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Dr. Maike Flink

Rechtsprechungsüberblick Öffentliches Recht (Quartal 2 und 3/2019) – Teil 2: Verwaltungs- und Staatshaftungsrecht

Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Staatshaftung, Startseite, Verwaltungsrecht

Bei der Vorbereitung auf die schriftliche und vor allem mündliche Examensprüfung, aber auch auf Klausuren des Studiums, ist die Kenntnis aktueller Rechtsprechung von entscheidender Bedeutung. Der folgende Überblick ersetzt zwar keinesfalls die vertiefte Auseinandersetzung mit den einzelnen Entscheidungen, soll hierfür aber Stütze und Ausgangspunkt sein. Dargestellt wird daher eine Auswahl der examensrelevanten Entscheidungen der vergangenen Monate anhand der betreffenden Leitsätze, Pressemitteilungen und ergänzender kurzer Ausführungen aus den Gründen, um einen knappen Überblick aktueller Rechtsprechung auf dem Gebiet des Öffentlichen Rechts zu bieten.
 
I. Verwaltungsrecht
BVerwG (Urt. v. 13.6.2019 – 3 C 28.16, 3 C 29.16) zur Rechtmäßigkeit des sog. „Kükenschredderns“
Das BVerwG hat sich mit einer rechtlich, aber auch gesellschaftlich brisanten Thematik beschäftigt, nämlich der Frage nach der Rechtmäßigkeit des „Schredderns“ männlicher Küken unmittelbar nach dem Schlüpfvorgang. Diese beurteilt sich anhand von § 16a Abs. 1 S. 1 TierSchG i.V.m. § 1 S. 2 TierSchG: Das Töten männlicher Küken ist nur dann zulässig, wenn es nicht gegen das Tierschutzgesetz verstößt. Ein solcher Verstoß liegt allerdings vor, wenn einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden. Inwiefern ein solcher „vernünftiger Grund“ für das Töten der Küken vorliegt, ergibt sich aus einer Abwägung zwischen dem menschlichen Nutzungsinteresses und dem Tierschutz. Dabei können rein wirtschaftliche Interessen allerdings nicht ausreichen, um ein überwiegendes menschliches Nutzungsinteresse zu begründen. So heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts:

„Vernünftig im Sinne dieser Regelung ist ein Grund, wenn das Verhalten gegenüber dem Tier einem schutzwürdigen Interesse dient, das unter den konkreten Umständen schwerer wiegt als das Interesse am Schutz des Tieres. Im Lichte des im Jahr 2002 in das Grundgesetz aufgenommenen Staatsziels Tierschutz beruht das Töten der männlichen Küken für sich betrachtet nach heutigen Wertvorstellungen nicht mehr auf einem vernünftigen Grund. Die Belange des Tierschutzes wiegen schwerer als das wirtschaftliche Interesse der Brutbetriebe, aus Zuchtlinien mit hoher Legeleistung nur weibliche Küken zu erhalten.“

Trotz der damit anzunehmenden grundsätzlichen Unzulässigkeit des „Kükentötens“ bleibt das Verfahren indes zumindest vorübergehend weiterhin zulässig:

„Ohne eine Übergangszeit wären die Brutbetriebe gezwungen, zunächst mit hohem Aufwand eine Aufzucht der männlichen Küken zu ermöglichen, um dann voraussichtlich wenig später ein Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei einzurichten oder ihren Betrieb auf das Ausbrüten von Eiern aus verbesserten Zweinutzungslinien umzustellen. Die Vermeidung einer solchen doppelten Umstellung ist in Anbetracht der besonderen Umstände ein vernünftiger Grund für die vorübergehende Fortsetzung der bisherigen Praxis.“

Vgl. ausführlich unsere Entscheidungsbesprechung.
 
OVG Koblenz (Beschl. v. 12.6.2019 – 10 B 10515/19.OVG) zur Gleichbehandlung bei der Benutzung einer kommunalen Einrichtung
Das OVG Koblenz hatte die Rechtmäßigkeit einer Regelung in der Badeordnung eines gemeindlichen Schwimmbads zu beurteilen, die das Tragen von sog. Burkinis im Schwimmbad untersagte. Betreibt eine Gemeinde ein Schwimmbad als öffentliche Einrichtung, so hat sie grundsätzlich zugleich die Befugnis, das Benutzungsverhältnis durch Sonderverordnung zu regeln. Allerdings findet diese Regelungsbefugnis ihre Grenze einerseits in den verfassungsrechtlichen Rechten der Nutzer, andererseits darin, dass die jeweilige Nutzungsvorschrift der Erfüllung des bestimmungsgemäßen Anstaltszweck dienen muss. Zwar mag dabei das Burkiniverbot als solches – das eine Kontrolle ermöglichen soll, ob bei den Nutzern des Schwimmbads gesundheitsgefährdende Krankheiten bestehen – dem Anstaltszweck dienen, da es zum Schutz der übrigen Badegäste zumindest beiträgt. Allerdings verstößt die Regelung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, denn: Sie belastet Trägerinnen von Burkinis stärker als andere Badegäste, deren Badebekleidung den Körper ebenfalls weitgehend bedeckt. Dazu führt das Gericht aus:

„Neoprenanzüge können ebenso wie Burkinis den ganzen Körper bedecken und haben unter Umständen auch eine Kopfhaube, lassen daher zur Kontrolle durch das Badepersonal nicht weniger Körperteile frei als Burkinis. Dass Neoprenanzüge nur während des Schwimmtrainings zugelassen sind, vermag daran nichts zu ändern. Dadurch dürfte zwar die Zahl der Badegäste, die in einem solchen schwimmen (und folglich auch die von ihnen ausgehenden potentiellen Gesundheitsgefahren), eher gering sein. Dies gilt aber in gleicher Weise für die Trägerinnen von Burkinis, weil nach den Angaben der Antragsgegnerin die städtischen Schwimmbäder zur Zeit von nur fünf Burkini-Trägerinnen besucht werden. […] Nach alledem ist die ungleiche Behandlung von Burkini-Trägerinnen einerseits und Trägerinnen und Träger von Neoprenanzügen andererseits nach dem Regelungsprogramm der Antragsgegnerin sachlich nicht gerechtfertigt und verstößt gegen den Anspruch der Antragstellerin auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG.“

Vgl. ausführlich unsere Entscheidungsbesprechung.
 
II. Staatshaftungsrecht
BGH (Urt. v. 6.6.2019 – III ZR 124/18) zur Stellung als Verwaltungshelfer
Der BGH hat sich mit der Frage beschäftigt, inwiefern Mitarbeiter eines privaten Unternehmens, die zur Ausführung einer verkehrsbeschränkenden Anordnung der Straßenbaubehörde und des der Anordnung beigefügten Verkehrszeichenplans Verkehrsschilder nicht ordnungsgemäß befestigen, als Verwaltungshelfer und damit Beamte im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen sind. Dabei legte es folgende Kriterien zugrunde:

 „[Es] ist nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion, das heißt auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit dient, abzustellen […]. Hiernach können auch Mitarbeiter eines privaten Unternehmens Amtsträger im haftungsrechtlichen Sinne sein. Dies kommt neben den Fällen der Beleihung eines Privatunternehmens mit hoheitlichen Aufgaben auch dann in Betracht, wenn Private als Verwaltungshelfer bei der Erledigung hoheitlicher Aufgaben tätig werden […] Dafür ist erforderlich, dass ein innerer Zusammenhang und eine engere Beziehung zwischen der Betätigung des Privaten und der hoheitlichen Aufgabe bestehen, wobei die öffentliche Hand in so weitgehendem Maße auf die Durchführung der Arbeiten Einfluss nimmt, dass der Private gleichsam als bloßes „Werkzeug“ oder „Erfüllungsgehilfe“ des Hoheitsträgers handelt und dieser die Tätigkeit des Privaten deshalb wie eine eigene gegen sich gelten lassen muss […].“.

Vor diesem Hintergrund wurde der mit der Anbringung des Verkehrsschildes betraute Mitarbeiter als Verwaltungshelfer eingeordnet: Die getroffene Verkehrsregelung (§ 45 StVO) stellt eine Maßnahme der Eingriffsverwaltung dar: Das durch sie angeordnete Ge- oder Verbot ist ein für die Verkehrsteilnehmer bindender Verhaltensbefehl. Indes ist die Regelung ohne das Aufstellen des entsprechenden Verkehrsschildes nicht wirksam, sodass es sich auch bei dieser rein tatsächlichen Tätigkeit um eine hoheitliche Aufgabe handelt. Dabei hatte der Mitarbeiter die vorgegebene Verkehrsregelung an der vorgegebenen Stelle umzusetzen, einen eigenen Entscheidungs- oder Ermessensspielraum hatte er daher nicht, er war allein „verlängerter Arm“ der zuständigen Behörde.

02.10.2019/0 Kommentare/von Dr. Maike Flink
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maike Flink https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maike Flink2019-10-02 10:00:292019-10-02 10:00:29Rechtsprechungsüberblick Öffentliches Recht (Quartal 2 und 3/2019) – Teil 2: Verwaltungs- und Staatshaftungsrecht
Dr. Sebastian Rombey

BVerwG: Kükentöten bleibt rechtmäßig – vorerst

Examensvorbereitung, Lerntipps, Mündliche Prüfung, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Verwaltungsrecht

Das BVerwG hat mit Entscheidung v. 13. Juni 2019 (Az. 3 C 28.16 und 3 C 29.16) ein extrem examensrelevantes Grundsatzurteil gefällt, das politisch brisanter und juristisch spannender kaum sein könnte. Es geht um die Frage, ob die ca. 45 Millionen männlichen Küken, die jährlich in Deutschlands Legehennenbetrieben schlüpfen, direkt nach dem Schlüpfvorgang geschreddert oder vergast werden dürfen, da sie weder Eier legen noch für die Fleischproduktion geeignet sind. Das scheint auf den ersten Blick im Widerspruch zum TierSchG zu stehen, ist aber europaweite Praxis und unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll. Das eigentlich schon für Mitte Mai angekündigte und erst jetzt auf Grund erhöhten Beratungsbedarfs ergangene BVerwG-Urteil beendet einen jahrelang erbittert geführten Streit und erlaubt das Kükentöten – vorerst. Es soll solange zulässig bleiben, bis praxistaugliche Methoden zur Geschlechtsbestimmung der Eier vor dem Schlüpfen auch für Betriebe der Massentierhaltung einsatztauglich sind. Im Einzelnen:
I. Entscheidungskontext: Sachverhalt und Hintergründe
Das im Jahre 2015 (Kabinett Kraft II) noch grün geführte NRW-Umweltministerium richtete an die Kreisordnungsbehörden des Landes einen Erlass, wonach die Tötung männlicher Küken nicht mit dem TierSchG zu vereinbaren sei. Diesem Erlass folgend erließ der Kreis Paderborn (Gleiches geschah im Kreis Gütersloh) gegen einen Legehennenbetrieb nach vorheriger Anhörung das mit einer Übergangsfrist zum 1. Januar 2017 versehene Verbot der Tötung männlicher Küken (sog. Eintagsküken), wobei kranke respektive nicht schlupffähige Küken ausgenommen wurden. Zur Begründung verwies der Kreis darauf, dass kein vernünftiger Grund für die Tötung der männlichen Küken bestehe; insbesondere die von dem Legehennenbetrieb angeführten wirtschaftlichen Interessen seien hierfür nicht ausreichend. Die gesellschaftlichen Anschauungen hätten sich – auch vor dem Hintergrund des mittlerweile in Art. 20a GG normierten Staatsziels des Tierschutzes – derart gewandelt, dass eine Direkttötung nach dem Schlüpfvorgang nicht mehr gerechtfertigt werden könne. Gegen diese auf § 16a Abs. 1 S. 1 TierSchG gestützte Ordnungsverfügung wandte sich der adressierte Legehennenbetrieb mit der Begründung, dass sich ein Verzicht auf diese Praxis existenzgefährdend auswirke, grundrechtliche Gewährleistungen (Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG) verletzt seien deshalb § 16a Abs. 1 S. 1 TierSchG keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage darstelle.
Das OVG Münster gab der Anfechtungsklage des Legehennenbetriebs mit Urteil v. 20. Mai 2016 (Az. 20 A 530/15 und 20 A 488/15) statt und ging dabei davon aus, dass § 16a Abs. 1 S. 1 TierSchG trotz der grundrechtlichen Relevanz eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für behördliches Handeln bilde und die ins Feld geführten ökonomischen Interessen als vernünftiger Grund anzusehen seien. Die dagegen gerichtete Revision wurde nun vom BVerwG abgewiesen, auch wenn die Leipziger Richter eine Hintertür offen lassen, die dann zu durchschreiten ist, wenn praxistaugliche Alternativen zur Geschlechtsbestimmung vor dem Schlüpfvorgang einsatzbereit sind.
II. Die Entscheidung des BVerwG (PM Nr. 47/2019 v. 13. Juni 2019)
Die angegriffene Ordnungsverfügung des Kreises ist rechtswidrig, soweit der Inhaber des Legehennenbetriebs hierdurch in seinen Rechten verletzt ist, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. Da es sich bei dem Verbot des Kükentötens um einen VA mit Dauerwirkung handelt, ist ausnahmsweise auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen.
1. § 16a Abs. 1 S. 1 TierSchG als taugliche Ermächtigungsgrundlage?
Aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 2, 28 Abs. 1 GG) folgt der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, zu dem der Vorbehalt des Gesetzes gehört. Deshalb bedarf es für ein behördliches Handeln im Bereich der Eingriffsverwaltung einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage, die in § 16a Abs. 1 S. 1 TierSchG zu erblicken sein könnte. Danach trifft die „zuständige Behörde […] die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen.“ Zwar handelt es sich hierbei fraglos um eine Ermächtigungsgrundlage, unklar ist indes, ob diese vor dem Hintergrund des Parlamentsvorbehalts ausreichend sein kann, wenn grundrechtliche Gewährleistungen wie hier der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb nach Art. 14 Abs. 1 GG sowie die Unternehmensfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG in starker Weise eingeschränkt werden. Denn derart wesentliche Entscheidungen sind unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten dem Grundsatz nach durch den Gesetzgeber zu treffen. Dennoch ist es überzeugender, von einer tauglichen Ermächtigungsgrundlage auszugehen. Da das Urteil des BVerwG noch nicht im Volltext vorliegt, müssen die vom BVerwG bestätigten Erwägungen des OVG Münster an dieser Stelle herangezogen werden (Rn. 21):

