Mit Urteil vom 10.12.2013 hat der BGH (Az.: X ZR 24/13) zwei AGB-Klauseln für unwirksam erklärt, durch die sich ein Reiseveranstalter die Änderung vorläufiger Flugzeiten vorbehielt.
Sachverhalt:
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat gegen den Reiseveranstalter TUI auf Unterlassung der Verwendung von AGB-Klauseln geklagt, durch welche sich dieser in seinen „Ausführlichen Reisebedingungen“ die endgültige Festlegung von Flugzeiten vorbehielt und die diesbezügliche Informationen durch Reisebüros für unverbindlich erklärte.
Die verwendeten Klauseln in Ziffer 3.3 Absatz 1 S. 1-3 der Reisebedingungen lauteten:
„Der Veranstalter weist darauf hin, dass es bei Direktflügen aus flug- und programmtechnischen Gründen zu Zwischenlandungen kommen kann. Die endgültige Festlegung der Flugzeiten obliegt dem Veranstalter mit den Reiseunterlagen.
Informationen über Flugzeiten durch Reisebüros sind nicht verbindlich.“
Nachdem das LG Hannover als Eingangsinstanz nur die Verwendung der ersten Klausel untersagt hatte, hatte bereits das OLG Celle in der Berufungsinstanz beide Klauseln für unwirksam erklärt. Die Revision des Beklagten blieb erfolglos, der BGH bestätigte die Unwirksamkeit beider Klauseln.
Entscheidung:
Der BGH hielt die Klage für zulässig und begründet.
I. Die Klage war zunächst zulässig.
Insbesondere war der Verbraucherzentrale Bundesverband prozessführungsbefugt als qualifizierte Einrichtung gemäß §§ 3, 4 UKlaG. Daher konnte er den Anspruch auf Unterlassung der Verwendung bestimmter Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) gegenüber Verbrauchern gemäß § 1 UKlaG hier geltend machen.
II. Die Klage war auch begründet.
Der Anspruch der Verbraucherzentrale auf Unterlassung ließ sich auf § 1 UKlaG stützen. Danach kann ein Unterlassen hinsichtlich der Verwendung unwirksamer AGB in Verbraucherverträgen verlangt werden. Zu prüfen war hier also vom BGH, ob es sich bei den angegriffenen Klauseln hinsichtlich der Änderung vorläufig bestimmter Flugzeiten um unwirksame AGB handelte.
Vorliegen von AGB, § 305 I BGB
Es müsste sich zunächst überhaupt um AGB handeln. AGB sind gemäß § 305 I 1 BGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Vorliegend handelte es sich bei den verwendeten Klauseln um solche, die standardmäßig vom Reiseveranstalter in Pauschalreiseverträgen verwendet werden. Diese finden sich im Gesamtvertragswerk auch unter der Rubrik „Ausführliche Reisebedingungen“. Ersichtlich handelte es sich damit um AGB im Sinne des § 305 I BGB.
Einbeziehung in Verbraucherverträge, § 305 II BGB
Sie müssten auch wirksam in einen Vertrag einbezogen werden. Das richtet sich im Grundsatz nach § 305 II BGB. Danach bedarf es zur wirksamen Einbeziehung der Klauseln eines ausdrücklichen Hinweises an den Vertragspartner sowie der Verschaffung einer Kenntnisnahmemöglichkeit. Wegen der standardmäßigen Verwendung der Klauseln kann im Normalfall von einer regelkonformen Einbeziehung ausgegangen werden. Daher sind auch die Voraussetzungen des § 305 II BGB gegeben.
Überraschende Klausel, § 305 c BGB
Es dürfte sich des Weiteren nicht um überraschende Klauseln nach § 305 c BGB handeln. Diese werden schon aus diesem Grunde nicht Vertragsbestandteil. Die Einordnung einer Bestimmung als überraschende Klausel setzt voraus, dass sie völlig untypisch für den jeweils in Bezug genommenen Vertragstyp ist und der Verbraucher daher nicht mit ihr zu rechnen braucht. Das ist jedoch bei den hier streitgegenständlichen Klauseln nicht der Fall. Dem durchschnittlichen Verbraucher, der eine Pauschalreise bucht, kann vielmehr eine solche Klausel nicht als völlig untypisch und daher unvorhersehbar erscheinen. Dass sich im Einzelfall wegen unvorhersehbarer Umstände die konkreten Flugzeiten ändern können, ist dem Durchschnittsverbraucher vielmehr zumindest latent bewusst. Die Klauseln sind daher nicht überraschend im Sinne des § 305 c BGB.
Kontrollfähigkeit, § 307 III 1 BGB
Zudem müssten die Klauseln auch einer Inhaltskontrolle zugänglich sein. Das ist nach § 307 III 1 BGB nur der Fall, sofern durch sie eine Abweichung oder Ergänzung von gesetzlichen Vorschriften bewirkt wird. Nicht kontrollfähig sind demgegenüber auch bloße Leistungsbeschreibungen und Preisabreden. Vorliegend geht es in der ersten Klausel in Ziffer 3.3 Absatz 1 S. 1, 2 darum, dass die endgültige Festlegung der Reisezeiten dem Reiseveranstalter (nach Vertragsschluss) obliegt, was eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung darstellt, wonach grundsätzlich die Bedingungen des Vertrages bei dessen Abschluss bestimmt zu sein haben, da gerade sie die Grundlage für die Entscheidung zum Vertragsschluss bilden.
