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Schlagwortarchiv für: Urlaub

Gastautor

Kein automatischer Verfall des Urlaubsanspruchs wegen nicht gestellten Urlaubsantrags

Arbeitsrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Zivilrecht

Wir freuen uns, einen Gastbeitrag von Amir Nassar veröffentlichen zu können. Der Autor ist derzeit Student an der Humboldt Universität zu Berlin und studentischer Mitarbeiter der Wirtschaftskanzlei Raue.

Wer das Thema Urlaub heutzutage noch rechtssicher verstehen und anwenden möchte, ist darauf angewiesen nicht nur einen Blick in das nationale Recht zu werfen, sondern muss darüber hinaus auch die an Bedeutung gewinnende Rechtsprechung des EuGH kennen. Mit seinem Urteil vom 06.11.2018 – C-619/16 (NZA 2018, 1612) hat der Europäische Gerichtshof – neben der Vererblichkeit von Urlaubsansprüchen – einen weiteren Grundstein im deutschen Urlaubsrecht zur Seite geschoben.
I. Sachverhalt und Problematik
Der Rechtsreferendar Kreuziger absolvierte vom 13. Mai 2009 bis 28. Mai 2010 seinen juristischen Vorbereitungsdienst bei dem Land Berlin. In der Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum Ende seiner (öffentlich-rechtlichen) Ausbildung beantragte er keinen bezahlten Jahresurlaub. Vielmehr forderte er am 18. Dezember 2010 finanzielle Abgeltung für diesen nicht genommenen Jahresurlaub.
Dieser Antrag und die später erhobene Klage bei dem VG Berlin wurden mit der Begründung abgelehnt, dass die EUrlVO (Verordnung über den Erholungsurlaub der Beamten und Richter) einen solchen Abgeltungsanspruch nicht vorsehe. Zudem leite sich ein Abgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 der RL 2003/88 nur dann ab, wenn der Urlaub aus vom Arbeitnehmer nicht zu vertretenen Gründen nicht in Anspruch genommen werden könne.
Hier hätte Kreuziger den Urlaubsanspruch geltend machen können, hat jedoch freiwillig davon abgesehen, obwohl für ihn absehbar war, dass sein Arbeitsverhältnis zum 28. Mai 2010 endet. Und überhaupt könne sich Kreuziger auch nicht auf die RL 2003/88 berufen, da diese nur für Arbeitnehmer gelte.
Das Verfahren wurde vor dem OVG Berlin-Brandenburg fortgeführt, welches die RL im Fall des Rechtsreferendars für anwendbar hielt und sich mit der Frage auseinandersetzte, ob neben den beiden Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 2 der RL, nämlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt der Geltendmachung und der fehlenden Inanspruchnahme des zustehenden Urlaubsanspruchs bis zur Beendigung, auch erforderlich ist, dass der Arbeitnehmer unabhängig von seinem eigenen Willen nicht in der Lage gewesen ist, den Urlaubsanspruch vor Ende des Arbeitsverhältnisses wahrzunehmen. Diese Frage wurde dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.

„Steht das Unionsrecht einer nationalen Regelung entgegen, die den Verlust des nicht genommenen bezahlten Jahresurlaubs und den Verlust der finanziellen Vergütung für diesen Urlaub vorsieht, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub nicht vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses beantragt hat?“