„Die Vorschrift bildet die allgemeine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass behördlicher Anordnungen zur Durchsetzung des Tierschutzrechts. Sie begründet nach ihrem Wortlaut sowie ihrem Sinn und Zweck für die zuständige Behörde die generelle Befugnis, durch Verwaltungsakt vorbehaltlich spezieller Vorschriften Regelungen zur Einhaltung des Tierschutzrechts zu treffen. Die Befugnis wird durch § 16a Abs. 1 Satz 2 TierSchG für beispielhaft genannte Fallgruppen („insbesondere“), in denen die Behörde im Einzelnen beschriebene Anordnungen erlassen bzw. Maßnahmen ergreifen darf, konkretisiert und für weitere Konstellationen unter anderem durch § 16a Abs. 2 und 3 TierSchG ergänzt.“

Dass es sich um eine Generalklausel handelt, ist ebenso wenig problematisch, da auf Tatbestandsseite ein Verstoß gegen das TierSchG und auf Rechtsfolgenseite notwendige Anordnungen getroffen werden; beides ist einzelfallgerecht und im Einklang mit höherrangigem Recht (insbesondere im Einklang mit dem Grundgesetz) auszulegen, zumal die Beschränkung der Anordnungen auf das Notwendige den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 15 OBG NRW) zum Ausdruck bringt. Deshalb bildet die Generalklausel des § 16 Abs. 1 S. 1 TierSchG eine taugliche Ermächtigungsgrundlage.
2. Formelle Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung
In formeller Hinsicht bestehen keine Bedenken gegen die durch den zuständigen Kreis nach vorheriger Anhörung erlassene, schriftlich begründete Ordnungsverfügung, § 28 Abs. 1 VwVfG NRW, § 39 Abs. 1 VwVfG NRW i.V.m. § 20 OBG NRW.
3. Materielle Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung
Materiell ist die Ordnungsverfügung rechtmäßig, wenn sie die Voraussetzungen des § 16a Abs. 1 S. 1 TierSchG wahrt, die Tötung der männlichen Eintagsküken also gegen das TierSchG verstößt. In Betracht kommt ein Verstoß gegen § 1 S. 2 TierSchG, wonach Niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf. Dieses allumfassende Verbot sichert Art. 20a GG einfachgesetzlich ab.
a) Bestimmtheitsbedenken gegen § 1 S. 2 TierSchG bestehen nicht
Zunächst könnte man sich fragen, ob § 1 S. 2 TierSchG überhaupt mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG hinreichend bestimmt ist. Dies deshalb, weil ein solches in Grundrechte eingreifendes und mittels § 16a Abs. 1 S. 1 TierSchG abgesichertes Verbot möglicherweise genauer angeben müsste, was genau als vernünftiger Grund zum Töten eines Tieres im Sinne von § 1 S. 2 TierSchG anzusehen ist und was nicht. Wie immer reicht aber die Bestimmbarkeit einer Regelung aus, um dem Bestimmtheitsgrundsatz zu genügen. Maßstab ist die Frage, ob durch Auslegung mittels des Savigny’schen Auslegungskanons eine Konkretisierung des Blankettbegriffs möglich ist. Da § 1 S. 2 TierSchG systematisch im Kontext mit der Staatszielbestimmung aus Art. 20a GG zu lesen ist und überdies selbst angibt, dass das Tier als Mitgeschöpf stark beeinträchtigt sein muss – genannt werden Schmerzen, Leiden und Schäden -, kann im Einzelfall ermittelt werden, was erfasst sein soll und was nicht. Ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot ist damit nicht anzunehmen.
b) Doch: Was ist ein vernünftiger Grund zum Töten eines Tieres? Interessenabwägung bereits auf Tatbestandsebene
Um zu ermitteln, ob die angeführten ökonomischen Interessen des Legehennenbetriebs einen vernünftigen Grund zum Töten der Küken darstellen können, ist bereits auf Tatbestandsebene eine Interessenabwägung zwischen dem menschlichen Nutzungsinteresse einerseits und dem Tierschutz andererseits durchzuführen. Dazu das BVerwG in seiner Pressemitteilung:
„Das Tierschutzgesetz schützt – anders als die Rechtsordnungen der meisten anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union – nicht nur das Wohlbefinden des Tieres, sondern auch sein Leben schlechthin. Vernünftig im Sinne dieser Regelung ist ein Grund, wenn das Verhalten gegenüber dem Tier einem schutzwürdigen Interesse dient, das unter den konkreten Umständen schwerer wiegt als das Interesse am Schutz des Tieres. Im Lichte des im Jahr 2002 in das Grundgesetz aufgenommenen Staatsziels Tierschutz beruht das Töten der männlichen Küken für sich betrachtet nach heutigen Wertvorstellungen nicht mehr auf einem vernünftigen Grund. Die Belange des Tierschutzes wiegen schwerer als das wirtschaftliche Interesse der Brutbetriebe, aus Zuchtlinien mit hoher Legeleistung nur weibliche Küken zu erhalten. Anders als Schlachttiere werden die männlichen Küken zum frühestmöglichen Zeitpunkt getötet. Ihre „Nutzlosigkeit“ steht von vornherein fest. Zweck der Erzeugung sowohl der weiblichen als auch der männlichen Küken aus Zuchtlinien mit hoher Legeleistung ist allein die Aufzucht von Legehennen. Dem Leben eines männlichen Kükens wird damit jeder Eigenwert abgesprochen. Das ist nicht vereinbar mit dem Grundgedanken des Tierschutzgesetzes, für einen Ausgleich zwischen dem Tierschutz und menschlichen Nutzungsinteressen zu sorgen.“
Kurzum:Das Leben eines Tieres hat einen Eigenwert. Und: Wirtschaftliche Interessen allein rechtfertigen die Tötung von Tieren nicht. Damit tritt das BVerwG der Auffassung des OVG Münster entgegen. Dieses hatte noch angeführt, dass der mit der Aufzucht der Küken verbundene wirtschaftliche Aufwand nicht lohne und mit der menschlichen Nutzung der Hennen zur Eier- und Fleischproduktion eine Tötung der männlichen Küken einhergehe. Dies sei – so das OVG Münster in Rn. 47 – gerade „kein Mangel an Achtung der Tiere in ihrer Mitgeschöpflichkeit, sondern wird als solches angesichts der hergebrachten und nach wie vor weithin verbreiteten sowie rechtlich und gesellschaftlich akzeptierten Ernährung von Menschen durch tierische Lebensmittel von vernünftigen Gründen im Sinne von § 1 S. 2 TierSchG getragen.“
c) Der gesellschaftliche Wandel als „strafbarkeitsbegründender“ Faktor?
Überzeugender noch sind die Erwägungen des OVG Münster zu den gewandelten gesellschaftlichen und ethischen Anschauungen, denn: Könnten diese eine abweichende Beurteilung rechtfertigen, wäre im Ergebnis – ohne gesetzgerbisches Tätigwerden! – die Tötung nach § 17 Nr. 1 TierSchG strafbar. Mit Art. 103 Abs. 2 GG sowie § 1 StGB sei dies unvereinbar. Ein durchaus berechtigter Einwand, der nicht so leicht übergangen werden kann. Man wird die Urteilsgründe des BVerwG hierzu abwarten müssen.
d) Wandel der gesellschaftlichen Anschauungen hinreichend belegt?
Und noch ein weiteres tritt hinzu: Es erscheint unklar, ob sich die gesellschaftlichen Anschauungen überhaupt so stark verändert haben. Zugegeben: Tierschutz ist in den vergangenen Dekaden immer wichtiger geworden, Art. 20a GG belegt dies eindrucksvoll, Menschen ernähren sich gesünder und im Zuge dessen steigt auch das Bewusstsein für andere Mitgeschöpfe, wie sich u.a. auch an der stetig wachsenden Zahl an Vegetariern und Veganern zeigt. Und dennoch: Die größte Anzahl der Verbraucher ist nicht bereit, für den Tierschutz mehr Geld auszugeben (s. die Recherchen von Julia Löhr unter dem Titel „Flauschig, männlich – tot“ in der FAZ v. 13.06.2019). Schließlich bestehen auf dem Markt (etwa bei REWE, aber auch bei Discountern wie ALDI) schon jetzt Möglichkeiten, Eier zu kaufen, die nach dem „Seleggt“-Verfahren zuvor auf ihr Geschlecht hin bestimmt wurden, männliche Küken also nicht getötet werden mussten. Aber der Preis treibt. Der Unterschied liegt im einstelligen Cent-Bereich pro Ei im Vergleich zur herkömmlichen Produktion. Durchgesetzt haben sich diese Produkte jedenfalls in der breiten Masse nicht. Haben sich die gesellschaftlichen Anschauungen also wirklich derart gewandelt, dass man allgemeinhin bereit wäre, sein Ess- und Kaufverhalten dem Tierschutz anzupassen? Billigeier aus Bodenhaltung oder zusammengeklebtes Formfleisch aus Massentierhaltung zählen unverändert zu den Verkaufsschlagern. Das wird man nicht wegdiskutieren können – ein erster Kritikpunkt an den Ausführungen des BVerwG.
e) „Doppelte Umstellung“ durch Legehennenbetriebe als vernünftiger Grund
Auch wenn die wirtschaftlichen Interessen für sich genommen die Tötung der Küken nicht zu rechtfertigen mögen und damit ein Verstoß gegen § 1 S. 2 TierSchG eigentlich angenommen werden müsste, wäre es – so das BVerwG – unverhältnismäßig, einen vernünftigen Grund gänzlich abzulehnen. Denn eine in der Folge auf § 16a Abs. 1 S. 1 TierSchG gestützte Verbotsverfügung zöge für den Legehennenbetrieb eine doppelte Umstellung nach sich: Einerseits müssten die männlichen Küken aufgezogen und dürften dann nicht mehr getötet werden, andererseits müssten Verfahren zur Geschlechtsbestimmung der Eier implementiert werden. Dazu das BVerwG in seiner Pressemitteilung:
„Die bisherige Praxis wurde allerdings – ausgehend von einer damaligen Vorstellungen entsprechenden geringeren Gewichtung des Tierschutzes – jahrzehntelang hingenommen. Vor diesem Hintergrund kann von den Brutbetrieben eine sofortige Umstellung ihrer Betriebsweise nicht verlangt werden. […] Ohne eine Übergangszeit wären die Brutbetriebe gezwungen, zunächst mit hohem Aufwand eine Aufzucht der männlichen Küken zu ermöglichen, um dann voraussichtlich wenig später ein Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei einzurichten oder ihren Betrieb auf das Ausbrüten von Eiern aus verbesserten Zweinutzungslinien umzustellen. Die Vermeidung einer solchen doppelten Umstellung ist in Anbetracht der besonderen Umstände ein vernünftiger Grund für die vorübergehende Fortsetzung der bisherigen Praxis.“
f) Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen durch die Hintertür der Zumutbarkeit?
Ob das wirklich überzeugen kann – und das ist der zweite Kritikpunkt – erscheint fraglich, aber auch hier wird man die nähere Urteilsbegründung abwarten müssen. Richtig ist, dass auf Grund der grundrechtlichen Gewährleistungen ein sofortiges Verbot nicht möglich gewesen wäre. Ob die Notwendigkeit einer doppelten Umstellung jedoch einen vernünftigen Grund bildet oder nicht vielmehr erst auf Rechtsfolgenseite bei § 16a Abs. 1 S. 1 TierSchG hätte berücksichtigt werden können, sodass im Ergebnis zwar ein Verstoß gegen § 1 S. 2 TierSchG vorliegt, aber die Anordnung eines Sofortverbots nicht „notwendig“ im Sinne der Vorschrift ist, harrt der näheren Betrachtung. Die Pressemitteilung jedenfalls klingt im Ansatz wertungswidersprüchlich: Denn wenn man im ersten Atemzug den wirtschaftlichen Interessen die Fähigkeit abspricht, einen vernünftigen Grund zur Tötung von Tieren bilden zu können, um sodann im zweiten Atemzug zu sagen, dass von den Legehennenbetrieben aber „nicht verlangt“ werden könne, die Tötungen umgehend einzustellen, klingt dies nach einer Berücksichtigung ökonomischer Interessen „durch die Hintertür“ der Zumutbarkeit. Denn auch wenn das BVerwG das nicht so sagt, kann man es von den Legehennenbetrieben allein wirtschaftlich nicht verlangen, eine doppelte Umstellung vorzunehmen. Eleganter wäre es deshalb m.E. gewesen, auf Rechtsfolgenseite einem Sofortverbot die Notwendigkeit abzusprechen.
g) Ergebnis: In der Sache ändert sich wenig
So oder so: Am Ende steht die Zulässigkeit der Kükentötung bis auf weiteres, oder besser gesagt solange, bis eine praxistaugliche Alternative in den Massentierhaltungsbetrieben etabliert werden kann. Einen zeitlichen Rahmen für diese Übergangsfrist hat das BVerwG freilich nicht bestimmt – allzu schnell wird sich in der Sache also nur wenig ändern, auch wenn das Bundeslandwirtschaftsministerium schon seit längerer Zeit Geld in die Fortentwicklung der Methoden zur Geschlechtsbestimmung investiert.
III. Fazit: Zulässigkeit des Kükentötens auf Abruf
Der CO-Chef der Grünen, Robert Habeck, ließ sich direkt nach Urteilsverkündung zu der Bemerkung hinreißen, es handele sich um „enttäuschendes Kükenurteil“, er freue sich aber immerhin darüber, dass die Debatten über die Thematik in der Öffentlichkeit nun wieder befeuert würden, während verschiedene Tierschutzvereine drastischere Worte fanden und abermals ihren Forderungen nach einem sofortigen Stopp der Tötungspraxis Ausdruck verliehen. Julia Klöckner, derzeit Bundeslandwirtschaftsministerin und stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende, sprach sich ebenso für ein schnelles Ende des Tötens aus, das „ethisch nicht vertretbar“ sei, wies aber zugleich darauf hin, dass die Verfahren zur Geschlechtsbestimmung erst noch weiterentwickelt werden müssten. Diese Aussage wiederum stieß auf Kritik des Koalitionspartners, so sagte z.B. der SPD-Agrarpolitiker Rainer Spiering, dass die entsprechenden Verfahren längst durch das Landwirtschaftsministerium hätten entwickelt werden müssen; wäre dies passiert, hätte die BVerwG-Entscheidung anders ausfallen können. Friedrich-Otto Ripke, Präsident des Zentralverbands Deutsche Geflügelwirtschaft dagegen machte deutlich, dass man zwar ebenso an der Entwicklung passgenauer Methoden zur Geschlechtsbestimmung interessiert sei, hierdurch die Produktionszahl von 100.000 Eiern pro Sortiermaschine aber nicht gefährdet werden dürfe. Vielfach wurde das als Drohung aufgefasst, die Produktion anderenfalls ins EU-Ausland zu verlagern, wo derartige Auflagen überwiegend nicht bestehen und schon heute rund die Hälfte der in Deutschland verzehrten Eier produziert wird.
Man sieht: Kein Lager ist mit dem Urteil vollends zufrieden – das belegt die Ausgewogenheit der Entscheidung, jedenfalls im Ergebnis. Was die juristische Begründung in den Details angeht, wird man die Veröffentlichung des Urteils im Volltext hinsichtlich einiger – nach hiesiger Auffassung – kritischer Punkte mit Spannung erwarten können.

