Der Bundesgerichtshof hat am gestrigen Freitag (09.03.2012) ein sehr interessantes Urteil gesprochen (V ZR 115/11), dass nicht nur in den Medien auf große Resonanz gestoßen ist.
I. Sachverhalt
Inhaltlich geht es darum, dass die Frau des damaligen Vorsitzenden der NPD Udo Voigt einen viertägigen Aufenthalt in einem Wellnesshotel für sich und ihren Mann gebucht hatte. Die Buchung wurde vom Hotel bestätigt. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde der Familie Voigt dann aber mitgeteilt, dass ein Hotelaufenthalt nicht möglich sei und ein entsprechendes Hausverbot verhängt. Dies wurde – auf Nachfrage – mit der politischen Überzeugung Udo Voigts begründet, die mit dem vom Hotel verfolgten Wohlfühlaspekt nicht vereinbar sei. Gegen diese Zurücksetzung ging der Kläger Udo Voigt gerichtlich vor.
II. Die Entscheidung des BGH
1. Grundsatz
Der BGH prüfte im konkreten Fall, ob die „Diskriminierung“ durch das Verhängen des Hausverbots gegen Udo Voigt rechtswidrig war. Konkret wurde damit allein die Rechtmäßigkeit eines Hausverbots geprüft.
Grundsätzlich legt der BGH dar, dass es jedem Eigentümer einer Sache möglich ist, Dritte vom Umgang hiermit auszuschließen. Dies gilt selbstverständlich auch für Hotels. Der Rechtsgrund des Hausverbots ist damit in § 903 i.V.m. § 1004 BGB zu finden. Zugleich wurzelt das Hausrecht und damit verbunden das Recht ein Hausverbot zu verhängen auch in der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG und wohl auch in Art. 14 GG.
Folge dessen ist, dass der Hausrechtsinhaber, hier die Beklagte, in der Regel frei darüber entscheiden kann, wem er den Zutritt gestattet und wem er ihn verwehrt.
Die Erteilung eines Hausverbots kann damit grundsätzlich völlig willkürlich erfolgen – eine Überprüfbarkeit ist nicht möglich. Zu entscheiden wem Zugang gewährt wird und wem nicht, obliegt allein dem Eigentümer als Hausrechtsinhaber.
Von diesem Grundsatz bestehen aber Ausnahmen:
Begrenzt ist die Ausübung des Hausrechts zunächst durch die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Hier sieht der Gesetzgeber explizit Fälle vor, in denen eine willkürliche Ungleichbehandlung unzulässig sein soll. Eine Ungleichbehandlung aufgrund der politischen Ansichten ist aber nicht vom Anwendungsbereich des AGG erfasst. Dieses sieht nur ein Diskriminierungsverbot wegen der Weltanschauung vor – die aber parallel zur Religion auszulegen ist. Allgemeine politische Ansichten fallen nicht darunter. Dies bestätigt auch der BGH:
„Aus den Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), die im Zivilrecht den Schutz vor Diskriminierungen regeln, ergeben sich unter diesem Gesichtspunkt keine Beschränkungen bei der Ausübung des Hausrechts. Der Gesetzgeber hat nämlich bewusst davon abgesehen, das Diskriminierungsverbot auf Benachteiligungen wegen politischer Überzeugungen zu erstrecken.“
Einer freien Ausübung des Hausrechts könnte aber die Regelung des Art. 3 Abs. 3 GG entgegenstehen. Allerdings ist zu beachten, dass diese Norm bei einer Rechtsbeziehung zwischen Privaten nur mittelbar Geltung erlangt. Zudem gebietet sich eine Abwägung mit den geschützten Interessen des Beklagten, die im konkreten Fall überwiegen.
„Das Verbot, das Hotel der Beklagten nicht zu nutzen, betrifft den Kläger nur in seiner Freizeitgestaltung. Demgegenüber geht es für die Beklagte um das von ihr zu tragende wirtschaftliche Risiko für das Geschäftskonzept eines Wellnesshotels. Das lässt es gerechtfertigt erscheinen, der Beklagten die Freiheit einzuräumen, solchen Gästen den Zutritt zu verweigern, von denen sie annimmt, der Aufenthalt könne mit Blick auf die von ihnen vertretene politische Auffassung diesem Konzept abträglich sein.“
Damit zeigen sich hier im Grundsatz keine Anhaltspunkte, die der Verhängung eines Hausverbots entgegenstehen.
2. Ausnahme bei bereits geschlossenem Vertrag
Nach Ansicht des BGH ist aber dann eine andere Behandlung geboten, wenn ein bestehender Vertrag vorgelegen hat. Die Verhängung des Hausverbots für die Zeit des Vertrags würde faktisch die Vereitelung des Vertragszweckes zur Folge haben und damit faktisch eine Lösung vom Vertrag darstellen. Dies ist im Regelfall nicht zulässig. Hintergrund dieser Sichtweise ist, dass der Eigentümer zwar grundsätzlich das Recht hat mit der Sache nach Beliebem zu verfahren, dieses echt hat er aber gerade dadurch ausgeübt, indem er den Vertrag geschlossen hat. Diese Freiheit resultiert gerade aus seinen grundrechtlich geschützten Interessen der Art. 2, 12 und insbesondere 14 GG.
