Der Fall ist ein absoluter Examensklassiker, der aus dem FF beherrscht werden sollte: Der Missbrauch von Scheckkarten, bzw. Kreditkarten, EC-Karten etc. Hier ist bekanntlich zunächst zwischen drei Stadien zu unterscheiden: Dem Erlangen der Karte, der Benutzung des Geldautomatens und der Entnahme des Geldes. Zudem ist noch zu differenzieren, wer die Karte benutzt – der berechtigte Inhaber, der aber sein Konto überzogen hat oder ein nichtberechtigter Dritter, der die Karte überlassen bekommen hat oder entwendet hat.
Bekanntlich sind hier stets eine Vielzahl von Delikten zu prüfen: Betrug (§ 263 StGB) beim Erlangen der Karte, ggf. Untreue (§ 266 StGB) dem Karteninhaber oder der Bank gegenüber, Computerbetrug (§ 263a StGB) beim Bedienen des Automatens, Missbrauch von Scheck- und Kreditkarten (§ 266b StGB) beim Benutzen der Karte sowie Diebstahl (§ 242 StGB) und Unterschlagung (§ 246 StGB) bei Entnahme des Geldes. Hier besteht eine so ausdifferenzierte Fallpraxis, dass die Darstellung einen separaten Beitrag vorbehalten bleibt.
I. Sachverhalt
Hier soll es aber um einen ganz aktuell vom OLG Hamm entschiedenen Sonderfall gehen (Urteil v. 12.03.2015 – 1 RVs 15/15). Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Ein – geschäftsfähiger – Rentner überließ seinem Pfleger seine Kreditkarte (Verfügungsrahmen 5.000 Euro) zur freien Verfügung für eigene Zwecke. Nach dem Tod des Kreditkarteninhabers (wovon der Pfleger auch Kenntnis hatte erfuhr er, dass er nicht zu dessen Erben gehörte. Dennoch tätigte er mit der Kreditkarte weitere Umsätze in Höhe von 4.000 Euro.
Strafbarkeit des Pflegers?
II. Lösung
Das OLG Hamm verneinte hier – im Widerspruch zu den Vorinstanzen – eine Strafbarkeit des Pflegers. Abgelehnt wurde insbesondere eine Strafbarkeit wegen Untreue (§ 266 StGB).
Hier könnte die Verletzung einer – gegenüber den Erben oder dem Erblasser – bestehende Vermögensbetreuungspflicht verletzt worden sein. Eine solche muss bei einer Untreue nach § 266 StGB zwingend vorliegen. Das OLG Hamm hat eine solche abgelehnt:
Eine Vermögensbetreuungspflicht trifft den Täter dann, wenn er fremde Vermögensinteressen von einiger Bedeutung zu betreuen hat (BGHSt 24, 386 f.).
Die Angeklagte traf hier eine solche Verpflichtung nicht. Die Kreditkarte war ihr ausschließlich zur eigennützigen Verwendung überlassen worden. Der Verfügungsrahmen der Kreditkarte war auf 5.000 Euro pro Monat begrenzt, eine Verwendung über diesen Betrag hinaus der Angeklagten mithin gar nicht möglich. Ein Spielraum verblieb ihr insoweit nicht. Inhalt der Vereinbarung mit dem Verstorbenen war gerade nicht eine Fürsorge für dessen Vermögensinteressen, sondern gerade dessen Vermögensminderung bis zur Höhe des Kreditkartenlimits von 5.000 Euro je Monat.
Es ist auch kein Umstand erkennbar, der eine Vermögensbetreuungspflicht mit dem Ableben des Verstorbenen begründen könnte. Irgendwie geartete Vereinbarungen mit den Erben hat es nicht gegeben.
Entscheidendes Argument des Gerichts ist also, dass das Geld gerade zu eigenen Zwecken und nicht für die Zwecke des Karteninhabers oder Dritter abgehoben werden durfte (hierzu OLG Hamm 2 Ss 367/03). Hier grenzt sich das Gericht ausdrücklich von anderen Entscheidungen zu dieser Fallgestaltung ab. Hier ist also eine äußerst sorgfältige Falllektüre erforderlich. Keinesfalls darf vorschnell ein vermeintlich bekannter Fall wiederholt werden.
Eine Untreue scheidet damit mangels Vermögensbetreuungspflicht aus.
Auch weitere Delikte scheiden hier nach der zutreffenden Ansicht des Gerichts aus.
Ein Betrug, bzw. Computerbetrug bei Benutzung der Karte wird verneint. Eine Vorstellung des Händlers über die Berechtigung (und damit ein Irrtum hierüber) wird verneint.
Auch eine Unterschlagung der Kreditkarte wird verneint. Hier fehlt es an einer Zueignung der Kreditkarte, wobei genau zu differenzieren ist, was im Einzelnen zugeeignet werden soll.
Auch ein Kreditkartenmissbrauch nach § 266b StGB scheidet aus.
Das Verhalten war damit straflos.
III. Examensrelevanz
Zur Examensrelevanz bedarf es kaum Ausführungen, die oben dargelegten Fallgestaltungen kennt wohl jeder Examenskandidat. Umso wichtiger ist es, auch neue Fallgruppen sauber durchzuprüfen. Dies gelingt auch dann, wenn man den konkreten Fall nicht „gelernt“ hat. Wichtig ist eine sauber und schrittweise Subsumtion. Dann kann man sowohl die Klassiker als auch neue Varianten sauber lösen. Es ist zu erwarten, dass gerade auf Grund der Neuerungen die hier aufgezeigte Konstellation Bestandteil von Prüfungen werden wird.