17.06.2019/5 Kommentare/von Dr. Sebastian Rombey
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Sebastian Rombey https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Sebastian Rombey2019-06-17 09:42:462019-06-17 09:42:46BVerwG: Kükentöten bleibt rechtmäßig – vorerst
Dr. Melanie Jänsch

OLG Naumburg: Hausfriedensbruch zur Dokumentation tierschutzrechtlicher Missstände gerechtfertigt

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Über tierschutzrechtliche Missstände in Tierzuchtanlagen wird immer wieder berichtet. Um solche aber überhaupt aufdecken zu können, bedarf es eines Einblickes in die Stallungen des Tierzuchtunternehmens. Da die Einholung des Einverständnisses der Inhaber regelmäßig schwierig sein dürfte, wird teilweise zu einem heimlichen Eindringen zur Aufdeckung und Dokumentation der Missstände übergegangen –  im Hinblick auf das staatliche Gewaltmonopol erscheint das bedenklich, mag die Motivation noch so lobenswert sein. Straffreiheit nahm nun aber das OLG Naumburg in seinem Urteil vom 22.2.2018 (2 Rv 157/17, BeckRS 2018, 8909) – der bislang höchsten gerichtlichen Entscheidung zu Stalleinbrüchen in Deutschland – an, das in Bestätigung der Vorinstanz das Eindringen in Stallanlagen eines gegen Tierschutzregeln verstoßendes Tierzuchtunternehmen als nach § 34 StGB gerechtfertigt ansah. Ein interessanter Fall, der sich zudem hervorragend eignet, um die Voraussetzungen und die Struktur des rechtfertigenden Notstandes gemäß § 34 StGB zu wiederholen. 
 
Sachverhalt (leicht abgewandelt und vereinfacht):
A erhielt einen konkreten Hinweis, dass in den Stallungen eines Tierzuchtunternehmens diverse Verstöße gegen die Tierschutznutztierhaltungsverordnung vorliegen sollten. So seien insbesondere die Kastenstände für Schweine deutlich zu klein. In vorherigen Fällen hatte der A bereits die Erfahrung gemacht, dass eine Anzeige bei der zuständigen Behörde ohne dokumentierte Beweise nicht erfolgversprechend war, sodass er selbst tätig wurde. In der Nacht überstieg er die Umzäunung der Anlage und betrat über geöffnete Türen die Stallanlagen, um die Zustände filmisch festzuhalten. In den Stallanlagen stellte er fest, dass gegen Haltungsbedingungen verstoßen wurde und dokumentierte dies durch Filmaufnahmen, wobei er aufgrund seines stark ausgeprägten Mitgefühls für die Tiere handelte und das Ziel verfolgte, durch die Dokumentation der Missstände die zuständige Behörde zu veranlassen, auf die Einhaltung der Tierschutzregeln hinzuwirken.
 
Strafbarkeit des A nach § 123 I StGB?
 
A könnte sich wegen Hausfriedensbruchs nach § 123 I StGB strafbar gemacht haben, indem er die Stallungen des Tierzuchtunternehmens betrat.
 
I. Objektiver Tatbestand
1. Befriedetes Besitztum
Im Rahmen des objektiven Tatbestandes müssten die Stallungen eine geschützte Örtlichkeit darstellen. Es könnte sich hierbei um befriedetes Besitztum handeln. Das ist der Fall bei einer unbeweglichen Sache, die in äußerlich erkennbarer Weise durch den Berechtigten mittels zusammenhängender Schutzwehren wie Mauern, Hecken, Drähte, Zäune oder ähnlicher Vorrichtungen gegen das willkürliche Betreten durch andere gesichert ist; dabei muss die Sicherung nicht lückenlos sein und kein schwer überwindbares Hindernis darstellen (MüKo-StGB/Schäfer, § 123 Rn. 14). Zwar waren vorliegend die Türen der Stallanlage geöffnet, jedoch bestand eine Sicherung in der Umzäunung. Diese sollte auch erkennbar die Anlage vor dem Zutritt Unbefugter schützen, sodass ein taugliches Schutzobjekt gegeben ist.
 
2. Eindringen
Der A müsste zudem in die Anlage eingedrungen sein. Unter Eindringen ist das Betreten gegen den Willen des Berechtigten zu verstehen (nach a. A. genügt ein Betreten ohne den Willen des Berechtigten; die Ansichten führen aber regelmäßig zum selben Ergebnis, da auch ein Betreten gegen den Willen bereits dann vorliegt, wenn der Täter die Räumlichkeit ohne ausdrückliche oder konkludent erteilte Erlaubnis betritt, Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, § 123 Rn. 14/15). Da der A weder eine ausdrückliche Erlaubnis des Inhabers eingeholt hat noch von einer konkludenten Zustimmung auszugehen ist, hat er auch gegen den Willen des Berechtigten gehandelt, ist mithin in die geschützte Räumlichkeit eingedrungen.
 

Anmerkung: Das Tatbestandsmerkmal des Eindringens erfordert ein Handeln gegen den Willen des Berechtigten. Sofern dieser dem Betreten zustimmt, ist aufgrund des Einverständnisses daher schon der Tatbestand ausgeschlossen. Falsch wäre es mithin, eine rechtfertigende Einwilligung zu diskutieren.

 
II. Subjektiver Tatbestand
A handelte auch mit Wissen und Wollen, mithin vorsätzlich.
 
III. Rechtswidrigkeit
Das Handeln des A könnte aber gerechtfertigt sein. In Betracht kommt das Eingreifen des Rechtfertigungsgrundes des Notstandes gemäß § 34 StGB.
 
1. Objektives Rechtfertigungselement
a) Notstandslage
Hierfür müsste zunächst eine Notstandslage vorliegen, die eine gegenwärtige, nicht anders abwendbare Gefahr für ein notstandsfähiges Rechtsgut erfordert.
 
aa) Notstandsfähiges Rechtsgut
Grundsätzlich ist jedes Rechtsgut und rechtlich anerkanntes Interesse notstandsfähig. Der in § 34 StGB genannte Begriff des „anderen Rechtsgutes“ ist weit auszulegen (MüKo-StGB/Erb, § 34 Rn. 54); in Betracht kommt „jedes beliebige Rechtsgut, das in irgendeiner Form einen (nicht notwendigerweise strafrechtlichen) Schutz durch die Rechtsordnung erfahren hat“ (MüKo-StGB/Erb, § 34 Rn. 55). Dabei zählt § 34 StGB zwar ausdrücklich die Rechtsgüter „Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum“ auf, statuiert aber gerade keinen Vorrang vor sonstigen notstandsfähigen Interessen. (BeckOK-StGB/Momsen/Savic, § 34 Rn. 5). Vorliegend hat das OLG Naumburg den Tierschutz, der in Art. 20a GG verfassungsrechtlich verankert ist, als notstandsfähiges Rechtsgut angesehen:
 

„Nach allgemeiner Auffassung ist der Tierschutz ein anderes Rechtsgut im Sinne des § 34 StGB und daher notstandsfähig. Er ist gemäß Artikel 20a GG als Staatsschutzziel verfassungsmäßig verankert und über das Tierschutzgesetz als auch die Verordnung zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere und anderer Tiere rechtlich ausgestaltet. Unerheblich ist insoweit, dass das gefährdete Rechtsgut, der Tierschutz, nicht den Angeklagten selbst zusteht, denn § 34 StGB umfasst auch Rechtsgüter der Allgemeinheit (BGH NStZ 1988, 558; OLG Düsseldorf NStZ 2006, 243; Roxin, Strafrecht, AT, 4. Auflage, § 16 Rn. 10). Artikel 20a GG entfaltet zwar keine unmittelbare Drittwirkung, bindet aber den Staat und seine Organe. Für die Judikative bedeutet dies, unbestimmte Rechtsbegriffe im Sinne dieses Staatsziels: Schutz der Umwelt und der Tiere zu interpretieren (Maunz/Dürig, GG, Art. 20a, Rn. 58). Dies gilt auch für die Auslegung von § 34 StGB. Die Auffassung der Staatsanwaltschaft, ein Vorgehen gegen die Misshandlung von Tieren könne keine Rechtfertigung wegen Notstandes begründen, wenn der Eigentümer der Tiere dies nur billige, würde auch zu Ergebnissen führen, die kaum nachvollziehbar sind: So dürfte etwa niemand die Scheibe eines in praller Hitze stehenden Autos einschlagen, in dem gerade ein Hund zu ersticken droht, wenn der Eigentümer des Tieres und des Autos zugegen ist und das Aufschließen der Tür mit dem Hinweis verweigert, eine „kleine Abhärtung“ werde dem Tier nicht schaden.“

 
Mithin liegt ein notstandsfähiges Rechtsgut vor.
 
