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Schlagwortarchiv für: Unmittelbarkeitszusammenhang

Christian Muders

Strafrechts-Klassiker: Der Rötzel-Fall

Klassiker des BGHSt und RGSt, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht

BGH, Urteil v. 30.09.1970 – 3 StR 119/70 (= NJW 1971, 152 = JZ 1970, 788)

Für die Anwendung des § 226 StGB [a.F. = § 227 StGB n.F., Anm. des Verf.] genügt es nicht, wenn der tödliche Ausgang letztlich erst durch das Eingreifen eines Dritten oder das Verhalten des Opfers selbst herbeigeführt wurde; die Verletzungshandlung muß unmittelbar die Todesfolge bewirkt haben.

1. Der Sachverhalt
Der A griff im Obergeschoß des mütterlichen Hauses die Hausgehilfin Resi G tätlich an und brachte ihr eine tiefe Oberarmwunde sowie einen Nasenbeinbruch bei. Vor den fortdauernden Angriffen des A versuchte die verängstigte Frau durch das Fenster ihres Zimmers auf einen Balkon zu flüchten. Dabei stürzte sie ab und verletzte sich tödlich.
2. Die Kernfrage
Die Vorinstanz, das Schwurgericht beim Landgericht Krefeld, hatte den A wegen Körperverletzung mit Todesfolge (damals noch in § 226 StGB a.F. beheimatet) verurteilt. Hiergegen hat der A Revision beim BGH eingelegt und sich u.a. mit der Sachrüge gewehrt. Argumentiert werden könnte insoweit, dass der A zwar für die tödliche Folge im weiteren Sinne kausal war, da ohne seinen tätlichen Angriff die G nicht durch das Fenster geflüchtet wäre. Allerdings hat die G das letzte „Wirkglied“ für ihren tödlichen Sturz, den Ausstieg aus dem Fenster, selbst vorgenommen. Somit wäre zu fragen, ob aufgrund dieses Umstandes der tödliche Erfolg dem A tatsächlich noch (objektiv) als eigener zugerechnet werden kann.
3. Das sagt der BGH
Der BGH hat der Sachrüge des A stattgegeben, die Verurteilung des Landgerichts Krefeld aufgehoben und angenommen, dass der A lediglich wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung zu bestrafen sei.
a) Insofern hat er zunächst nach Maßgabe der Feststellungen des Ausgangsgerichts den Grundtatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung nach § 223 StGB bejaht, der zugleich auch die Basis für eine mögliche Erfolgsqualifikation nach § 227 StGB n.F. bildet:

Das Schwurgericht ist, wie es mit aller Deutlichkeit mehrfach betont, der sicheren Überzeugung, daß die Oberarmwunde und der Nasenbeinbruch nicht durch den Sturz aus dem Fenster entstanden sind (UA S. 22, 26 – 29). Diese Überzeugung schöpft es aus den Gutachten der Professoren Dr. Do, Dr. Sch und Dr. S und der Sachverständigen Dr. G und Dipl. Ing. L, die sich „eindeutig“ in diesem Sinne ausgesprochen haben, und weiteren Beweisanzeichen (UA S. 29). (…) Soweit das Urteil auf Seite 5/6 UA von einem „Stich oder Hieb mittels eines entsprechenden Gegenstandes“ spricht, stellt es mit den beiden nachfolgenden Sätzen klar, daß es nur von der Wahrscheinlichkeit der Verwendung eines Werkzeugs ausgeht, wie dies auch noch an anderer Stelle (UA S. 27) deutlich gesagt wird. Mit seinen weiteren, im Zusammenhang damit stehenden Ausführungen greift der Beschwerdeführer in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Schwurgerichts an.

b) Im Folgenden verneint der BGH allerdings das Vorliegen der Erfolgsqualifikation des § 227 StGB und macht dies daran fest, dass es an einer spezifischen Verbindung zwischen Grunddelikt und eingetretenem tödlichen Erfolg fehle. Hierzu referiert der entscheidende Senat zunächst die Entwicklung der bisherigen Rechtsprechung des BGH zu § 227 StGB:

Der Tatbestand dieser Bestimmung erfordert, daß der Tod des Verletzten durch die Körperverletzung verursacht worden ist. Unter Körperverletzung in diesem Sinne hatte die frühere Rechtsprechung, von der vereinzelt gebliebenen Entscheidung RG DR 1945, 22 abgesehen, nur die Körperliche Beschädigung als solche verstanden; sie ließ die Ursächlichkeit des Verhaltens des Täters für den Tödlichen Erfolg nicht genügen (so RGSt 44, 137; OGHSt 2, 335, 337; BGH 4 StR 378/53 vom 3. Dezember 1953 bei Dallinger MDR 1954, 150). Der Bundesgerichtshof hat demgegenüber in BGHSt 14, 110 die Anwendungsmöglichkeit des § 226 [= § 227 StGB n.F., Anm. des Verf.] erweitert. Er stellt nunmehr maßgeblich darauf ab, ob die Körperverletzungshandlung zum Tode des Angegriffenen geführt, ob also der der Verletzung zugrunde liegende Tätigkeitsakt zugleich auch den Tod bewirkt hat, und hält einen so beschaffenen Ursachenzusammenhang für ausreichend. Auch nach dieser Ansicht muß es freilich zu einer Verletzung gekommen sein, und zwar nicht nur einer solchen, wie sie an sich, als Durchgangsstadium, in jeder Tötung eingeschlossen ist.

Dieser Ansicht stellt der BGH sodann Stellungnahmen aus der Literatur gegenüber:

Die Entscheidung ist auf Kritik gestoßen, die an der früheren Auffassung festhalten möchte (…). Noch weiter als der Bundesgerichtshof will andererseits Stree (GA 1960, 289, 292) gehen. Nach seiner Meinung soll § 226 StGB [= § 227 StGB n.F., Anm. des Verf.] auch anwendbar sein, wenn ein Dritter oder, wie hier, das Opfer selbst die unmittelbare Todesursache setzen. Dieser Ansicht ist im Ergebnis auch das Schwurgericht.

Der BGH weist die zuletzt genannte, von seinem Standpunkt aus extensivere Auslegung des Zusammenhangs zwischen Grunddelikt und Erfolg im Folgenden allerdings als verfehlt zurück:

Einer Stellungnahme zu der Kritik an BGHSt 14, 110 bedarf es nicht. Denn auch vom Boden der dieser Entscheidung zugrundeliegenden Auffassung aus läßt sich die Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge nicht rechtfertigen. Das Schwurgericht mißversteht sie, wenn es sich auf sie beruft. Auch wenn man an die Stelle der Körperverletzung im Sinne des Schädigungserfolgs die Verletzungshandlung treten läßt, so muß doch diese unmittelbar die Todesfolge bewirkt haben (…) Im gleichen, insoweit einschränkenden Sinne hat sich der Bundesgerichtshof in BGHSt 22, 362 (zu § 251 StGB) ausgesprochen. (…) Allerdings ist es nach der Einführung des § 56 StGB nicht mehr nötig, um eine nicht verschuldete Todesfolge von der Anwendbarkeit des § 226 StGB [= § 227 StGB n.F., Anm. des Verf.] auszuschließen, mit der Forderung nach einem „typischen Kausalverlauf“ Elemente der Vorhersehbarkeit in die Prüfung des Ursachenzusammenhangs einzufügen. Von dort her besteht ein solches Bedürfnis nicht mehr. Indessen ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des § 226 StGB [= § 227 StGB n.F., Anm. des Verf.], daß hier eine engere Beziehung zwischen der Körperverletzungshandlung und dem tödlichen Erfolg gefordert ist als sie ein Ursachenzusammenhang nach der Bedingungstheorie voraussetzt. Entgegengewirkt werden sollte mit der Schaffung der Vorschrift der der Körperverletzung anhaftenden spezifischen Gefahr des Eintritts des qualifizierenden Erfolges (vgl. Oehler ZStW 1969, 503, 513). In einem tödlichen Ausgang, der unmittelbar erst durch das Eingreifen eines Dritten oder das Verhalten des Opfers selbst herbeigeführt wurde, hat sich aber nicht mehr die dem Grundtatbestand (§ 223 StGB) eigentümliche Gefahr niedergeschlagen (vgl. Ulsenheimer GA 1966, 257, 268), die der Gesetzgeber im Auge hatte. Auch die hohe Mindeststrafe des § 226 StGB [= § 227 StGB n.F., Anm. des Verf.] spricht für eine einschränkende Auslegung.