II. Bisherige nationale Rechtslage
Nach § 7 Abs. 3 des deutschen Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) verfällt der Urlaubsanspruch, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaub bis zum Ende des Kalenderjahres nicht nimmt bzw. keinen Antrag stellt.
Ausnahmsweise ist eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr nur möglich, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten (bis zum 31. März) des folgenden Kalenderjahrs genommen werden.
III. Entscheidung des EuGH
Der EuGH entschied am 06. November 2018, dass Arbeitnehmer ihren Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht allein dadurch verlieren, dass der Urlaub nicht beantragt wurde.
Vielmehr kann der gesetzlich garantierte Urlaubsanspruch bzw. die Urlaubsabgeltung nur verfallen, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber tatsächlich in die Lage versetzt wurde, die Urlaubstage rechtzeitig zu nehmen. Die Beweislast liegt insoweit beim Arbeitgeber.
Der Arbeitgeber versetzt den Arbeitnehmer in die Lage, den bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er seinen Hinweispflichten nachgeht. Er hat den Arbeitnehmer dazu aufzufordern, seinen Urlaub bis zum Ende des Kalenderjahres zu nehmen und darüber zu informieren, dass der Urlaub anderenfalls am Ende des Bezugs- oder zulässigen Übertragungszeitraums oder am Ende des Arbeitsverhältnisses, wenn dies in einen solchen Zeitraum fällt, verfallen wird.
Begründet wird dies damit, dass der Arbeitnehmer allgemein die schwächere Partei im Arbeitsverhältnis darstellt. Infolge der Unterlegenheit besteht die Gefahr, dass sich der Arbeitnehmer möglicherweise zurückgehalten fühlt seine Rechte gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen, weil er nachteilige Folgen für das Arbeitsverhältnis befürchtet.
Zudem soll hierdurch die praktische Wirksamkeit von Art. 7 der RL 2003/88, Art. 31 Abs. 2 GRCh und somit auch der bezahlte Urlaub als besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union gewährleistet werden.
Wenn der Arbeitgeber jedoch nachweisen kann, dass der Arbeitnehmer aus freien Stücken und in voller Kenntnis der Folgen darauf verzichtet hat, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, obwohl er in der Lage gewesen wäre, dann verfällt der Anspruch nach den gesetzlichen Vorschriften. Denn es soll dem Arbeitnehmer nicht ermöglicht werden, bewusst keinen Urlaub zu nehmen, um am Ende durch die Abgeltung eine Vergütung zu erhalten. Dies stünde dem Sinn und Zweck des Urlaubs, nämlich der ausreichenden Erholung und dem Schutz der Gesundheit, entgegen.
IV. Folgen der Entscheidung
Die Entscheidung des EuGH hat spürbare Auswirkungen und bestärkt das Recht auf Urlaub für Arbeitnehmer, Beamten und Personen, die sich in einem öffentlich rechtlichen Ausbildungsverhältnis befinden. Künftig erlischt der Urlaubsanspruch nicht mehr nach Maßgabe des § 7 Abs. 3 BUrlG mit Ablauf des Bezugs- oder Übertragungszeitraum, sondern erst, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in die Lage versetzt hat, den Urlaub zu nehmen. Unterlässt der Arbeitgeber seine Hinweispflichten, wird der Urlaubsanspruch nicht bis zum 31. März verfallen, sondern weiter übertragen. Abzuwarten bleibt, ob der Übertragungszeitraum auf 15 Monate begrenzt wird (EuGH Urt. v. 22. 11. 2011 − C-214/10 KHS), was jedoch zu erwarten ist, da eine unbegrenzte Übertragbarkeit ausufern würde. Im Übrigen verjähren Urlaubsansprüche, wenn sie nicht verfallen sind, nach drei Jahren (§ 195 BGB).
Somit ist § 7 Abs. 3 BUrlG zwar noch im Gesetz zu finden, wird jedoch im Rahmen der europarechtskonformen Auslegung anders interpretiert.
Grundsätzlich kann neben dem gesetzlich garantierten Mindesturlaub von vier Wochen darüber hinaus auch ein vertraglicher Mehrurlaubsanspruch vereinbart werden. Dieser unterliegt der Privatautonomie und kann auch strengere Verfallsregelungen vorsehen.
Zu berücksichtigen ist jedoch, dass sich diese Rechtsprechung nur auf den gesetzlichen vierwöchigen Mindesturlaub bezieht. Somit kann der vertragliche Mehrurlaub bei entsprechender Vereinbarung am Ende des Kalenderjahres verfallen.
Zum einen bleibt abzuwarten, ob die Befürchtungen der Arbeitnehmer bezüglich der Geltendmachung der Urlaubsansprüche dadurch behoben werden, dass der Arbeitgeber sie nun in einem Schreiben zur Beantragung des Urlaubsanspruches auffordern muss.
Zum anderen stellt sich die Frage, ob bzw. wie der Gesetzgeber das BUrlG an die EuGH Rechtsprechung anpassen wird.