bb) Gegenwärtige, nicht anders abwendbare Gefahr
Für dieses müsste zudem eine gegenwärtige, nicht anders abwendbare Gefahr bestanden haben. Unter Gefahr ist ein Zustand zu verstehen, bei dem es nach den konkreten tatsächlichen Umständen wahrscheinlich ist, dass es zum Eintritt eines schädigenden Ereignisses kommt (BeckOK-StGB/Momsen/Savic, § 34 Rn. 4). Ob eine Gefahr vorliegt, beurteilt sich nach hM aus einer objektiv-nachträglichen Prognose; maßgeblich ist also die Sichtweise eines nachträglichen Beobachters, dem die im relevanten Zeitpunkt wesentlichen Umstände bekannt sind (str., ob ex-post- oder objektivierte ex-ante-Perspektive, s. hierzu BeckOK-StGB/Momsen/Savic, § 34 Rn. 4). Eine Gefahr ist danach anzunehmen, „wenn zum Handlungszeitpunkt nach bestimmten objektiv typisierten Kriterien der Anschein einer Gefahr […] für einen objektiven Dritten mit Wissen und Fähigkeiten des Täters besteht“ (BeckOK-StGB/Momsen/Savic, § 34 Rn. 4). Die Gefahr ist gegenwärtig, wenn sich aus objektivierter ex-ante Sicht der kurzfristige Eintritt eines Schadens bei prognostizierbarer natürlicher Weiterentwicklung des angelegten Geschehensverlaufs als wahrscheinlich darstellt, wenn nicht alsbald Rettungsmaßnahmen eingeleitet werden (z. B. BGHSt 5, 373). Dabei kommt es anders als im Rahmen von § 32 StGB nicht darauf an, dass der Schaden in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur Ausgangssituation einzutreten droht; erfasst sind vielmehr auch Dauergefahren.
Im vorliegenden Fall bestanden gegen Tierschutzregeln verstoßende Haltungsbedingungen, die bei ungehindertem Fortgang auch das Eintreten künftiger Schäden am Rechtsgut Tierschutz erwarten ließen. So gefährdeten die dokumentierten Zustände – wie das OLG Naumburg herausstellt – „das Rechtsgut Tierschutz nicht lediglich im Zeitpunkt der Dokumentation, sondern auch für eine unabsehbare weitere Zeit.“
Die gegenwärtige Gefahr dürfte auch nicht anders als durch die Notstandshandlung abwendbar gewesen sein, wobei nach der überwiegenden Meinung ein strenger Maßstab anzulegen ist (BGHSt 3, 7; Lackner/Kühl/Kühl, StGB, § 34 Rn. 3). Insbesondere ist vor dem Hintergrund des staatlichen Gewaltmonopols stets zu fragen, ob die Gefahr durch die rechtzeitige Inanspruchnahme staatlicher Hilfe abzuwehren gewesen wäre. Gerade dies hat das OLG Naumburg aber – aufgrund der konkreten Umstände des Falls – verneint:
 

„Die Gefahr für das Rechtsgut Tierschutz war auch nicht anders als durch das Handeln der Angeklagten abwendbar. Zwar ist der Staatsanwaltschaft zuzustimmen, dass im Falle der Feststellung von Gesetzesverstößen grundsätzlich zunächst die zuständigen Behörden einzuschalten sind, es ist auch im Grundsatz allein deren Aufgabe, Beweismittel für Rechtsverstöße zu sichern. Das kann aber nicht gelten, wenn die Einschaltung von Behörden von vornherein aussichtslos ist. Hier hatte das zuständige Veterinäramt bereits vor den Taten der Angeklagten Kontrollen durchgeführt und in keinem Fall Anlass zu Beanstandungen gesehen, obgleich ihm ein erheblicher Teil der Mängel, etwa die zu geringe Breite der Kastenstände, positiv bekannt war. […] Hätten die Angeklagten sich an Staatsanwaltschaft, vorgesetzte Behörde oder Polizei gewandt, ohne bildliche Beweise für die massiven Verstöße vorzulegen, hätten sowohl vorgesetzte Behörde als auch Staatsanwaltschaft und Polizei ausschließlich einen Bericht des zuständigen Veterinäramts eingeholt, der gelautet hätte, dass man regelmäßig kontrolliere und es nie Beanstandungen gegeben habe. Die Verfahren wären dann ohne weitere Ermittlungen eingestellt worden.“

 
Folglich war die gegenwärtige Gefahr für das Rechtsgut Tierschutz auch nicht anders als durch die Handlung des A abwendbar.
 
b) Erforderlichkeit der Notstandshandlung
Diese müsste aber auch zur Abwehr der Gefahr erforderlich gewesen sein, was bedingt, dass sie zur Abwehr der Gefahr geeignet war und zugleich das mildeste zur Verfügung stehende Mittel darstellte. Die Notstandshandlung ist geeignet, wenn die erfolgreiche Abwendung der Gefahr nicht unwahrscheinlich erscheint (Schönke/Schröder, StGB, § 34 Rn. 19). Dies schließt Maßnahmen aus, die von Anfang an entweder völlig untauglich oder nur mit einer ganz unwesentlichen Erhöhung der Rettungschance verbunden sind (MüKo-StGB/Erb, § 34 Rn. 90 f). Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs hat das OLG Naumburg die filmische Dokumentation der Missstände als geeignet erachtet, die Missstände künftig abzustellen:
 

„Die Angeklagten haben durch die Dokumentation und deren Weiterleitung an die zuständigen Stellen die unangekündigte Kontrolle des Betriebes erreicht. Es war erst die Vorlage der Aufnahmen durch die Angeklagten, welche die Veterinärbehörde zwang, die bewusste Vertuschung tierschutzwidriger Zustände aufzugeben. Die Tatsache, dass die Gefahr für das Tierwohl nach den Aufnahmen nicht sofort beendet wurde, führt hier nicht zum Ausschluss einer Rechtfertigung nach § 34 StGB, weil es sich um eine Dauergefahr handelte, bei der es für die Rechtfertigung ausreicht, wenn die Notstandshandlung zu einer zeitlich versetzten Gefahrenabwehr führt.“

 
Zudem sei die Maßnahme auch als mildestes Mittel anzusehen:
 

„Angesichts der Aussichtslosigkeit der Einschaltung staatlicher Stellen waren die Taten auch das mildeste Mittel zur Gefahrabwendung. Dabei haben die Angeklagten auch möglichen Gefahren für die Gesundheit der Tiere durch das Anlegen von desinfizierter Kleidung und die Desinfektion der Kamera vorgebeugt.“

 
c) Interessenabwägung
Gemäß § 34 S.1 Hs. 2 StGB muss zudem eine umfassende Interessenabwägung vorgenommen werden. Erforderlich ist eine Prüfung, ob das Wertgefälle der kollidierenden Interessen im konkreten Fall die Schwelle überschreitet, bei der das Prinzip der Mindestsolidarität zum Tragen kommt (MüKo-StGB/Erb, § 34 Rn. 105). Berücksichtigt werden müssen daher alle Umstände, die konkret für den Grad der Schutzwürdigkeit von Eingriffs- und geschützten Gut relevant sind, was eine umfassende Analyse der Interessenlagen unter Berücksichtigung einer eventuellen Verantwortlichkeit für die Notstandslage bedingt. Vorliegend führte das OLG Naumburg aus, dass
 

„das geschützte Interesse (Tierschutz) das beeinträchtigte wesentlich überwog. Das Landgericht hat überzeugend festgestellt, dass die Zustände, denen die Tiere ausgesetzt waren, als erhebliche Leiden für diese anzusehen waren. Unabhängig davon, ob diese Zustände als ordnungsrechtlich oder strafrechtlich relevant zu werten sind, überwog das Interesse an deren Abstellung das Recht der Betreiber der Mastanlage auf Respektierung ihres Hausrechts. Das gilt insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Inhaber des Hausrechts für die Missachtung des Tierschutzes verantwortlich waren. Nach Auffassung des Senates muss derjenige, der eine Gefahr für ein geschütztes Rechtsgut verursacht, selber Beeinträchtigungen eigener Rechte eher hinnehmen als ein Dritter, der an der Entstehung der Gefahr unbeteiligt ist.“

 
d) Angemessenheit
Schließlich müsste die Notstandshandlung gemäß § 34 S. 2 StGB auch angemessen sein. Mangels Indizien im konkreten Fall, die auf das Erfordernis einer normativen Korrektur hinweisen könnten, ist dies anzunehmen.
 

Anmerkung: Die Bedeutung der Angemessenheitsklausel ist umstritten. Teilweise wird angenommen, sie habe neben der ohnehin erforderlichen Interessenabwägung keine eigenständige Bedeutung (Schönke/Schröder/Perron, StGB, § 34 Rn. 46 mwN), nach aA habe sie eine Kontrollfunktion, die sicherstellen soll, dass „alle normativen Aspekte berücksichtigt“ werden (LK-StGB/Zieschang, § 34 Rn. 79 mwN); teilweise wird sie auch als „differenziertes Korrektiv“ (BeckOK-StGB/Momsen/Savic, § 34 Rn. 19) verstanden. Die praktische Bedeutung dürfte jedenfalls – da alle relevanten Umstände bereits im Rahmen der umfassenden Interessenabwägung berücksichtigt und gewichtet werden – gering sein.

 
2. Subjektives Rechtfertigungselement
Der A hatte Kenntnis von der Notstandslage. Da er zudem gerade in der Absicht handelte, durch die Dokumentation der Missstände die zuständige Behörde zu veranlassen, auf die Einhaltung der Tierschutzregeln hinzuwirken, kann der Streit, ob es i. R. d. § 34 StGB eines Rettungswillens bedarf (s. hierzu Schönke/Schröder/Perron, StGB, § 34 Rn. 48 f.) dahinstehen.
 
 3. Zwischenergebnis
A handelte nach § 34 StGB gerechtfertigt. Die Rechtswidrigkeit ist mithin zu verneinen.
 

Anmerkung: Die Vorinstanz, das LG Magdeburg, hatte überdies eine Nothilfe nach § 32 StGB angenommen. Die Tiere seien danach „ein anderer“ i. S. v. § 32 StGB und damit nothilfefähig. Das OLG Naumburg ist dem zu Recht nicht gefolgt. Zweifelhaft im Hinblick auf den Wortlaut mag hier schon erscheinen, ob ein Tier als „ein anderer“ i. S. d. Norm verstanden werden kann (zur Vertiefung kann hier auf Herzog, Nothilfe für Tiere?, JZ 2016, 190 verwiesen werden); jedenfalls aber – und hierauf stellt das OLG Naumburg ab – wollten die Angeklagten durch die Dokumentation der Verstöße nicht die Gefahren von den zum Zeitpunkt des Eindringens dort untergebrachten Tieren abwenden; „angesichts des Zeitraumes, der von der Dokumentation bis zur Einreichung des Materials bei den zuständigen Behörden verging, und des voraussehbar erheblichen weiteren Zeitraums bis zu einer Abstellung der Verstöße mussten die Angeklagten davon ausgehen, dass ihre Aktion der überwiegenden Anzahl der gefilmten Tiere nicht mehr zugutekommen konnte, sondern nur den nach Abstellen der Missstände untergebrachten Tieren, für die indes beim Eindringen in die Ställe noch keine gegenwärtige Gefahr bestand.“

 
IV. Ergebnis
A hat sich nicht wegen Hausfriedensbruchs nach § 123 I StGB strafbar gemacht.
 
Fazit und Ausblick

Einen Freibrief, „unter dem Deckmantel von Nothilfe oder Notstand erhebliche Eingriff[]e außerhalb rechtsstaatlich geregelter und kontrollierter Verwaltungsverfahren“ (OLG Naumburg v. 22.2.2018 – 2 Rv 157/17, BeckRS 2018, 8909, Rn. 23) vornehmen zu können, enthält die Entscheidung sicherlich nicht; sie darf nicht dahingehend missverstanden werden, dass der Zweck in derartigen Fallkonstellationen stets die Mittel heiligt. Im Gegenteil müssen konkrete Tatsachen bekannt sein, wozu die bloße Vermutung, es werde in einem bestimmten Betrieb gegen tierschutzrechtliche Vorschriften verstoßen, nicht ausreichend ist. Es besteht gerade keine allgemeine Befugnis, in fremde Rechte einzugreifen, um einen Gesetzesverstoß anderer zu überprüfen – das widerspräche dem staatlichen Gewaltmonopol. Erst wenn die Einschaltung der zuständigen Behörde von vornherein aussichtslos erscheint, kommt eine Rechtfertigung wegen Notstandes in Betracht. Wie immer verbietet sich also eine Aufstellung pauschaler Grundsätze – maßgeblich sind stets die konkreten Umstände des Einzelfalls.
Interessant ist die Entscheidung insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD eine andere Richtung einzuschlagen scheint: So heißt es ohne weitere Erläuterung auf S. 86 „Wir wollen Einbrüche in Tierställe als Straftatbestand effektiv ahnden.“ Unklar bleibt dabei, ob ein neuer Tatbestand eingeführt oder das Strafmaß erhöht werden soll. Jedenfalls aber hat das OLG Naumburg in seinem Urteil das Gesetzesvorhaben vor Probleme gestellt. Sollte sich die Rechtsprechung der Auffassung anschließen, könnte die Rechtfertigungsargumentation auch auf einen neuen Tatbestand durchgreifen. Wie die Große Koalition darauf reagieren wird, bleibt abzuwarten.
 
 

04.06.2018/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2018-06-04 10:30:312018-06-04 10:30:31OLG Naumburg: Hausfriedensbruch zur Dokumentation tierschutzrechtlicher Missstände gerechtfertigt
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Im Übrigen möchten wir an dieser Stelle auch darauf hinweisen, dass für die Kaninchen dringend gute Zuhause gesucht werden. Also liebe Leser, wer zwei kleinen Osterhasen (Kaninchen nie alleine halten!) ein schönes Zuhause bieten kann und möchte, dem sei die Adresse des Tierschutz Leverkusen e.V. wärmstens ans Herz gelegt.