c) Scheidet danach die Verurteilung wegen § 227 StGB aus, bleiben konsequenterweise nur noch die beiden vom Täter isoliert verwirklichten Teilelemente, nämlich einerseits der Grundtatbestand des § 223 StGB und andererseits eine fahrlässige Tötung nach § 222 StGB übrig, deren Vorliegen der BGH im weiteren Verlauf bejaht:

Kann hiernach die Verurteilung aus § 226 StGB [= § 227 StGB n.F., Anm. des Verf.] nicht bestehen bleiben, so ergibt sich doch aus den Feststellungen des Schwurgerichts ohne weiteres, daß sich der Angeklagte der leichten Körperverletzung in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung (§§ 223, 222, 73 StGB) schuldig gemacht hat. Der Todeserfolg war auch für ihn voraussehbar. Was das Schwurgericht dazu ausführt (UA S. 39), ist rechtlich nicht zu beanstanden und gilt auch im Rahmen des § 222 StGB.

4. Fazit
Der Rötzel-Fall ist ein Klassiker zum Problemkreis des erfolgsqualifizierten Delikts, welches gerade im Gewand der Erfolgsqualifikationen nach den §§ 223 ff. StGB zu den Dauerbrennern der juristischen Ausbildung zählt.
a) Ausgangspunkt für die rechtliche Problematik ist dabei die Überlegung, dass der Wortlaut des § 227 Abs. 1 StGB mit der Formulierung, dass der Täter mit einer Körperverletzung nach den §§ 223-226 StGB den Tod der verletzten Person „verursacht“ haben muss, auf eine innere Verbindung zwischen dem Körperverletzungsdelikt und dem Eintritt der Erfolgsqualifikation abstellt. Diese kann sich aber nicht in einer bloßen Kausalität (nach der q.s.q.n.-Formel) erschöpfen, was folgender hypothetischer Vergleich anschaulich macht: Würde man sich die Existenz des § 227 StGB wegdenken, würde der Täter nicht etwa straflos bleiben, vielmehr hätte er eine vorsätzliche Körperverletzung und eine fahrlässige Tötung begangen, beides durch dieselbe(n) Handlung(en) verwirklicht und also in Tateinheit zueinander stehend (§ 52 StGB). Insofern wird aber als möglicher Sanktionsrahmen „nur“ Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre (oder Geldstrafe) angeboten (vgl. § 52 Abs. 2 S. 1 StGB). Hierzu stehen die Sanktionsmöglichkeiten des § 227 Abs. 1 StGB in einem krassen Gegensatz, da hier der Strafrahmen erst ab drei Jahren beginnt (und selbst in einem minder schweren Fall gem. Abs. 2 noch bis zu zehn Jahre erreicht!). Die höhere Strafdrohung des § 227 StGB im Vergleich zur tateinheitlichen Verwirklichung der vorgenannten Delikte ist daher nur dann zu erklären, wenn man in § 227 StGB nicht nur die tateinheitliche Verwirklichung einer einfachen Körperverletzung plus fahrlässiger Tötung geregelt sieht, sondern einen spezifischen (engeren) Zusammenhang zwischen Grunddelikt und fahrlässiger Tötung fordert, der ein erhöhtes Unrecht generiert und folglich die schärfere Sanktionsmöglichkeit begründet.
b) Wie dieser spezifische Zusammenhang nun genau beschaffen sein muss, ist in Rechtsprechung und Literatur freilich umstritten. Der BGH zeichnet in der hier behandelten Entscheidung die Entwicklung der Rechtsprechung nach, wonach sich zunächst die schwere Folge des Todes unmittelbar aus dem vorsätzlich herbeigeführten Verletzungserfolg ergeben musste, wie dies heute noch die sog. Letalitätstheorie vertritt (vgl. dazu nur Roxin, AT I, 4. Aufl. 2006, § 10 Rn. 115 m.w.N.). Demgegenüber nimmt der BGH bereits im Rötzel-Urteil einen etwas weiter gefassten Standpunkt ein, indem es der entscheidende Senat ebenfalls für ausreichend erachtet, wenn zwar nicht der vorsätzliche Körperverletzungserfolg, wohl aber die vorsätzlich herbeigeführte Handlung unmittelbar zum Tode führt. Exemplarisch hierfür ist etwa der bekannte Pistolenschuss-Fall (BGH, Urteil v. 02.02.1960 – 1 StR 14/60 = BGHSt 14, 110 ff.), den das Gericht auch in der Rötzel-Entscheidung mehrfach zitiert: Hier hatte der Angeklagte mit