Der BGH hatte mit Urteil vom 19.12.2012 (VIII ZR 117/12) über die Haftung des Autokäufers für die Unfallfreiheit seines gleichzeitig in Zahlung gegebenen Gebrauchtwagens zu entscheiden. Wir hatten hierauf bereits kurz in der Rspr. Übersicht in Zivilsachen (Dezember) hingewiesen. Jetzt liegen die Entscheidungsgründe vor.
Sachverhalt
Die Klägerin (Autohändlerin) begehrt Schadensersatz wegen verschiedener Mängel eines von dem beklagten Autokäufer angekauften (bzw. in Zahlung genommenen) gebrauchten Pkw Audi A 6.
Der Beklagte hatte den Audi selbst vor ca. einem Jahr gebraucht erworben und wenig später damit einen Unfall beim Ausparken erlitten. Der dabei entstandene Schaden an der hinteren rechten Tür und an der Seitenwand des Pkw belief sich ausweislich eines eingeholten Gutachtens auf 2.919,12 €. Der Beklagte ließ das Fahrzeug – nicht fachgerecht – für 819,89 € reparieren.
Etwa ein halbes Jahr später verkaufte die Klägerin dem Beklagten einen VW Passat und nahm den Audi zum Preis von 19.000 € „in Zahlung“. In den Ankaufsunterlagen wurde unter der vorgedruckten Rubrik „Das Fahrzeug hat keine/folgende Unfallschäden erlitten“ das Wort „keine“ eingekreist und unterstrichen.
Ein knappes weiteres Jahr später veräußerte die Klägerin den Audi für 19.500 € als „laut Vorbesitzer unfallfrei“ an einen Kunden. Der Kunde verlangte nur kurze Zeit später wegen verschiedener Mängel Rückabwicklung des Kaufvertrages. Es kam zu einem Rechtsstreit, in dem sich herausstellte, dass an dem Fahrzeug neben einem Schaden an der Seitenwand hinten rechts auch ein schwerer Heckschaden repariert worden war. Die hiesige Klägerin musste das Fahrzeug antragsgemäß gegen Zahlung von 19.421,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5.372,60 € zurücknehmen und begehrt nun von dem Beklagten Zahlung von 30.665,45 € (Erstattung des an den Kunden auf den Kaufpreis zurückgezahlten Betrages von 19.241,56 € nebst Zinsen und Prozesskosten) nebst Zinsen Zug-um-Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, ferner Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 1.099 € sowie weiterer Kosten des Vorprozesses in Höhe von 10.441,30 €, ebenfalls jeweils nebst Zinsen. Außerdem begehrt die Klägerin die Feststellung, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befände.
Rechtliche Würdigung
Anspruchsgrundlage: §§ 437 Nr. 3, 311a Abs. 2 Satz 1 BGB
Richtige Anspruchsgrundlage für das Zahlungsbegehren der Autohändlerin ist im vorliegenden Fall § 437 Nr. 3 i.V.m. § 311a Abs. 2 Satz 1 BGB.
Der als unfallfrei verkaufte, tatsächlich aber vorbeschädigte, Pkw kann nicht mehr nachträglich unfallfrei werden. Insoweit ist eine Nacherfüllung im Sinne von § 439 BGB unmöglich. Bei Vorliegen eines solchen unbehebbaren Sachmangels ist die richtige Anspruchsgrundlage für einen auf das positive Interesse gerichteten Schadensersatz statt der Leitung entweder §§ 437 Nr. 3 i.V.m. § 283 Satz 1 BGB (wenn die Nacherfüllung nachträglich unmöglich wird) oder §§ 437 Nr. 3 i.V.m. § 311 a Abs. 2 Satz 1 BGB (wenn die Nacherfüllung schon anfänglich unmöglich war). Der Verkauf eines Unfallwagens als unfallfrei ist dabei der Parade-Anwendungsfall für den Anspruch aus §§ 437 Nr. 3, 311a Abs. 2 Satz 1 BGB (vgl. etwa Ernst, in: MüKo BGB, § 311a, Rn. 13).