06.02.2014/0 Kommentare/von Redaktion
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26.07.2013/0 Kommentare/von Redaktion
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Zaid Mansour

OVG Münster: Tätowierverbot von Tieren rechtmäßig

Öffentliches Recht, Polizei- und Ordnungsrecht, Rechtsprechung, Startseite, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht

Das OVG Münster hat kürzlich eine auf § 16a Satz 1 TierSchG gestützte behördliche Untersagungsverfügung, wonach ein Pony nicht mit der „Rolling-Stones-Zunge“ tätowiert werden darf, für rechtmäßig erklärt (Urteil v. 10.08.2012 – Az. 20 A 1240/11) und damit in der Sache den Beschluss des VG Münster (siehe dazu hier) bestätigt.
Der Kläger hatte ein Gewerbe für die Tätigkeit „Tatooservice für Tiere“ angemeldet und durch die Anfertigung einer Skizze auf dem rechten Oberschenkel des Ponys bereits teilweise umgesetzt. Die zuständige Behörde hatte ihm daraufhin per Ordnungsverfügung untersagt Tiere zu tätowieren oder tätowieren zu lassen. Die dagegen gerichtete Klage hatte vor dem OVG Münster keinen Erfolg.
Das Oberverwaltungsgericht folgte im Ergebnis der Auffassung des VG Münster (Beschluss v. 04.10.2010 – Az. 1 L 481/10), wonach das Tätowieren von Tieren mit dem Tierschutzrecht grundsätzlich nicht zu vereinbaren ist, es sei denn, das Tätowieren ist für Kennzeichnungszwecke erforderlich. § 1 Satz 2 TierSchG statuiert zunächst den Grundsatz, dass niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schaden zufügen darf. Eine für den vorliegenden Fall möglicherweise einschlägige Ausnahme von dem Grundsatz aus § 1 Satz 2 TierSchG findet sich in § 5 Abs. 3 Nr. 7 TierSchG.

(3) Eine Betäubung ist ferner nicht erforderlich
[…]
7. für die Kennzeichnung von Schweinen, Schafen, Ziegen und Kaninchen durch Ohrtätowierung, für die Kennzeichnung anderer Säugetiere innerhalb der ersten zwei Lebenswochen durch Ohr- und Schenkeltätowierung sowie die Kennzeichnung landwirtschaftlicher Nutztiere einschließlich der Pferde durch Ohrmarke, Flügelmarke, injektiertem Mikrochip, ausgenommen bei Geflügel, durch Schlagstempel beim Schwein und durch Schenkelbrand beim Pferd.

Eine ausschließlich modebedingte Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes eines Tieres, die nicht zum Zwecke der Kennzeichnung erfolgt, erfüllt den o.g. Ausnahmetatbestand nicht und stellt insoweit keinen vernünftigen Grund i.S.d. § 1 Satz 2 TierSchG dar. Ferner verstößt das ausschließlich der optischen Veränderung des Tieres dienende Tätowieren gegen § 6 Abs. 1 TierSchG. Danach ist das vollständige oder teilweise Zerstören von Gewebe eines Wirbeltieres verboten, wenn und soweit kein Ausnahmefall i.S.d. § 5 Abs. 3 Nr. 7 TierSchG gegeben ist.
Auch aus § 5 Abs. 2 Nr. 1 TierSchG ergibt sich kein die Schmerzzufügung gestattender vernünftiger Grund.

(2) Eine Betäubung ist nicht erforderlich,
1. wenn bei vergleichbaren Eingriffen am Menschen eine Betäubung in der Regel unterbleibt oder der mit dem Eingriff verbundene Schmerz geringfügiger ist als die mit einer Betäubung verbundene Beeinträchtigung des Befindens des Tieres, […].

Dazu führte das VG Münster seinerzeit aus:

„Zwar erfolgen Tätowierungen am Menschen im Regelfall ohne Betäubung, was allerdings nicht bedeutet, dass der mit derartigen Eingriffen in die Haut verbundene Schmerz bei einem Tier zu vernachlässigen ist. […] Im Gegensatz zu einem Tier können sich Menschen auf die mit einer Tätowierung, die sie freiwillig vornehmen lassen, verbundenen Schmerzen einstellen. Anders als ein Tier können sie die Prozedur jederzeit unter- oder abbrechen lassen. Das Tier ist jedoch dem Willen des Tätowierers unterworfen.“

Ob und inwieweit das OVG Münster der Sichtweise des VG Münsters gefolgt ist, wonach die Tätigkeit „Tatooservice für Tiere“ als solche in grundrechtlicher Hinsicht wegen Art. 20a GG nicht in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG falle, kann derzeit nicht beantwortet werden, da die Urteilsgründe noch nicht vorliegen. Die aus Art. 20a GG resultierenden tierschutzrechtlichen Erwägungen können ebenso gut im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung fruchtbar gemacht werden, ohne die Eröffnung des Schutzbereichs der Berufsfreiheit generell zu versagen. Das dem Schutz der Tiere vor Schmerzen Vorrang gegenüber den wirtschaftlichen Interessen des Klägers zukommt, ist für den vorliegenden Fall im Ergebnis richtig und nicht zu beanstanden. Eine aus Tierschutzerwägungen erwachsende Schutzbereichsverkürzung erscheint indes nicht angezeigt. Einen ausführlicheren Beitrag zum normativen Inhalt von Art. 20a GG finden Sie hier. Ein Prüfungschema mit den wesentlichen examensrelevanten Problemen der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG finden Sie hier.

15.08.2012/2 Kommentare/von Zaid Mansour
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Zaid Mansour https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Zaid Mansour2012-08-15 10:40:562012-08-15 10:40:56OVG Münster: Tätowierverbot von Tieren rechtmäßig
Tom Stiebert

EGMR vs. BVerfG: Das Ende der Jagdgenossenschaft?

BVerfG Leitentscheidungen & Klassiker, Europarecht, Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Verfassungsrecht

Der EGMR hat am 26.06.2012 ein aufsehenerregendes Urteil (Beschwerdenummer 9300/07) gefällt, das sowohl für die Praxis aber vor allem auch für das juristische Examen von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist (Pressemitteilung). Es geht dabei um die Zulässigkeit der deutschen Regelungen zum Jagdrecht und insbesondere um die Zulässigkeit der Zwangsbildung einer Jagdgenossenschaft und dem Bestehen eines gemeinsamen Jagdbezirks. Die Rechtsprechung ist deshalb von sehr hoher Bedeutung, da sie sich (teilweise) gegen ein entsprechendes Urteil des BVerfG vom 13.12.2006 (1 BvR 2084/05) wendet. Ohne sich weit aus dem Fenster zu lehnen, kann man diese Konstellation damit als absoluten Pflichtstoff für die Klausur bezeichnen.
Entscheidend sind folgende Normen:

§ 7 Abs. 1 Satz 1 BJagdG: Zusammenhängende Grundflächen mit einer land-, forst- oder fischereiwirtschaftlich nutzbaren Fläche von 75 Hektar an, die im Eigentum ein und derselben Person oder einer Personengemeinschaft stehen, bilden einen Eigenjagdbezirk.

§ 8 Abs. 1 BJagdG: Alle Grundflächen einer Gemeinde oder abgesonderten Gemarkung, die nicht zu einem Eigenjagdbezirk gehören, bilden einen gemeinschaftlichen Jagdbezirk, wenn sie im Zusammenhang mindestens 150 Hektar umfassen.
§ 9 Abs. 1 Satz 1 BJagd G: Die Eigentümer der Grundflächen, die zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk gehören, bilden eine Jagdgenossenschaft.
§ 8 Abs. 5 BJagdG: In gemeinschaftlichen Jagdbezirken steht die Ausübung des Jagdrechts der Jagdgenossenschaft zu.
Dies bedeutet, dass jeder Eigentümer eines entsprechenden Grundstücks automatisch Mitglied der Jagdgenossenschaft wird, mit der Folge, dass er die Ausübung des Jagdrechts auf seinem Grundstück dulden muss. Dies bedeutet, dass die Mitglieder der Jagdgenossenschaft oder entsprechende Pächter ( 10 Abs. 1 Satz 1 BJagdG) die Jagd auf einem fremden Grundstück durchführen dürfen.
Diese Regelung war Bestandteil zahlreicher Streitigkeiten im deutschen Verfassungsrecht. Diese rührten daher, dass sich der jeweilige Grundstückseigentümer in seinem Recht an einer selbstgewählten Nutzung des Grundstücks verletzt sah. Zudem wird dieses Problem dann noch verstärkt, wenn der Betroffene die Jagd aus Gewissensgründen ablehnt. Mit gleichen Gründen kann auch bereits die Mitgliedschaft in der jeweiligen Jagdgenossenschaft abgelehnt werden.
Offensichtlich bestehen also eine Vielzahl von Grundrechten, deren Verletzung in Betracht kommt.
I. Urteil des BVerfG
In seinem Urteil prüfte das BVerfG eine Verletzung der Grundrechte aus Art. 2, 3, 4, 9 und 14 GG, jeweils einzeln und in Verbindung mit Art. 19, 20, 20 a GG.
1. Verletzung Art. 14
Zentral ist wohl die Frage nach einer möglichen Verletzung des Eigentumsschutzes aus Art. 14 GG. Es handelt sich bei den Regelungen zum BJagdG nicht um eine Enteignung (Art. 14 Abs. 3 GG) sondern lediglich um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG.
Fraglich ist aber, ob eine solche Bestimmung verhältnismäßig ist. Das BVerfG definiert das wie folgt:
Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse dürfen nicht weitergehen, als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient. Der Kernbereich der Eigentumsgarantie darf dabei nicht ausgehöhlt werden. Zu diesem gehört sowohl die Privatnützigkeit, also die Zuordnung des Eigentumsobjekts zu einem Rechtsträger, dem es als Grundlage privater Initiative von Nutzen sein soll, als auch die grundsätzliche Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand.
a) Keine Verletzung Kernbereich
Die Zulässigkeit einer entsprechenden Bestimmung ergibt sich damit daraus, wie stark der soziale Bezug der jeweiligen Regelung ist bzw. wie massiv in den individuellen Bereich des Eigentümers eingegriffen wird. Unzulässig wäre ein Eingriff in den Kernbereich des Eigentums. Dieser wäre nur dann erfasst, wenn ohne das genommene Recht, die verbliebene Position so schwach wäre, dass sie nicht mehr als Eigentum angesehen werden kann. Im konkreten Fall wird dem Eigentümer eine bestimmte Pflicht auferlegt, die sein Eigentum betrifft und die ihn damit das Grundstück nicht mehr vollsttändig so nutzen lässt, wie er es wünscht, es verbleiben aber noch ausreichend freie Nutzungs- und Gestaltungsmöglichkeiten. Das BVerfG formuliert das wie folgt:
Mit dem Jagdausübungsrecht wird dem Beschwerdeführer nur ein inhaltlich klar umrissener, begrenzter Teil der Nutzungs- und Gestaltungsmöglichkeiten genommen, die ihm sein Grundeigentum einräumt. Dem Beschwerdeführer verbleibt auch nach Übergang des Jagdausübungsrechts auf die Jagdgenossenschaft eine Rechtsposition, die den Namen „Eigentum“ noch verdient (vgl. nur BVerfGE 24, 367 <389>).
b) Damit allgemeine Verhältnismäßigkeitsprüfung
Es ist damit eine allgemeine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen und zu ermiteln, ob die Regelung von einem legitimen Zweck erfasst ist und erforderlich und angemessen ist.
Das Ziel der Regelung wird dabei bereits in § 1 Abs. 2 BJagdG deutlich, wo es heißt: „Die Hege hat zum Ziel die Erhaltung eines den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepaßten artenreichen und gesunden Wildbestandes sowie die Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen; […].“ Diese Zielbestimmung entspricht auch gerade den grundgesetzlich vorgegebenen Bestimmungen zum Tierschutz (Art. 20a GG) und widerspricht diesen nicht etwa. Ist aber das Ziel sogar im Grundgesetz vorgegeben und ergibt sich, dass die Regelung auch dieses Ziel erfüllen will, so muss es als legitim angesehen werden. Weiterhin steht der Schutz der Natur als Gut der Allgemeinheit im Fokus der Betrachtung. Daneben ist auch noch der Schutz des Eigentums Dritter als verfolgtes Ziel zu bejahen.
Auch das in Art. 20 a GG aufgenommene Staatsziel des Tierschutzes führt zu keiner anderen Beurteilung. Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat mit seiner Einfügung in Art. 20 a GG vornehmlich den ethisch begründeten Schutz des Tieres als je eigenes Lebewesen (vgl. dazu BVerfGE 104, 337 <347>) stärken wollen, wie er bereits bisher Gegenstand des Tierschutzgesetzes war (vgl. BTDrucks 14/8860, S. 1; 14/8360, S. 1). Zu Recht weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass die Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz daher nur Einfluss auf die Art und Weise der Jagdausübung haben, nicht aber die Legitimität der mit den angegriffenen Bestimmungen des Jagdrechts verfolgten Ziele einer dem Gemeinwohl verpflichteten Jagd und Hege in Frage stellen kann.
Weiterhin legt das BVerfG dar, dass die Regelung auch erforderlich ist. Die Nichtdurchführung der Jagd auf einzelnen Grundstücken würde die effektive Durchsetzung des Ziels vereiteln oder zumindest erschweren. Alternativen werden damit nicht gesehen:
Würde man einzelnen oder allen Eigentümern das Jagdrecht zur freien Ausübung belassen, bedürfte es – um die genannten Jagd- und Hegeziele zu erreichen – eines voraussichtlich erheblich höheren Regelungs- und Überwachungsaufwands durch den Staat, als dies gegenwärtig gegenüber den auch selbstverwaltend tätigen Jagdgenossenschaften der Fall ist. Ein solches System dürfte zumindest nicht geringere Belastungen des Grundeigentums mit sich bringen als das gegenwärtige.
Auch die Angemessenheitsprüfung führt zu keinem anderen Ergebnis. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass der Betroffene die Handlungen der Jagdgenossenschaft nicht passiv erdulden muss, sondern selbst aktiv mitwirken darf, bzw. zumindest einen Anspruch auf anteilsmäßige Zuweisung der Jagderträge hat. Er bekommt damit zumindest eine Art „Ersatz“. Dieser Ersatz hat zumindest einen objektiven Wert, nur hierauf kann es ankommen. Insgesamt stellt sich damit der Eingriff als verhältnismäßig mild dar und es überwiegen die Interessen, die für die Jagdgenossenschaft sprechen.
Eine Verletzung von Art. 14 GG scheidet also aus.
2. Verletzung Art. 9 GG
Ebenso wird auch eine Verletzung der Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG abgelehnt. Es handelt sich hierbei um einen öffentlich-rechtlichen Zwangszusammenschluss, der bereits nicht von Art. 9 GG erfasst ist.
Der Schutzbereich der durch Art. 9 Abs. 1 GG geschützten Vereinigungsfreiheit ist schon nicht berührt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts garantiert die Vereinigungsfreiheit nur das Recht, privatrechtliche Vereinigungen zu gründen, ihnen beizutreten oder fernzubleiben (BVerfGE 10, 89 <102>; 15, 235 <239>; 38, 281 <297 f.>). Eine Anwendung des Grundrechts auf öffentlich-rechtliche Zwangszusammenschlüsse scheidet aus. Dies folgt nicht zuletzt aus der Entstehungsgeschichte des Art. 9 Abs. 1 GG (BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 7. Dezember 2001 – 1 BvR 1806/98 -, NVwZ 2002, S. 335 <336>).
3. Verletzung Art. 4 GG
Zwar ist offensichtlich der Schutzbereich der Gewissensfreiheit aus Art. 4 GG eröffnet, auch hier ist der Eingriff aber durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt. Es gilt hier Vergleichbares wie bei Art. 14 GG.
Der Gewissensfreiheit des Beschwerdeführers stehen mithin kollidierende Verfassungsgüter aus Art. 14 GG und Art. 20 a GG gegenüber. Es handelt sich dabei um die gleichen, auf verfassungsrechtliche Wertentscheidungen rückführbaren Ziele des Jagdrechts, die auch die jagdrechtliche Inhalts- und Schrankenbestimmung des Grundeigentums rechtfertigen.
4. Verstoß gg. Art 2 Abs. 1 GG
Mangels Einschlägigkeit von Art. 9 Abs. 1 GG ergeben sich die Grenzen einer Zulässigkeit der Zwangsmitgliedschaft aus Art. 2 Abs. 1 GG.
Zwangsverbände sind danach nur zulässig, wenn sie öffentlichen Aufgaben dienen und ihre Errichtung, gemessen an diesen Aufgaben, verhältnismäßig ist. Voraussetzung für die Errichtung eines öffentlich-rechtlichen Verbands mit Zwangsmitgliedschaft ist, dass der Verband legitime öffentliche Aufgaben erfüllt.
Diese legitimen Aufgaben werden, wie gezeigt, von der Bundesjagdgenossenschaft erfüllt.
5. Verstoß gg. Art. 3 Abs. 1 GG
Auch eine unzulässige Ungleichbehandlung muss abgelehnt werden, denn hier liegt (wie gezeigt) ein sachlicher Grund vor, große und kleine Grundstücke unterschiedlich zu behandeln. Ebensogut wäre es hier auch möglich, bereits die Gleichheit der beiden Gruppen zu verneinen.
6. Zwischenergebnis
Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts scheidet damit eine Verletzung des Klägers in Grundrechten aus.
II. Das Urteil des EGMR vom 26.6.2012
Eine neue Dynamik der Diskussion könnte sich aber durch eine aktuelle Entscheidung des EGMR ergeben. Das Urteil bezog sich auf  den identischen Sachverhalt wie das BVerfG und ist eine Folgeentscheidung hierzu. Interessant ist, dass sich der EGMR bereits zum zweiten Mal mit der Frage der Bundesjagdgenossenschaft auseinanderzusetzen hatte: Nachdem in einer Kammerentscheidung vor einem Jahr (20.01.2011) eine Verletzung von Menschenrechten noch (mit knapper Mehrheit) verneint wurde, so hat die Große Kammer diese nunmehr bejaht.
Dass der EGMR eine solche Frage überhaupt zu entscheiden hat, ergibt sich daraus, dass vergleichbare Rechte wie die deutschen Grundrechte von der EMRK geschützt sind: Artikel 9 EMRK (Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit), Artikel 11 EMRK (Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit) sowie insbesondere Artikel 1 Protokoll Nr. 1 zur EMRK (zum Schutz des Eigentums).