In Ziffer 3.3 Absatz 1 S. 3 geht es um die Unverbindlichkeit der durch das vermittelnde Reisebüro getätigten Aussagen zu Flugzeiten. Auch dies stellt eine Abweichung von der gesetzlich vorgesehenen Regelung dar, denn es ist für den Verbraucher grundsätzlich davon auszugehen, das getätigte Aussagen seines unmittelbaren Ansprechpartners zu den Leistungsmodalitäten beim Vertragsschluss bindend sind.
Beide Klauseln sind daher nach § 307 III 1 BGB kontrollfähig.
Inhaltskontrolle, §§ 307, 308, 309
Somit waren die Klauseln einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 – 309 BGB zu unterziehen.
Ziffer 3.3. Absatz 1 S. 1, 2
Ein Verstoß der ersten Klausel gegen ein Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit nach § 309 BGB ist nicht ersichtlich.
Ein Verstoß gegen das Klauselverbot des § 308 Nr. 4 BGB mit Wertungsmöglichkeit kommt hingegen in Betracht. Danach sind
„Vereinbarungen eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist (Änderungsvorbehalt).“
Einen Verstoß gegen diese Norm bejahte der BGH hier ebenso wie eine unangemessene Benachteiligung entgegen den Geboten von Treu und Glauben gemäß § 307 I 1 BGB. Er führte dazu aus, dass zwar das Interesse des Reiseveranstalters an einer Absicherung berechtigt sei, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses unvorhersehbare Umstände die Verschiebung der Reisezeit erforderlich machten. Allerdings sei der Wortlaut der Klausel zu weitgehend, denn er erlaube es dem Reiseveranstalter völlig unabhängig vom Vorliegen sachlicher Gründe, nach seinem Willen die Flugzeiten abzuändern. Dies sei aber auch in Anbetracht oftmals vorliegender rechtfertigender Gründe dem Reisenden nicht zumutbar und benachteilige ihn unangemessen.
Auch ergäbe sich durch Billigung der Klausel ein Widerspruch zum Sinn und Zweck des verbraucherschützenden § 6 II Nr. 2 BGB-InfoV, wonach dem Reisenden die Flugzeiten mitzuteilen sind. Diese Informationspflicht verlöre ihre Sinnhaftigkeit, wenn die Zeiten, über die zu informieren ist, anschließend beliebig geändert werden könnten.
Die Klausel sei daher wegen Verstoßes gegen §§ 308 Nr. 4, 307 I 1 BGB unwirksam.
Ziffer 3.3. Absatz 1 S. 3
Ein Verstoß der zweiten Klausel gegen ein Klauselverbot ohne oder mit Wertungsmöglichkeit nach §§ 309, 308 BGB ist nicht ersichtlich. Allerdings kam wiederum ein Verstoß gegen § 307 I BGB in Betracht. Dies bejahte der BGH. Die Klausel ermögliche es dem Reiseveranstalter nach seiner Ansicht, sich einer vertraglichen Bindung zu entziehen, die durch Informationen des für ihn selbst tätigen Reisebüros in der Position eines Vermittlers einträte. Dies sei dem Verbraucher, der auf die Zuverlässigkeit der Aussagen seines unmittelbaren Ansprechpartners vertraue nicht zumutbar und benachteilige ihn somit unangemessen.
Nach Ansicht des BGH war daher auch diese Klausel wegen Verstoßes gegen § 307 I BGB unwirksam.
Ergebnis
Beide Klauseln halten daher einer Inhaltskontrolle nicht stand.
Ergebnis
Dem vzbz stand daher der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu. Der Klage war vollumfänglich stattzugeben.
Stellungnahme:
Der Entscheidung des BGH ist zuzustimmen.
Schon das Gesetz gibt mit § 305 c II BGB vor, dass die Mehrdeutigkeit von Klauseln in AGB zulasten des Verwenders geht. Es ist daher diejenige mögliche Auslegung der Bedingungen heranzuziehen, die am verbraucherfeindlichsten wäre und dementsprechend über die Wirksamkeit der Klausel zu entscheiden. Das war auch hier maßgeblich. Wie der BGH feststellt, hat der Reiseveranstalter grundsätzlich durchaus ein berechtigtes Interesse an der Änderung von Flugzeiten, wenn in Extremfällen Umstände eintreten, die das Festhalten an der ursprünglichen Vereinbarung unmöglich machen. Die konkrete Formulierung der vorliegenden Klauseln war hingegen zu weit, denn durch sie würde ein Freibrief des Reiseveranstalters geschaffen, allein nach seinem Gutdünken Änderungen an den vereinbarten Leistungsmodalitäten vorzunehmen. Hierfür besteht natürlich kein berechtigtes Interesse des Verwenders mehr. Folgerichtig musste die verbraucherfeindlichste Auslegung der Klauseln zu deren Unwirksamkeit führen.