Merke: Soweit noch eine Nacherfüllung (im Hinblick auf einen bereits bei Vertragsschluss vorliegenden Mangel) möglich ist, hat der Käufer dem Verkäufer nach allgemeinen Grundsätzen (§§ 437 Nr. 3, 439, 281 Abs. 1 BGB) eine Nachfrist zu setzen, nach deren erfolglosem Ablauf er dann erst – Vertretenmüssen des Verkäufers vorausgesetzt – Schadensersatz nach §§ 437 Nr. 3, 439, 281 BGB verlangen kann. Anknüpfungspunkt für das Verschulden des Verkäufers ist in diesem Fall die fehlgeschlagene Nacherfüllung.
Im vorliegenden Fall geht das Gericht, wie aus folgendem Passus hervorgeht, aber von einem unbehebbaren Mangel aus:
Wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen hat, geht der in der Besitzzeit des Beklagten entstandene Streifschaden an der rechten Fahrzeugseite über einen bloßen Bagatellschaden hinaus, so dass das Fahrzeug als Unfallwagen anzusehen ist und somit ungeachtet der erfolgten Reparatur einen nicht behebbaren Sachmangel aufweist.
Kaufvertrag
Während erster Prüfungspunkt eines kaufrechtlichen Gewährleistungsanspruchs üblicherweise das Vorliegen eines Kaufvertrages ist, geht das Gericht hierauf mit keinem Wort ein. Auf den ersten Blick scheint das nicht verwunderlich. Dass die klagende Autohändlerin dem Beklagten den VW Passat auf Grundlage eines Kaufvertrages verkauft hat, daran dürfte niemand zweifeln. Hier geht es allerdings nicht um Mängel dieses VW Passats. Vielmehr steht die Mangelhaftigkeit des an Stelle des Kaufpreises in Zahlung gegebenen Audi A 6 im Zentrum. Dieser Audi A6 ist aber gar nicht die „Sache“ (Kaufsache) im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dieser Umstand könnte zu der Frage führen, welche rechtliche Konstruktion einer Inzahlungnahme beim Gebrauchtwagenkauf zugrundeliegt. Hier gibt es verschiedene theoretische Ansätze, die im Ergebnis zu der Anwendbarkeit kaufrechtlicher Vorschriften führen. Eine Vertiefung soll deshalb hier nicht erfolgen (zu Einzelheiten siehe die Anm. unten).
Sachmangel
Ein Sachmangel im Sinne des § 434 BGB liegt unzweifelhaft vor. Das Gericht führt dazu aus:
Das der Klägerin verkaufte Fahrzeug war mit einem Sachmangel behaftet, weil es bei Gefahrübergang nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufwies (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB). Denn die Parteien haben im Kaufvertrag eine Beschaffenheitsvereinbarung über die Unfallfreiheit des Fahrzeugs getroffen, indem sie im Ankaufsformular ausdrücklich festgehalten haben, dass das Fahrzeug keine Unfallschäden erlitten habe.
Vertretenmüssen
Das Vertretenmüssen bezieht sich beim Schadensersatzanspruch nach §§ 437 Nr. 3, 439, 311a Abs. 2 BGB auf die Unkenntnis des Leistungshindernisses beim Vertragsschluss (so ausdrücklich § 311a Abs. 2 Satz 2 BGB). Den Verkäufer trifft mit anderen Worten der Vorwurf, er habe sich trotz des ihm bekannten oder schuldhaft unbekannten Leistungshindernisses zu einer unmöglichen Leistung verpflichtet.
Angesichts des insoweit eindeutigen Sachverhalts hat das Gericht an dieser Stelle auf eine Subsumtion verzichtet.