einer ungesicherten Waffe auf den Kopf des Opfers eingeschlagen, wobei sich aus Versehen ein Schuss löste und das Opfer tödlich traf, was der Täter so keinesfalls gewollt hatte. Da der vorsätzlich ausgeführte Schlag mit der Pistole nichtsdestotrotz unmittelbar den Tod auslöste, bejahte der BGH in diesem Fall dennoch das Vorliegen des § 227 StGB. Demgegenüber soll eine Unmittelbarkeit nach der Rötzel-Entscheidung dann nicht mehr gegeben sein, wenn der Tod des Opfers zwar mit der Körperverletzungshandlung des Täters in Zusammenhang steht, aber schlussendlich erst durch das weitere Verhalten eines Dritten oder auch des Opfers selbst herbeigeführt wird, so dass dies nach Art eines „Regressverbots“ die Zurechnung desselben an die einfache Körperverletzung des Täters sperrt.
c) An diesem Punkt ist die Entwicklung der Rechtsprechung freilich nicht stehen geblieben. Vielmehr hat der BGH in weiteren Entscheidungen auch von dieser einschränkenden Betrachtung abgelassen und ebenfalls bei schädigenden Handlungen des Opfers selbst noch den Unmittelbarkeitszusammenhang bejaht. Bekanntestes Beispiel hierfür ist sicherlich der sog. Gubener-Hetzjagd-Fall (BGH, Beschluss v. 09.10.2002 – 5 StR 42/02 = BGHSt 48, 34 ff. = NJW 2003, 150 ff.), in welchem ein Ausländer von Skinheads durch eine Ortschaft gejagt wurde, bis dieser sich nicht mehr zu helfen wusste und aus Angst durch eine von ihm eingetretene Glastür in ein Anwesen sprang, wo er aufgrund von Schnittverletzungen verblutete. Hier hat der BGH – im Gegensatz zum früheren Rötzel-Fall – den Zurechnungszusammenhang auch aufgrund der eigenen Verletzungshandlung des Opfers nicht abgelehnt, da dessen Reaktion „eine naheliegende und nachvollziehbare Reaktion auf den massiven Angriff der Angeklagten“ gewesen sei, welche sich bei durch Gewalt und Drohung geprägten Straftaten geradezu als „deliktstypisch“ darstelle. Gleiches muss dann aber auch für das Opfer im vorliegenden Sachverhalt Geltung beanspruchen, da auch die G von Angst vor den Angriffen des A getrieben war, als sie versuchte, von ihrem Fenster aus den benachbarten Balkon zu erreichen und schlussendlich abstürzte. Der Rötzel-Fall würde daher nach aktueller Rechtsprechung wohl anders beurteilt werden als zum Zeitpunkt des tatsächlichen Urteils im September 1970. Mit den vorgestellten Weiterungen entfernt sich der BGH freilich von seiner ursprünglichen Intention, den Zurechnungszusammenhang bei der Körperverletzung mit Todesfolge enger zu bestimmen als bei einer „einfachen“ fahrlässigen Tötung nach § 222 StGB, gegen deren Vorliegen er ja auch in der hiesigen Entscheidung keine Bedenken hegte. Wohin eine zu großzügige Aufweichung des Unmittelbarkeits-Kriteriums führen kann, ist dabei krass im sog. Hochsitz-Fall zu beobachten (BGH, Urteil v. 30.06.1982 – 2 StR 226/82 = BGHSt 31, 96 ff. = NJW 1982, 2831 f.): Hier hatte der Angeklagte einen Hochsitz umgeworfen, auf dem sein Onkel, der später verstorbene D, saß, um die Jagd auszuüben. D fiel herunter und brach sich dabei den rechten Knöchel. Der Bruch wurde in einer Klinik operativ behandelt und der Verletzte sodann aus dem Krankenhaus entlassen, ohne dass ihm vorher blutverflüssigende Mittel gegeben oder eine gebotene Nachsorge vorgenommen worden wäre. Als D wenig später an einer Lungenembolie in Verbindung mit einer Lungenentzündung verstarb, die sich in Abhängigkeit zu dem verletzungsbedingten längeren Krankenlager entwickelt hatte, wurde dies vom BGH dem Angeklagten zugerechnet, obwohl die Komplikationen maßgeblich auf Fehlentscheidungen des Krankenhauses zurückzuführen waren. Inwiefern in diesem Fall aber noch „strengere“ Kriterien für die Zurechnung des Todeserfolgs im Vergleich zur „einfachen“ fahrlässigen Tötung angewendet wurden, ist nicht mehr ersichtlich.