Art. 1  EMRK Schutz des Eigentums: Jede natürliche oder juristische Person hat das Recht auf Achtung ihres Eigentums. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn, dass das öffentliche Interesse es verlangt, und nur unter den durch Gesetz und durch die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts vorgesehenen Bedingungen.
Absatz 1 beeinträchtigt jedoch nicht das Recht des Staates, diejenigen Gesetze anzuwenden, die er für die Regelung der Benutzung des Eigentums im Einklang mit dem Allgemeininteresse oder zur Sicherung der Zahlung der Steuern oder sonstigen Abgaben oder von Geldstrafen für erforderlich hält.

1. Eingriff in Eigentum
Klar ist, dass ein Eingriff in das Eigentum vorliegt. Dieser könnte aber durch die Erfüllung der Allgemeininteressen gerechtfertigt sein. Eine solche Möglichkeit sieht die Regelung explizit vor. Der Gerichtshof stellte fest, dass zu den Zwecken des Bundesjagdgesetzes die Hege mit dem Ziel der Erhaltung eines artenreichen und gesunden Wildtierbestandes gehört. Es muss ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen gefunden werden. Insbesondere prüft der EGMR, ob die kritisierten Regelungen tatsächlich erforderlich sind, um die (anerkannten) Ziele zu erreichen, oder ob nicht eine andere weniger belastende Regelung geboten ist. Zudem wird auch eine Art Plausibilitätskontrolle der vorgebrachten Ziele durchgeführt.
Die Regelung wäre jedenfalls dann nicht plausibel, wenn sie nicht bundeseinheitlich gilt, da das verfolgte Ziel nur einheitlich geschützt werden kann. Durch die Föderalismusreform steht nun den Bundesländern die Möglichkeit zu, eigenständige Regelungen zu treffen. Diese haben sie allerdings (noch) nicht wahrgenommen, sodass die Regelung des BjagdG weiterhin bundeseinheitlich gilt. Aus diesem Grund lässt sich hieraus keine fehlende Plausibilität der Norm herleiten. Dessen ungeachtet scheint der EGMR die Möglichkeit der nicht bundeseinheitlichen Regelung zumindest als Gesichtspunkt gegen eine Rechtfertigung anzusehen.
Noch schwerer scheint nach Ansicht des EGMR zu wiegen, dass es von der Regelung des BJagdG Ausnahmen zu geben scheint. Auch dies widerspricht der Annahme, dass eine Regelung – ohne Abweichungsmöglichkeiten für den Einzelnen – zwingend notwendig sei.
Im Übrigen sieht die Gesetzgebung in allen drei Ländern bestimmte räumliche und personenbezogene Ausnahmen vor. So sind Natur- und Wildschutzgebiete in Frankreich und Deutschland von Jagdbezirken ausgeschlossen. In Frankreich und Luxemburg sind staatlicher Grundbesitz bzw. Land im Eigentum des Großherzogs von Jagdbezirken ausgeschlossen, während es in Deutschland unterschiedliche Regelungen je nach Größe des Grundeigentums gibt.
Dieses Argument erscheint allerdings wenig überzeugend. Zwar existieren in § 6 Abs. 1 BJagdG und § 20 BjagdG Ausnahmen, diese knüpfen allerdings an übergeordnetet Interessen an und sind damit sachlich begründet. Die Ausnahmen für Inhaber großer Grundstücke über 75 Hektar lässt zudem die Pflicht zur Jagd nicht entfallen, sondern weist sie dem Eigentümer allein zu, der dies effektiv erfüllen kann.
Ein weiterer Aspekt für die Unzulässigkeit der Regelung ergibt sich daraus, dass dem Betroffenen zwar finanzielle Ansprüche zustehen, diese aber explizit geltend gemacht werden müssen. Dies erscheint bei einer Belastung des Gewissens allerdings gerade problematisch.
In Deutschland muss der Anspruch auf eine solche Auszahlung ausdrücklich geltend gemacht werden. Der Gerichtshof war der Auffassung, dass die Verpflichtung eines Jagdgegners, für die von ihm abgelehnte Tätigkeit eine Entschädigung geltend zu machen, nicht mit der Achtung für die Ablehnung der Jagd aus Gewissensgründen in Einklang zu bringen war. Es war zweifelhaft, ob tiefe persönliche Überzeugungen durch eine Entschädigungszahlung aufzuwiegen waren.
Die Verletzung des Eigentums wird damit mit einer Verletzung der Gewissensfreiheit gemischt. Insgesamt ergibt sich nach Ansicht des EGMR der Befund, dass der Eingriff in die Eigentumsrecht nicht gerechtfertigt ist: Zum einen weil der Zweck schon nicht erforderlich und unplausibel sei, zum anderen weil die Geltendmachung des möglichen Ersatzes nicht zumutbar ist. Hinsichtlich des Ersatzanspruchs erscheint die Entscheidung sehr gut vertretbar; hinsichtlich der Widerspruchsfreiheit der deutschen Regelung bleibt sie allerdings in einigen Punkten unklar. Aus der mangelnden Bundeseinheitlichkeit lassen sich noch Argumente gegen die Zielverfolgung des Gesetzes herleiten. Das Abstellen auf die Ausnahmen überzeugt hingegen nicht.
2. Eingriff in Gewissensfreiheit und Vereinigungsfreiheit
Ein Eingriff in weitere Vorschriften der EMRK wurde mangels Relevanz nicht mehr geprüft. Konsequenterweise müsste allerdings zumindest eine Verlettzung der Gewissensfreiheit bejaht werden.
Hinsichtlich der Vereinigungsfreiheit sieht der EGMR hingegen gleiche Wertungen wie das BVerfG vor:
Unter Berücksichtigung dieser Umstände kommt der Gerichtshof zu dem Schluss, dass die auf dem Jagdgesetz des Landes Rheinland-Pfalz beruhenden Jagdgenossenschaften als Einrichtungen des öffentlichen Rechts anzusehen sind. Folglich ist Artikel 11 der Konvention in der vorliegenden Rechtssache nicht anwendbar.
3. Kurze Anmerkung zum Urteil
Hier wurde versucht, das Urteil so aufzubereiten, wie es in der Klausur zu prüfen wäre. Liest ma das urteil, so fällt im Gegensatz dazu auf, dass die Prüfung anders strukturiert ist: Hier wendet der EGMR eine Art case law Methode an. Für das luxemburgische und französische Jagdrecht ist ein ähnlicher Sachverhalt bereits entscheiden worden. Der EGMR hat deshalb nur begründet, warum sich die Fälle nicht strukturell unterscheiden und damit ein identisches Ergebnis (Unzulässigkeit der Jagdgenossenschaft) geboten war.
Einen solchen Unterschied lehnte er ab, so dass im Gegensatz zum BVerfG die Unzulässigkeit der Regelung zur Bundesjagdgenossenschaft bejaht worden.
III. Folgen für das deutsche Recht
  • Die Argumente des EGMR könnten durch den Kläger im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde vorgebracht werden und damit suggeriert werden, dass es noch kein Urteil des EGMR gibt. In der Klausur müsste man sich damit nur fragen, ob diese Argumente plausibel sind. In der Besprechung wurde bereits versucht hierauf einzugehen.
  • Ebensogut ist es aber möglich, die „alte“ Verfassungsbeschwerde ohne die Argumente des EGMR abzuprüfen (wer diese dann trotzdem ansatzweise bringt, ist natürlich umso besser zu bewerten) und eine Zusatzfrage zu stellen, was passiert, wenn die Verfassungsbeschwerde unbegründet ist, der EGMR aber eine Verletzung mit der EMRK feststellt. Kernfrage wäre dann, wie ein deutsches Gericht bzw. das BVerfG die Entscheidung einzubeziehen hat.
Die Antwort auf diese zweite Fallkonstellation soll an dieser Stelle kurz vorkonturiert werden:
Normenhierarchisch handelt es sich bei der EMRK um eine Regelung unterhalb der Verfassung. Sie hat den gleichen Rang wie einfaches nationales Recht, sodass das Urteil des EGMR nicht zu einer Unwirksamkeit oder Unanwendbarkeit der Regelungen des BjagdG führen kann. Hier zeigt sich damit auch ein zentraler Unterschied zum unionsrechtlichen Primärrecht.
Allerdings gleicht der Gewährleistungsrahmen der EMRK weitestgehend demjenigen des GG. Das BVerfG hat aus diesem Grund in der Entscheidung Görgülü am 14.10.2004 (2 BvR 1481/04) ausdrücklich festgestellt, dass Urteile des EGMR in der Entscheidung zu berücksichtigen sind. Alle staatlichen Organe sind damit verpflichtet (unter Berücksichtigung der Bindung an Recht und Gesetz aus Art. 20 Abs. 3 GG) einen Konventionsverstoß zu beenden. Das BVerfG hat zudem weiterhin konkretisiert, welche Folgen im Einzelnen aus einem Urteil des EGMR resultieren:
Zur Bindung an Gesetz und Recht gehört aber auch die Berücksichtigung der Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Entscheidungen des Gerichtshofs im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung. Sowohl die fehlende Auseinandersetzung mit einer Entscheidung des Gerichtshofs als auch deren gegen vorrangiges Recht verstoßende schematische „Vollstreckung“ können deshalb gegen Grundrechte in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verstoßen.
 Die über das Zustimmungsgesetz ausgelöste Pflicht zur Berücksichtigung der Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Entscheidungen des Gerichtshofs erfordert zumindest, dass die entsprechenden Texte und Judikate zur Kenntnis genommen werden und in den Willensbildungsprozess des zu einer Entscheidung berufenen Gerichts, der zuständigen Behörde oder des Gesetzgebers einfließen.
Der Richter ist damit verpflichtet, das Urteil des EGMR in seine Rechtsfindung einzubeziehen. Eine entsprechende Nichtberücksichtigung kann – schlussendlich auch beim BVerfG – gerügt werden.
Vor diesem Hintergrund muss es jedenfalls möglich sein, gestützt auf das einschlägige Grundrecht, in einem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zu rügen, staatliche Organe hätten eine Entscheidung des Gerichtshofs missachtet oder nicht berücksichtigt. Dabei steht das Grundrecht in einem engen Zusammenhang mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Vorrang des Gesetzes, nach dem alle staatlichen Organe im Rahmen ihrer Zuständigkeit an Gesetz und Recht gebunden sind (vgl. BVerfGE 6, 32 <41>)
Unzulässig ist es allerdings, diekt ein Verletzung der EMRK beim BVerfG zu rügen.
Die Frage wäre damit wir folgt zu beantworten: Das Gericht muss das entsprechende Urteil des EMRK berücksichtigen und nach Möglichkeit die nationale Rechtsordnung hiermit in Einklang zu bringen. Eine Berücksichtigung scheidet aber dann aus, wenn das nationale Verfassungsrecht eine Nichtberücksichtigung zwingend gebietet, wenn also ein Verstoß gg. Art. 14 GG und Art. 9 GG ausgeschlossen ist. Dies kann wiederum nur durch das BVerfG festgestellt werden. Eine Verpflichtung des BVerfG nunmehr also anders zu entscheiden besteht damit nicht. Es ist allerdings zu erwarten, dass das Urteil dennoch entsprechend umgesetzt und beachtet wird, ist die Auslegung des EuGH doch nicht so massiv abweichend zur bisherigen Ansicht des BVerfG, als dass das Urteil des EGMR verfassungsrechtlichen Grundsätzen widerspricht. Zwingend ist dies allerdings nicht.
IV. Fazit
Viel gesagt werden muss zu dem Fall nicht mehr: Er wird sowohl die Gerichte als auch vor allem Studenten noch einige Jahre beschäftigen und hat das Zeug ein echter „Klassiker“ zu werden. Gerade die neuen Wertungen des EGMR und die Frage nach dem Verhältnis zum nationalen Recht erhöhen die Brisanz und Bedeutung der Fragestellung. Die Beschäftigung mit diesem Fall ist damit ein absolutes „Muss“.