Kein Ausschluss des Anspruchs
Die eigentlich zentrale Frage der Entscheidung ist nun, ob es (wie von der Vorinstanz – dem OLG Frankfurt – angenommen) zwischen der Autohändlerin und dem Käufer zu einem stillschweigend vereinbarten Gewährleistungsausschluss gekommen war.
Nach der in den Entscheidungsgründen paraphrasierten Ansicht des OLG Frankfurt sei ein solcher
den besonderen Umständen des zwischen den Parteien abgeschlossenen Geschäfts – des Verkaufs eines Pkw durch einen Händler unter Inzahlungnahme eines anderen Fahrzeugs – zu entnehmen. Der Kaufvertrag über den Audi A 6 wäre nicht geschlossen worden, wenn der Beklagte nicht den VW Passat von der Klägerin erworben hätte. Für beide Parteien ersichtlich habe der Kaufvertrag über den VW Passat nur bei endgültiger Veräußerung des bisherigen Fahrzeugs des Beklagten Bestand haben sollen. Vor diesem Hintergrund verstoße die Annahme, die Parteien hätten die Sachmängelgewährleistung für den Audi A 6 nicht ausschließen wollen, gegen die Interessen des Beklagten. Die Klägerin habe nicht erwarten können, dass das Fahrzeug als Gebrauchtfahrzeug im Alter von vier Jahren mit einer Laufleistung von 160.000 Kilometern in jeder Hinsicht mangelfrei sei. Vielmehr habe es nahe gelegen, dass das Fahrzeug einzelne Mängel aufweisen könne, die aber, wenn sie bekannt gewesen wären, dem Abschluss der beiden Kaufverträge nicht entgegengestanden hätten. Es sei anzunehmen, dass die Klägerin bereit gewesen sei, auf die Sachmängelgewährleistung zu verzichten, und die Parteien deshalb einen stillschweigenden Gewährleistungsausschluss vereinbart hätten. Dies gelte umso mehr, als die Klägerin ohne Weiteres in der Lage gewesen wäre, das zu erwerbende Fahrzeug auf das Vorliegen von Mängeln zu untersuchen. Wenn sie davon abgesehen habe, könne sie sich redlicherweise nicht darauf berufen, dass der Beklagte für sämtliche bei Übergabe vorhandenen Mängel hafte.
Der BGH geht auf die Argumente des OLG Frankfurt freilich gar nicht weiter ein. Vielmehr misst er der zwischen den Parteien geschlossenen Beschaffenheitsvereinbarung über die Unfallfreiheit entscheidende Bedeutung bei. In einem Urteil vom 29.11.2006 (VIII ZR 92/06) hatte der Senat nämlich bereits entschieden, dass ein neben einer vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung ausdrücklich vereinbarter Gewährleistungsausschluss nur dahin ausgelegt werden könne, dass er nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit, sondern nur für solche Mängel gelte, die darin bestünden, dass die Sache sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eigne (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB), beziehungsweise sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eigne und keine Beschaffenheit aufweise, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB). Dass dies gleichermaßen für einen stillschweigend vereinbarten Gewährleistungsausschluss gelten muss, ist dann nur konsequent:
Für einen stillschweigenden Gewährleistungsausschluss kann nichts anderes gelten.
Soweit die Klägerin Rückerstattung des an ihren Kunden in Höhe von 19.241,56 € zurückgezahlten Kaufpreises nebst Zinsen und Ersatz der darauf anfallenden vorgerichtlichen Kosten (859,80 €) verlangt, ergibt sich ihr Anspruch folglich aus §§ 437 Nr. 3, 439, 311a Abs. 2 BGB.