01.08.2019/1 Kommentar/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2019-08-01 09:30:572019-08-01 09:30:57Kein automatischer Verfall des Urlaubsanspruchs wegen nicht gestellten Urlaubsantrags
Tom Stiebert

Schluss mit Urlaub?!? – Darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zurückrufen?

Arbeitsrecht, Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Schuldrecht, Schwerpunktbereich, Startseite, Tagesgeschehen, Zivilrecht

Im Zusammenhang mit den fehlenden Stellwerksbeschäftigten am Bahnhof Mainz und wohl auch an anderen Bahnhöfen kommt die Frage auf, ob es zulässig ist, Arbeitnehmer zur Erfüllung der notwendigen Arbeiten zur Aufrechterhaltung des Bahnbetriebs aus dem Urlaub zurückzubeordern.
 
I. Klar ist, dass dies natürlich dann zulässig ist, wenn der Arbeitnehmer freiwillig seinen Urlaub abbricht, beispielsweise weil ihm der Arbeitgeber hierfür zusätzliche Prämien etc. versprochen hat.
II. Was ist aber, wenn der Arbeitnehmer kein Interesse daran hat, den Urlaub abzubrechen. Darf ihn dann der Arbeitgeber kraft seines Weisungsrechts (§ 106 GewO) einfach zurückbeordern? Um diese Frage zu beantworten, müssen die Regelungen des Bundesurlaubsgesetztes (BUrlG) näher betrachtet werden. Danach darf der Urlaub nicht einseitig vom Arbeitnehmer genommen werden, sondern ist vom Arbeitgeber zu gewähren (vgl. dazu § 1 BUrlG „hat Anspruch„; § 7 Abs. 2 S. 1 BUrlG „ist zu gewähren„; § 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG „muß …gewährt und genommen werden„). Selbstverständlich darf der Arbeitgeber aber dabei nicht willkürlich entscheiden; es muss gewährleistet sein, dass dem Arbeitnehmer der Mindesturlaub (§ 3 Abs. 1 BUrlG: 4 Wochen, bzw. darüberhinausgehend der arbeitsvertraglich zugesicherte Urlaub) zusteht und dieser binnen eines Jahres in Anspruch genommen werden kann (§ 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG). Nur in absoluten Ausnahmefällen ist eine Übertragung auf das Folgejahr möglich (§ 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG).
Zudem muss der Arbeitgeber bei der Gewährung die Wünsche des Arbeitnehmers berücksichtigen (§ 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG). Einem Urlaubsantrag des Arbeitnehmers darf er sich nur verweigern, wenn dem dringende betriebliche Belange entgegenstehen (§ 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG). Zudem muss ein möglichst zusammenhängender Urlaub von zwei Wochen gewährleistet werden (§ 7 Abs. 2 S. 1 BUrlG).
Berücksichtigt man diese Grundsätze, so hat sich der Arbeitgeber durch die Gewährung des Urlaubes selbst gebunden und kann dies damit nicht wieder rückgängig machen. Er muss im Vorfeld prüfen, ob betriebliche Belange entgegenstehen.
III. Denkbar wäre natürlich, die Gewährung des Urlaubs mit einem Vorbehalt der Rücknahme zu versehen, sodass der Arbeitgeber bei Bedarf den Urlaub des Arbeitnehmers zurücknehmen kann. Das Bundesarbeitsgericht hat einer solchen – vorherigen – Vereinbarung in einer Entscheidung vom 20.06.2000 eine deutliche Absage erteilt (9 AZR 405/99). Es legte hierzu dar:

Nach § 1 BUrlG schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Erholungsurlaub. Zur Erfüllung dieses gesetzlichen Anspruchs hat er den Arbeitnehmer von der Arbeit freizustellen. Dem Arbeitnehmer ist uneingeschränkt zu ermöglichen, anstelle der geschuldeten Arbeitsleistung die ihm aufgrund des Urlaubsanspruchs zustehende Freizeit selbstbestimmt zu nutzen. Das ist dann nicht gewährleistet, wenn der Arbeitnehmer trotz der Freistellung ständig damit rechnen muß, zur Arbeit abgerufen zu werden. Eine derartige Arbeitsbereitschaft läßt sich mit der Gewährung des gesetzlichen Erholungsurlaubs nicht vereinbaren.
Ein Arbeitgeber muß sich daher vor der Urlaubserteilung entscheiden, ob er dem Arbeitnehmer den beantragten Urlaub gewährt oder den Urlaubswunsch des Arbeitnehmers etwa wegen dringender betrieblicher Belange iSv. § 7 Abs. 1 BUrlG ablehnt. Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer freigestellt, also die Leistungszeit bestimmt, in der der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers iSv. § 362 Abs. 1 BGB erfüllt werden soll, und das dem Arbeitnehmer mitgeteilt, hat der Arbeitgeber als Schuldner des Urlaubs die für die Erfüllung dieses Anspruchs erforderliche Leistungs/Er-füllungshandlung iSv. § 7 Abs. 1 BUrlG vorgenommen (BAG 9. August 1994 – 9 AZR 384/92 – AP BUrlG § 7 Nr. 19 = EzA BUrlG § 7 Nr. 97). An diese Erklärung ist der Arbeitgeber gebunden und kann den Arbeitnehmer nicht aus dem Urlaub zurückrufen.
Eine Vereinbarung, in der sich der Arbeitnehmer gleichwohl verpflichtet, den Urlaub abzubrechen und die Arbeit wieder aufzunehmen, verstößt gegen § 13 Abs. 1 BUrlG; sie ist rechtsunwirksam. Danach kann von § 1 BUrlG weder durch die Tarifvertragsparteien noch durch eine einzelvertragliche Abrede zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden.

Der Arbeitgeber muss sich also vor Urlaubsgewährung überlegen, ob dies den Betrieb stören könnte. Hat er den Urlaub gewährt, ist er hieran gebunden. Der Arbeitnehmer soll sich im Urlaub gerade erholen können; dies wäre nicht möglich, wenn er mit der ständigen Sorge leben müsste, zurückbeordert zu werden. Das Urlaubsrecht ist nach § 13 BUrlG zwingend, sodass eine abweichende Regelung unzulässig wäre.
IV. Fraglich ist aber, ob eine Ausnahme nicht zumindest dann besteht, wenn durch das Zurückrufen des Arbeitnehmers schwerwiegende Folgen für das Unternehmen bzw. die Allgemeinheit verhindert würden.  Das Bundesarbeitsgericht hat dies in der oben zitierten Entscheidung explizit offen gelassen:

Einen Anspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer, seinen Urlaub abzubrechen oder zu unterbrechen, gibt es nach dem BUrlG nicht (vgl. ebenso Leinemann/Linck aaO § 7 Rn. 37, 40; Schütz/Hauck aaO Rn. 448; GK BUrlG Bachmann aaO § 7 Rn. 50; ErfK/Dörner aaO § 7 BUrlG Rn. 43). Ob dennoch bei unvorhersehbaren und „zwingenden Notwendigkeiten, welche einen anderen Ausweg nicht zulassen“ (BAG 19. Dezember 1991 – 2 AZR 367/91 – RzK I 6 a Nr. 82; vgl. auch 9. Februar 1982 – 1 AZR 567/79 – AP BUrlG § 11 Nr. 16 = EzA BUrlG § 1 Nr. 18; 29. Januar 1960 – 1 AZR 200/58 – AP GewO § 123 Nr. 12; KR-Fischermeier 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 452; Dersch/Neumann aaO § 7 Rn. 37, 38) ein solcher Anspruch bestehen könnte, bedarf keiner Erörterung des Senats. Die Beklagte hat hierfür keine Tatsachen vorgetragen.