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16.07.2012/4 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2012-07-16 09:30:532012-07-16 09:30:53EGMR vs. BVerfG: Das Ende der Jagdgenossenschaft?
Tom Stiebert

„Ratten der Lüfte“: Stadttauben sind Schädlinge

Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Verwaltungsrecht

Wer kennt sie nicht, die in jeder Stadt in Massen auftretenden Stadttauben. Mittlerweile haben sie sich so an den Menschen gewöhnt, dass sie mit diesem einen gemeinsamen Lebensraum teilen und nicht mehr verjagt werden können. Überall trifft man diese „Ratten der Lüfte“ an, die sich vom Müll der Menschen ernähren. Ihr gehäuftes Auftreten bringt einige Probleme mit sich: So werden viele Bauwerke durch den Kot der Tauben beschädigt, ebenso sind die Tauben auch als Krankhheitsüberträger bekannt. Hinzu kommt, dass der gemeinsame Lebensraum von Tauben und Menschen auch für die Tauben selbst Gefahr birgt: Jeder kennt wohl die Bilder von überfahrenen oder einbeinigen Tauben, bzw. von kaputten Füßen und zerzaustem Gefieder.
Aus diesem Grund sind viele deutsche Städte entschlossen, die Taubenplage einzudämmen, indem entweder die Tauben vergrämt werden, Anti-Baby-Pillen für Tauben verteilt werden, oder die Eier gegen Attrappen getauscht werden. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat in einem heute rechtskräftig gewordenen Urteil v. 1.9.2011 (8 A 396/10) jetzt auch bestätigt, dass es sich bei Tauben um Schädlinge i.S.d. Tierschutzgesetzes handelt, deren Tötung durch Menschen mit notwendigen Kenntnissen und Fähigkeiten möglich ist (§ 4 Abs. 1 S. 3 TierSchG). Bei der gewerbsmäßigen Tötung bedarf es allerdings einer Erlaubnis der zuständigen Behörde (§ 11 Abs. 1 Nr. 3e TierSchG).
Nachfolgend ein Blick auf das Urteil des Verwaltsgerichtshofs:
Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger, ein ausgebildeter Jäger und Falkner, begehrte von der zuständigen Behörde eine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Bekämpfung der Tauben nach folgender Methode:

Er wirbt für einen von ihm entwickelten sog. Fangschlag, einen Käfig, mit dem Tauben lebend eingefangen werden sollen. Später sollen die Tauben durch einen Stockschlag auf den Hinterkopf betäubt werden, um sie anschließend endgültig zu töten, indem der Kopf der Taube entfernt wird.

Dieses Anliegen wurde durch die zuständige Behörde unter Verweis auf § 1 TierSchG abgelehnt, da Stadtuben nicht per se Schädlinge darstellen. Nur bei einer konkreten Gefährdung sei dies erfüllt. Der dagegen gerichtete Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.
Auch die hiergegen gerichtete (Verpflichtungs)Klage vor dem Verwaltungsgericht blieb erfolglos, sodass der Kläger Berufung beim Verwaltungsgerichtshof einlegte. Dieser befasste sich erneut mit der Fragestellung, ob Tauben Schädlinge darstellen.
Dazu wurde zunächst festgestellt, dass die Schädlingseigenschaft auf einer konkreten Gefährdung nicht beruhen müsse. Auch eine abstrakte Gefährdung müsse genügen. Dem zugrunde liegt eine Abwägung zwischen dem geschützten Interesse der Menschen (Gesundheit) und dem Tierschutz. Grundsätzlich müsse eine abstrakte Gefahr für die Gefährdung der menschlichen gesundheit reichen, ist doch das menschliche Gesundheitsinteresse deutlich stärker zu gewichten als der Tierschutz.

Es liegt auf der Hand und wird auch von der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen, daß dem Schutzgut der menschlichen Gesundheit ein höherer Rang zukommt als dem Tierschutz und daß deshalb die Abwehr von Gefahren, die der menschlichen Gesundheit von bestimmten Tieren drohen, ein vernünftiger Grund für Maßnahmen sein kann, die mit Schmerzen, Leiden oder Schäden bei diesen Tieren verbunden sind. Die Auffassung der Antragstellerin, hierfür reiche eine abstrakte Gefahr nicht aus, verkennt den Begriff der abstrakten Gefahr.
Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, daß durch das Auftreten großer Schwärme wildlebender Tauben in Stadtgebieten, wie es im Gebiet der Antragsgegnerin stattfindet, eine erhebliche Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung eintritt. Die Abwehr einer solchen Gefährdung kann – bei Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – ohne weiteres einen vernünftigen Grund im Sinne des § 1 S. 2 TierschG darstellen.

Abgestellt wird hierbei allerdings nicht allein auf die Gesundheitsgefährdung der Menschen:

Gleichwohl gingen von den Tauben auch Gefahren für die Gesundheit aus, die nicht vom Anwendungsbereich des Infektionsschutzgesetzes erfasst seien. Hierzu zählten, insbesondere bei immungeschwächten Personengruppen wie Kindern, alten Menschen und Kranken – neben allergischen Reaktionen beim Einatmen von Feder- oder Kotstaub – auch starke Gesundheitsbelastungen sowie Allergien, die durch von Tauben verbreitete Parasiten wie der Taubenzecke und der Vogelmilbe hervorgerufen werden könnten

Auch auf die Substanzschäden an öffentlichen und privaten Gebäuden wird hingewiesen.

Auch der Schutz des Eigentums Privater und der öffentlichen Hand stellt einen Grund dar, die Taubenpopulation zu regulieren und so der Verschmutzung von Gebäuden durch Taubenkot entgegenzuwirken.

Damit liegt durch die Tauben zumindest eine abstrakte Gefährdung vor. Allerdings gilt dies nur dann, wenn diese in einer gehäuften Population auftreten – eine Taube allein ist noch kein Schädling. Eine Gruppe von Tauben führt aber dazu, dass eine Behandlung als Schädling geboten ist.

Das ist der Fall bei Schwärmen ab einer Größenordnung von etwa 10 Tieren pro 100 Quadratmeter Grundfläche.

Daneben sind die Tauben aber auch in geringeren Populationen dann als Schädling anzusehen, wenn besondere Gesundheitsschutzgründe eine Gefährdung anzeigen, bspw. in der Nähe von Nahrungsmittelbetrieben. Gleiches gilt bei denkmalgeschützten Gebäuden.

Unabhängig davon, ob die Tauben im Schwarm auftreten, handelt es sich außerdem dann um Schädlinge, wenn nach der Beurteilung der für den jeweiligen Einsatzort zuständigen Fachbehörde (Gesundheitsämter, Gewerbeaufsicht) Gründe des Gesundheitsschutzes oder des Arbeitsschutzes der Duldung der Tauben entgegenstehen. Dies gilt darüber hinaus im Falle der durch Taubenkot an Gebäuden drohenden Schäden außerdem auch für denkmalgeschützte Gebäude.

 
Damit sind die Tauben als Schädlinge anzusehen, mit der Folge, dass bei entsprechender personlicher Geeignetheit, die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Bekämpung zu erteilen ist. Die hiergegen gerichtete Revision wurde zum 24.1.2012 zurückgezogen, so dass das Urteil nunmehr rechtskräftig ist.
Kommentar
Ein meiner Ansicht nach völlig zutreffendes Urteil des Verwaltungsgerichtshofs. Zu Recht sind Mittel gegen die Taubenplage in Städten zu ergreifen – notfalls eben auch die Tötung der Tauben. Sicherlich sind dabei Aspekte des Tierschutzes zu beachten, allerdings darf dieser meiner Ansicht nach nicht dazu führen, dass die Interessen der Menschen vernachlässigt werden. Dies erkennt das Gericht hier zurecht. Zudem spielt meiner Ansicht nach auch der aspekt eine Rolle, dass die Tauben in den Städten oftmals kein ordentliches Leben haben, sondern unter den schlechten Bedingungen leiden. Mittel zur Eindämmung der Taubenpopulation sind damit auch mittelbar aus Gründen des Tierschutzes geboten. Bei Ratten oder Mäusen würde sich die Diskussion, ob es sich um Schädlinge handelt wohl erst gar nicht stellen; bei Tauben muss dann meiner Ansicht nach das gleiche gelten.
 
Klausurrelevanz
Zumindest die verwaltungsrechtlichen Grundsätze eignen sich auch gut für eine Klausur. Insbesondere auch deshalb, weil das Urteil selbst, die zahlreichen pro und contra Argumente enthält und sich so auch gut füür eine Klausur eignet. Anhand des TierSchG (welches wohl abgedruckt werden müsste) könnte dann auch gut die Subsumtion unter unbekannten Normen geprüft werden.