13.12.2012/1 Kommentar/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2012-12-13 10:00:212012-12-13 10:00:21Strafrechts-Klassiker: Der Rötzel-Fall
Dr. Simon Kohm

Strafrecht Klassiker – „Hochsitz Fall“ – BGHSt 31, 96

Klassiker des BGHSt und RGSt, Schon gelesen?, Strafrecht

 
„…Der Angeklagte hatte, indem er den Hochsitz umwarf, um seinen Onkel zu verletzen, eine Handlung begangen, die für das Opfer das Risiko eines tödlichen Ausgangs in sich barg…“
Sachverhalt: Der Angeklagte warf einen Hochsitz um, auf dem sich zu dieser Zeit  das spätere Opfer, sein Onkel befand. Dieser zog sich nach dem Sturz aus ca. 3,50m Höhe (lediglich) einen Knöchelverletzung zu. Diese wurde im nahe gelegenen Krankenhaus nach den Regeln der Kunst behandelt. Versäumt wurde allerdings, den Patienten bei und nach der Entlassung mit blutverflüssigenden Mitteln zu versorgen und bezgl. der Nachsorge zu Hause,  zu informieren. Kurze Zeit später wurde der Verletzte wiederum, allerdings diesmal auf Grund erheblicher Herz-Kreislaufbeschwerden, ins Krankenhaus eingeliefert, wo er noch am gleichen Tag verstarb. Die Obduktion des Opfers ergab als Todesursache eine Lungenembolie, sowie eine Lungenentzündung, deren beider Ursprung in der langen Bettlägerigkeit des Opfers zu sehen ist. Darüber hinaus wurden altersbedingte Schwächen am Herz-Kreislaufsystem des Opfers diagnostiziert.
Kernfragen: Erforderlichkeit eines Unmittelbarkeitszusammenhangs iRv. § 227 StGB und Reichweite eines solchen? Dies insbesondere im Hinblick auf eine größere zeitliche Karenz und das fahrlässige Hinzutreten eines Dritten.
BGH: Der Wortlaut des § 227 StGB verlangt insoweit, dass der Todeserfolg „durch“ die Körperverletzung verursacht wurde, bezgl. der Tatfolge gilt § 18 StGB. Ein bloßer Kausalitätsnachweis iSd. „condicio sine qua non“ Formal, kann hierfür aber noch nicht ausreichen.
Vielmehr ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 227 StGB, dass hier eine engere Beziehung zwischen der Körperverletzung und dem tödlichen Erfolg verlangt wird. Die Vorschrift soll der mit der Körperverletzung verbundenen Gefahr des Eintritts der qualifizierenden Todesfolge entgegenwirken. Sie gilt deshalb nur für solche Körperverletzungen, denen die spezifische Gefahr anhaftet, zum Tode des Opfers zu führen; gerade diese Gefahr muss sich im tödlichen Ausgang niedergeschlagen haben.
Der BGH stellt im Folgenden iRd. Unmittelbarkeitszusammenhangs ua. auf die Köperverletzungshandlung ab.

Als »Körperverletzung« stellt sich nicht nur die jeweils eingetretene Verletzungsfolge dar; vielmehr umfasst dieser Begriff auch das Handeln des Täters, das zu der Körperverletzungsfolge geführt hat. Demgemäß reicht es für den Tatbestand des § 227 StGB bereits aus, dass der Körperverletzungshandlung das Risiko eines tödlichen Ausgangs anhaftet und sich dann dieses dem Handeln des Täters eigentümliche Risiko im Eintritt des Todes verwirklicht.