Zumindest ist aber eine sehr restriktive Auslegung dieses Rückrufrechts im Einzelfall angebracht. Bloße finanzielle Einbußen des Unternehmens können keinesfalls solche zwingende Notwendigkeiten darstellen; es obliegt dem Unternehmer sein Unternehmen entsprechend zu organisieren. Allenfalls bei schwerwiegenden Gefahren für die Allgemeinheit (bspw. im Bereich der Daseinsfürsorge) mag ein Anspruch auf Abbruch des Urlaubs im Einzelfall angemessen sein. Hier zeigt sich eine Parallele zum Streik in der Daseinsfürsorge.
Klar muss auch sein, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in einem solchen Fall die zusätzlichen Kosten für Umbuchung, Storno, Rückflug etc. zu ersetzen hat. Der zurückgenommene Urlaub bleibt selbstverständlich erhalten.
V. Im Normalfall braucht man sich also keine Sorge zu machen, dass der Arbeitgeber den Urlaub einseitig beenden kann. Lediglich in absoluten Einzelfällen, ist ein solcher Anspruch denkbar; eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts steht dazu aber noch aus und dürfte sich ohnehin allein auf besonders bedeutende Konstellationen beziehen.

14.08.2013/4 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2013-08-14 14:30:212013-08-14 14:30:21Schluss mit Urlaub?!? – Darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zurückrufen?
Dr. Johannes Traut

BAG: Altersdiskriminierung – Mehr Urlaub im öffentlichen Dienst!

Arbeitsrecht, Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Referendariat, Schon gelesen?, Verwaltungsrecht, Zivilrecht, Zivilrecht

Heute hat das BAG ein Urteil (9 AZR 529/10) mit großer Wirkung gesprochen: Die Staffelung des Jahresurlaubes nach Lebensalter nach TVöD verstößt gegen § 7 Abs. 1 AGG und ist damit unwirksam! Es findet eine Anpassung nach oben statt. Alle Beschäftigen haben also gleichermaßen Anspruch auf 30 Tage Jahresurlaub.
Der Sachverhalt: Urlaub nach dem Lebensalter
Gem. § 26 TVöD erhalten die Beschäftigen im öffentlichen Dienst wie folgt Urlaub:

§ 26 Erholungsurlaub
(1) 1Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). 2Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr
bis zum vollendeten 30. Lebensjahr 26 Arbeitstage,
bis zum vollendeten 40. Lebensjahr 29 Arbeitstage und
nach dem vollendeten 40. Lebensjahr 30 Arbeitstage. […]

Der Urlaubsanspruch ist also nach dem Lebensalter gestaffelt.
Die Entscheidung: Kein Differenzierungsgrund ersichtlich

Heute hat das BAG entschieden, dass jedenfalls diese Staffelung unzulässig ist. Da die Urteilsgründe noch nicht veröffentlicht sind, hier nur ein Überblick über die Erwägungen, wie sie sich aus dem Gesetz und der Pressemitteilung (Link oben).
Die Unterscheidung an Hand des Lebensalters stellt eine unmittelbare Diskriminierung wegen des verpönten Merkmals Alter (vgl. § 1 AGG) dar. Sie kann jedoch nach § 10 Abs. 1 S. 1 AGG gerechtfertig werden, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertig ist.
Bereits das Vorliegen eines legitimen Ziels bereitet Schwierigkeiten. Zwei Begründungswege kommen häufiger vor:

  • Ein erhöhtes Erholungsbedürfnis Älterer. Dieses rechtfertige, dass sie mehr Urlaub erhielten.
  • Die erhöhte Urlaubsdauer solle die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern.

Letzteres ist freilich evident unverhältnismäßig; es wäre genauso möglich, da das Vorhandensein einer Familie anzuknüpfen. Das hat letztlich erst das LAG Düsseldorf klargestellt (vom 18. 1. 2011, BeckRS 2011, 73310).
Auch das Ziel, einem erhöhten Erholungsbedürfnis Älterer Rechnung zu tragen, vermag keineswegs jede Regelung zu retten. Zunächst ist es häufig zweifelhaft, ob die Regelung tatsächlich diesem Ziel dient. Häufig wird eher der Gedanke eines „erdienten Altersbonus“ hinter der Regelung gestanden haben. Auch der § 26 TVöD diene nach dem BAG anderen Zielen:

„Die tarifliche Urlaubsstaffelung verfolgt nicht das legitime Ziel, einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Menschen Rechnung zu tragen. Ein gesteigertes Erholungsbedürfnis von Beschäftigten bereits ab dem 30. bzw. 40. Lebensjahr ließe sich auch kaum begründen.“

