschränkt. Nach herrschender Meinung stellt Art. 9 Abs. 2 GG hingegen lediglich eine Schranke der Vereinigungsfreiheit dar (Maunz/Dürig/Scholz, Art. 9 GG, Rn. 112; offen gelassen in BVerfGE 80, 244, 254).
Es sind damit drei abschließende Gründe denkbar, wegen derer ein Verein verboten werden kann:

  • Dessen Zwecke oder Tätigkeiten laufen Strafgesetzen zuwider.
  • Er ist gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet.
  • Er ist gegen Gedanken der Völkerverständigung gerichtet.

Aufgrund des verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutzes der Vereinigungsfreiheit, ist das Vorliegen dieser Fälle streng zu prüfen. Der Verein muss sich konkret gegen diese geschützten Ziele richten, das heißt – parallel zum Verfahren beim Parteiverbot – muss bei Verstoßen gegen die verfassungsmäßige Ordnung eine aggressive kämpferische Haltung vorliegen (BVerfGE 5, 85, 141; BeckOK/Cornils, Art. 9 GG, Rn. 27; Maunz/Dürig/Scholz, Art. 9 GG, Rn. 128).
Das genaue Verfahren eines Vereinsverbots ergibt sich hingegen nicht aus dem Grundgesetz (hier ist nur geregelt, wann ein Verbot möglich ist) sondern aus § 3 VereinsG. Geregelt ist hier die zuständige Behörde (§ 3 Abs. 2 VereinsG). Diese muss nach § 3 Abs. 1 VereinsG feststellen, dass die Voraussetzungen eines Vereinsverbotes vorliegen. Zudem enthält § 3 Abs. 3 VereinsG noch eine zentrale Regelungen, wie weit ein Vereinsverbot reichen kann. Es erfasst „alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen)“. So kann verhindert werden, dass das Vereinsverbot wirkungslos ist. Auch Nichtteilorganisationen können nach § 9 Abs. 3 S. 2 VereinsG explizit vom Verbot miterfasst sein.
Zumindest bei dem Verbot der Salafistenvereinigungen könnte zudem ergänzend an den Schutz der Religionsfreiheit aus Art. 4 GG gedacht werden. Fraglich ist, ob hier überhaupt ein Eingriff in Art. 4 GG vorliegt, also ob die Betätigung der salafistischen Vereine eine religiöse Ebene hat, die vom Schutzbereich des Art. 4 GG überhaupt erfasst ist. Die Frage ist somit, ob die Handlungen des Vereins überhaupt religiös geprägt sind oder nur im Zusammenhang hiermit erfolgen (die Grenzen sind aber sehr weit, vgl. BVerfGE 24, 236 – Aktion Rumpelkammer). Allerdings ist auch hier eine entsprechende Anwendung des Art. 9 Abs. 2 GG geboten; auch § 3 VereinsG greift hier (siehe nur BeckOK/Germann, Art. 4 Rn. 59). Eine interessante Stellungnahme dazu findet man hier.
Welche Gründe im konkreten Fall zum Vereinsverbot geführt haben, lässt sich den Medien nicht entnehmen – bei den Hells Angels wird deren Tätigkeit wohl vor allem gegen die Strafgesetze verstoßen (Drogendelikte, Zwangsprostitution, Waffendelikte, Körperverletzung etc.). Bei den Salafisten kommt ergänzend ein Verstoß gegen die verfassungsmäßige Ordnung in Betracht. Auch ein Verstoß gegen den Grundgedanken der Völkerverständigung ist denkbar, werden doch Andersgläubige als minderwertig dargestellt.
Zum Schluss
Durch die hohe Medienpräsenz sollte man Probleme im Zusammenhang mit Hells Angels und Salafisten zumindest für die mündliche Prüfung auf jeden Fall parat haben.
Aus diesem Grund noch einmal Hinweise auf entsprechende Beiträge von uns:

  • Beitrag zum Hells Angels Verbot in Köln
  • Verbot des Tragens von Kutten im Gericht
  • Artikel zur Koranverteilung
  • Beitrag zum Zeigen der Mohammedkarikaturen und entsprechender Verantwortlichkeit

 

16.06.2012/0 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2012-06-16 10:24:152012-06-16 10:24:15Vereinsverbot: Hells Angels und Salafistenvereine – Der Rechtsstaat zeigt Zähne

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