25.01.2012/11 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2012-01-25 14:45:392012-01-25 14:45:39„Ratten der Lüfte“: Stadttauben sind Schädlinge
Dr. Christoph Werkmeister

VG Münster zum Tätowieren von Tieren

Rechtsprechung

Eine Entscheidung zu einem interessanten Sachverhalt erließ das das VG Münster durch Beschluss vom 4. Oktober 2010 (Az. 1 L 481/10). Der Leitsatz der Entscheidung lautete folgendermaßen:

Das allein optischen Veränderungen eines Tieres dienende Tätowieren verstößt gegen § 1 Satz 2 und § 6 Abs. 1 TierSchG. 2. Es gibt keinen vernünftigen Grund Tieren außerhalb der tierschutzrechtlichen Gestattungen Schmerzen durch das Stechen von Nadeln zuzufügen. 3. Ein „Tatooservice für Tiere“ ist schon grundgesetzlich nicht durch Art. 12 GG geschützt, weil sich der Tierschutz (Art. 20 a GG) bereits auf der Schutzbereichsebene gegenüber der Berufsfreiheit durchsetzt.

Die Entscheidung ist bereits etwas älter und auch nur von einem VG erlassen, so dass ihr keinesfalls eine erhöhte Examensrelevanz zukommt. Dennoch soll sie unsere Leser daran erinnern, dass Art. 20a GG durchaus einmal im Rahmen einer Abwägung in öffentlichen Recht zum Tragen kommen kann. Ausführlicher deshalb zur Schutzdimension des Art. 20a GG und der Handhabe in der Klausur dieser Beitrag,

23.10.2011/1 Kommentar/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2011-10-23 18:04:452011-10-23 18:04:45VG Münster zum Tätowieren von Tieren
Dr. Christoph Werkmeister

Examensrelevante Probleme im Rahmen von Art. 20a GG

Öffentliches Recht, Verfassungsrecht

Art. 20a GG ist relativ neuer Artikel in unserem Grundgesetz. Anlässlich einer Reihe von Urteilen des BVerfG (etwa kürzlich Urt. v. 12.10.2010 – 2 BvF 1/07), die sich mit dem Thema beschäftigten, halte ich diese Norm durchaus für potentiell examensrelevant.
Normtext Art. 20a [Umweltschutz; Tierschutz]

Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.

Keine subjektiven Schutzansprüche – allein objektives Verfassungsrecht
Art. 20a GG weist den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen als Staatsziel aus. Dies ergibt sich bereits anhand einer grammatikalischen Auslegung und aus der systematischen Stellung. Der Gesetzgeber hat die Norm bewusst nicht unter die Grundrechte im ersten Abschnitt des GG eingereiht hat, sondern die verfassungsrechtliche Verankerung erst im zweiten Grundgesetzabschnitt und hier in räumlich-inhaltlicher Nähe zu den Staatsstrukturprinzipien aus Art. 20 GG vorgenommen
Die historische Auslegung ergibt, dass der Umweltschutz nicht in Form von subjektiven Rechten, sondern allein und nur in der Form einer Staatszielbestimmung gewollt war. Ein Umweltgrundrecht, wie es insbesondere in der politischen und rechtswissenschaftlichen Diskussion der siebziger Jahre angemahnt und eingefordert wurde, war aus politischen Erwägungen herrührend nicht gewollt.
Als Individuum lassen sich aus Art. 20a GG also keine subjektiven Rechte herleiten. Insbesondere erhalten Vorschriften, die keinen drittschützenden Charakter besitzen, einen solchen (und dadurch eine Klagebefugnis) nicht etwa dadurch, dass sie den verfassungsrechtlichen Schutzauftrag des Art. 20a GG auf unterverfassungsrechtlicher Ebene näher ausformen. Weiterhin gewinnt der einzelne aus dem ökologischen Staatsziel folgerichtig kein subjektives einklagbares Recht auf eine bestimmte legislative Tätigkeit.
Aber zumindest objektives Verfassungsrecht
Art. 20a GG enthält allerdings nicht bloß einen verfassungspolitischen Programmsatz, sondern beinhaltet eine unmittelbar geltende, an alle Formen der Staatsgewalt gerichtete, Leitlinie. Nichtsdestotrotz ist auf der anderen Seite festzustellen, dass Art. 20a GG aufgrund der situativen Offenheit und der entwicklungsbedingten Dynamik ökologischer Bedarfslagen – wie etwa auch bei dem Sozialstaatsprinzip – weitgehend offen bzw. konkretisierungsbedürftig ist.
Für die Klausur bedeutet das, dass dieser Begriff insbesondere im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung relevant werden kann. Das verfassungsrechtliche Rechtsgut „Umweltschutz i.S.d. Art 20a GG“ kann dann innerhalb der Abwägung eine Rolle spielen. In diesem Sinne hat das BVerwG ausgeführt, dass durch die ausdrückliche Einordnung der Staatszielbestimmung in die verfassungsmäßige Ordnung klargestellt werde, dass der Umweltschutz keinen absoluten Vorrang genieße, sondern in Ausgleich mit anderen Verfassungsprinzipien und ‑rechtsgütern zu bringen sei. Denkbar ist es ebenso, dass bei der Untersuchung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen ein Verstoß gegen Art 20a GG geprüft werden muss.
Damit der Einbau von Art. 20a GG in der Klausur gelingt, muss in den Fällen, wo es nicht gerade um den Schutz von Tieren geht, der Begriff „natürliche Lebensgrundlagen“ definiert und subsumiert werden.
Definition des Begriffs „natürliche Lebensgrundlagen“
Eine allgemein verbindliche Definition des Begriffs „natürliche Lebensgrundlagen“ besteht nicht. Es handelt sich um einen weithin gestaltungsoffenen Begriff, der sich je nach Bedarfssituation auf dem Planeten Erde auch ändern kann. Vorsichtige und vorläufige Annäherungen bietet etwa das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (u.a. Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft).
Im Rahmen einer Klausur wäre es bei der Definition dieses Begriffes somit wichtig, darauf einzugehen, dass er die Grundlagen des Menschen erfasst, also z.B. die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, die Nutzungsfähigkeit der Naturgüter, die Pflanzen- und Tierwelt sowie die Vielfalt, Eigenart und vielleicht sogar Schönheit von Natur und Landschaft. Insgesamt und grundsätzlich geht es um die Gesamtheit der Ökosysteme.
Nicht zu den „natürlichen Lebensgrundlagen“ im Sinne von Art. 20a GG gehören „schutzwürdige Sachgüter“ wie Bauweise und Kulturdenkmäler oder gar das „kulturelle Erbe“, die gelegentlich auf europäischer Rechtsebene in den Umweltschutz einbezogen werden.
Ebenso dürfen nicht die europarechtlichen Maßstäbe für Tiergerechtheit und Naturschutz zur Auslegung des Verfassungsbegriffs herangezogen werden. Das Gemeinschaftsrecht kann systematisch nicht als Mittel zur Definition von Verfassungsgütern dienen. Das EU-Recht stellt vielmehr auf einer eigenen Ebene Mindeststandards auf, deren Verletzung gesondert nach anderen Maßstäben gerügt werden kann.
Keine mittelbare Drittwirkung
Nach Sinn, Wortlaut und auch Entstehungsgeschichte ist die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG nur an den Staat bzw. dessen Zuständigkeitsträger, nicht dagegen an Private gerichtet. Als Staatszielbestimmung fällt Art. 20a GG schon wesensmäßig keine Drittwirkung zu. Art. 20a GG konstituiert zwar eine materiale Wertentscheidung zugunsten des Umweltschutzes, diese bedarf aber zuerst der Umsetzung bzw. konkreten Aktualisierung durch den Gesetzgeber.
In Privatrechtsstreitigkeiten spielt Art. 20a GG somit keine Rolle. § 241 Abs. 2 BGB erfasst in seinen Schutzpflichten bereits, dass die körperliche Integrität des Vertragspartners zu achten ist; insofern sind Fälle, bei denen aufgrund von Umweltverschmutzung Gesundheitsschäden bei Vertragspartnern auftreten, bereits hiervon erfasst. Das gleiche gilt ebenso beim Deliktsrecht im Rahmen von § 823 BGB etc., wo die Gesundheit ebenso geschützt ist.
Beschränkte Justiziabilität
Die konkrete Umsetzung des in Art. 20a GG angelegten bzw. vorgegebenen Handlungsauftrages an die legislative Gewalt ist der gerichtlichen Nachprüfbarkeit weitgehend entzogen. Von Verfassungswegen vorgegeben ist lediglich das ökologische Ziel, nicht aber auch der Weg dorthin. Dem Gesetzgeber steht somit bei der konkreten Ausgestaltung eine weite Einschätzungsprärogative zu.
Genauso kann es sich für die Exekutive verhalten, sofern etwa Umwelt- oder Tiertbelange angemessen im Tatbestand einer Norm zu berücksichtigen sind. Das bedeutet, dass Behörden diese Belange bei solchen Normen zwar zu beachten haben, wie diese Belange aber konkret umgesetzt werden, bleibt Ihnen überlassen. Das bedeutet, dass im Rahmen solcher Entscheidungen weitreichende Beurteilungsspielräume denkbar sind. Andererseits bedeutet das natürlich trotzdem, dass gerichtlich überprüfbar ist, ob die Behörde diese Belange überhaupt in Betracht gezogen hat, bzw. ob ein sog. Beurteilungsfehler vorliegt.
Verstöße gegen Art. 20a GG
Sofern etwa konkrete Ausgestaltungen des Umweltschutzes in Gesetzesform gegossen werden, hat sich der Gesetzgeber etwa in Fällen von Regelungen zur artgerechten Tierhaltung am aktuellen Stand der Wissenschaft zu orientieren (Urt. v. 12.10.2010 – 2 BvF 1/07). Bevor hier konkrete Regelungen erlassen werden konnten, besteht zudem eine vorherige Ermittlungspflicht, um diesen Stand der Wissenschaft zu ermitteln. In Zweifelsfällen dürfen neue Haltungsformen erst eingeführt werden, wenn ihre Vereinbarkeit mit den Anforderungen an eine artgerechte Tierhaltung nachgewiesen ist.
Weiterhin ist im Rahmen von Ermächtigungsgrundlagen für Rechtsverordnungen in Bereichen des Umwelt- und Tierschutzrechts durch geeignete Verfahrensnormen sicherzustellen, dass bei der Setzung tierschutzrechtlicher bzw. umweltrechtlicher Standards die o.g. Informationen zum Stand der Technik auch verfügbar sind und vom Verordnungsgeber genutzt werden.
Diese genannten Grundsätze lassen sich auf behördliche Entscheidungen im Umwelt- und Tierrecht übertragen. Die Behörden haben stets dafür zu sorgen, dass ihre Entscheidungen technisch auf dem aktuellen Stand sind und haben durch entsprechende Verfahren dafür zu sorgen, dass diese Informationen auch wirksam in die Entscheidung mit einfließen können.
Examensrelevanz
Da im Rahmen der Anwendung von Art. 20a GG noch eine Vielzahl an Fragen offen und da die Anwendung der Norm in weiten Teilen wohl gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist, bietet sich die Norm hervorragend zum Improvisieren in der Klausur oder mündlichen Prüfung an. Hier wird wie in den meisten Fällen von exotischen Randproblemen kein detailliertes Fachwissen abgefragt, sondern es genügen eine brauchbare Definition und Subsumtion. Darüber hinaus lassen sich Aspekte beschränkter Justiziabilität wie Beurteilungsspielräume bzw. die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers einbauen, so dass insoweit zunächst einmal eine Masse abstraktes Grundwissen präsentiert und im Einzelfall angewendet werden kann.

31.01.2011/4 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
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06.02.2023/1 Kommentar/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2023-02-06 14:08:362023-02-06 14:09:39BGH zu Urheberrechtsstreit zwischen Grafikdesigner und FC Bayern
Gastautor

Das Betäubungsmittelstrafrecht – Ein Überblick über Begriff, Menge und Straftatbestände

Rechtsgebiete, Startseite, Strafrecht, Strafrecht BT, Verschiedenes

Wir freuen uns, nachfolgenden Gastbeitrag von Sabrina Prem veröffentlichen zu können. Die Autorin ist Volljuristin. Ihr Studium und Referendariat absolvierte sie in Düsseldorf. Ist das Betäubungsmittelstrafrecht – zumindest als Lehrmaterie – im […]

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01.02.2023/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2023-02-01 10:00:002023-01-25 11:49:57Das Betäubungsmittelstrafrecht – Ein Überblick über Begriff, Menge und Straftatbestände
Gastautor

Neue Rechtsprechung des BGH zur Ersatzfähigkeit von „Schockschäden“

Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Startseite, Zivilrecht

Wir freuen uns, nachfolgenden Gastbeitrag von Simon Mantsch veröffentlichen zu können. Er studiert Rechtswissenschaften an der Universität Bonn und ist als Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Flick Gocke Schaumburg tätig. Ein nach §§ 823 […]

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16.01.2023/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2023-01-16 15:42:082023-01-25 11:42:19Neue Rechtsprechung des BGH zur Ersatzfähigkeit von „Schockschäden“

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