Der BGH hat am 11.05.2011 eine Entscheidung zu der Frage getroffen (Az. VIII ZR 289/09), unter welchen Voraussetzungen der Inhaber eines eBay-Accounts vertraglich durch Erklärungen gebunden wird, die ein Dritter unter unbefugter Verwendung seines Accounts abgegeben hat. Die Entscheidung ist als äußerst examensrelevant einzuschätzen, da sie die Grundsätze zum Vertragsschluss nach dem allgemeinen Teils des BGB wunderschön exemplifiziert.
Der Sachverhalt
Der Sachverhalt in diesen Konstellationen gestaltet sich denkbar einfach: Jemand loggt sich über den ebay-Account eines anderen ein und ordert auf diese Weise und unter Nutzung des fremden Pseudonyms einen Artikel. Nunmehr wird der Inhaber des missbrauchten ebay-Accounts auf Zahlung des Kaufpreises (§ 433 Abs. 2 BGB) Zug um Zug gegen Lieferung der Ware in Anspruch genommen.
Zugang zu dem fremden Account hat der Unbefugte meist, indem er ohne Erlaubnis den Computer des Belasteten benutzt hat, wobei ebay-Nutzername und Passwort noch im Browser gespeichert waren.
In den AGB von ebay heißt es überdies:
„Mitglieder haften grundsätzlich für sämtliche Aktivitäten, die unter Verwendung ihres Mitgliedskontos vorgenommen werden.“
Lösung des BGH
Fraglich ist sodann, ob ein wirksamer Kaufvertrag zwischen dem Inhaber des ebay-Accounts und dem Verkäufer zustande kam. Dies wäre dann der Fall, wenn die Erklärung des unbefugten Nutzers dem vermeintlichen Käufer zugerechnet wird.
Der BGH hat hierfür zunächst klargestellt, dass auch bei Internet-Geschäften die Regeln des Stellvertretungsrechts anwendbar sind. Dies ergibt sich daraus, dass es sich beim Einloggen in einen fremden ebay-Account faktisch um ein Handeln unter fremden Namen handelt. Der jeweilige Nutzer spiegelt dem Verkäufer vor, dass der Inhaber des Accounts die jeweilige Erklärung abgibt. §§ 164 ff. BGB gelten zwar Ihrem Wortlaut nach für ein Handeln für einen Anderen – im Hinblick auf das Handeln unter Fremden Namen besteht jedoch eine Analogie.
Erklärungen, die unter dem Namen eines anderen abgegeben worden sind, verpflichten den Namensträger daher nur, wenn sie in Ausübung einer bestehenden Vertretungsmacht erfolgen oder vom Namensträger nachträglich genehmigt worden sind oder wenn die Grundsätze über die Duldungs- oder die Anscheinsvollmacht eingreifen.
Zustandekommen eines Vertrages aufgrund einer Anscheinsvollmacht?
Zur Frage, ob in einem solchen Fall bereits die Grundsätze der Anscheinsvollmacht eingreifen, äußerte sich der BGH wie folgt. Die unsorgfältige Verwahrung der Kontaktdaten eines eBay-Mitgliedskontos hat noch nicht zur Folge, dass der Inhaber des Kontos sich die von einem Dritten unter unbefugter Verwendung dieses Kontos abgegebenen Erklärungen zurechnen lassen müsse.
Eine Zurechnung fremder Erklärungen an den Kontoinhaber ergebe sich auch nicht aus den AGB von eBay. Da diese AGB jeweils nur zwischen eBay und dem Inhaber des Mitgliedskontos vereinbart sind, haben sie keine unmittelbare Geltung zwischen dem Anbieter und dem Bieter.
Ausgehend hiervon war vorliegend zwischen den Parteien kein Kaufvertrag zustande gekommen. Die Lösung des BGH überrascht in Anlehnung an die allgemeinen Grundsätze zum Vertragsschluss nicht. Die Voraussetzungen, die an das Vorliegen einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht zu stellen sind, liegen regelmäßig nicht vor, da der Vertretene dem angeblichen Vertreter meist keine Stellung eingeräumt hat, aus welcher der Dritte auf Bevollmächtigung schließen durfte.
Anspruch aus c.i.c.
In der Klausur wären zudem Ansprüche aus c.i.c. und § 122 BGB analog anzusprechen. Bei der vorvertraglichen Haftung käme es bei der Diskussion insbesondere darauf an, ob bereits das leicht zugängliche Aufbewahren der Zugangsdaten „geschäftsähnliche Kontakte“ i.S.d. § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB begründet. Hier kann man viel diskutieren, sollte jedoch nicht aus den Augen verlieren, dass Kontakt zwischen dem vermeintlichen Käufer und dem Verkäufer vor dem Handeln unter Fremden Namen in keiner Weise bestand.
Anspruch aus § 122 BGB analog
Ein Anspruch aus § 122 BGB analog erscheint hingegen denkbar. Die herrschende Lehre befürwortet eine analoge Anwendung des § 122 etwa auch für Fälle der sog. abhanden gekommenen Willenserklärung, wo eine vom Erklärenden zurückgehaltene (also i.S.d. § 130 Abs. 2 BGB nicht „abgegebene“) Erklärung auf Grund eines in die Risikosphäre des Erklärenden fallenden Umstands abgeschickt wird (man lässt etwa einen Brief auf dem Schreibtisch liegen, der dann von der Putzfrau abgeschickt wird).
Auch hierbei ist allerdings zu bedenken, dass noch keinerlei fertige (nur noch abzusendende) Erklärungen auf dem Computer des Account-Inhabers lagern. Der Nutzer unter fremden Namen verschafft sich ohne Erlaubnis Zugang und kreiert eine eigene Erklärung durch Abgabe des ebay-Gebotes. Parallelen zur abhanden gekommenen Willenserklärung bestehen somit nicht. Aus diesem Grund erscheint eine Haftung aus § 122 BGB analog zu weitgehend für diese Fälle.
Fazit
In der Prüfungssituation lassen sich somit eine Vielzahl bekannter Ansprüche durchprüfen. Im Ergebnis bleibt es aber wohl dabei, dass eine Haftung des Account-Inhabers nicht besteht. Diese Wertung erscheint mir folgerichtig, da es immer noch das eigenständige Auftreten des unbefugten Dritten ist, dass der Account-Inhaber im Zweifel nicht überwachen kann. Eine allgemeine Sphärenhaftung für jegliche Erklärungen, die vom eigenen Computer abgehen, erscheint deshalb nicht tragbar.
Eine Haftung des Handelnden unter Fremden Namen kann fürwahr nach § 179 Abs. 1 BGB analog bestehen. In diesem Kontext ist insbesondere die Regelung des § 179 Abs. 3 S. 2 BGB interessant, wonach beschränkt Geschäftsfähige nicht nach § 179 Abs. 1 BGB als Vertreter ohne Vertretungsmacht in Anspruch genommen werden können. Diese Vorschrift ist deshalb praxisrelevant, da in privaten Haushalten ebay-Missbrauchsfälle meist durch die Kinder der Account-Inhaber verursacht werden.