Auch ein Geschehensablauf, der länger andauert und bei dem mehrere Ereignisse kausal hinzutreten, ist nicht von vorneherein in diesem Rahmen ausgeschlossen.
Liegt der tatsächliche Geschehensablauf, der Körperverletzung und Todesfolge miteinander verknüpft, nicht außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit – wie es etwa bei der außergewöhnlichen Verkettung unglücklicher Zufälle der Fall wäre –, dann kann sich im Tod des Opfers jene Gefahr verwirklicht haben, die bereits der Körperverletzungshandlung anhaftete; dies gilt auch dann, wenn diese Gefahr in der zunächst eingetretenen Verletzungsfolge als solcher noch nicht zum Ausdruck gekommen war.
Diese Kriterien wendet der BGH auf den vorliegenden Fall an und sieht den Tatbestand des § 227 StGB als erfüllt an.
So verhält es sich hier. Der Angeklagte hatte, indem er den Hochsitz umwarf, um seinen Onkel zu verletzen, eine Handlung begangen, die für das Opfer das Risiko eines tödlichen Ausgangs in sich barg. Die Gefahr für das Leben des Verletzten hat sich im tödlichen Ausgang niedergeschlagen. Daran ändert es nichts, dass die zunächst verursachte Verletzung (Knöchelbruch) für sich genommen nicht lebensbedrohlich erschien. Der Tod des Verletzten ist auf Grund eines Geschehensablaufs eingetreten, der nicht außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit lag. Dass eine Sprunggelenkfraktur zu einem längeren Krankenlager des Verletzten führt, stellt sich nicht als ein außergewöhnlicher Verlauf dar. Es widerspricht auch nicht jeder Erfahrung, dass ein längeres, Verletzungsbedingtes Krankenlager die Entwicklung lebensgefährlicher Embolien und Lungenentzündungen begünstigt. Dass die Gefahren einer solchen Entwicklung verkannt werden, wirksame Gegenmaßnahmen unterbleiben und deshalb der Tod des Verletzten eintritt, ist nicht in einem solchen Maße unwahrscheinlich, dass hierdurch der Zusammenhang unterbrochen würde, der – im Sinne des § 227 StGB – den Tod des Opfers mit der dafür ursächlichen Körperverletzung verbindet.
Auch die Vorhersehbarkeit wird vom BGH bejaht, insbesondere auch im Hinblick auf die bereits erwähnte Tatsache, dass sich vorliegender Geschehensablauf als nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung darstellt. Relevant sei außerdem hier der Zeitpunkt des Umwerfens.
Die neu erkennende Schwurgerichtskammer wird die Frage der Vorhersehbarkeit des tödlichen Ausgangs für denjenigen Zeitpunkt zu beantworten haben, in dem der Angeklagte den Hochsitz umwarf, um seinen Onkel zu verletzen. In diesem Zusammenhang ist der Hinweis veranlasst, dass sich die Vorhersehbarkeit nicht auf alle Einzelheiten des daran anschließenden, zum Tod des Verletzten führenden Geschehensablaufs zu erstrecken braucht. Ein nicht völlig außerhalb jeder Lebenserfahrung liegender Geschehensablauf wird regelmäßig auch vorhersehbar sein, so dass der Fahrlässigkeitsvorwurf nur dann entfällt, wenn der Angeklagte nach seinem individuell-persönlichen Wissens- und Erfahrungsstand nicht in der Lage gewesen ist, sich den Tod des Opfers als mögliche Folge der von ihm begangenen Körperverletzung vorzustellen.
Fazit: Der Hochsitz Fall ist so berühmt, wie umstritten, insbesondere im Hinblick auf den „großzügigen“ Umgang des BGH mit dem zu fordernden Unmittelbarkeitszusammenhang. Es gilt, sich kritisch mit der Entscheidung auseinanderzusetzen, auch im Hinblick auf die weiteren „Klassiker“ in diesem Umfeld, ua. den „Rötzel Fall“ oder die „Hetzjagd von Guben“.

27.04.2009/von Dr. Simon Kohm
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Simon Kohm https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Simon Kohm2009-04-27 19:02:312009-04-27 19:02:31Strafrecht Klassiker – „Hochsitz Fall“ – BGHSt 31, 96

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