Wie bereits angekündigt werden wir gemeinsam mit jur:next eine Besprechung zu einem aktuellen examensrelevanten Thema und Urteil in Form einer monatlichen Reihe anbieten. Im Wochenabstand werden wir euch also Beiträge zum Strafrecht, Zivilrecht und Öffentliches Recht bieten und so eine noch breitere Information ermöglichen.
Beginnen möchten wir heute mit einem ersten Beitrag zur Heimtücke bei Tötungsdelikten.
Heimtücke in Hessen
BGH, Urteil vom 24. September 2014, 2 StR 160/14
Der Mordparagraph ist momentan Objekt einer kontroversen Diskussion in Politik und Rechtswissenschaft. Immer wieder wird gefordert den Tatbestand wegen seiner historischen Gründe und seines Tätertypus abzuschaffen bzw. zu ändern.
Der BGH in Strafsachen musste sich in seinem neusten Urteil mit einem der umstrittensten Mordmerkmale beschäftigen: der Heimtücke.
1. Sachverhalt
Der Angeklagte lebte seit 2004 wegen wiederholter verbaler und körperlicher Auseinandersetzungen gegenüber seiner Ehefrau räumlich von ihr und den drei gemeinsamen Kindern getrennt.
Am Tattag wollte er seine Frau zur Rede stellen und ihr eine Lektion erteilen. Dazu nahm er zwei Küchenmesser mit. Nachdem er seinen Sohn unter einem Vorwand wegschickte, begab er sich wortlos mit jeweils einem Messer in der Hand in die Küche. Die sich dort befindende Ehefrau drehte sich zum Angeklagten um und sah diesem in die Augen. In Erwartung eines Streitgespräches wollte sie die Küche verlassen und trat zwei Schritte auf diesen zu.
Der Angeklagte versetze ihr, ohne ein Wort zu wechseln, daraufhin den ersten Stich in den Bauch und den zweiten Stich in den Oberkörper[1].
2. Problemaufriss
Nach gängiger Ansicht tötet heimtückisch, wer bei der Tat die bestehende Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Wobei die Wehrlosigkeit gerade auf der Arglosigkeit beruhen muss.[2] Arglos ist dabei, wer sich zur Zeit der Tat keines Angriffs versieht.[3]
Diese an sich eindeutige Definition, kann in der konkreten Tatsituation durchaus Schwierigkeiten bereiten. So sind bekannte Probleme, ob Heimtücke auch bei schlafenden oder bewusstlosen Opfer vorliegen kann. Aber auch, ob diese ausscheidet, bei einer Person die ernsthaft mit einem Angriff rechnet oder vom Täter in eine Falle gelockt worden ist. Schwierigkeiten bei der Eindeutigkeit der Heimtücke können auch auftreten, wenn das Opfer die Gefahr erkennt kurz bevor die schädigende Handlung begangen wird.
So stellt sich auch bei diesem Fall, erstinstanzlich entschieden vom LG Fulda, die Frage, inwieweit das Opfer arglos war, obwohl es zwei Schritte ,,sehenden Auges‘‘ auf den Beklagten zuging.
Bei dem Urteil bleibt der BGH stringent bei seiner bisherigen Linie. Dazu führt der 2. Strafsenat aus:
,,Dass die Geschädigte auf den Angeklagten ein bis zwei Schritte zutrat, ändert nichts daran, dass der Angeklagte -wie von ihm geplant- die mit Küchenarbeiten beschäftigte Geschädigte überraschte und dieses vom ihm herbeigeführte Überraschungsmoment ausnutzen wollte. Es ist deswegen auch unerheblich, ob die Geschädigte unmittelbar vor dem Angriff noch die Messer in den Händen des Angeklagten wahrgenommen (…) hat. Eine Möglichkeit zur Abwehr verblieb ihr nicht (…).“[4]
Die Arglosigkeit entfällt also nicht, wenn das Opfer den Täter und die Gefahr erkennt, solange die Zeitspanne bis zum unmittelbaren Angriff so kurz ist, dass dem Opfer keine Möglichkeit zur Abwehr bleibt.[5]
3. Bedeutung für die Ausbildung
Der Mordparagraph bietet durch seine vielen Merkmale ein weites und teils anspruchsvolles Prüfungsgebiet. Zudem lassen sich leicht Verbindungen zum Allgemeinen Teil des Strafrechts ziehen. An dieser Stelle sei nur auf die bei Studenten beliebte Lockerung der Akzessorietät (§ 28 I, II StGB) verwiesen.
Unter den Mordmerkmalen ist die Heimtücke sicherlich eines der komplexeren und umstrittensten. Daher bietet die oben dargestellte Entscheidung die Möglichkeit sich mit den gängigsten Problemen des Mordes im Allgemeinen und der Heimtücke im Besonderen zu beschäftigen und wieder aufzufrischen.
Dies sollte besonders aus den aktuellen tagespolitischen Gründen vor der mündlichen Prüfung bedacht werden.
[1] 2 StR 160/14 S. 3 f.
[2] Fischer, Strafgesetzbuch, § 211, Rn. 34.
[3] SSW-StGB/Momsen, § 211, Rn. 38.
[4] 2 StR 160/14 S. 6 f.
[5]So auch Fischer, Strafgesetzbuch, § 211, Rn. 35 c.
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