„Durch die freiwillige – privatautonome – Gestaltung der eigenen Interessen verliert die Berufung der Beklagten auf die Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG), die unternehmerische Freiheit (Art. 12 GG) und die Ausübung der Eigentumsrechte (Art. 14 GG) nämlich deutlich an Gewicht.“
Würde sich der Hausrechtsinhaber hier auf sein Recht berufen, ein Hausverbot verhängen zu können, so liegt ein widersprüchliches Verhalten zu seiner vorherigen Handlung dar (venire contra factum proprium).
3. Ausnahme: Täuschung des Vetragspartners
Das Gesagt muss selbst dann gelten, wenn der Hausrechtsinhaber keine konkrete Kenntnis von der Person des Vertragspartners hatte, aber bewusst verzichtet hat die Personalien zu erfassen. Im konkreten Fall hatte wohl nur die Ehefrau für zwei Personen gebucht. Gleiches wird auch dann greifen, wenn die Verträge über Drittplattformen geschlossen werden, hat auch hier der Vertragspartner keine Kenntnis von der genauen Identität. Dass er diese Kenntnis nicht hat, ist aber seiner eigenen Sphäre zuzuordnen; er hat bewusst auf entsprechende Maßnahmen verzichtet. Dies darf dann aber nicht zu Lasten des Vertragspartners angeführt werden.
Abweichendes gilt nur dann, wenn eine bewusste Täuschung des Vertragspartners über seine Identität vorlag und damit ein Anfechtungsgrund nach § 123 BGB gegeben wäre. Eine solche Täuschung kann durch handlung oder Unterlassen erfolgen. Ein Unterlassen liegt aber noch nicht allein darin, dass der Kläger seine Identität oder gar politische Gesinnung beim Buchen vorzulegen hat. Fordert der Eigentümer dies nicht ab, so muss er auch die entsprechenden Folgen tragen. Eine Täuschung wäre damit nur gegeben, wenn bewusst die Identität verschleiert wird.
Ebenso kommt auch eine Anfechtung wegen einers Irrtums über verkehrswentliche Eigenschaften des Vertragspartners nach § 119 abs. 2 BGB nicht in Betracht. Wenn der Eigentümer keine Informationen über die Identität des Vertragspartners fordert, so ist ihm diese egal – er hat somit keine Vorstellung hierüber und nicht etwa eine Fehlvorstellung.
Eine Anfechtung des Vertrags ist damit nur in sehr engen Grenzen möglich. Ist diese aber erfolgreich, so kann dann auch ein Hausverbot verhängt werden. Auch wenn der BGH diese Problematik nicht mehr konkret geprüft hat, so ist es doch sehr wahrscheinlich, dass er entsprechend entscheiden würde.
III. Aufbau in der Klausur
Für Studenten am wichtigsten ist wohl die Frage, wie dieser Fall in einer Klausur geprüft werden kann. In der Entscheidung des BGH wurde – eher abstrakt – die Zulässigkeit eines Hausverbots geprüft. In einer Klausur wäre dies m.E. eher nicht der ansatzpunkt – vielmehr wäre dort wohl zu prüfen, ob der Kläger Zugang zu dem Hotel begehren kann. Auch hier ist wiederum wieder zu unterscheiden, ob ein Vertrag bereits geschlossen ist oder ob nicht.
1. Bestehender Vertrag
Liegt ein Vertrag vor, so ergibt sich der Anspruch direkt aus dem Beherbergungsvertrag (als typengemischten Vertrags) selbst. Dieser wäre dann zu prüfen. Der Anspruch könnte dann aber hier durch die Verhängung des Hausverbots leerlaufen. Das Hausverbot wäre dann meiner Ansicht nach entweder bereits bei einer Unmöglichkeit des Vertrags zu prüfen oder bei einer mangelnden Durchsetzbarkeit des Anspruchs. Insbesondere wäre bei der Zulässigkeit des hausverbots insbesodnere wieder der Grundsatz des venire contar factum proprium anzusprechen.Die Lösung hat sich dann wieder an der Entscheidung des BGH zu orientieren.
2. Fehlender Vertrag
Fehlt hingegen ein Vertragsschluss, so kann sich ein Anspruch auf Zugang zum Hotel allein aus dem Vorliegen eines Kontrahierungszwangs ergeben. Da dieser gerade eine Ausnahme vom Grundsatz der Privatautonomie darstellt, ist er nur in sehr engen Grenzen zulässig (bspw. bei Verkehrsbetrieben, Energieversorgung etc.). In allen anderen Fällen ist ein solcher Kontrahierungszwang abzulehnen. auch hier muss die Rechtsprechung des BGH wiederholt werden – der Nichtabschluss eines Vertrags hat identische Folgen wie die – abstrakt geprüfte – Verhängung des Hausverbots.
IV. Examensrelevanz
Zur Examensrelevanz braucht wohl nicht viel gesagt zu werden – offensichtlich kann der Fall in einer Klausur sehr gut geprüft werden. Insbesondere zeigt die Darstellung im dritten Teil aber auch, dass es oftmals nicht genügt die groben Züge der Rechtsprechung zu beherrschen, da auch andere Ansatzpunkte möglich sind. aus diesem Grund sollte das hier Dargestellte sowohl für schriftliche als auch für mündliche Prüfung behersscht werden.
Klar sollte auch sein, dass das hier Dargestellte nicht allein für ein hausverbot aus politischen Gründen gilt, sondern auch auf andere Gründe – die nicht vom AGG erfasst sind – übertragen werden kann.