Ein äußerst examensrelevanter Problemkreis zum Fernabsatzrecht war kürzlich vom AG Frankfurt a. M. aufzuarbeiten (Urt. v. 06.06.2011, Az. 31 C 2577/10 (17)).
Ausschließliche Verwendung von Fernkommunikation?
Im zu entscheidenden Fall ging es um die Frage, wann ein Vertrag unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen wurde. Nur dann, wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, handelt es sich um einen Fernabsatzvertrag i.S.d. § 312b Abs. 1 BGB, der ein entsprechendes Widerrufsrecht nach § 312d BGB auslösen kann. Im vorliegenden Fall besuchte der Kunde einen Laden und erkundigte sich dort über die erhältlichen Produkte. Im Anschluss daran kontaktierte er den Verkäufer per E-Mail und schloss mit diesem über sein Verkaufsportal einen Kaufvertrag.
Das AG Frankfurt a.M. entschied, dass ein Fernabsatzvertrag dann nicht vorliegt, wenn der Vertrag in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang zum Ladenbesuch mittels Fernkommunikationsmitteln geschlossen wird. Ein Widerrufsrecht sei in einem solchen Fall ausgeschlossen. Die Argumentation lässt sich m.E. hören, da ansonsten ein treuwidriges Erschleichen des Fernabsatzwiderrufs vorliegt.
Die Fernabsatzvorschriften wollen nämlich zwei für Distanzgeschäfte typische Defizite kompensieren: Zum einen kann der Verbraucher die Waren nicht überprüfen. Zum anderen kann er niemanden um direkte Informationen zum Produkt bitten. Wären die Fernabsatzvorschriften nach einem Ladenbesuch also anwendbar, würde der Verbraucher besser geschützt als wenn er den Vertrag unmittelbar beim Verkäufer abschließen würde. Gleichwohl müssen diesem Schutzzweck Grenzen gesetzt werden. Es kann nicht angehen, dass man nach einem Besuch und anschließender Beratung bei Mediamarkt nicht mehr deren Online-Shop nutzen kann, ohne dass die Möglichkeit des Fernabsatzwiderrufs ausgeschlossen wäre. Aus diesem Grund muss ab einer bestimmten Dauer das Fernabsatzrecht wieder aufleben.
Konkrete Umsetzung der Maßgaben
Im zu entscheidenden Fall wurde im Sinne der obigen Ausführungen ein Fernabsatzvertrag i.S.d. § 312b BGB angenommen, da zwischen dem Besuch des Ladengeschäfts und dem Vertragsschluss über das Internet ein deutlicher Zeitabstand (von 1,5 Monaten) lag. Hiermit folgt das AG Frankfurt a.M. der herrschenden Kommentarliteratur, die eine ähnliche Abgrenzung vornimmt (vgl. etwa MüKo/Wendehorst. § 312b BGB, Rn 55; Palandt/Grüneberg, § 312b, Rn. 8). Es genügt also nicht, wenn zwischen Unternehmer und Verbraucher irgendwann einmal eine direkte Kommunikation stattgefunden hat. Dies muss vielmehr im zeitlichem Zusammenhang zu dem Vertragsschluss geschehen sein.
Notwendigkeit einer umfassenden Aufklärung?
In der Kommentarliteratur umstritten ist hingegen die Frage, ob die direkte Kommunikation mit dem Verkäufer auch geeignet sein muss, die o.g. typischen Nachteile im Fernabsatzvertrag auszugleichen. Keine Geeignetheit läge etwa vor, wenn bei dem persönlichen Kontakt keine adäquaten Auskünfte über die Waren gegeben wurden. Eine Ansicht verneint etwa den Ausschluss des Fernabsatzrechts, wenn für den Verbraucher keine Möglichkeit der vollständigen und erschöpfenden Aufklärung bestand (vgl. Palandt/Grüneberg, § 312b BGB Rn. 8.). Nach anderer Auffassung genügt jedwede Möglichkeit der Aufklärung im Rahmen eines Ladenbesuchs (vgl. BeckOK/Schmidt-Räntsch, § 312b BGB Rn. 38).
More to come…
Alles in allem handelt es sich um einen interessanten Problemkreis, der bereits sehr umfassend in der Literatur aufgearbeitet wurde. Aufgrund der Problematik einer trennscharfen Abgrenzung wird es aber sicherlich in Zukunft auch von höheren Gerichten weitergehende Konturierungen zur Anwendbarkeit des § 312b Abs. 1 BGB geben. Die Entwicklungen zur genauen Definition eines Fernabsatzvertrags sollte man also im Auge behalten.