Kein Ersatz darüber hinausgehender Schäden
Anders liegt es nach Ansicht des Senats dagegen, soweit die Klägerin Ersatz der aus dem Rechtsstreit mit ihrem Kunden entstandenen Kosten verlangt. Dieser Prozess war nämlich aus Sicht der Klägerin offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg und die daraus entstandenen Schäden dem Beklagten deshalb nicht mehr zurechenbar:
Diese Schäden hat das Berufungsgericht zu Recht als nicht ersatzfähig angesehen, denn sie beruhen darauf, dass die Klägerin sich auf einen erkennbar aussichtslosen Prozess mit dem Käufer D. eingelassen hat, und können dem Beklagten deshalb nicht mehr zugerechnet werden. Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, dass in Anbetracht der vom Käufer D. erhobenen Beanstandungen eine eingehende Untersuchung durch einen Fachmann unerlässlich war, so dass die Klägerin angesichts der bei einer solchen Untersuchung ohne Weiteres erkennbaren Unfallschäden der vom Käufer D. begehrten Rückabwicklung des Kaufvertrages unverzüglich hätte zustimmen müssen.
Kein Annahmeverzug
Entsprechendes gilt auch für den Antrag der Klägerin auf Feststellung, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde.
Merke: Dieser Antrag ist aus vollstreckungsrechtlichen Gründen von Bedeutung. Nach Maßgabe des § 756 Abs. 1 ZPO darf der Gerichtsvollzieher bei einer Zug-um-Zug zu erbringenden Leistung mit der Zwangsvollstreckung u.a. nur dann beginnen, wenn der Beweis, dass der Schuldner im Verzug der Annahme ist, durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt wird und eine Abschrift dieser Urkunden bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird – eine solche öffentliche Urkunde ist das Urteil, dessen Tenor die Feststellung des Annahmeverzugs ausweist.
Nach Ansicht des Senats liegen die Voraussetzungen der §§ 293 ff. BGB nicht vor:
Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht einen Annahmeverzug des Beklagten mit der Begründung verneint, dass die Klägerin die Rückgabe des Fahrzeugs nur gegen eine weit überhöhte Schadensersatzforderung und deshalb nicht wie geschuldet (§ 294 BGB) angeboten hat.
Anmerkung
Das Urteil enthält eine ganze Reihe Einfallstore für examensrelevante Fragestellungen. Neben den bereits angesprochenen kaufrechtlichen Themen ist hier insbesondere die Konstruktion einer Inzahlungnahme zu nennen. Während es in der Literatur auch andere Ansätze gibt (etwa eine Kombination aus Kauf- und Tauschvertrag oder der Abschluss zweier Kaufverträge nebeneinander), funktioniert die Inzahlungnahme nach Ansicht des BGH (st. Rspr., vgl. grundlegend BGH, NJW 1967, 553) wie folgt: Die Parteien schließen – mangels entgegenstehender Anhaltspunkte – einen einheitlichen Kaufvertrag (§ 433 BGB) über das Neufahrzeug. Bestandteil dieses Kaufvertrages ist das Recht des Käufers, einen bestimmten (vertraglich festgelegten) Teil des Kaufpreises durch Hingabe des Altfahrzeugs zu tilgen (Ersetzungsbefugnis). Die Ausübung dieser Ersetzungsbefugnis stellt eine Leistung an Erfüllungs statt im Sinne des § 364 Abs. 1 BGB dar. Wichtig ist nun für die Überleitung die Kenntnis des § 365 BGB. Danach hat, wenn eine Sache an Erfüllungs statt gegeben wird, der Schuldner wegen eines Sachmangels in gleicher Weise wie ein Verkäufer Gewähr zu leisten. Dies hat dann etwa zur Folge, dass der Verkäufer des Neufahrzeugs bei Mangelhaftigkeit des in Zahlung gegebenen Altfahrzeugs die Zahlung auch desjenigen Teils des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung des Altfahrzeugs verlangen kann, der durch die Inzahlungnahme des Altfahrzeugs getilgt werden sollte, wenn die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen für einen insoweitigen Rücktritt vorliegen (vgl. BGHZ 89, 126 und 46, 338).