Nachweise erforderlich
Der zweite Satz ist aber ebenso entscheidend. Weniger wichtig ist, ob sich ein erhöhtes Erholungsbedürfnis nun tatsächlich nachweisen lässt oder nicht. Die zentrale Neuerung ist, dass es nicht mehr ausreicht, dass sich die Tarifpartner ein legitimes Ziel auszusuchen und – plausibel, aber mehr oder weniger pauschal – behaupten, die Regelung diene diesem Ziel.  Sie müssten vielmehr den Nachweis geführt werden, dass dies tatsächlich so ist – notfalls unter Verwendung von statistischen Erhebungen. Dieser Zwang zur Objektivierung ihrer Einschätzung folgt aus der EuGH-Rspr. (insb.EuGH vom 05.03.2009 – C-388/07, Slg. 2009, I-1569 – Age Concern England für Alter und EuGH vom 20.03.2003 – C-187/00, Slg. 2003, I-274 – Kutz-Bauer für die Gleichbehandlung von Männern und Frauen) eingeführt hat. Zu dem Prüfungsmaßstab hat kürzlich das ArbG Wesel in einem sehr umfangreichen Urteil (v. 11.08.2010 – 6 Ca 736/10, BeckRS 2010, 73713) ausgeführt:

„[Der EuGH führte aus] das Verbot der Altersdiskriminierung nicht ausgehöhlt werden dürfe und allgemeine Behauptungen über die Geeignetheit der Maßnahme nicht in der Lage seien, eine Rechtfertigung gem. Art. 6 der RL 2000/78/EG zu begründen [EuGH Age Concern England u.a.].
[…Somit würden…] bloße allgemeine Behauptungen nicht genügen, um darzutun, dass das Ziel der streitigen Vorschrift nichts mit einer Diskriminierung zu tun habe und um vernünftigerweise die Annahme zu begründen, dass die gewählten Mittel zur Verwirklichung dieses Ziels geeignet sind oder sein könnten (EuGH vom 20.03.2003 – C-187/00, Slg. 2003, I-2741, Rn. 58 – Kutz-Bauer). [Damit bedürften nach der Rspr. des EuGH auch] die Tarifpartner […] für eine diskriminierende Regelung […] einer Rechtfertigung, die nicht nur auf einer bloßen pauschalen Behauptung beruht.
Das Ziel der gewählten Altersstruktur muss daher, wenn es nicht auf einem nachvollziehbaren Erfahrungssatz oder sonstigen möglicherweise beachtenswerten öffentlich-rechtlichen Vorschriften beruht, etwa anhand von objektiven Faktoren nachvollziehbar gemacht werden, die nichts mit der Diskriminierung aufgrund des Lebensalters zu tun haben [Nachweise].“

Freilich führt dieses doch recht engmaschige Prüfung der Erwägungen der Tarifpartner zu einem gewissen Spannungsverhältnis mit dem Grundsatz der Tarifautonomie – wie er in Art. 28 EuGRC auch vom Europarecht geschützt wird. Letztlich aber kann auch die Tarifautonomie keine Rechtfertigung für Diskriminierungen sein.
Geltung für Beamte und Referendare!
Diese Entscheidung ist auch auf Beamte und Referendare (wo zumindest in NRW die Urlaubsansprüche ebenfalls gestaffelt sind nach dem Lebensalter) zu übertragen. Zwar gilt nach § 24 AGG dieses für die Beamten das AGG nur „unter Berücksichtigung deren besonderer Rechtsstellung“. Die dem AGG zu Grunde liegende RL 2000/78/EG gilt aber nach ihrem Artikel 3 unterschiedlos für Beamte, Referendare und Angestellte. Daher ist auch in der Auslegung des AGG kein Unterschied zu machen sein.
Fazit
Als Rechtsreferendar in NRW werde ich meine Urlaubsplanung noch einmal überdenken.

20.03.2012/3 Kommentare/von Dr. Johannes Traut
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Johannes Traut https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Johannes Traut2012-03-20 20:42:142012-03-20 20:42:14BAG: Altersdiskriminierung – Mehr Urlaub im öffentlichen Dienst!

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